Zum 150. Jubiläum der Figurengruppe – Die jungen Donau als Kind im Schoß der Mutter Baar von Xaver Reich

Zur Wiederaufstellung am neuen Donauzusammenfluss hielt der Leiter des FF-Archives, Dr. Jörg Martin, heute am 14. September 2025 eine Vortrag über die Mutter Baar und Xaver Reich.

Dr. Jörg Martin zur jungen Donau als Kind im Schoß der Mutter am 14. September 2025

Vielen Dank an Dr. Martin der heute so nebenbei auch die lange ungeklärte Frage, wo die Donauquelle nun sei, ein für allemal beantwortet hat.

Die Donauquelle gluckst vor Freude,
weil sie jetzt weiß wo es beginnt,
ein langer Weg, ein langes Leiden,
das jetzt nicht nur im Sand verrinnt.
Der Ruf tönt nun wie Donnerhall,
auch in den fernen Ländern.
Furtwanger beruhigt euch nun,
jetzt könnt ihr nichts mehr ändern.

F.Hucke (Haimaddischder)
https://hieronymus-online.de/donauquelle-folge-352/

Unten mehr über Xaver Reich und die Geschichte der „jungen Donau als Kind im Schoß der Mutter Baar“:

Aus dem Denkbuch von Lucian Reich:
 „Zu den bedeutendsten Aufträgen, die mein Bruder von Fürst Karl Egon III. erhalten hat, gehörte die Aufgabe, bei der Neueinfassung der Donauquelle im Schloßhofe auch diese mit einer Figur oder Gruppe zu charakterisieren. Statt wieder eine Nymphe, sagte mir Xaver, wolle er die junge Donau als Kind im Schooße der Baar in Vorschlag bringen. Dem Fürsten gefiel dieser die Heimat des Stromes so klar bezeichnende Gedanke; und der Beauftragte modellierte das Modell zu der Gruppe dann in München im Verkehr mit den Freunden Schwind und Schaller und auch mit Professor Widenmann.

Als die Donauquelle im Schloßhof 1875 von Adolf Weinbrenner neu gefaßt und umgruppiert wurde, gestaltete also Xaver Reich die Gruppe: „Die junge Donau als Kind im Schoß der Mutter Baar“. 1895 schuf der Künstler Adolf Heer eine neue Marmorgruppe die über die Einfassung der Donauquelle kam – die „Mutter Baar“ darstellend, wie sie ihrer „Tochter“, der jungen Donau, den Weg weist – diese ist heute noch an der Quellfassung.

1939 schenkte Fürst Max Egon die Figurengruppe mit der jungen Donau „als Kind im Schoß der Mutter Baar“ von Xaver Reich der Stadt Donaueschingen. Reichs Gruppe fand in den 1970er Jahren in der Nähe des Zusammenflusses von Brigach und Breg eine vorläufige Bleibe. Im Jahr 2021 wurde sie für die Umgestaltung des Zusammenflusses entfernt und harrte auf dem Gelände der Verbandskläranlage auf ihren neuen Platz auf dem die gestern am 9. April 2025 wieder aufgestellt wurde.


Xaver Reich

1. Version vom Juni 2022

Die Eltern: Luzian Reich und Josefa Schelble
Fotos von Johann Nepomuk Heinemann Anfang 1866

Franz Xaver Reich (1. August 1815 in Hüfingen – 8. Oktober 1881 in Hüfingen) war der ältere Bruder von Lucian und Elisabeth (Lisette).

Die Schelble waren ein Althüfinger Geschlecht. Der Urgroßvater, Franz Xaver (*28.08.1731) war Kunsthandwerker, und zugleich versah er, wie schon sein Vater, den Amtsdienerdienst.
Franz Xaver Schelble fertigte die Altäre in Meßkirch, Gutmadingen, Hausach, Löffingen und die mit Hilfe seines Schwiegersohnes und Geschäftsnachfolgers Johann Gleichauf die Seitenaltäre der Hüfinger Pfarrkirche. Johann Gleichauf (4.2.1764-23.03.1816) war mit Anna Maria Schelble (27.03.1760-27.12.1816) verheiratet.

Der Großvater Franz Joseph Donat Schelble (*17.02.1762-13.02.1835) war Korrektionshausverwalter und beschäftigte sich mit Uhrenmachen und beaufsichtigte die Römischen Ausgrabungen im Mühleschle und am Fuße des Hölensteins, wofür er vom fürstlichen Protektor mit einer goldenen Repetieruhr beschenkt wurde.

Alter Eingang vom Römerbad

Luzian Reich gründete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Mal- und Zeichenschule in Hüfingen. Dort unterrichtete er unter anderen auch seine Söhne Lucian und Xaver, die Brüder Nepomuk und Josef Heinemann und auch Rudolf Gleichauf.

So schreibt Lucian Reich im Denkbuch: „Glückliche Zeit so ein Vakanztag, in dem man in der Stube am Zeichentisch sitzt, während es draußen stürmt und den Schnee wirbelnd durch die Gassen jagt, oder regnet, „was abe mag!” Und so saßen auch wir, mein Bruder Fr. Xaver und ich, mit („Muckle”) Joh. Nep. Heinemann (gleich mir im teuren Jahr 17 geboren) manche Stunde zusammen.

Xaver Reichs Geflügelhof

Aber praktisch, wie der Xaveri in allem war, wollte er bald auch mit seiner Kunstfertigkeit Geld verdienen. So z. B. hatte er einen ganzen Geflügelhof in Thon modelliert, der im Ofen des Hafners Härle gebaut und naturgetreu koloriert wurde.

Es war kurz vor dem Klausenmarkt, und die Herrlichkeit wurde einer vertrauten Käsehändlerin zum Verkauf übergeben. Aber so oft die kleinen Künstler am Tischlein der Frau vorbeistrichen, sahen sie die Schaar noch vollzählig.

Endlich – die meisten Krämer hatten bereits eingepackt – war sie vom Tischlein verschwunden und die Frau händigte den beiden – mit Abzug ihrer Prozente – das Geld hierfür ein. Um den kleinen Spekulanten die Unternehmungslust nicht zu benehmen, hatte die Mutter eine Base auf den Markt geschickt, den ganzen Kram einzukaufen was die Brüder natürlich erst viel später erfuhren.

Lucian Reich, Badische Fortbildungsschule. Nr. 7, 1900, S. 97 ff.

Nach der Förderung durch seinen Vater, kam Xaver Reich 1832 auf Empfehlung seines Onkels Johann Nepomuk Schelble an das Städelsche Institut. Durch seinen Onkel wurde er auch Mitglied in dessen Cäcilienverein.

Lucian Reich im Denkbuch: „Mein Bruder hatte sich für die Plastik entschieden. Formensinn und außerordentlich geschickte Hand befähigten ihn hierzu. Jeden Herbst kam Onkel Schelble zu Besuch in die Vaterstadt, und was wir von ihm vom Städel’schen Kunstinstitute hörten, ließ uns Frankfurt in ganz verklärtem Lichte erscheinen. Gegen Ende der 20ger Jahre war Zwerger, der Zögling Danneckers, aus Italien zurückgekommen.
In Hüfingen, bei seinem Schwager, Schloßverwalter Wehrle, vollendete er seinen „Hirtenknab” in Karrarischem Marmor. Von Schelble empfohlen, hatte er bald nachher eine Berufung an das Städel’sche Institut erhalten. Und nun erbot er sich, meinen Bruder als Schüler anzunehmen; und somit verließ dieser im Herbste 1832 mit Onkel und Tante die Vaterstadt, und im Jahr darauf fuhr auch ich mit ihnen der ersehnten freien Reichsstadt (Frankfurt) zu. Das Städel’sche Institut war gewissermaßen noch im Entstehen begriffen. Mein Bruder hatte seine Lehrzeit noch im alten Hause auf dem Roßmarkt begonnen, und der Umzug ins neue war kurz vor meiner Ankunft bewerkstelligt worden, so daß zehn oder zwölf Malerschüler, mit mir dem jüngsten, erstmaligen Besitz von den obern vier, in den Hof und Garten hinausgehenden, Ateliers nahmen. Es war eine gemischte Genossenschaft, die sich da zusammengefunden, ein Konglomerat verschiedenster Ausbildungsstufen und Richtungen, jeder mit einem andern Gegenstand beschäftigt.

Xaver Reich gezeichnet von
Nepomuk Heinemann 1838

Foto von Xaver Reich

Franz Xaver Reich
Lithografie seines Schwagers Johann Nepomuk Heinemann, 1848, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oIII 609.

Franz Xaver Reich
gezeichnet von Josef Heinemann

Lucian Reich schreibt viel über seinen Bruder im Denkbuch:
https://hieronymus-online.de/denkbuch-von-lucian-reich-1896/

Josefa Reich, geb. Elsässer (1823-1900)

Lucian Reich im Denkbuch: „Kamen wir Mittwoch abends aus dem Aktzeichnen, so nahmen wir den Weg an der Hauptwache vorbei zum Rauchschen Hause, in dessen Saal der Verein seine Proben abhielt. Xaver reihte sich dann jedesmal den Sängern an, während ich, oft der einzige Zuhörer, unter der Galerie Platz nahm. Während unsres drei-, resp. vierjährigen Aufenthaltes in der Mainstadt hatten wir, ohne bei befreundeten Familien eingeladen zu sein, selten einen Abend außer dem Hause zugebracht.

Blick aus einem Fenster des Hotels „Russischer Hof“

auf der Zeil nach Westen zur Hauptwache (William Henry Fox Talbot, 1846)
Kalotypie Notiz auf dem Abzug: „street at Frankfort, gloomy day, 32 minutes in camera“ Hinweis: Talbots Abzug ist höchstwahrscheinlich seitenverkehrt. Der 1891 abgerissene Russische Hof befand sich auf der Nordseite der Zeil, siehe dazu auch ein Foto von Mylius, die Katharinenkirche hingegen auf der Südseite. Die Zeil verläuft in ost-westlicher Richtung zur Hauptwache; es ist von der Zeil aus daher nicht möglich, die Katharinenkirche rechts (nördlich) vom Hauptwachengebäude sehen.
Foto: Wikipedia

Xaver Reich ging 1836 nach München und arbeitete in der Bildhauerwerkstatt von Ludwig Schaller, der Ludwig Schwanthaler bei der Ausschmückung der 1836 eröffneten Pinakothek unterstützte. Zwerger, Schaller und Schwanthaler waren Vertreter des klassizistischen Stils.

Vermutlich Johann Nepomuk Zwerger
(* 28. April 1796 in Donaueschingen; † 26. Juni 1868 in Cannstatt).
Deutscher Bildhauer und Hochschullehrer.
Hier 1829 gezeichnet von Luzian Reich senior.

Lucian Reich im Denkbuch: „Im Atelier Schallers hatte er (Xaver), obgleich im Steinarbeiten nicht geübt, resolut zu Hammer und Meißel gegriffen und nach Schallers Modell die Holbeinstatue für die Pinatothek in Stein ausgeführt. Im Lehrsaal Zwergers war er bis in die letztere Zeit der einzige Schüler gewesen, der sich ausschließlich der Plastik widmete. Zu den jüngern Fachgenossen, mit denen er jetzt verkehrte, zählte vor allen Hähnel (später Professor in Dresden). Entwürfe, die er mir von seiner Tätigkeit als Mitglied eines Komponiervereins zuschickte, ließen ein frisches, freudiges Schaffen erkennen. Jetzt, nach kurzem Verweilen in der Vaterstadt, hatte er das Glück, an Fürst Karl Egon zu Fürstenberg einen Mäcen zu finden. Der erste bedeutende Auftrag betraf die Donaugruppe für den fürstlichen Park, wozu er das Modell in München fertigen sollte.….

….Im Gesellschaftshause Frohsinn hatte er (Xaver) Atelier und Wohnung gemietet; und ein glücklicher Gedanke war es den Kunstheros Cornelius um einen Besuch zu bitten. Und er kam oft, der kleine große Mann mit dem Blicke des Adlers, und nicht nur mit Worten, auch mit genial hingeworfenen Bleistiftstrichen suchte er den jugendlichen Modelleur auf die Erfordernisse monumentaler Plastik ausmerksam zu machen. Wozu mir in Frankfurt die Anregung gefehlt, das tat ich jetzt wieder, indem ich ein Bild aus dem Leben malte. Hierauf begab auch ich mich ebenfalls nach München, wo ich im „Frohsinn, den auch Schaller und Bildhauer Eduard Wendelstädt, Sohn des Inspektors am Städelschen Institut, bezogen hatten, mich einquartierte. (Das bedeutendste Werk dieses talentbegabten, frühe verstorbenen Künstlers ist die Statue Karls des Großen auf der Mainbrücke zu Frankfurt.)“

Johann Nepomuk Schelble, der geliebte Onkel und Gönner starb viel zu früh am 06.08.1837.

Lucian Reich in den Wanderblühten: „Es war am 6. August des Jahres 1837, an einem Sonntag, als das Totenglöcklein der Stadtkirche üblicherweise den Einwohnern verkündete, dass ein Mensch aus ihrer Mitte geschieden sei. – Es war das Scheidezeichen für Johann Nepomuk Schelble. – Im Geleite der Seinigen hatte er denselben Tag einen Spaziergang auf ein entferntes Grundstück unternommen, als er zurückkehrend am Eingange seines Gartens von einem Blutsturz befallen wurde, der seinen Leben in den Armen seiner Gattin ein schmerzliches schnelles Ende machte.

Lucian Reich im Denkbuch: Unser Schaffen und Streben war im besten Zuge, als uns, wie ein Blitz aus heiterem Himmel — denn er hatte sich ja in anscheinender Besserung befunden — die Nachricht vom Tode Schelbles traf.

Wegen in des Todes kehrten die Brüder nach Hüfinger zurück, wo Xaver 1837 für Fürst Karl Egon II. zu Fürstenberg die monumentale Sandsteingruppe „Donau mit den Zuflüssen Brigach und Breg“ schuf, die ihn öffentlich bekannt machte.

Wilhelm August Rehmann, Leibarzt und Hofrat von Fürst Karl Egon II. zu Fürstenberg veranlasste, dass Xaver Reich eine Skizze modellieren konnte, welche die Donau mit ihren Zuflüsse Brigach und Breg zeigte. Karl Egon II. war vom Ergebnis begeistert und beauftragte Reich damit das Modell 1837 im großen Maßstab herzustellen. Im Schloss Hüfingen erhielt er von seinem Mäzen dann ein Atelier geräumt, um die Gruppe in Sandstein auszuführen. Die Sandsteingruppe wurde auf der „großen Insel im Schwanenweiher“ (heute: Pfaueninsel) im Schlosspark von Donaueschingen aufgestellt.

Danubiagruppe auf der Pfaueninsel (Postkarte 1906)

Durch Heinrich Hübsch ihn erhielt Xaver Reich vom badischen Großherzog Leopold den Auftrag, die Gruppe für das Giebelfeld der Trinkhalle Baden-Baden auszuführen, die Hübsch von 1839 bis 1842 errichtete.

Trinkhalle in Baden-Baden. Foto: Wikimedia

Durch ein Stipendium von Karl Egon II. wurde es Xaver Reich möglich, sich für einen zweijährigen Italienaufenthalt nach Rom zu begeben (1842/43). Dort freundete er sich mit dem aus Karlsruhe stammenden Bildhauer Christian Lotsch (1790–1873) an, der seit 1822 in Rom ansässig war.

Ostersonntagabend in Rom

Am nämlichen Abend (des Ostersonntags) ist Beleuchtung der Kuppel des Petersdomes. Das ganze Gebäude scheint zu glühen, man glaubt in einer Zauberwelt zu sein. Um ein Uhr in der Nacht wechselt auf einen Augenblick die Beleuchtung auf andern Punkten werden Pechkränze angezündet. Bei jeder Lampe ist ein Mann. Wer dies nicht gesehen hat, für den ist der Eindruck nicht zu beschreiben. Nach aller Aussagen soll auf der ganzen Welt nichts brillianteres stattfinden, selbst in Paris nicht. Die Lokalität ist hierzu äußerst günstig.

Das Schauspiel dauert ungefähr eine halbe Stunde in steter Abwechslung. Kanonen, welche dazwischen feuern, machen sich besonders schön. Zu Ende speit die ganze Engelsburg Feuer – man glaubt sich seines Lebens kaum sicher.«

Franz Xaver Reich, FFA, Tagebuchaufzeichnungen nach Wohl-lebe, J. L., Künstlermappe.

Aus dem Stadtlexikon Karlsruhe

Seine Wettbewerbsteilnahme für eine Kolossalskulptur „Handel und Schifffahrt“ auf dem Hauptportal des nach Plänen von Heinrich Hübsch realisierten Zollareals am Mannheimer Freihafen machte den Karlsruher Oberbaurat Ende der 1830er-Jahre auf Reich aufmerksam. In den folgenden zwei Jahrzehnten fertigte der Bildhauer für Hübschs wichtigste Bauwerke Bauplastiken an. Dazu gehören die Figurenreliefs am Hauptportal der neuen Gemäldegalerie (1837-1845; heute Staatliche Kunsthalle Karlsruhe), die unter anderen Albrecht Dürer, Hans Holbein den Jüngeren und Peter Vischer zeigen, das Giebelrelief der Trinkhalle in Baden-Baden (1839-1842; Entwurf und Gipsmodell von Johann Christian Lotsch) mit der Heilung der Kranken durch eine Quellnymphe, das Giebelrelief sowie die 20 lebensgroßen Figurenreliefs und 100 Medaillonköpfe mit Gestalten aus Oper und Drama am neuen Großherzoglichen Hoftheater (1851-1853; im Zweiten Weltkrieg zerstört) sowie die beiden Figurenpaare oberhalb der Eingänge in das Orangeriegebäude des Botanischen Gartens (1853-1857), welche Allegorien der vier Jahreszeiten darstellen. Beim Abräumen der Trümmer des Hoftheaters 1963 konnten viele der Medaillons und Figurenreliefs geborgen werden. Sie fanden zur Bundesgartenschau 1967 in und bei der im Wintergarten des Botanischen Gartens eingerichteten Badischen Weinstube eine neue Verwendung. Fünf der Medaillons wurden dem Heimatmuseum in Bad Dürrheim überlassen. 

Weitere Arbeiten von Reich in Karlsruhe sind das überlebensgroße realistische Standbild des badischen Staatsministers Georg Ludwig Winter (heute Beiertheimer Allee) sowie die Engelsfigur des Denkmals für die Opfer des Theaterbrandes (1847/48). Auch in Baden-Baden finden sich noch Werke von ihm, darunter die Statuen der Justitia (Schwert, Waage) und Lex (Gesetzesbuch, Schwörstab) am Hauptportal des 1842/43 nach Plänen von Friedrich Theodor Fischer erbauten Amtshauses (heute Ärztehaus).

https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-1185

Lucian Reich schreibt am 25.März 1853 an seine Eltern: „Hübsch wartet sehnlichst auf den Giebel. Xaver wird einige Zeit hier verweilen müssen.

Das von Leopold beauftragte und 1848 aufgestellte Denkmal für die 63 Todesopfer die beim Brand des Karlsruher Hoftheaters am 28. Februar 1847 ums Leben gekommen waren, war der vorerst letzte Auftrag Reichs in Karlsruhe; er kehrte nach Hüfingen heim.

Familienleben

Am 28. August 1843 heiratete Xaver Reich in Kirchenhausen Josefa Elsässer (* 20. April 1823-19.11.1900).

Josefa Reich, geb. Elsässer (1823-1900)

Kinder von Xaver und Josefa Reich:

1. Berthold Lucian Joseph Reich geboren am 01.06.1844 in Karlsruhe. Hat angeblich später den Ölberg am Aufgang zu St. Johann von Donaueschingen geschaffen. Anna Reich schreibt in ihrem Brief 1876: „So, so dein Amerikaner Vetter, war ein solcher Herzeroberer, nun ich bin froh, daß ich ihn nicht kennen lernte„. Dies spricht dafür, dass es uneheliche Nachfahren gibt, von denen die Cousinen wussten. Ob Berthold in Amerika war, ist nicht bekannt. Anscheinend ist er aber erst 1925 gestorben, wie Vetter schreibt.

In der Chronik vom Vetter steht: „Der Sohn Bertold, im Juni 1854 in Karlsruhe geboren und am 24. Oktober 1925 gestorben, trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde ebenfalls Bildhauer.

Im Hüfinger Sippenbuch gibt es gleich gar keinen Berthold. Aber dass Berthold 1844 in Karlsruhe geboren wurde, macht mehr Sinn, da 1854 die Reichs in Hüfingen wohnten.

2. Erwina Amalia Josepha, geboren 05.08.1845 in Karlsruhe -?

3. Maria Josefa Amalia, geboren am 21.01.1848 in Hüfingen. Am 8.3.1866 heirat mit Karl Eschborn *9.7.1834, FF Forstverwalter. Lucian Reich 1866 in einem Brief an die Eltern: „Zum hl. Josephsfest meine herzlichsten Glückwünsche dir, liebe Mutter, so wie auch unsere Josepha’s im Garten und neugegründetem Eschborn’schen Hause.“
1 überlebendes Kind von dreien: Maria Josefa ( *1.6.1867-?)

4. Amalia Maria Anastasia geboren am 23.09.1850 in Hüfingen, gestorben am 22.10.1939 in Hüfingen

5. Klara Mathilde, geboren am 27.11.1852 in Hüfingen, verheiratet am 27.9.1877 mit Sigmund Gayer geboren in Unterliezheim am 23.03.1847, Forstverwalter Geisingen. Enkel Oberforstrat Erwin Gayer ?

6. Karl Guido geboren am 14.11.1858 in Hüfingen. Anna Reich schreibt ihrem Brief 1876: „Soso du sprachst mit meinem Herr Vetter Bodenhopser, Schubladenzieher, wenn du zu ihm kommst wieder, dann bitte ich dich um alles in der Welt, sage zu ihm er sei ein Erdslügner ein fauler Fisch, ein ein ein Spinnenbobelenhirn u. noch vieles Andere hast gehört dieses sagst zum hast’s gehört, er wird dann schon wissen warum u. was drum und dran hängt.“

Carl Guido heiratet eine Josephine (Sophia) Kirchler geboren am 15.12.1864 und beide wandern spätesten 1886 in die USA aus. Sophia Reich stirbt in New Jersey am 24.10.1926.

Census von 1900 New Jersey

Kinder:

Hermann, *13.05.1887 New Jersey – 1953 verheiratet mit Myrtis M Gifford (1893-1981)
Kind: Robert Hermann Rich (1930-1992). Kinder von Robert: Pamela Bennetsen, Brian Rich, Robert Rich.

Christian, 11.02.1989 New Jersey

George, 10.03.1890 New Jersey

William Alexander Reich, *9.04.1891 in New Jersey- 25.06.1941
Kinder: Margret Reich, William Reich, Ernest Reich, Ruth Clara (Reich) Prince 4.08.1918 in New York, NY-8.12.2002)

Catherine Katie ? (Reich) Smith, 8.09.1895-?
Tochter: Virginia Catherine (Smith) Macian 9.03.1920-30.05.2001 Plam Beach

Ernest George Reich, 6.06.1895 in Jersey City, 34.02.1967 in Leon County, Florida,
2 Kinder

Philip Reich, 2.09.1897 in Jersey

Michael Reich, ?

7. Amalia geboren am 25.12.1860-31.8.1955. Wird in den Briefen als „Christkindlein“ erwähnt: „Eine dritte Gratulation bitte ich in Xavers Familie gelangen zu lassen, wegen der glücklichen Ankunft des Christkindleins.

Fronleichnam in Portici

1842/43 war Xaver Reich in Pisa, Florenz und in Verona und begeisterte sich für die Tradition der Blumenteppiche.

Nach Vorbild aus Portici fertigte er in Hüfingen vor seinem Elternhaus den ersten Blumenteppich und legte so den Grundstein einer langen Tradition.

Film von Ernst Kramer in den späten 1920er

Franz Xaver Reich wohnte mit seiner Familie im ehemaligen Anwesen seines Onkels Johann Nepomuk Schelble an der Bräunlinger Straße.

In Hüfingen erweiterte er die Ziegelei, die er von seinem Vater übernommen hatte, um die Produktion von Terrakotten.

Tages-Neuigkeiten
1853

Donaueschingen, 15. Febr. Seit mehreren Wochen sah man die hiesigen Freunde der Kunst in das nahe Städtchen Hüfingen wandern, um im fürstlichen Schlosse in dem Atelier des Bildhauers X. Reich das nun bis zum Brennen des Thones vollendete Giebelfeld zu sehen, welches bestimmt ist, den Vorbau des neuen Theaters in Karlsruhe zu schmücken. Wir glauben dasselbe sowohl in der Erfindung, als in der Ausführung ein vollkommen gelungenes nennen zu dürfen. Die durch die bekannte Giebelform für die Komposition so sehr erschwerte Aufgabe wurde auf eine Weise gelöst, als wäre dem Genius des Künstlers die freie Bezwingung seiner Schwingen zu Gebote gestanden.

In der Mitte steht eine hohe weibliche Figur – die Poesie – und theilt nach beiden Seiten des Giebelfeldes den Kranz des Ruhmes aus; an ihre linke Seite lehnt sich der Liebesgott, ein kräftig gesunder Knabe mit Bogen und Pfeil. Die beiden Gruppen zur Linken und Rechten enthalten die Koryphäen der Dichtkunst und der Musik. Zur Linken ist die erste Figur Schiller, der seinem Nachbar und Freunde Goethe ein so eben geschriebenes Gedicht zur freundschaftlichen Prüfung überreicht. Die dritte, in der Ecke des Giebelfeldes ausgestreckte, mit dem Arme auf seinen Werken ruhende Gestalt ist Lessing; er ist in das Lesen eines Buches vertieft, um seine Verdienste nicht nur als schaffender, sondern auch als kritisch prüfender Geist anzuzeigen. Auf der rechten Seite des Feldes erblickt man zuerst den heiteren, liebenswürdigen Mozart mit der Violine in der Hand. Hinter ihm und von ihm abgewendet sitzt Beethoven ernst und düster mit Aufschreiben einer Komposition beschäftigt. In der Ecke der rechten Seite, der Gestalt Lessing’s auf der linken entsprechend, ruht Gluck mit seinem edlen, ritterlichen Kopfe rückwärts gegen Beethoven gewendet; eine griechische Leyer in seiner Hand mag den antiken Geschmack seiner Muse bedeuten.

Sämtliche Figuren sind edle, würdige Gestalten und den besten Vorbildern entsprechende, gelungene Porträts. Die ganze Gruppe ist lebendig und reich; die zwischen rechts und links herrschende Symmetrie, bedingt durch die architektonische Form, hat durchaus nichts Steifes oder Störendes. Wir halten dieses Werk des rühmlich bekannten Künstlers zwar für sein schwierigstes, aber auch für sein gelungenstes, und sind überzeugt, daß wir durch dieses Urtheil die Erwartungen Derjenigen, welche die andern Werke des bescheidenen Meisters, seinen Engel auf dem Friedhofe und die Marmor-figuren an der Akademie ec. zu Karlsruhe, kennen, nicht zu hoch spannen, wenn auch das Material dieser lezteren Skulpturen in dem Auge des Laien ein günstiges Vorurtheil erzeugt.

Möge nun dem Künstler bei dem Brennen dieser seiner größten Arbeit das Glück so günstig sein, als es seine Zuversicht erwartet. Die geringste Ungleichheit im Trocknen würde bei diesen Dimensionen ein Springen der Masse veranlassen und so das Produkt von langen Monaten und unermüdlichem Fleiß vernichten.

Donaueschinger Wochenblatt, Nr. 15 vom 22. Februar 1853

Franz Xaver Reichs Terrakotten überstanden großenteils die Bombennacht vom 27. September 1944, der auch das Hoftheater zum Opfer fiel. Der Landtag bewilligte seinerzeit eine hohe Summe zu ihrer Bergung. Bürgermeister Max Gilly gelang es im Jahre 1967, einige der geretteten Medaillons für Hüfingen zu erhalten.

Zu diesen Karlsruher Arbeiten kamen Aufträge zur Ausgestaltung der Orangerie, für die er die vier Jahreszeiten schuf, und der Gewächshäuser. Franz Xaver Reichs bekanntestes Medaillon aber wurde dasjenige des alemannischen Dichterfürsten Johann Peter Hebel auf dessen Grabstein in Schwetzingen.

Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg, W 134 Nr. 061263d

Foto: 3268zauber, Wikipedia 2009

In der Zwischenzeit führte der unermüdlich tätige Künstler, dem ein Atelier im Schloß zur Verfügung stand, ehrenvolle Aufträge des Fürstenhauses in Donaueschingen aus. So entstand der Jagdhumor zeigende Fries an der fürstlichen Gewehrkammer in Donaueschingen. Die Medaillons am gegenüberliegenden Karlsbau, die etwas trocken und kühl wirken, zeigen neben den Häuptern von Dürer, Peter Fischer, Thorwaldsen und Cornelius hauptsächlich Vertreter der Naturwissenschaften. Tiefer empfunden und persönlicher gestaltet sind die mythologische »Flora« am Giebel des Gewächshauses.

Der Engel auf der Elisabetheninsel, den Fürst Carl Egon II in Erinnerung an seine früh verstorbene Gemahlin Elisabeth aufstellen ließ, wurde nach einem Entwurf von Xaver Reich gegossen. Zu seinen Donaueschinger Arbeiten zählt auch das Turnierrelief an der Reithalle.

Die Inschrift auf der Vorderseite des Sockels lautet:
Der Gerechte ist auch in seinem Tode getrost. Sp. Salomon 14, 23
auf der Rückseite: „Karl Egon Fürst zu Fürstenberg seiner unvergeßlichen Frau Elisabeth, Prinzessin Reuß ä. L. zu Greiz. geb. 23. März 1824, gest. 7. Mai 1861“ .
Das Denkmal wurde nach einen Entwurf von Xaver Reich gegossen.


In der Terrakottenbrennerei schuf er den plastischen Schmuck für das Hoftheater Karlsruhe und den Fries für die fürstliche Gewehrkammer in Donaueschingen sowie die Medaillons am Sammlungsgebäude gegenüber. Im Auftrag des Erzbischöflichen Baumeisters Lukas Engesser fertigte er zusätzliche Werke für badische Kirchen.

Als nach dem Brand des Klosters Maria Hof bei Neudingen Fürst Karl Egon II. in den Jahren 1835-56 die Gruftkirche erbauen ließ, wurde Franz Xaver Reich mit der Ausschmückung beauftragt. Er modellierte die vier Engel aus Zinkguß auf den vier Nebentürmchen, die die Kuppel flankieren. Von ihm stammen ebenso die Madonna und die beiden Heiligenfiguren über der Portalwand wie die beiden Klosterfrauen über dem Portal. Ganz Raphael nachempfunden, dessen Werke Reich während seines Romaufenthaltes besonders stark beeindruckt hatten, ist das Verkündigungsrelief des Hauptaltars. Im Jahre 1870 entstanden die beiden Seitenaltäre, die wiederum eine Madonna und die acht Seligkeiten darstellen.

Neudingen

Foto mit dem Storch von
Wolf Hockenjos

In Hüfingen sind die Skulpturen des Karl Borromäus im Hof des Landesheimes und eine Madonna über dem Portal der Pfarrkirche aus Sandstein Zeugen des unermüdlichen Schaffens des Hüfinger Künstlers. Eine weitere Madonna schuf Franz Xaver Reich für das Portal des Konstanzer Münsters, und auf der Rheinbrücke standen die Statuen der Bischöfe Konrad (934-974) und Gebhard II. (979-995), die seit den dreißiger Jahren den Rheinsteig schmücken.

Landesheim 1950

Gebhard II.

In den Nischen auf der badischen Seite der zwischen 1858 und 1861 erbauten Rheinbrücke von Kehl standen die Figuren des » Vater Rhein« und der »Mutter Kinzig« von Hans Baur und Franz Xaver Reich. Als der östliche Teil der Brücke nach der Kriegserklärung vom 22. Juni 1870 von badischen Pionieren gesprengt wurde, stürzten auch die Statuen in den Rhein. Die Statue Reichs wurde später wieder gefunden und in Verbindung mit einem Brunnen als Kriegerdenkmal vor dem Rathaus von Kehl aufgestellt. Das Rathaus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und nach dem Kriegsende nicht wieder aufgebaut. Die Kinzigstatue steht seit der Behebung geringer Schäden aber noch heute auf ihrem Platz.

Mutter Kinzig am Kriegerdenkmal 1870/71 in Kehl am Rhein.
Foto: Wikipedia 2010

Für den Erzguß der Porträtsbüste des Großherzogs Leopold erstellte Franz Xaver Reich im Auftrag der Stadt Baden-Baden das Modell. Gleichermaßen stammen von ihm die Modelle für die ehernen Standbilder des Abtes Martin Gerbert von St. Blasien in Bonndorf, die Bildnisse des Landgrafen Joachim und des Fürsten Karl Egon II. im Ornate eines Ritters vom Goldenen Vlies für den Monumentalbrunnen in Heiligenberg. Für die Heiligenberger Schloßkapelle modellierte er zusammen mit dem Bildhauer Sauer aus München den Kreuzweg, der, von der Millerschen Erzgießerei in München gegossen, in der Nagelfluwand am Weg zur Klause Egg eingelassen ist.

Madonna an Verena und Gallus von Xaver Reich

St. Peter und Paul in Bonndorf

Die Figurengruppe über dem Haupteingang vom Konstanzer Münster

Denkmal Abt Martin Gerbert von Xaver Reich aus dem Jahr 1856 im Bonndorfer Martinsgarten

Fürstenbrunnen in Heiligenberg von Xaver Reich

Leopold I. Grossherzog von Baden
von Xaver Reich

Bischof Konrad (934-974)
am Rheinsteig

Gebhard II. (979-995)
in Konstanz

Lucian Reich 1860 in einem Brief an die Eltern:Sollten in Betreff der Leopoldfigur Steine in den Weg zu werfen versucht werden, so würde ich mich entschieden auf das gegeben gutheißend Wort des Großherzogs und seines Bruders des Prinzen Wilhelm berufen, und dem Großherzog zu bedenken geben, daß mit Zurücknahme dieses gegebenen Wortes ?? dein Ruf als Künstler gefährdet werde. Die Figur ist entschieden gut und wird später, wenn sich die Staubwolken verzogen haben, ihre Anerkennung finden.
Indem ich bitte der lieben Josephine im Garten zu gratulieren ebenso bei Nober auch bei Heinemanns meine Grüße auszurichten.

Das Landhaus an der Bräunlinger Straße in dem
Johann Nepomuk Schelble und dann Xaver Reich mit Familie gewohnt hat.
Josephines Garten“ war vermutlich vor dem Haus,
wo heute noch die alten Bäume der Freunde der Natur stehen.

Zu den bedeutendsten Werken des Bildhauers zählt der Marmorengel am »Echo« in Baden-Baden, der vom Fürsten Karl Egon III. in Auftrag gegeben wurde.


Für das Denkmal seines Schwagers, des langjährigen verdienstvollen Donaueschinger Landtagsabgeordneten Kirsner, am Bahnhof, modellierte er dessen Büste, und für diejenigen des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen wurde ihm die Goldene Medaille des Hofes zuerkannt. Für den Donaueschinger Friedhof hatte Franz Xaver Reich schon im Jahr 1843 einen eindrucksvollen Corpus für das zentrale Kreuz gemeißelt.

Als die Donauquelle im Schloßhof 1875 von Adolf Weinbrenner neu gefaßt und umgruppiert wurde, gestaltete Xaver Reich die Gruppe: „Die junge Donau als Kind im Schoß der Mutter Baar“. 1895 schuf der Künstler Adolf Heer eine neue Marmorgruppe die über die Einfassung der Donauquelle kam – die „Mutter Baar“ darstellend, wie sie ihrer „Tochter“, der jungen Donau, den Weg weist.

1939 schenkte Fürst Max Egon die Figurengruppe mit der jungen Donau „als Kind im Schoß der Mutter Baar“ von Xaver Reich der Stadt Donaueschingen. Reichs Gruppe fand in den 1970er Jahren in der Nähe des Zusammenflusses von Brigach und Breg eine vorläufige Bleibe. Im Jahr 2021 wurde sie für die Umgestaltung des Zusammenflusses entfernt. Seit der Umgestaltung ist sie noch nicht wieder aufgetaucht und der Südkurier verbreitet falsche Geschichten darüber.

Die junge Donau als Kind im Schoße der Mutter Baar.
Sandsteingruppe von Xaver Reich am Zusammenfluss von Brigach und Breg von 1875.
Die Sandsteingruppe wurde im Jahre 1939 der Stadt Donaueschingen geschenkt.

Aus dem Denkbuch von Lucian Reich: „Zu den bedeutendsten Aufträgen, die mein Bruder von Fürst Karl Egon III. erhalten hat, gehörte die Aufgabe, bei der Neueinfassung der Donauquelle im Schloßhofe auch diese mit einer Figur oder Gruppe zu charakterisieren. Statt wieder eine Nymphe, sagte mir Xaver, wolle er die junge Donau als Kind im Schooße der Baar in Vorschlag bringen. Dem Fürsten gefiel dieser die Heimat des Stromes so klar bezeichnende Gedanke; und der Beauftragte modellierte das Modell zu der Gruppe dann in München im Verkehr mit den Freunden Schwind und Schaller und auch mit Professor Widenmann.

Sein letztes erhaltenes Werk waren die Statuette zu einer Schlittschuhläuferin in moderner Tracht sowie eine Skizze zu einer Grablegung Christi. Er starb am 8. Oktober 1881 in Hüfingen.

Xaver Reich, Bildhauer
1. August 1815 – 8. Oktober 1881
Josepha Reich, geb. Elsässer
23. Aprlil 1823 – 19. November 1900

Quellen: Wikipedia, Chronik der Stadt Hüfingen von August Vetter 1984, Sippenbuch der Stadt Hüfingen, Briefe von Lucian Reich, Briefe von Anna Reich, Denkbuch von Lucian Reich, Fotos von Wikimedia und privat.

Johann Nepomuk Schelble – Sein Leben, sein Wirken und seine Werke

1. Version vom 23. April 2023

Dissertation von Oskar Bormann, Frankfurt am Main 1926

Vermutlich Oskar Bormann um 1926.
Foto: Netzfund

Ich wurde am 25. August 1903 in Vaihingen bei Stuttgart geboren.
Ich besuchte die Elementarschule des Karlsgymnasiums in Heilbronn a. N. Da meine Eltern nach Höchst a. M. zogen, verließ ich diese Anstalt schon nach dem 2. Jahr und trat in die 3. Vorschulklasse der Höchster Realschule ein. Letztere besuchte ich bis zur Obersekundareife, erhielt einen Kaiserpreis und trat dann in die Sachsenhäuser Oberrealschule in Frankfurt a. M. über. Dort erwarb ich Ostern 1921 das Reifezeugnis und bezog darauf zum Studium der Musikwissenschaft die Universität in Frankfurt a. M. Im Sommersemester 1923 war ich an der Tübinger Universität immatrikuliert und darauf wieder Studierender der Frankfurter Universität bis zu meiner Exmatrikulation nach dem Wintersemester 1924/25. An den Universitäten hörte ich Vorlesungen aus dem Gebiete der Philosophie, der Germanistik und der Musikwissenschaft bei den Herren Professoren: Dr. Cornelius, Dr. Hasse, Dr. Schultz und Dr. Bauer. Daneben trieb ich ferner praktische Musik-studien, hauptsächlich an Dr. Hochs- Konservatorium in Frankfurt.

Auf Grund der vorliegenden Arbeit, erwarb ich am 1. Juli 1926 an der Universität in Frankfurt am Main den Doktorgrad.

Vorwort.

Meine Arbeit über Johann Nepomuk Schelble, deren Anregung ich Herrn Professor Dr. Bauer verdanke, verfolgt den Zweck einer eingehenden und umfassenden Würdigung eines Mannes, dessen Name auch heute noch hervorgehoben werden muß, wenn von jener gewaltigen Bewegung am Anfang des vorigen Jahrhunderts – der Bachrenaissance um 1829 die Rede ist. Wohl ist schon viel über Schelble geschrieben worden, jedoch sind diese Schriften meist nur „Erinnerungs- und Gedenkblätter“, die wohl manchen Aufschluß über Schelbles Persönlichkeit und Wirken geben, ohne aber kritisch Stellung zu nehmen und aufzuzeigen, was uns nun Schelble eigentlich bedeutet, was von seiner Tätigkeit für immer der Musikgeschichte angehören wird. Es ist daher schon oft bedauert worden, daß sich noch niemand gefunden hat, der Schelble einer gründlichen Biographie würdigte. (Gollmick in seiner Autobiographie; Professor Dr. M. Friedländer an mich usf.)

Leider ist seit dem Tode Schelbles schon zu lange Zeit vergangen, als daß ich noch für alle meine Angaben auf die ersten Quellen hätte zurückgehen können. Es dürfte aber kaum noch in Betracht Kommendes existieren, das ich hier in meiner Arbeit nicht berücksichtigt hätte (vgl. Literaturverzeichnis und Anmerkungen). Auch Schelbles Kompositionen und die Quellen für seine Lehrmethode konnte ich bis auf ganz Weniges zusammenbringen und daraus ein Bild seiner Tätigkeit auf diesen Gebieten gewinnen.

Allen Denen, deren Unterstützung ich bei meiner Forschung in Anspruch nehmen mußte, sei an dieser Stelle mein aufrichtigster Dank ausgesprochen.

Besonders verpflichtet bin ich meinem verehrten Lehrer. Herrn Professor Dr. Bauer für seine vielfache Förderung; ferner Herrn Professor Dr. Schering, der mir das von ihm in Leipzig aufgefundene handschriftliche Material gütigst überließ, sowie Herrn Professor Dr. Müller in Frankfurt, der mir bei der Durchsicht des Archivs des Frankfurter Cäcilienvereins in stets liebenswürdiger Weise behilflich war, mir auch das von ihm gesammelte Material zur Geschichte des Cäcilienvereins (Manuskript) freundlichst zur Verfügung stellte und durch seine Tätigkeit als Bibliothekar des Cäcilienvereins mir schätzenswerte Vorarbeit geleistet hatte.

Die Gliederung meiner Arbeit ist aus dem Inhaltsverzeichnis ersichtlich.

(Siehe auch: Wanderblühten – Johann Nepomuk Schelble)

Einleitung.

(Bibliographisches)

Die wichtigsten, der uns vorliegenden biographischen Aufsätze über Johann Nepomuk Schelble sind:

  1. Weismann, Joh.: J. N. Schelble, Direktor des Cäcilienvereins in Frankfurt, Frankfurt 1838.
  2. Ein Aufsatz von Lucian Reich in seinen „Wanderblüten aus dem Gedenkbuch eines Malers“: „J. N. Schelble“
  3. Ein Aufsatz von W. Oppel-Chrysander in der allgemeinen musikalischen Zeitung in Leipzig, III. Jahrgang, 1868.
  4. Biographie in Form eines Briefes des Franz Xaver Gleichauf an Lucian Reich in Hüfingen vom 28. 12. 1853; dieselbe befindet sich als Manuskript im Archiv des Cäcilienvereins.

Die kleine Schrift von Weis mann (Nr. 1) ist die Quelle fast aller späteren biographischen Artikel in Lexicis und anderer biographischer Aufsätze. (F. J. Fetis: Biographie universelle; Mendel-Reißmann; Grove; Allgemein deutsche Biographie; Nekrolog der Zeitschrift Cäcilia Band XX, Heft 79; Festschriften des Cäcilien-vereins; Leipziger allgemeine musikalische Zeitung 1839 u. 1868.) Diese erste kurze Biographie scheint also bekannt gewesen zu sein, obgleich sie nicht im Buchhandel erschienen ist.

J. Weismann (1804- 80),1) der als Professor in Frankfurt wirkte, war eines der frühesten Mitglieder des Cäcilienvereins und kannte daher Schelble genau; seine Schrift ist, wie meine Nachprüfungen ergaben, durchaus zuverlässig.

Der Aufsatz Lucian Reichs2) (Nr. 2) baut sich auf der Biographie von Xaver Gleichauf (Nr. 4) auf, die Reich zum Teil wörtlich benützt, im Ganzen aber erheblich erweitert.3) Ich habe in meiner Arbeit in den Fällen, in denen Reich Gleichauf wörtlich zitiert, immer die ursprüngliche Quelle angegeben.

Der Maler und Schriftsteller Lucian Reich (1817-1900) war ein Neffe Schelbles. Franz Xaver Gleichauf (1801-1856) der Musiker war und in Frankfurt lebte, war ebenfalls mit Schelble verwandt (Vetter).

Der Aufsatz von Oppel-Chrysander ist in seinem ersten Teile (W. Oppel) Abschrift von Weismann (Nr. 1); im zweiten Teile aber (Chrysander) kritische Stellungnahme zum Lehrer und Dirigenten Schelble, auf die ich in meiner Arbeit näher eingehen mußte.

Ich habe versucht, für alle meine Angaben die ersten Quellen ausfindig zu machen; diese fließen aber, besonders für die erste Lebzeit Schelbles, recht dürftig; es mußten öfters Weismann und Reich 4) zur Hilfe herangezogen werden, auch decken sich verschiedene Ergebnisse meiner Forschungen mit den genannten Autoren; in diesen Fällen habe ich immer die erste Quelle angegeben. Ausdrücklich sei hier noch darauf hingewiesen, daß ich nicht auf alle Irrtümer oder hypothetischen Behauptungen der überaus zahlreichen „Schriften“ (Zeitungsaufsätze, Nekrologe usf.) über Schelble eingehen durfte, wenn ich nicht den Anmerkungenapparat ins Uebertriebne steigern wollte. Der Text meiner Arbeit gibt in allen solchen Fällen die Berichtigung.


1) Der lebende Komponist Julius Weismann ist ein Enkel des Obigen.
2) Auch dieser Aufsatz wurde Quelle für spätere (Bad. Biogr. v. Weech; Festschrift des Cäcilien-Vereins).
3) Auf Grund der Briefe Schelbles an seine Eltern in Hüfingen.
4) Diese beiden Schriften sind nur noch in wenigen Exemplaren vorhanden (Archiv des Cäcilien-Vereins; Frankfurter Stadtbibliothek; Fürstliches Archiv in Donaueschingen; Landesbibliothek Karlsruhe.)

Katharina Götz – Schelble. Die Mutter von Johann Nepomuk

A. Schelbles Leben und sein Wirken als Dirigent des Cäcilienvereins.

1. Vorfahren. 5

Johann Nepomuk Schelble entstammt einer uralten Familie in Hüfingen, einem Städtchen der „Baar“, im badischen Schwarzwald gelegen. Verschiedene Variationen des Familiennamens treten uns entgegen: Schälble, Schälblin, Schelblin, Schelble. Schälblin 6) dürfte der ursprüngliche Name gewesen sein, der sich durch dialektisch – schwäbische Umbildung der Endung allmählich in Schelble verwandelte. Das Geschlecht der Schelble ist schon im 17. und 18. Jahrhundert in der „Baar“ häufig“ 7) ; nicht nur Hüfingen auch Villingen und Donaueschingen 8) weisen den Namen auf.

Schon von Samuel Schelle ab, der 1590 in Hüfingen geboren wurde, läßt sich der Stammbaum stetig verfolgen. Die Schelble in Hüfingen sind meist Amts- oder Kanzleidiener; doch scheint die Musik von jeher in der Familie heimisch gewesen zu sein. Es wird uns berichtet 9), daß der Großvater unseres Schelble, Franz Xaver, mit Vorliebe Musik betrieb. Der Großvater und auch der Vater Johann Nepomuks widmeten sich neben ihrem Kanzleidienst beim Fürstlich- Fürstenbergschen Justizamt dem Gewerbe der Faßmalerei; beide wirkten auch in der Kirche als Violinspieler mit. 10)

Franz Josef Schelble 11) (1762-1835), so hieß der Vater Johann Nepomuks, wandte sich dann von der Faßmalerei dem Schuldienst zu; er nahm Unterricht in Donaueschingen, auch in Orgel- und Klavierspiel. Der Mangel einer Singstimme bewog ihn dann, dieser Laufbahn zu entsagen. Er beschäftigte sich noch einige Zeit mit Instrumentenbau (Klaviere in einfacher Bauart), einer Liebhaberei, die er auch später noch weiter betrieb, und die ihm den Namen „Klavierlemacher“ eintrug. Eine gesicherte Stellung erlangte er erst 1790, als er „Zuchtmeister“ wurde; 1806 wird er Korrektionshausverwalter. Er war mit Katharina Götz, der Tochter eines reichen Bauern, verheiratet; dieselbe war musikalisch und besaß eine hübsche Stimme. So ist denn der musikalische Sinn, der sich seit altersher in der Familie nachweisen ließ, besonders auch bei den Eltern unsres Schelble ausgeprägt. Johann Nepomuk war von 14 Kindern der einzige Sohn.12) In den anderen Linien der Familie begegnen uns noch zahlreiche Künstler: die Linie, die von Lucian Reich (1788-1866), dem Schwager Schelbles ausgeht, weist besonders viele Maler und Bildhauer auf, Frz. Xaver Gleichauf war ein sehr angesehener Musiker und Komponist in Frankfurt; auch die Linie Engesser ist reich an Musikern. In Hüfingen ist die Familie der Schelble ausgestorben: dort leben noch die Seitenlinien Nober und Reich.

Das hervorragendste Glied dieser weitverzweigten Künstlerfamilie, Johann Nepomuk Schelle, soll uns nun weiter beschäftigen.


5) Herr Dr. Barth in Donaueschingen besorgte mir gütigst einen Auszug aus einem von Kanzleirat Anton Schelble in Donaueschingen aufgestellten Stammbaum. Außerdem befindet sich im Archiv des Cäcilien-Vereins ein Stammbaum von Professor Engesser, Karlsruhe unterzeichnet, der bis ins 20. Jahrhuntert geführt ist. Es würde über den Rahmen meiner Arbeit hinausgehen, wollte ich ihr aus diesen beiden Quellen einen vollständigen Stammbaum Schelbles beifügen: ich beschränke mich auf die Vorfahren Schelbles: einen Auszug aus der späteren Entwicklungsgeschichte der Familie gibt der Anhang der Arbeit von C. H. Müller: „Frankfurt a. Main und der deutsche Männergesang 1813 -71″, Frankfurt 1925.
6) L. Reich („Wanderblüten“) ist auch der Ansicht, ohne sie zu begründen.
7) Nach Notizen aus den Standesbüchern in Hüfingen, die ich der Güte des Herrn Dekan Schatz daselbst verdanke.
8) Es dürfte also die enderwärts gehegte Vermutung, daß Anton Schelble, der Famulus „Antor“ des Josef Viktor v. Scheffel in Donaueschingen, ein Mitglied der Familie ist, richtig sein.
9) Lucian Reich: „Blätter aus meinem Gedenkbuch“ S. 89 in den Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar in Donaueschingen, Band IX., 1896; hier heißt es irrtümlich Ur großvater.
10) So berichtet Lucian Reich in dem schon erwähnten Aufsatz in seinen „Wanderblüten„; auch die folgenden Daten sind, wenn nicht anders angegeben, dort entnommen.
11) Von ihm befindet sich eine Gipsbüste von Professor Zwerger in den Fürstl. Fürstenbergschen Sammlungen in Donaueschingen; von derselben erhielt ich eine Aufnahme durch die Güte des Herrn Dr. Barth.
12) Bis auf 4 Schwestern starben alle schon in frühester Jugend; ich kann mir daher die Verwandtschaft, die Herr Professor Dr. med. Schelble (z. Zt. in Bremen lebend) zwischen sich und Joh. Nep. Schelble vorhanden glaubt, nicht erklären.

Luzian Reich (Schwager) und Maria Josefa Schelble (Schwester)
Fotos von Johann Nepomuk Heinemann etwa 1865

II. 1789–1807
Jugendzeit, seine Lehrer, seine Ausbildung,
1. Reise nach Stuttgart.

Johann Nepomuk Schelble 13) wurde am 16. Mai 1789 in Hüfingen 14) geboren. 15) Seine Mutter sang ihm die ersten Lieder vor, den Anfangsunterricht im Klavierspiel erhielt er von seinem Vater, 16) er selbst bewies schon in frühester Jugend besondere Vorliebe für Musik: so konnte es nicht fehlen, daß das Talent des Knaben rechtzeitig entwickelt wurde und seinen Weg fand. Kriegszeiten brachen herein. Durch einen österreichischen, klavierspielenden Feldpater lernte der 7jährige Knabe Mozart’sche Melodien kennen. Kaplan Eiselin wird bald sein erster Lehrer in Gesang. Durch die großen Fortschritte des Nepomuk eine Entmutigung seiner anderen Schüler befürchtend, entließ ihn der Kaplan aus seinem Unterricht mit dem Urteil, daß es ihm an Talent mangele. Er erhielt darauf Gesangsunterricht bei dem musikalisch dilettierenden Amtskanzlisten Schlosser, der ihn soweit förderte, daß er bei der Rückkehr des wegen Kriegsgefahr geflüchteten fürstlichen Hofes in Donaueschingen eine Begrüßungsarie mit Beifall singen konnte. 17)

Durch Schlosser erhielt der Knabe schließlich eine Freistelle als Chorknabe (1800) im Reichsstift Obermarchtal einem damals bedeutenden schwäbischen Kloster. War der Unterricht hier auch pedantisch, und daher wenig fruchtbringend, so empfing doch Schelble hier seine ersten tiefen Eindrücke von der Wirkung der Musik: die nächtlichen Psalmengesänge der Mönche mit dem Orgelspiel des berühmten „Kontrapunktisten“ Sixt Bachmann blieben ihm unauslöschlich in der Erinnerung. 1803 endete der Aufenthalt in Obermarchtal mit der Säkularisierung der Klöster. Lucian Reich berichtet von einer außerordentlich heftigen Erkältung, die der Knabe sich bei der Rückkehr ins Elternhaus in einem offenen Fuhrwerk bei großer Kälte zugezogen hatte. Wahrscheinlich ist hier der Grund seiner immer wiederkehrenden und immer heftiger und gefährlicher werdenden Erkältungen zu suchen. Diese Erkältungen hinderten ihn später außerordentlich, nahmen allmählich chronische Form an und mögen schließlich mittelbar die Ursache seines durch Blutsturz erfolgten Todes geworden sein. 18)

Die erwähnte Neigung zur Indisposition und seine baldige Mutation führten ihn dem Klavierspiel zu; auch die Piccoloflöte soll er virtuos gespielt haben. Damals lernte Schelble in einer Zeitschrift einen Auszug aus Forkels „Ueber Bachs Leben und Kunstwerk“ kennen, und schöpfte aus ihm die Kenntnis von Bachs Mechanik des Klavierspiels, die ihm fortan als Richtschnur für sein Studium diente. 19)

Dem Wunsche seiner Eltern gemäß bezog er bald das Gymnasium in Donaueschingen, setzte dort die in Marchtal begonnenen Sprachstudien fort und wurde außerdem Gesangsschüler des fürstlichen Kammersängers Weiß 20) der eine strenge, aber einseitige Methode gehabt haben soll 21) jedenfalls war dies der erste Unterricht, den er von einem künstlerisch gebildeten Lehrer erhielt. Wahrscheinlich hat Weiß ihn nicht nur in Gesang, sondern auch in anderen Zweigen der Tonkunst unterrichtet, soweit er es vermochte. 22) Der Unterricht war in Rücksicht auf spätere Verwendung in der „Hofmusik“ unentgeltlich.23)

Die Lateinschulakten 24) im Fürstlich-Fürstenbergischen Archiv zu Donaueschingen berichten, daß Schelble 1804 „in suprema grammatica“ war, und eine lobende Erwähnung erhielt. Dagegen scheint er im Endexamen 1804 nicht besonders gut aufgefallen zu sein; es heißt da in einer handschriftlichen Randbemerkung:

Schelble. So dumm als Zapf und ebenso unfleißig als dumm“ 1805 war er nicht mehr Schüler des „Gymnasium Fürstenbergicum ad fontes Danubii 25) Sicherlich hat er sich auch während seiner Gymnasialzeit eben mehr mit Musik als mit Grammatik beschäftigt und daher ist das obige Urteil mit der Betonung „unfleißig“ leicht zu verstehen.

In Donaueschingen wurde zu jener Zeit die Musik, insbesondere das Theater von dem Fürstenbergischen Hofe außerordentlich gepflegt.26) Sowohl eigne als auch von auswärts herbeigerufene Künstler vermittelten dem Publikum in ausgezeichneten Aufführungen im Fürstlich-Fürstenbergischen Hoftheater Werke der dramatischen Kunst. Schelble wirkte sowohl als Sänger wie als Schauspieler, in Konzerten wie im Theater mit. Schon 1805 erwarb er sich als Sechzehnjähriger den Beifall des Fürsten gelegentlich einer Aufführung von Dalayrac’s ,Die beiden Savoyarden* 27) Die Eltern Schelbles schienen an seine künstlerische Berufung noch nicht recht zu glauben; der Vater wünschte jedenfalls, daß er einen praktischen und gesicherten Beruf ergreife und so trat er denn 1806 als Akzessist in das F. F. Hauptarchiv ein. Seinen Unterricht bei Weiß und seine musikalische Tätigkeit am Hofe behielt er jedoch bei. Diese Tätigkeit war bis zum September 1807 unentgeltlich, von Oktober ab erhielt er eine jährliche, widerrufliche Gratifikalion von 66 fl. und nahm die Stelle eines Hofkammerexpedilors ein. Die Tätigkeit im F. F. Archiv dauerte nicht lange: Schelbles Liebe für die Musik ließ sich nicht länger zurückhalten. Sein Talent strebte zu weiterer Betätigung und Ausbildung einem größeren Wirkungskreise und einem Meister zu, der es vollenden sollte.

Trotz größten Widerstandes 28) von Seiten seiner Eltern, die ihn am Archiv in Donaueschingen halten wollten, ließ sich der sonst überaus pietätvolle Sohn nicht von seinem schon längere Zeit gehegten Plane abbringen, zu weiterer Ausbildung zu Abt Vogler nach Darmstadt zu gehen. 29) Die Eltern gaben endlich nach; im Jahre 1807 verließ Schelble Hüfingen und wandte sich zunächst nach Stuttgart.



13) Der Name wird öfters falsch geschrieben: F. J. Fétis, Biographie universelle des musiciens Band 7 (1870) schreibt Schelble; Hofmeister (Kataloge Band VI S. 535) zeigt gar das Erscheinen seiner Singeübungen unter Schelble, J. M. (!) an.
14) In den Standesbüchern in Hüfingen findet sich nur der Taufeintrag (Mitteilung von Herrn Dekan Schatz, Hüfingen).
15) Herr Professor Revellio, Villingen, der das Hüfinger Stadtarchiv durchgearbeitet hat, versicherte mir, daß nichts auf Schelble Bezügliches dort zu finden sei.
16) Reich a. a. O., Weismann u. ff. Die Jugend Schelbles ist mit allen Anekdoten ausführlich bei Reich beschrieben; wo nicht anders angegeben, folge ich Reich.
17) Fr. X. Gleichauf, Briefbiographie Schelbles im Archiv des Cäcilien-Vereins.
18) Ed. Berndorfs Angabe in seinem „Neuen Universallexikon der Tonkunst“, Offenbach 1861 Band 3 (Artikel Schelble): „krankhafte Disposition der Gehirnnerven“ scheint mir danach auf einem Irrtum zu beruhen.
19)Briefliche Biographie Schelbles von Fr. X. Gleichauf (Archiv des Cäcilien-Vereins); bei Reich a. a. O. heißt es irrtümlich: Zeitschrift Forkels. Die Anekdoten aus jener Zeit, die bei Reich zu finden sind, gehen auf Fr. X. Gleichauf (Briefbiographie) zurück.
20) J. B. Weiß war Schüler des berühmten Tenoristen Anton Raaff (Raff) (1713-97) in München.
21) Reich a. a. O.; Genaueres ist über diese Methode nicht zu ermitteln.
22) Nach Weißmann a. a. O. soll Schelble bei Weiß Gesang-, Klavier- und Kompositionsunterricht gehabt haben.
23) Nach einer Milteilung des Herrn Dr. Barth, Donaueschingen an mich.
24) Auszüge daraus verdanke ich Herrn Dr. Barth; derselbe hat mir auch in liebenswürdiger Weise das Wichtigster Barden Besson lakten Schelbles vom Jahre 1806 im F. F. Archiv excerpiert; darauf gründen sich obige Angaben.
25) Wenigstens wird er in der Klasse nicht mehr erwähnt.
26) Das Fürstlich Fürstenbergsche Hoftheater zu Donaueschingen 1775-1850. herausgegeben vom F. F. Archiv, Donaueschingen 1914; darin über Schelble S. 73 und im Personenregister.
27) Reich, a. a. O., S. 278.
28) Er droht sogar mit heimlicher Flucht aus dem Elternhause (vgl. Reich, S. 279).
29) Von dieser Absicht, zu Abt Vogler nach Darmstadt zu gehen, erfahren wir aus dem oben erwähnten 1. Brief aus Stuttgart; das ist auch die Quelle für Gleichauf, Weismann und Reich und die ihnen folgenden anderen biographischen Vorlagen. Der Rat, bei Vogler zu studieren, geht nach Reich von dem F. F. Hofrat und Leibarzt Rehmann in Donaueschingen aus.

Hoftheater Donaueschingen

III. 1807-1814
Stuttgart, Theater- und Lehrertätigkeit, Reise nach Wien.

Ueber diese seine erste Reise und über seinen Empfang in Stuttgart gibt ein Brief an seine Eltern vom 23. 12. 1807 Auskunft.30) Danach begleitete ihn sein Vater ein Stück Weges, der über Schönbrunn zunächst nach Hechingen führte; dort suchte er den ihm von Donaueschingen her bekannten „,F.-F. Musik- und Rittmeister“ von Hampeln auf. In Stuttgart wandte er sich gleich nach seiner Ankunft an den Galeriedirektor Seele, 31) der ihn freundlich aufnahm und ihn zu J. B. Krebs 32) führte.

Krebs nun wurde für Schelbles weitere Ausbildung und für seine ganze Laufbahn ausschlaggebend. Da Schelble besonders Gesangsstudien, weniger aber Kompositionsstudien betreiben wollte, so riet ihm Krebs davon ab, bei Vogler Unterricht zu nehmen, da er diesen wohl für einen ausgezeichneten Theoretiker, nicht aber für einen ebensolchen Gesangslehrer hielt. 33) Er wies daher Schelble an den „vortrefflichen Harmonisten und beliebten Melodisten“ Danzi, den er auch als Menschen außerordentlich schätzte; 34) bei diesem sollte Schelble die Kompositionskunst studieren. Krebs selbst übernahm die Prüfung der Stimme und verschaffte ihm. da dieselbe zu seiner Zufriedenheit ausfiel, Gelegenheit, sich vor dem König in einem Konzert hören zu lassen. Der König ließ ihm bald darauf eine Stelle am Theater anbieten. 35)

Schelble konnte sich nicht gleich entschließen, die Theaterlaufbahn einzuschlagen, nahm aber schließlich am 16. 2. 1808 die Stellung als königlicher Hof- und Opernsänger mit tausend Gulden Jahreshonorar an.36) Krebs wurde sein treuer Schutzpatron.

Schelble wohnte bei ihm, kam dort mit anderen Kunstjüngern zusanmen und stand unter dem wohltätigen Einfluß seiner klaren und edlen Persönlichkeit. Krebs wurde in seiner Begeisterung und Liebe für die Kunst ein Vorbild, das niemand besser widerspiegelte als Schelble selbst. Der ehemalige Plan, bei Abt Vogler in Darmstadt zu studieren, wurde aufgegeben.37)

Es steht nicht sicher fest, ob er in Stuttgart noch Gesangsunterricht genossen hat; wahrscheinlich war Krebs noch einige Zeit sein Lehrer. 38) Jedenfalls war seine Stimme bei seinem Weggang als Stuttgart (1814) noch nicht vollendet: er schreibt aus Wien noch von eifrigen Studien und von Verbesserung seines Gesanges.

Kompositionsunterricht nahm er vermutlich bei Danzi.39) Er studierte vor allen die Streichquartette und Streichquintette Mozarts, die er „sich in Partitur setzen ließ“ 40) In dieser Zeit entstanden eine Reihe von Streichquartetten, seine Oper 41) „Graf Adalbert“ und einige kleinere Klaviersachen. Damals verbreiteten sich die pädagogischen Ideen Pestalozzis in Süddeutschland. Ihre Anwendung auf das Gebiet der Musik war schon 1810 durch Nägelis Gesangschule gezeigt worden; überall wurden Schulen errichtet. die die Grundsätze des großen Schweizer Pädagogen verwerten sollten. Auch in Stuttgart wurde am 31. 12. 1811 ein Kunstinstitut 42) gegründet, um den Nachwuchs für das Orchester und das Theater nach Pestalozzischer Methode heranzubilden. Die besten Kräfte des Hoftheaters waren die Lehrer dieser Anstalt, die im Jahre 1818 wieder aufgelöst wurde. Schelble unterrichtete von Anfang des Jahres 1812 an bis zu seiner Abreise nach Wien in diesem Institut.

Die Leipziger Allgemeine Musikal, Zeitung bringt uns in Nr. 220 vom 13. 5. 1812 unter „Nachrichten aus Stuttgart“ einen eingehenden Bericht 43) über das Institut und insbesondere über Schelbles Lehrtätigkeit, den ich wegen seiner Wichtigkeit als einzige Quelle im Anhang meiner Arbeit beigefügt habe. Die Stuttgarter Lehrmethode Schelbles ist durchaus von der Frankfurter Lehrmethode, die allgemein gemeint wird, wenn überhaupt von der „Schelble’schen Methode“ gesprochen wird, zu unterscheiden.44) Jene war eine allgemeine Unterrichtsmethode in Pestalozzischem Geiste: sie sucht die melodische Kraft, die im Schüler vorhanden ist, durch Selbsttätigkeit des Schülers zu entwickeln; er muß gleich anfangs Melodien erfinden, und zwar solche, die den inneren, seelischen Anteil des Erfinders bezeugen, die er innerlich „anschaut“. Die Methode dagegen, die Schelble in Frankfurt verwandte die Schelble’sche Methode – war eine spezielle und diente zur Entwicklung des Gehörs. Ein gewisser Zusammenhang zwischen beiden ist insofern festzustellen, als Schelble auch in Frankfurt das Pestalozzische Entwicklungsprinzip beibehielt und die Schüler, um ihre Freude am Lernen zu erhöhen, kleine Phrasen und Melodien erfinden ließ. Genaueres über die weitere Entwicklung der Methode in Stuttgart wissen wir nicht.

Auch über seine Theaterlaufbahn läßt sich heute nicht mehr viel berichten. Die Theaterzettel45) verzeichnen sein erstes Auftreten am 14. 2. 1808 als Don Guzman in Mozarts „Don Gio-vanni“ nun läßt sich sein Name bis zum 25. 11. 1813 feststellen: er singt Tenor- und Baritonrollen in Opern von Dalayrac, Mozart, Spontini, Winter, Paër, Weigl.18) Am 9. März 1814 wurde Schelble aus dem Hoftheater entlassen.47) Es mögen mancherlei Gründe gewesen sein, die Schelble veranlaßten, die Stadt zu verlassen:48) ein Ruf an das Wiener Hoftheater,49) der ihm innewohnende Drang nach weiterer Ausbildung und nicht zuletzt auch Streitigkeiten 50) mit der Gemahlin seines Freundes und Lehrers Krebs, die ihm den weiteren Aufenthalt in Stuttgart 51) verleideten.52) Man ließ ihn nur ungern von Stuttgart ziehen. 53)


30) Dieser Brief ist bei Reich a. a. O. S. 280-81 vollständig abgedruckt; ich habe daher hier auf eine Wiederholung desselben verzichtet. Das Original ist nur als Fragment erhalten.
31) Nach Reich waren die Eltern Schelbles und Seeles miteinander bekannt.
32) J. B. Krebs (1774-1851) war ein berühmter Tenorist; er studierte zuerst Theologie, dann Gesang bei Weiß. Als Sänger und Regisseur in Stuttgart tätig, schrieb er Lieder, Oratorien, verfaßte Operntexte und Uebersetzungen. Seine Stimme, die einen ungewöhnlichen Umfang besaß, wurde um die Wende des vorigen Jahrhunderts als Ideal hingestellt. (Vgl. Leipziger allgemeine musikal. Zeitung, 1806.)
33) Vogler war kurz vorher einige Zeit in Stuttgart gewesen; Krebs kannte ihn daher persönlich und nannte ihn, Schelble gegenüber, geizig und habsüchlig. Alle diese Angaben gründen sich auf den schon erwähnten Brief Schelbles nach Hüfingen.
34) Interessant ist diese zeitgenössische Hochschätzung Danzis; vgl. Reipschläger: „Schubaur, Poissl und Danzi als Komponisten“ (Rostocker Dissert., 1911)
35) Nach Reich a. a. O. S. 283. Von hier ab fließen die Quellen schon etwas reichlicher. Genannt seien vor allem die 39 Familienbriefe Schelbles, die ich von Frl. Reich in Hüfingen zur Einsicht erhielt. Allerdings sind die meisten in der Frankfurter Zeit geschrieben; vgl. Anhang über den Nachlaß Schelbles. Reich scheint in diese Briefe Einsicht gehabt zu haben.
36) Wie mir aus den Akten des württembergischen Staatsarchivs mitgeteilt wurde, lautete der Kontrakt vom 16. 2. 1808 auf 3 Jahre und wurde am 27. 6. 1811 unter gleichen Bedingungen erneuert. Ueber die Verhandlungen wegen des Vertrags vgl. Reich, S. 283.
37) Grove: „Dictionary of music and musicians“, Vol. 4, London 1908 irrt also, wenn er schreibt: „he [Schelle] spent some time with Vogler and then with Krebs“. Dieser Artikel ist überhaupt sehr ungenau in seinen Angaben.
38) Fr. X. Gleichauf a. a. O.
39) Sicheres ist nirgends über seine Lehrer in Stuttgart zu finden, es dürfte aber keinem Zweifel unterliegen, daß er von 1807-12 bei Krebs und Danzi Schüler war.
40) Fr. X. Gleichauf a. a. O.
41) Die Oper hatte bei ihrer Aufführung in Stuttgart keinen Erfolg, vgl. R. Krauß: Das Stuttgarter Hoftheater, Stuttgart 1908, In der Allgemeinen Deutschen Biogr. (Artikel Schelble von Robert Eitner) ist irrtümlicherweise Wien als Entstehungsort der Oper angegeben.
42) Vgl. R. Krauß: Das Stuttgarter Hoftheater, S. 134.
43) Hier tritt uns Schelle zum 1. Mal öffentlich entgegen; von da ab wird sein Name häufiger in den Zeitungen genannt. Reich hat obigen Artikel (S. 284) kurz angezogen. Wenn es in dem Bericht (vgl. Anhang) heißt, daß Schelle nach Pestalozzischen und eignen (nicht Nägelischen) Grundsätzen unterrichtete, so unterliegt es für mich doch keinem Zweifel, daB Schelble die große Gesangschule von Pfeiffer-Nägeli gekannt und auch teilweise verwertet hat, zumal das Stuttgarter Institut unter den Subskribenten dieses Werkes zu finden ist.
44) Schon Schelbles Lehrer Krebs hat in dem Brief, den ich als Anhang VI meiner Arbeit milgab, diesen Unterschied erwähnt. (Vgl. Anhang.)
45) Die Theaterzettel des Hoftheaters Stuttgart (Stultgarter Hofbibliothek) sind von mir durchgesehen worden. Vorhanden sind sie von 1807-13, Jahrgang 1814 ist verbrannt (Theaterbrand 1901); 1815 war Schelble schon in Wien.
46) Er singt in Stuttgart (1808 14) wie auch in Wien (1814-16) die gleichen Rollen wie in Frankfurt (1816–19): ich verweise daher auf die Besprechung der Frankfurter Theaterzeit und den Anhang II.
47) Nach den Akten des württembergischen Staatsarchivs in Stuttgart. (Mitleilung der Direktion an mich.)
48) Ob Schelble in Stuttgart Beziehungen zu C. M. v. Weber (von 1807 bis 1810 in Stuttgart) hatte, konnte ich nicht feststellen.
49) Genaueres Datum seiner Abreise ist nicht mehr zu ermitteln. Da am 9. März 1814 sein Kontrakt mit dem Theater endete, so fällt der Zeitpunkt derselben zwischen 9. März und 9. Mai 1814, den Tag seines ersten Auftretens in Wien. Weismann a. a. O. S. 11 gibt irrtümlich 1813 als Reisejahr an. Ueber die Reise selbst ist nichts bekannt.
50) Reich a. a. O. S. 286.
51) Brief aus Stuttgart an seine Mutter, ohne Datum.
52) Als er in Wien Briefe aus Stuttgart erhält, schreibt er unter anderem nach Hause (22. 9. 1814): „ich meinerseits werde Krebs, dem ich viel verdanke, nie undankbar vergessen‘. Auch Krebs selbst blieb weiterhin bei seiner Hochschätzung Schelbles: vgl. Anhang VI.
53) Die allgem, musikal. Zeitung in Leipzig vom 18. 5. 1814 berichtet von seinem Weggang nach Wien und rühmt seine Verdienste als Sänger und Lehrer.

J.N. Schelble, Lithografie von Heinrich Ott. Foto: Frankfurt am Main: Stadt- und Univ.-Bibliothek

IV. 1814- 1816
Wien, Preßburg, Wien, Berlin, Frankfurt.

Am 9. Mai 1814 trat Schelble als Lorendano in Paërs „,Camilla“ zum ersten Mal am Hofoperntheater in Wien auf. Der Erfolg war kläglich: Schelble wurde ausgelacht.54) Nach diesem Mißerfolg ließ Schelble in mehrere Wiener Blätter einrücken, „daß er plötzlich vor der Vorstellung von einer Heiserkeit befallen worden sei und keineswegs Herr seiner Stimme war“ und „daß dieser erste Versuch keineswegs als richtiger Maßstab in der Beurteilung über ihn als Sänger gelten könne“ 54) Am 28. Juni spielte er den Baron Kronthal in der Oper „Der lustige Schuster“ von Paër, wiederum mit gänzlichem Mißerfolg. „Nicht durch unzählige Läufer – besonders wenn diese noch ungleich, unrein und ohne Festigkeit vorgetragen werden – . läßt sich das hiesige Publikum bestechen. Herr Schelble befleißige sich zuerst, eine Scala von 8 Tönen mit voller Sicherheit sich anzueignen, Worte mit Gesang deutlich zu verbinden, dann, wenn sein Gesang die Herzen der Zuhörer berührt,

54) Leipziger allgem. musik. Zeitung vom 22. 7. 1814, „Nachricht aus Wien“.

Seite 18- 29 der Dissertation liegen leider nicht vor!

Schelble und der Cäcilienverein

(Der Gesangverein, Schelble als Dirigent. seine Stellung in Frankfurt, Liedertafel, die Aufführungen des Vereins, die Bach . bewegung, Schelbles Verhältnis zum Cäcilienverein bis zu seinem Tode)

Noch in Schelbles Theaterzeit 148) fällt jenes bedeutsamste Ereignis der Frankfurter Epoche, dessen Auswirkungen Schelbles Namen für immer in die Musikgeschichte eingereiht haben: die Gründung des Cäcilienvereins (24. 7. 1818), 149) dem Schelble bis zu seinem Tode seine ganze künstlerische Arbeitskraft, seine ganze Persönlichkeit widmete. Der Ursprung des Cäcilienvereins ist in den musikalischen Veranstaltungen, die Schelble in seiner Wohnung 150) abhielt, zu suchen; dort wurde vor allem Quartett gespielt 151) und gesungen.

Spohr trug hier – mit Schelble, Kastner und Just – seine sechs Männerquartelte vor, die er damals komponiert hatte, 152) Aus diesen ersten Anfängen, den Gesangsveranstaltungen bei Schelble, zu denen sich bald mehr und mehr Sänger und Sängerinnen einfanden, 153) erwuchs der Cäcilienverein. Die Tatsache, daß sich unter Jenen, die Schelble kraft seiner künstlerischen Persönlichkeit zu sich hinzog, auch Mitglieder des Düring ’schen Gesangvereins befanden, darf nicht Anlaß werden, Schelble und seiner Tätigkeit unlautere Absichten zuzuschreiben, wie es Caroline Valentin in ihrem Aufsatz über Düring 154) getan hat. Gewiß war Dürings Gesangverein der erste in Frankfurt und als solcher der Ursprung aller späteren; aber Düring war nicht die Künstlerpersönlichkeit, die das je hätte durchführen können, was Schelble in kurzer Zeit mit dem Cäcilien-Verein infolge seiner künstlerischen Ueberlegenheit verwirklichte. 155) Immerhin kann Düring die Genugtuung beanspruchen, daß die Mitglieder seines Vereins später auch die Stützen des Cäcilien-Vereins wurden. 156)

Am 24. Juli 1818 konnte Schelble, der besonders von M. v. Willemer in seinen Bestrebungen unterstützt wurde, die erste Probe abhalten; am 28. Oktober fand das erste Konzert in seiner Wohnung statt. Ich will hier auf die einzelnen Daten der Geschichte des Cäcilien-Vereins nicht näher eingehen. Das Archiv des Cäcilien-Vereins und die gesamte auf ihn bezügliche Literatur habe ich durchgearbeitet; da jedoch alle bedeutenden Ergebnisse schon veröffentlicht sind, so verweise ich auf die beiden Festschriften des Vereins aus den Jahren 1868 und 1918.157) Aus einem Plan Schelbles, den Cäcilien- Verein mit der Kirche in Verbindung zu bringen, und ihn dadurch „städtisch“ zu machen,scheint nichts geworden zu sein. Er berichtet aber darüber an seinen Schwager Reich: 158)„Ich habe vom hiesigen Consistorium den Auftrag erhalten, einen Plan zur Errichtung einer Kirchenmusik in der Katharinenkirche, der Hauptkirche der Lutheraner zu entwerfen, und die Stelle als Kapellmeister ist mir angetragen. Sie ist nicht einträglich, aber ich werde die Sache doch nicht von der Hand weisen; denn ich hoffe den Verein mit dieser Kirche in Zusammenhang zu bringen, und so würde dieses Institut ein städtisches und für immer fest begründet. 159) Das Verhältnis Schelbles zu seinem Verein, das zuerst nur ein sehr lockeres gewesen war, wurde im Jahre 1821 durch einen zehnjährigen Vertrag sichergestellt. Im gleichen Jahre begann der Verein, der nun etwa 100 Mitglieder zählte, seine regelmäßigen Abonnementskonzerte.

Ab hier verzichte ich auf die zahlreichen Fußnoten

Schelble war nun endlich an die Aufgabe herangetreten, für die er geschaffen war: als Dirigent eines ausgezeichneten Chores die Kunstwerke der großen Meister zu vermitteln. Er war theoretisch vollkommen geschult, ein ausgezeichneter Pianist, ein trefflicher Sänger, der seinem Verein stets durch Vorsingen die Interpretation klar machen konnte, er war vor allem Lehrer und ein Erzieher der Stimmen, und alle diese Eigenschaften vereinigten sich in einer von einem starken, klaren Willen beherrschten Führerpersönlichkeit, die durch ihre Begeisterung für die klassische Kunst alle mitreißen mußte, die mit ihr in Berührung kamen.

Ueber die Art und Weise, wie Schelble dirigierte, wird uns so gut wie nichts berichtet. Der Taktstock war von Spohr in Frankfurt eingeführt worden. Ob Schelble von dieser Neuerung Gebrauch gemacht hat, läßt sich nicht erweisen. Von seinem Zeitgenossen Ferdinand Hiller wird Schelble als „ein fester und feuriger Dirigent“ bezeichnet. Moritz Hauptmann, an den nach dem Tode Schelbles ein Ruf zur Nachfolgerschaft ergangen war, schrieb an seinen Freund Wilh. Speyer in Frankfurt: „Von diesem Direktor, wie er sein soll, nun auf mich zurückzukommen, so bin ich leider genötigt, zu sagen, daß von den vorgenannten und gerühmten Qualitäten (Hauptmann hatte alle Vorzüge des Sängers, Pianisten und Dirigenten Schelble aufgezählt die notwendigsten mir fast gänzlich abgehen. Ich bin nicht Sänger, viel zu wenig fertiger Klavierspieler und messe mir in der Direktion nicht das geeignete Wesen, was ich als ein angebornes anerkennen muß, in hinlänglichem Grade zu, um ein würdiger Nachfolger Schelbles werden zu können.“ Die Berichte der Zeitungen bestätigen uns das glänzende Zeugnis, das Hauptmann dem Dirigenten Schelble ausstellt:

Musik- und Tageszeitungen in Frankfurt kennen nur Lob und Bewunderung für die Leistungen des Cäcilienvereins und seines Leiters. Mit größter Sorgfalt und unermeßlicher Geduld arbeitete letzterer indessen an der Verbesserung der Stimmen im einzelnen wie in der Gesamtheit und konnte bald zur Aufführung größerer und schwierigerer Werke fortschreiten. Binnen kurzem wird der Frankfurter Cäcilien-Verein in den Konzertkritiken der Zelterschen Singakademie in Berlin an Fähigkeit und Leistung gleichgestellt, ja ihr sogar übergeordnet: er galt als der erste Oratorienverein in ganz Deutschland. Ohne auf die einzelnen Konzerte und die zahlreichen Kritiken der Tages- und Musikzeitungen einzugehen, verweise ich auf den Anhang, und werde hier nur die allgemeine künstlerische Tätigkeit des Instituts und deren Bedeutung insbesondere für die Bachbewegung be-trachten.

Schelble inaugurierte mit dem Cäcilien- Verein um 1820 einen Aufschwung im Musikleben der Stadt Frankfurt. Vergegenwärtigen wir uns die Lage von damals: Die Oper war durchaus noch nicht auf der späteren Höhe; wohl wurden Mozarts Opern oft auf-geführt, aber es wurde auch sehr viel Seichtes, nur der leichten Unterhaltung Dienendes gespielt. Das Orchester war wie fast immer in Frankfurt ausgezeichnet, jedoch klagen die Zeitungen über den Mangel an guten Sängern. Der Düringsche Verein machte nur wenig von sich reden. Da war es nun für das Musikleben der Stadt, für die Geschmacksverbesserung und für die Erhöhung der musikalischen Bildung des Frankfurter Publikums von nicht genug zu schätzender Bedeutung, daß Schelble mit seinem Dilettantenverein, dem die besten Kreise des Bürgertums angehörten, die Chorwerke eines Haydn, Mozart und Cherubini, und vor allem die Oratorien Händels zum ersten Mal in Frankfurt bekannt machte. Es ist daher keineswegs übertrieben, wenn F. Hiller von Schelble schreibt: „Wie viel Liebe und Bildung zur ernsten Tonkunst er seiner Zeit in Frankfurt verbreitete, ist garnicht zu sagen das Beste, was die schöne Mainstadt nach dieser Seite hin besitzt, stammt noch von ihm her.“ Schelble wurde bald neben dem genialen Guhr der Führer des Frankfurter Musikwesens. Während aber der vielseitige Guhr außer seiner Theatertätigkeit noch zahlreiche Konzerte dirigierte, selbst als Solist auf mehreren Instrumenten hervortrat und bei keiner künstlerischen Veranstaltung fehlte, wirkte Schelble ausschließlich mit dem und durch den Cäcilien-Verein. Wie Zelter in Berlin, so gründete auch Schelble in Frankfurt aus dem Cäcilien- Verein heraus zur Pflege des guten Männergesanges die Frankfurter Liedertafel im Jahre 1826; dieselbe konnte sich aber wegen ihrer Exclusivität nicht lange halten und ging schon 1827 wieder ein. Es tauchen in den nächsten Jahren noch mehrere Liedertafeln auf, um aber alsbald wieder einzugehen; Zusammenhänge derselben mit Schelble und dem Cäcilien- Verein konnte ich bei meinen Forschungen nicht feststellen. Immerhin gab Schelble, als Gründer des ersten Männergesangvereins, den Anstoß dazu, diesen Zweig des Chorgesangs in Frankfurt heimisch zu machen,, und er wird daher mit Recht als der „Vater des Frankfurter Männergesangs“ bezeichnet.

Wenden wir uns nun dem Cäcilien-Verein selbst zu und überblicken die Aufführungen desselben unter Schelbles Leitung, so zeigen sich uns deutlich zwei Perioden: bis zum Jahre 1829 werden die Werke Händels, von da ab diejenigen Bachs bevorzugt; doch finden wir in der ersten Periode schon Werke von Bach, wie in der zweiten noch solche von Händel. Neben diesen Pfeilern in dem musikalischen Entwicklungsgange des Vereins werden aber durchaus auch die bedeutendsten Zeitgenossen, Beethoven, Spohr, später Mendelssohn und Hauptmann gepflegt. Es ist also ganz ungerechtfertigt, wenn Chrysander in seinem Aufsatz über Schelble, dessen Programmen Einseitigkeit vorwirft. Händel trat zwar später hinter Bach zurück, wurde aber keineswegs ver-gessen; allerdings – darin hat Chrysander Recht – war Schelble insofern durchaus ein Kind seiner Zeit, als er das Klavier, den Continuo, nicht als integrierenden Bestandteil jener altklassischen Musik erkannte.

Deshalb ist ihm aber kein Vorwurf zu machen; es ist für uns heute viel wichtiger, daß Schelble jene Musik überhaupt aufführte; daß er, nachdem er Händel in Frankfurt eingeführt hatte, sich als einer der ersten wieder mit Bachs Werken beschäftigte.

Für die Bachbewegung wurden Schelbles Beziehungen zu Mendelssohn und Franz Hauser besonders wichtig. Hatte Mendelssohn in Berlin durch Zelter die erste Bekanntschaft mit Bachs Werken gemacht, als er in dessen Chor mitsang, so hatte Schelble sich aus eigner Initiative die Aufgabe gestellt, dieselben in Frankfurt aufzuführen und zwar zu einer Zeit, als die ganze Bachbewegung noch lange nicht im Gange war (etwa um 1825). Die Molette „Ich lasse Dich nicht“, die er schon im Jahre 1821 im Cäcilien-Verein singen ließ, ist allerdings nicht, wie die Aufführungsverzeichnisse des Cäcilien- Vereins angeben, von Joh. Seb. Bach, sondern von Joh. Cristoph Bach. 183)

Von der Matthäuspassion erhielt nun Schelble nicht durch Mendelssohn, sondern durch den berühmten Franz Hauser Kenntnis, der 1822 von Berlin nach Frankfurt an die Oper kam. Hauser besaß eine selbst angefertigte Abschrift der Partitur der Passion, die er in irgendeiner Weise auch Schelble übermittelte. 188) Schon in jener Zeit bildete sich Schelble aus dem Cäcilien- Verein heraus einen kleinen, aus besonders befähigten Sängern bestehenden Bachchor, mit dem er in seiner Wohnung den Meister zu studieren begann. Unterdessen hatte auch Mendelssohn die Partitur der Matthäuspassion durch Abschrift von Zelters Manuskript erhalten. Diese beiden Bestrebungen in Frankfurt und Berlin, Bachs Werke wieder zum Leben zu erwecken, laufen nun nebeneinander her, schöpfen auseinander Anregungen – Hauser dürfte dabei öfters den Vermittler gespielt haben und bleiben in gegenseitiger Beziehung. Das Jahr 1827 brachte hier wie dort die ersten Proben für die Aufführung der Passion; zunächst nur in kleinerem, besonders befähigten Kreise: Schelble überwand auf diese Weise den Widerstand, der sich im Verein gegen Bachs schwierige Polyphonie erhob; Mendelssohn machte es in Berlin nach dem Vorbild Schelbles ebenso.

In Frankfurt wurde das Jahr 1827 noch besonders bedeutsam durch die Beethoventotenfeier im Cäcilien- Verein mit der Aufführung des Sanctus und Benedictus aus dessen „Missa solemnis“. Das Jahr 1828 brachte den eigentlichen Beginn der Bachrenais-sance. Schelble hatte sich 1825 von der Nägelischen Partitur der H-moll-Messe Bachs eine Abschrift verschafft, er nahm dieses zweite Riesenwerk Bachs neben den Proben für die Matthäuspassion, in Angriff, führte 1828 das „Cedro“ daraus auf und leitete damit die Bachbewegung energisch ein. Im folgenden Jahr fiel endlich die Entscheidung für das Wiederaufleben unseres größten Meisters: Am 11. März 1829 gelang es dem genialen Jugendeifer Felix Mendelssohns, Schelble mit der Aufführung der Matthäuspassion zuvorzukommen; es lag lediglich an äußeren Umständen, daß die Frankfurter Aufführung erst am 2. Mai des gleichen Jahres nachfolgte. In einem seiner Briefe nach Hüfingen beschrieb Schelble die Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenstellten und das Unverständnis, mit dem man der Bachschen Musik begegnete. Daß die Aufführung eine ausgezeichnete war, dürfen wir den Kritiken ohne weiteres glauben, über die Art derselben war nicht mehr viel zu ermitteln.

Die ganze Passion wurde, wie in Berlin, mit Kürzungen aufgeführt; die Choralgesänge wurden durch Schülerstimmen verstärkt. Schelble wirkte nicht nur als Dirigent, sondern sang auch die Partien des Evangelisten und des Christus. Er arbeitete sich deren Recitative in den „normalen Recitativstil“ um, allerdings nur „für sich und seinen eignen Gebrauch“ Offenbar hat er sie nivelliert und dem „Parlando“ angeglichen, was wohl auch Moser meint, wenn er sagt, daß Schelble „neue Evangelistenrecitative in Rossinischem Secco nachkomponierte, weil die echten als zu dramatisch erschreckten“. Ob Schelble in dem gleichen Irrtum befangen war wie M. Hauptmann, der die Bachschen Recitative völlig mißverstand, stelle ich dahin; es wäre immerhin möglich, daß er die Bearbeitung nur im Hinblick auf seinen eignen Vortrag, dem die ruhigere, weniger dramatische Linie besser und näher lag, vornahm.

Bis zu seinem Weggang von Frankfurt widmete sich Schelble nun mit rastlosem Eifer, mit Sorgfalt und Liebe der Pflege der Bachschen Vokalmusik, ja er versuchte auch dessen Instrumentalmusik zu berücksichtigen. Vor allem aber machte er die große Passion durch zahlreiche Aufführungen zum Eigentum des Vereins wie des Frankfurter Publikums und forderte dabei die Kritik der Frankfurter Blätter immer wieder zum Lob und zur Bewunderung dieses einzigartigen Kunstwerks wie auch seiner Interpretation heraus. Nach der Berliner Erstaufführung der Matthäuspassion wurden die Bestrebungen zur Wiedererweckung der Werke des Meisters noch lange nicht allgemein; es folgten nur wenige Städte dem Beispiel Frankfurts. Ich halte daher diese unermüdlichen Wiederholungen der Bachschen Passion, dieses intensive Eintreten Schelbles für unseren größten Meister am Anfange der ganzen Bewegung für besonders wichtig: Frankfurt blieb dadurch ein fester Stützpunkt der Bachrenaissance; es bleibt unverständlich, wie Chrysander diese Tatsache verkennen und Schelble Einseitigkeit vorwerfen konnte.

Kretzschmar berichtet uns, daß auch die Idee einer Bachgesellschaft von Schelble ausging; in einem Brief an Franz Hauser entwarf er einen Plan derselben, der allerdings erst lange nach dem Tode Schelbles seine Verwirklichung fand. Aus dem Gesagten geht Schelbles hervorragende Bedeutung für die Bachrenaissance, die bis heute keineswegs die verdiente Würdigung erfahren hat, klar hervor; er war einer der tatkräftigsten und begeistertsten Führer jener Bewegung am Anfang des vorigen Jahr-hunderts, die uns unseren Bach wiedergeschenkt hat.

Leider wurde Schelble allzufrüh seiner fruchtbaren Tätigkeit entrissen. Wie in Frankfurt überhaupt, wo sein musikalisches Urteil maßgebend war, so war er auch im engeren Kreise seines Vereins außerordentlich beliebt. Wir finden im Archiv desselben zahlreiche Gedichte, namentlich von Marianne v. Willemer und Weismann, die alle eine feinsinnige Verehrung für den Meister bekunden, und. ihn selbst oder seine Begeisterung für alle echte Kunst verherrlichen. Trotz alledem zogen sich die reichen „Garantisten“ des Cäcilien-Vereins wegen eines lächerlich geringen Defizits im Jahre 1831, nach Ablauf des zehnjährigen Kontrakts, zurück, zu einer Zeit, als der Verein auf der Höhe seiner Leistungen angekommen war. Schelble beschämte diese „Frankfurter“ indem er das Institut auf eignes Risiko fortsetzte. So änderte sich zwar an der Leistung und am Bestand des Cäcilien-Vereins nichts; da aber Schelble jetzt auch der gesamte ökonomische Teil des Direktoriums zur Last fiel, so machte sich bald bei seiner ohnehin nicht sonderlich starken Gesundheit die Ueberanstrengung bemerkbar. Anfangs des Jahres 1836 zwang ihn seine Erkrankung zur Aufgabe seiner Tätigkeit in Frankfurt, nachdem er sich schon 1835 öfters durch seinen Schüler Voigt in den Singeübungen hatte vertreten lassen müssen.

Dieser übernahm dann bis Juni, von da ab Felix Mendelssohn bis Ende Juli, darauf Ferdinand Hiller und schließlich Ferdinand Ries die Leitung des Vereins. Sie alle aber konnten dem Verein seinen „Gründer und Erhalter‘ nicht ersetzen. Die Hoffnung, daß er zurückkehren werde, erfüllte sich nicht. Schelble starb, als er von einem Spaziergang in seinen Garten zurückkehren wollte, am Eingang desselben durch einen Blutsturz in den Armen seiner geliebten Gattin am 6. August 1837 abends um ½7 Uhr. Der Cäcilien-Verein hielt ihm am 26. August im Frankfurter Dom eine würdige Totenfeier.

Alles, was ich über Schelbles Nachlaß ermitteln konnte, habe ich im Anhang III meiner Arbeit zusammengestellt.

*Die Briefe werden zu einem späteren Zeitpunkt hier veröffentlicht. (der Rest der Dissertation ist sehr speziell und nur für Fachleute zu erschließen)


148) Es ist ganz unverständlich, wenn C. Gollmick (Autobiographie S. 90) schreibt: Seine (Schelbles) Phasen zwischen Theater, Museum und Cäcilien-Verein, worin Schelble vom Jahre 18 1 3 (sic!!)(1818) an fast gleichzeitig wirkte“. Schelble war nie gleichzeitig in diesen drei Instituten tätig; wohl aber in der Musikal. Akademie, dem Museum und dem Theater; vgl. darüber weiter oben (S. 24).

149) Als 11. Oratorienverein in Deutschland; die vor ihm gegründeten sind:
1. Singakademie Berlin (1791)
2. Singakademie Leipzig (1800)
3. Gesangverein Stettin (1800)
4. Musikverein Münster (1804)
5. Dreissig’s Singakademie in Dresden (1807)
6. Gesangverein Potsdam (1814)
7. Singakademie Bremen (1815)
8. Singakademie Chemnitz (1817)
9. Musikverein Schwäbisch-Hall (1817)
10. Musikverein Innsbruck (1818)
vgl. H. Kretzschmar: Chorgesang, Sängerchöre und Chorvereine S. 408 (in: „Sammlung musikal. Aufsätze“ von Waldersee, 1879).

150) In den Akten „Urgeschichte* des Cäcilien-Vereins wird als 1. Wohnung Schelbles das „Bögnersche Haus“ bei der Weißfrauenkirche, Eckhaus der Papageigasse, angegehen. In dem Frankfurter Staatskalender und Adreßbüchern jener Zeit fand ich keine Wohnungsangabe; dort findet sich erst im Jahrgang 1820 (Frankfurter Staatskalender S. 20) Schelbles Namen: er wohnte damals „Hinter der Schlimmen Mauer“ [heutige Stiftstraße]; dann zog er in ein Haus am Domplatz (vgl. „Urgeschichte“) und schließlich in das Königswartersche Haus an der „Schönen Aussicht“ [gegenüber der Stadthibliothek], wo er bis zu seinem Weggang aus Frankfurt wohnte. Schelble wurde in späteren Adreßbüchern (1834) immer als „fremd“ geführt, d. h. er hatte sich das Bürgerrecht Frankfurts nie erworben.

151) Spohr, Baldenecker (auch Bürger), Engel und Hasemann; meist Sonntag-vormittag; vgl. „Urgeschichte‘

152) Gollmick a. a. O. S. 90 : (op. 44).

153) Darunter vor allem natürlich Schüler Schelbles (siehe Gleichauf a. a. O.).

154) C. Valentin: Heinr. Düring, der Begründer des 1. Frankfurter Gesangvereins in Alt-Frankfurt, Vierteljahrsschrift für seine Geschichte und Kunst, Jahrgang V (1913). Die Verfasserin ist ungerecht gegen Schelble (vgl. S. 331) und verkennt dessen Charakter durchaus.

155) Daß die Tätigkeit des Düringschen Vereins nicht sehr bedeulend gewesen sein kann, geht aus der Bemerkung Gollmicks (a. a. O. S. 90 f) hervor: der Düringsche Verein schlafe.

156) Dürings Verein bestand noch eine Zeit lang neben dem Cäcilien- Verein und ging bald nach 1830 ein (C. Valentin a. a. O.); er gab noch Konzerte mit wenig gespielten Opern als Ergänzung zum Theater. Ueber Schelble und Düring vgl. auch das Urteil von Dr. H. Weismann in: „Der Frankfurter Liederkranz‘ Festschrift zur Feier des 50: Stiftungsfestes, Frankfurt 1878

157) Dort ist auch die 1. Urkunde faksimiliert, ferner ein auf die Gründung des Vereins bezügliches Bild „Die neue Disputa“ erklärt und im Anhang Literatur zur Geschichte des Vereins zusammengestellt (von Prof. Dr. C.H. Müller); siehe auch Reich und Weismann a. a. O.

158) Hüfinger Brief, ohne Datum, derselbe ist im Jahre 1821 geschrieben, da Schelle darin von dem in diesem Jahre geschlossenen Contract mit dem Cäcilien-Verein spricht.


Nachruf an Schelble.

Verfaßt von Dr. Heinrich Weismann, Frankfurt 1837.
(Dieser Nachruf ist auch in der Festschrift des Cäcilienvereins vom Jahr 1888 wiedergegeben.)

So ist er denn geschieden, unser Meister,
Entfloh’n der Erde enger Kerkerhaft;
Er, der Gewall’ge, der der Töne Geister
Entfesselt uns mit seltner Geisteskraft.
Ein Gott hat gnädig sein Geschick geordnet,
Ihn rasch entrückt der langen Leiden Schmerz;
Im Tempel der Natur hat er geendet,
Ihn trugen Blumenengel himmelwärts.

Verwaist steh’n wir mit unsern stummen Klagen,
Geschlossen ist der Tempel des Gesangs.
Sein mächt’ger Geist wars ja, der uns getragen
Zu jenen Höh’n des höchsten geist’gen Klangs.
Bachs Genius war durch Ihn lebendig worden,
Der Himmlische, verschollen fast und todt,
Und wieder tönt in mächtigen Akkorden
Des Lebensfürsten Sieg und Opfertod.

Er lehrt‘ uns Töne, die zum Herzen drangen,
Weil sie vom Herzen kamen klar und rein;
Zu höh’rer, himmlischer Musik umschlangen
Uns seine Tön‘ in herrlichem Verein.
Und wie sein Geist nur Edles konnte pflegen,
Ein strenger Priester seiner Königin,
So trat er auch im Leben uns entgegen,
Ein edler Mensch in Wort und Tat und Sinn.

O laßt des edeln Meisters Angedenken
das Band sein, das uns Alle fest umschlingt,
Es mög‘ sein edler Geist uns ferner lenken,
Daß Fremdes nicht in seine Schöpfung dringt.
Der Geist lebt fort, wenn auch das Leben fliehet,
Er hat uns sterbend, was er schuf, vertraut:
Wir halten fest, was uns nach oben ziehet,
Von wo er segnend auf uns niederschaut.

Aus der digitalen Sammlung der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe.

Der Hüfinger Künstlerkreis

aktualisierte Version, Original war am 07. Juli 2020

Als früher Vertreter der Hüfinger Künstlertradition gilt Johann Baptist Seele (27. Juni 1774 in Meßkirch – 27. August 1814 in Stuttgart). Sein Vater Franz Xaver Seele diente ab 1776 in Hüfingen als Unteroffizier im fürstenbergischen Kreiskontingent. Johann Baptist Seele stieg bis zum Hofmaler des württembergischen Königs auf.

Johann Baptist Seele 1792

Johann Baptist Seele1800

Johann Baptist Seele 1810

Der eigentliche Künstlerkreis entstand um den Unternehmer Luzian Reich (7. Januar 1787 in Bad Dürrheim – 18. Dezember 1866 in Hüfingen), auch genannt „der Ältere“. Er selber zeichnete mit „Senior“.

Luzian Reich senior ein Selbstbildnis im Stadtmuseum Hüfingen

Selbstbildnis im Stadtmuseum

Luzian Reich und seine Ehefrau Maria Josefa Schelble
Fotos von Johann Nepomuk Heinemann Anfang 1866

Katharina Schelble geb. Götz (01.11.1760-04.04.1847) gemalt von Luzian Reich (senior) ihrem Schwiegersohn im Jahre 1829 .
Sie ist die Mutter von dem Musiker Johann Nepomuk Schelble und die Großmutter von Elisabeth Heinemann geb. Reich und Lucian Reich dem Jüngeren.

Eltern von Xaver, Lucian und Elisabeth: Luzian Reich und Josefa Schelble.
Großeltern: Mathias Reich und Anastasia Buckin (Bad Dürrheim).
Franz Josef Schelble und Katharina Götz (Hüfingen).

Josepha Schelble ein Gemälde von Luzian Reich senior im Stadtmuseum Hüfingen

Josefa Schelble (19.03.1788-12.11.1866) gemalt von ihrem Ehemann Luzian Reich senior.
Sie ist die Schwester von dem Musiker Johann Nepomuk Schelble und die Mutter von Xaver Reich, Elisabeth Heinemann geb. Reich und Lucian Reich dem Jüngeren.

Luzian Reich gründete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Mal- und Zeichenschule in Hüfingen. Dort unterrichtete er neben seinen Söhnen Lucian und Franz Xaver die Brüder Nepomuk Heinemann, Josef Heinemann und Rudolf Gleichauf.

Madonna von Luzian Reich senior

Auch gründete Luzian Reich zusammen mit seinem Schwager Schelble den Verein Freunde der Natur.

Der Bruder von Maria Josefa Reich (18. März 1788 -12. November 1866) war Johann Nepomuk Schelble (16. Mai 1789 in Hüfingen – 7. August 1837 in Hüfingen), der Gründer des Cäcilienvereins in Frankfurt a. Main.

Johann Nepomuk Schelble (1789 -1837)
Zeichnung von unbekannt.

Im Jahre 1800 trat Johann Schelble als Chorknabe in das Kloster Marchtal ein wo er wissenschaftlichen und musikalischen Unterricht erhielt. Als das Kloster 1803 aufgehoben wurde, kehrte er zu seiner Familie nach Hüfingen zurück. In der Stadtmusik Hüfingen spiele er Piccoloflöte und besuchte die Schule in Donaueschingen, wo er an dem kunstliebenden Fürsten von Fürstenberg einen Beschützer fand. 

In Hüfingen erwarb Schelble 1824 ein „Landgütchen“, das er sein „Ruhetal“ nannte. Mit 48 Jahren starb Schelble in den Armen seiner Frau am Eingang seines Hüfinger Hauses an der Bräunlinger Straße.

Foto von Karl Schweizer 1980

„Man kann kaum glauben, wie viel ein einziger Mensch, der was will, auf alle andern wirken kann; S. steht dort ganz allein…Er hat sich einen sehr bedeutenden Wirkungskreis geschaffen und die Leute im eigentlichsten Sinne weiter gebracht …“

Felix Mendelssohn Bartholdy in einem Brief an Carl Friedrich Zelter

Der Sohn von Luzian Reich senior war Lucian Reich junior (26. Februar 1817 in Hüfingen – 2. Juli 1900 in Hüfingen).

Lucian Reich senior etwa 1860
(Foto: Nepomuk Heinemann)

Briefe von Lucian Reich an seine Eltern und seinen Schwager 1853-1880

Lucian Reich junior (26. Februar 1817 – 2. Juli 1900)
Lithographie von Johann Nepomuk Heinemann

Lucian Reich hat aus Geldnot erst am 8. August 1874 Margareta Stoffler (1825-1880) aus Geisingen geheiratet; die Tochter Anna Reich war deswegen unehelich und ihre Daten sind nicht bekannt. Anna Reich kam mit ihrem Vater später wieder nach Hüfingen und pflegte ihn bis zu seinem Tod am 2. Juli 1900. Danach heiratete sie einen verwitweten Landwirt in Neudingen und zog seine (8 ?) Kinder groß. Sie selber hatte nie eigene Kinder und starb hoch betagt in der Neudinger Mühle.

Maria Josepha Heinemann Brunnen an der Hauptstrasse 52 mit Elisabeth Heinemann (Grießhaber) und ihrer Cousine Maria Heinemann (Nober). Maria Heinemann war die Tochter von J. Nepomuk Heinemann und Elisabeth Reich.

Briefe der Anna Reich an ihre Cousine Marie Heinemann 1875-1881

Lucian Reich wirkte jahrzehntelang als Zeichenlehrer am damaligen Großherzoglichen Lyceum in Rastatt. Einen Namen machte er sich vor allem durch seine heimatkundlichen Bücher und seine Illustrationen.

Elisabeth (Lisette) Reich (1819 – 1871) am Spinnrad; Katharina Heinemann (1828 – 1900) mit Kind;
J. Nepomuk Heinemann, genannt „Muckle“ (1817 – 1902) mit Fes (Das Tragen eines Fes war im Biedermeier ein Zeichen der Gemütlichkeit);
Lucian Reich (1817-1900) mit Pfeife; Rudolf Gleichauf (1826 – 1896) rechts unter der Uhr;
Josef Heinemann (1825 – 1901) mit Buch. Zeichnung aus den Wanderblühten.

Das bekannteste von Reich geschriebene und illustrierte Buch trägt den Titel „Hieronymus. Lebensbilder aus der Baar und dem Schwarzwalde

Die Tochter von Luzian Reich senior war Elisabeth Reich (15. Dezember 1819 – 24. Juni 1871). Sie heiratete am 31. Januar 1854 einen Schüler ihres Vaters, Johann Nepomuk Heinemann (30.05.1817 – 22.02.1902).

Elisabeth (Lisette) Reich 1819-1871

Allegorie der Donauquelle von J.N. Heinemann

Selbstportrait von Nepomuk Heinemann

Heinemann begann eine Lehre als Uhrschild-Maler in Neustadt. Danach lernte er in Donaueschingen die Technik der Lithographie. Wie alle Hüfinger Künstler hielt er sich in den folgenden Jahren, wie sein Bruder Joseph, zu Studienzwecken in München auf.

Die Eröffnung einer eigenen Druckerei in Hüfingen wurde ihm auf Intervention des Fürstenhauses genehmigt. Mit Entwürfen von Reich, seines Bruders Joseph Heinemann und von Heinrich Frank begann er das Buchprojekt Hieronymus – Lebensbilder aus der Baar und dem Schwarzwalde.

Bleistiftzeichnung Karl von Schneider (1847 – 1923) von Johann Nepomuk Heinemann

Johann Nepomuk Heinemann war einer der ersten Fotografen im Land. Auch das Fürstenhaus Fürstenberg in Donaueschingen zählte zu seinen Kunden. Dieses Geschäft blühte in den 1860er Jahren auf und zahlreiche Portraits von Zeitgenossen entstanden in seinem Studio.

So auch Amélie Karoline Gasparine Leopoldine Henriette Luise Elisabeth Franziska Maximiliane Fürstenberg. Geboren am 25.05.1848 Schaffhausen und verstoben am 08.03.1918 in Baden-Baden. Tochter von Karl Egon II Fürst zu Fürstenberg (1820-1892).



Die Tochter von Nepomuk Heinemann und Lisette Reich war Maria Josepha Heinemann („Marie“ 23. Dezember 1857 – 19. Mai 1948) die am 19. September 1881 den Kaufmann Karl Nober (Haus Nober Hauptstr. 5) geheiratet hat.


Marie Heinemann (1857 – 1948)

Marie und Kätherli
(Katharina Heinemann 30.04.1828-27.01.1900. Kätherli war die Schwester von Nepomuk und Josef Heinemann)
Fotos von Nepomuk Heinemann etwa 1868

Selbstbildnis von Johann Nepomuk Heinemann von 1840


Ein weiterer Sohn von Luzian Reich senior war Franz Xaver Reich (1. August 1815 in Hüfingen – 8. Oktober 1881 in Hüfingen).
Nach initialer Förderung durch seinen Vater, kam Xaver Reich 1832 auf Empfehlung seines Onkels Johann Nepomuk Schelble an das Städelsche Institut. Durch seinen Onkel wurde er auch Mitglied in dessen Cäcilienverein.

Xaver Reich
gezeichnet von Nepomuk Heinemann 1838

Foto von Xaver Reich im Stadtmuseum

Franz Xaver Reich
gezeichnet von Josef Heinemann

Lucian Reich schreibt viel über seinen Bruder im Denkbuch: https://hieronymus-online.de/denkbuch-von-lucian-reich-1896/

Josefa Reich, geb. Elsässer (1823-1900)

Wilhelm August Rehmann, Leibarzt von Fürst Karl Egon II. zu Fürstenberg veranlasste, dass Reich eine Skizze modellieren konnte, welche die Donau mit ihren Zuflüsse Brigach und Breg zeigte. Karl Egon II. war vom Ergebnis begeistert und beauftragte Reich damit das Modell 1837 im großen Maßstab herzustellen. Im Schloss Hüfingen erhielt er von seinem Mäzen dann ein Atelier geräumt, um die Gruppe in Sandstein auszuführen. Die Sandsteingruppe wurde auf der „großen Insel im Schwanenweiher“ (heute: Pfaueninsel) im Schlosspark von Donaueschingen aufgestellt.

Danubiagruppe auf der Pfaueninsel (Postkarte 1906)

Nach Vollendung der Arbeit machte sich Xaver Reich 1842 zu einer Romreise auf. Aufenthalte in Pisa, Florenz und in Verona begeisterten ihn für die Tradition der Blumenteppiche.

Nach Vorbild aus Portici fertigte er in Hüfingen vor seinem Elternhaus den ersten Blumenteppich und legte so den Grundstein einer langen Tradition.

Film von Ernst Kramer in den späten 1920er

Franz Xaver Reich wohnte mit seiner Familie im ehemaligen Anwesen seines Onkels Johann Nepomuk Schelble an der Bräunlinger Straße. In Hüfingen hatte er die Ziegelei seines Vaters übernommen und zu einer Terrakottenbrennerei umgewandelt. In ihr brannte er plastischen Schmuck. (aus dem Denkbuch von Lucian Reich)

Ziegelhütte und Terrakottenbrennerei Reich.
Sie stand da, wo heute der Kofenweiher ist.

Der Engel auf der Elisabetheninsel, den Fürst Carl Egon II in Erinnerung an seine früh verstorbene Gemahlin Elisabeth aufstellen ließ, wurde nach einem Entwurf von Xaver Reich gegossen. Zu seinen Donaueschinger Arbeiten zählt auch das Turnierrelief an der Reithalle.

Die Inschrift auf der Vorderseite des Sockels lautet:
„Der Gerechte ist auch in seinem Tode getrost. Sp. Salomon 14, 23“ auf der Rückseite: „Karl Egon Fürst zu Fürstenberg seiner unvergeßlichen Frau Elisabeth, Prinzessin Reuß ä. L. zu Greiz. geb. 23. März 1824, gest. 7. Mai 1861“.
Das Denkmal wurde nach einen Entwurf von Xaver Reich gegossen.

Als die Donauquelle im Schloßhof neu gefaßt und umgruppiert wurde, gestaltete Xaver Reich die Gruppe: „Die junge Donau als Kind im Schoß der Mutter Baar“. Sie musste allerdings in den siebziger Jahren der Marmorgruppe des Vöhrenbacher Bildhauers Adolf Heer weichen, die heute noch die von Adolf Weinbrenner geschaffene Quellfassung schmückt. Reichs Gruppe fand in der Nähe des Zusammenflusses von Brigach und Breg eine vorläufige Bleibe und wurde 2025 am neu gestalteten Donauzusammenfluss wieder aufgestellt.

Die junge Donau als Kind im Schoße der Mutter Baar von Xaver Reich von 1875.
Sandsteingruppe am alten Zusammenfluss von Brigach und Breg in Donaueschingen.
Foto aus dem Jahr 1980.


Briefe von Lucian Reich an seine Eltern und seinen Schwager 1853-1880

Ein weiters Mitglied des Hüfinger Künsterkreises war Rudolf Gleichauf (29. Juli 1826 in Hüfingen – 15. Oktober 1896 in Karlsruhe). Gleichauf erhielt ein Stipendium des Fürsten Karl Egon II. zu Fürstenberg an der Münchner Akademie bei Schnorr von Carolsfeld.

Rudolf Gleichauf
29. Juli 1826 in Hüfingen – 15. Oktober 1896 in Karlsruhe

Außer zahlreichen Wandgemälden hat Gleichauf im Auftrag des badischen Hofs und der badischen Regierung zwischen 1862 und 1869 zahlreiche Aquarellbilder und eine Vielzahl von Kostümstudien geschaffen, die sich in der Badischen Landessammlung erhalten haben und für ein „umfängliches badisches Trachtenwerk“ geplant waren, das jedoch nicht vollendet wurde.

Unten Allegorische Darstellungen der Fakultäten für Theologie, Philosophie, Jurisprudenz und Medizin für die Universtität Heidelberg von Rudolf Gleichauf.

Theologie

Philosophie

Jurisprudenz

Medizin

Die zwei Bronzereliefs des Bildhauer Johannes Hirt auf dem Grabstein von Adolf Heer und Rudolf Gleichauf befinden sich auf dem Hüfinger Friedhof.

Adolf Heer Bildhauer geboren 13. September 1819 gestorben 29. März 1898

Grab Adolf Heer und Rudolf Gleichauf


Eine Schwester von Rudolf Gleichauf war mit dem Künstler Josef Heinemann (27.12.1825 – 02.04.1901) einem Bruder von Johann Nepomuk Heinemann, verheiratet.

Josef Heinemann (1825 – 1901)
Bleistiftzeichnung von seinem Bruder Johann Nepomuk Heinemann.

Marie Heinemann (1857 – 1948)
Gemalt von ihrem Taufpaten Josef Heinemann.

Auch Josef Heinemann studierte wie sein Schwager Gleichauf an der Münchner Akademie bei Julius Schnorr von Carolsfeld.

Jacob schenkt Joseph einen bunten Rock (1850)
Die selten dargestellte Szene der Josephsgeschichte des Alten Testaments entstand im Umfeld von Bibel-Illustrationen. Heinemann arbeitete an verschiedenen Editionen sogenannter Bilder-Bibeln mit.

Bildnis der Ida Müller, verh. Maier (1841)
Heinemann porträtiert die 20-jährige Blumen- und Stillebenmalerin als „Tochter aus gutem Hause“. Die noch ungleiche anatomische Exaktheit von ausdrucksstarkem Gesicht und summarischer Hand zeigt, dass es sich um ein Jugendwerk des 18-jährigen Zeichners handelt.



Mehr Fotos und Infos zum Hüfinger Künstlerkreis gibt es auch auf der Seite des Stadtmuseums:

Wanderblühten – Johann Nepomuk Schelble


Theuerste Eltern

Kaum hatte ich meinen ersten Brief in Hechingen der Post übergeben, als ich einen von Euch, lieber Vater, erhielt, woraus ich erfah, dass ihr bei Eurer Rückkehr meine liebe Mutter und Geschwister gesund und wohl angetroffen habt. Ich befinde mich, einen fatalen Schnupfen abgerechnet, wohl. In Hechingen, fand ich für notwendig, Euren Rat zu befolgen und mir ein warmes Unterwamms zu kaufen. Herr von Hampeln besorgte mir bei einem Juden den Einkauf. Durch diese und andere Ausgaben wurde meine Kasse etwas geschwächt und es schien mir räthlich, elf Gulden gegen eine Quittung aufzunehmen. Für Fräulein Mina von Hampeln kaufte ich zugleich ein kleines, modern gesticktes Halstuch und für mich ein Paar Handschuhe.

Mittwoch früh um fünf reiste ich mit dem Hechinger Boten weiter; es war sehr kalt und ich würde es jetzt bereut haben, meine Einkäufe nicht gemacht zu haben. Zwei Stunden vor Stuttgart blieb ich mit dem Boten übernachtet. Dieselbe Kost und das Nachtlager wie im Schönbrunn fand ich hier nicht, es war Alles so ziemlich das Gegenteil. Morgens ging es früh wieder auf den Weg, und wir kamen um sieben Uhr hier in Stuttgart an.

Ich kleidete mich folglich um, und ließ mir die Wohnung des Herrn Galeriedirektor Seele zeigen, den ich jedoch nicht zu Hause traf. Man führte mich auf die Akademie, wo er sein Arbeitszimmer hat. Er nahm mich sehr gütig auf, und wollte mir sogleich, weil der König gerade abwesend ist, die Residenz zeigen, wurde aber durch Geschäfte abgehalten. Er führte mich hierauf zu den Herrn Krebs, den wir krank im Bette antrafen. Seele setzte ihn von meinem Entschlusse in Kenntnis und bat ihn freundlich, er möchte sich doch meiner annehmen und mir in allem mit Rat und Tat beistehen, worauf er sich empfahl. Ich reichte Herrn Krebs meine Briefe, und er überlas zuerst den seines Onkels Wölfle, sodann das Schreiben des Herrn Weiß. Nachdem er gelesen hatte, sagte er: „Ja! – wenn ich Ihnen raten soll wie ein Vater, so rate ich Ihnen, anders als die Rehmännin und all Die, welche Sie bestimmen, bei Vogler singen zu lernen.“

Nachdem fragte er mich noch über Manches; besann sich hierauf lange ohne etwas zu sagen, dann hub an: „Entweder sie verlegen sich auf die Komposition allein, um einst als Kompositeur aufzutreten, oder Sie müssen sich dem Gesange ausschließlich widmen, um als guter Sänger später eine Anstellung finden zu können. Beides zugleich werden sie entweder erst nach langer Zeit und mit vielem Geldaufwand, oder am Ende gar nicht erreichen.“ Ich sagte ihm, dass ich auf das Studium des Gesanges mein Hauptaugenmerk gerichtet habe. „Und Sie wollen zu Abbé Vogler, um singen zu lernen?“ „Ja!, war meine Antwort. „Lieber Freund“, sagte er, „dieser Plan mag wohl gemeint sein, aber Sie werden Ihren Endzweck durchaus nicht erreichen, ich kenne Abbé Vogler so gut wie ich meinen besten Freund kenne; er war vor zwei Monaten hier und ich hatte täglich Gelegenheit, sowohl seinen musikalischen wie sittlichen Charakter genau kennen zu lernen. Er besitzt eine gründliche Theorie der Musik überhaupt, er weiß wie man Anfängern im Gesange die Scala doctieret, aber wahre Sänger vermag er doch keine zu bilden; sie würden nach seiner Methode alle chromatischen und enharmonischen Gesänge treffen, und zuletzt doch ein gefühlsloser Sänger sein, der außer dem Kontrapunkt und einigen Kirchenkompositionen singen zu können, kein anderes Verdienst besäße, als sogar die sangbarsten Sachen steif vorzutragen. Geiz ist seine Hauptleidenschaft, welche aber von einer krankhaften Überspannung herrühren mag; denn er glaubt immer dereinst noch von Hunger und Armut zu Grunde gehen zu müssen, wie er mir oft selbst klagte; er würde Sie deshalb seiner allzu großen Habsucht aufopfern.“ Dann, bemerkte er noch, meine Fortschritte im Gesang würden bei ihm sehr langsam sein. Um die Komposition zu lernen, wolle er mir Danzi raten, der, ihn als vortrefflichen Harmonisten nicht zu erwähnen, einer der jetzt beliebtesten Melodien sei; er verbinde mit seiner Kunst eine seltene Menschenliebe, auf welche etwas zu bauen wäre; um aber als Sänger einst mein Glück zu finden, rate er mir, da ihm Weiß schreibe, ich hätte eine Schule noch einige Jahre notwendig, wieder zu ihm zurückzukehren. –

Ich sagte, dass ich beinahe zwei Jahre sein Schüler gewesen sei, und während dieser Zeit die Vorteile zur Stimmbildung mir so ziemlich eigen gemacht habe; meine Stimme sei freilich noch nicht ganz gebildet, ich hoffe jedoch, durch eigenes Studium sie zu vervollkommnen. Herr Krebs sagte hierauf, er wolle mich prüfen, finde er, dass ich schon ziemlich vorwärts gekommen sei, so wolle er auf einen anderen guten Rat denken, ich müße also am nächsten Freitag singen, und er wollte mehrere Kunstverständige dazu einladen, damit er ein unparteiliches Urteil höre.“


Soweit der Brief; das Ende desselben liegt nicht mehr vor, und kann somit das Ergebnis der Probe nur noch der Hauptsache nach mitgeteilt werden.

Schelble sang wirklich an dem bezeichneten Abend, und zwar so sehr zur Zufriedenheit seines Gönners und der übrigen Herren, dass ihm Ersterer Gelegenheit verschaffte, in einem Konzerte vor dem König sich hören zu lassen. Der jugendliche Sänger erntete Beifall, und am andern Tag wurde ihm durch Dr. Jalobi, dem königlichen Leibarzt, zu wissen gethan, dass ihm der König eine Anstellung als Sänger am Theater biete, und er beauftragt sei zu fragen, unter welchen Bedingungen er zu bleiben gesonnen wäre.

Schelble, dem die Theaterlaufbahn nicht sein vorgestreckten Ziel war, konnte sich nicht sogleich entschließen und würde wohl das Anerbieten ohne das Zureden seiner Freunde abgelehnt haben. Bei einer zweiten Unterredung mit dem königlichen Leibarzt äußerte er: ob 500 Gulden wohl zu viel sein möchten? „Das ist zu wenig, lieber Freund“, versetzte der wohlmeinende Arzt, „damit reichen Sie hier nicht aus, verlangen Sie keck tausend, ich will, wenn es Ihnen recht ist, die Sache also dem König vortragen.“

Schelble erhielt demnach die Anstellung unter den verabredeten Bedingungen als königlicher Hof- und Opernsänger, und Krebs interessierte sich bald mit großer Vorliebe für den enthusiastisch strebenden Jüngling. Das Krebs’sche Haus, in welchem von nun an Schelble wohnte, war seiner Zeit der Sammelplatz jüngerer Männer vom Musikfache, welche zum Theil nach ihrer Kosttisch daselbst hatten. Der Hausherr war ein jener tüchtigen anregenden Naturen, die wie zum Vorbild und Mentor Jüngerer geschaffen sind. Eine gründliche Bildung und schönes Talent machten ihn zum Künstler im besten Sinne des Wortes, während die Liebe und der Eifer, womit er Alles, was sich auf die Kunst bezog, erfaßte und betrieb, nicht ohne bedeutenden Einfluss auf seine Umgebung bleiben konnte. Zudem war Stuttgart dazumal der Ort manch regen Strebens, und der Hof wusste Leben um sich zu verbreiten, indem er jüngere Talente, welche über das Gewöhnliche sich erhoben, hegte und förderte.

Die pestalozzi’schen Erziehungsgrundsätze beschäftigten zur selben Zeit mächtig die Geister. Ihre Anwendung auf den musikalischen Unterricht lag nahe, und schon durch Nägeli ward der Gedanke hierzu angeregt. Auch Krebs hatte diese Idee aufgefaßt und sie bei der seiner Zeit neu errichteten Musikschule am städtischen Waisenhause zu verwirklichen gesucht. Schelble, welcher an dieser Anstalt durch die Verwendung seines Freundes eine weitere Anstellung erhalten, ging darin schon weiter, indem er seine Schüler selbst Melodien erfinden und sogar mehrstimmige Sätze ausarbeiten ließ. Zum Behufe zweckmäßiger Treff- und Leseübungen aber schrieb er eine Menge, zum Theil contrapunktisch gearbeiteter Übungsstücke*.
*Ein Bericht in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ vom Jahr 1812 erwähnt Schelble’s mit besonderer Auszeichnung. Es heißt darin unter Anderem: „Wenn er auch nicht schon früher eine Geschicklichkeit als Lehrer in einem Privatinstitut bewiesen hätte, so würden die Fortschritte seiner Schüler zeugen müssen, dass er die Sache aus dem rechten, ja vielleicht einzig wahren Gesichtspunkte betrachtet.“

Bei dieser vielfachen Thätigkeit vergaß jedoch Schelble keineswegs das Höherliegende. Mit Eifer begann er das Studium der Komposition, und welch tiefe Kenntnisse er sich hierin erworben, beweisen am besten seine Kompositionen selbst, wobei er vorzüglich Mozart zu seinem Vorbild nahm, und sich dessen Form und Wesen dadurch anzueignen suchte, dass er die Werke dieses unvergleichlichen Meisters fleißig studierte. Zu solchem Zwecke ließ er sich unter Anderem dessen sämmtliche Streichquartette und Quintette in Partitur setzen. Nebst verschiedenen Quartetten schrieb Schelble damals auch eine Oper „Graf Adalbert„, zu welcher Krebs den Text gedichtet hatte. All dies seine Geisteswerke zeigten nach dem Urteile kundiger Richter, nicht nur eine glückliche Erfindungsgabe, sondern sind auch in Form, Harmonie und Stimmführung durchaus gelungen zu nennen.

Vorübergehend mag hier eines vorherrschen des Zuges in dem Charakter des trefflichen Mannes gedacht werden: die stets unwandelbare Anhänglichkeit an die Seinigen, verbunden mit der Sorge, nicht nur diesen, sondern auch allen Nahestehenden nützlich und förderlich zu sein. – Daher kam es auch, dass er zwei seiner jüngeren Schwestern (von 14 Geschwistern hatten nur fünf das reife Alter erreicht) zu sich nach Stuttgart berief, wo sie unter strenger Aufsicht des Krebs’schen Familie einer künstlerische Bildung teilhaftig werden sollten. – Doch, zu ihrem Glück vielleicht, führte sie das Schicksal nach kurzem Aufenthalte in der Residenz wieder in heimatlichen Verhältnissen zu, worin sie in später gegründeten Familienkreisen eine angemessenere Bestimmung finden sollten.

Es läßt sich denken, wie erfreut die Eltern über das Wohlergehen des Sohnes waren. Auch der alte Lehrer Eiselin, der Freund des Hauses, der längst schon wieder mit seinem ehemals so falsch beurteilten Schüler sich ausgesöhnt hatte, kam in Begleitung der Eltern nach Stuttgart, um sich persönlich von den Fortschritten und dem Wohlergehen des 20-jährigen Hofsängers zu überzeugen.

Bis zum Jahre 1814 blieb Schaible in Stuttgart. Der Drang nach höherer Ausbildung verlangte ihn, die dortigen Verhältnisse aufzugeben und einem Rufe an das Wiener Hoftheater zu folgen. Nach des Künstlers eigenem Urtheile erreichte sein Gesang zu jener Zeit noch keineswegs die Höhe, welche seinem Ideale entsprach. Daher es auch kommen mag, dass sein erstes Auftreten in der Kaiserstadt ohne sonderliche Beachtung blieb, wozu jedoch eine anhaltende Heiserkeit des Sängers, die zuweilen wie ein düsterer Flor seine Stimmung überzog, mit eingerechnet werden muss.

“ Am 20. Juni (1814)“, schrieb er seinen Eltern, „bin ich im „lustigen Schuster“ von Paer aufgetreten. Ich habe Euch in meinem letzten Briefe über mein erstes Début geschrieben, demzufolge Ihr Euch leicht denken konntet, dass das Publikum nicht mit den besten Erwartungen von meinem Talente als Sänger ins Theater ging, weil der größte Teil desselben meiner vormaligen Heiserkeit keinen Glauben beimessen wollte. Demungeachtet gefiel mir Leistung; ich hatte freilich alle Künstler, die mich in der Probe hörten, für mich, was hier viel wert ist. Das ganze Orchesterpersonal sprach von mir überaus günstig. Den Tag nach dieser Oper ließ mich Graf Palsi rufen, um die Unterhandlungen, welche (da mir inzwischen vom auswärtigen Direktionen vorteilhafte Anträge gemacht worden) noch immer nicht beendet waren, in’s Reine zu bringen. Ein Advokat, namens Schreivogel, dem Balsi sie das ganze Geschäft aufgetragen hatte, sollte mit mir contrahieren. Wir waren einig bis auf die Reiseentschädigung, welche mir schon in Stuttgart zugesichert worden war. Schreivogel sagte mir, dass nicht die jetzige Direktion, sondern die frühere interimistische unter Schwarzenberg diese Verbindlichkeiten eingegangen habe. Über diese Äußerung wurde ich ungehalten und verließ nach kurzem Wortwechsel das Zimmer mit der Versicherung: das Engagement gar nicht annehmen zu wollen. Ich ließ mir, wie früher bestimmt war, 150 Gulden als Honorar für die beiden Rollen, in welchen ich aufgetreten, ausbezahlen und hatte schon den Tag meiner Abreise bestimmt, als die Direktion mich fragen ließ, wie viel ich denn Reiseentschädigung verlange; worüber ich mich erklärte und wir endlich einig wurden. Ich wollte jedoch keinen längeren Kontrakt als auf ein Jahr eingehen. Mein Gehalt belaufe sich auf 2500 Gulden, nebst der Zusicherung, dass binnen Monatsfrist die Oper „Massinissa“, auf die Bühne gebracht werden solle. Ich habe euch schon in meinem vorigen Briefe geschrieben, dass ich entschlossen sei, die hiesigen Verbindungen aufzugeben. – Unterdessen habe ich die Sache überlegt. Jedermann weiß, dass Wien gegenwärtig einen Tenoristen sehr nöthig hat; Viele, theils in Stuttgart, theils an anderen Theatern, deren teilnehmende oder neidische Augen im jetzigen Augenblicke auf mich gerichtet sind, wissend, dass es mein Wunsch gewesen ist, in Wien zu bleiben. Wenn ich nun auch zehnmal der bin, der nach genauer Prüfung der hiesigen Verhältnisse nicht mehr wünscht, so würde es auch ein Bruch mit der Direktion nicht meinen Willen, sondern einer, meinem Renommé als Künstler nachteiligen Ursache zugeschrieben werden. Ich hielt es somit für Pflicht, gegen mich selbst, wenigstens ein Jahr hier mich zu verbinden, um nicht einen falschen Schein auf mich zu ziehen. Nach Umfluß dieser Zeit kann sich Manches geändert haben, und will ich reisen, so stehen mir, dem ehemaligen k.k. Hofopernsänger, die Pforten der deutschen Theater offen. Unterdessen werde ich meiner Stimme die letzte Politur geben, ja ich kann sagen, dass sie bereits jetzt schon wieder besser geworden ist. – Ich bin so gesund, liebe Eltern, dass ich Gott nicht genug danken kann für dieses herrliche Geschenk; auch lebe ich bei meinen fleißigen Studien in einer fortwährenden Ruhe mit mir selbst. Würde der Gedanke: wie geht es in meinen lieben Eltern, werden auch Sie im Geiste ihrer Kinder glücklich sein? mich nicht manchmal beunruhigen, weil ich so wäre meine jetzige Lage beneidenswert. Doch die Vorsehung, scheint es, habe, um uns vor Hochmut und anderem Bösen zu bewahren, es so eingerichtet, dass mit den schönsten beruhigendsten Freuden stets das Gegenteil im Vereine steht.“

Nach Ablauf der Verbindlichkeiten folgte Schelble einem Rufe nach Treßburg, wo er als Regisseur der Oper einige Zeit tätig war; später kehrt er wiederum nach Wien zurück, um allein nur seinem Studium und dem Verkehr mit großen Meistern zu leben. Wien war zu jener Zeit der Mittelpunkt musikalischer Bestrebungen in Deutschland, dazu kam noch der Congreß, der so viele berühmte Männer in die Kaiserstadt geführt hatte. Es konnte daher nicht fehlen, dass der junge Mann Gelegenheit fand, mit bedeutenden Künstlern in seinem Fache bekannt zu werden; unter diesen Weigel, Spohrs, Meyfeder, Kreutzer, Schuppanzig und vor Allem Beethoven.

Den Werken des Letzteren hatte Schelble bis dahin wenig Beachtung geschenkt., desto größer ward nun aber seine Verehrung, die er dem gewaltigen Meister zollte, als er mit dessen Schöpfung vertrauter geworden. Auch mit Händel’s großen Werken hatte Schelble hier zuerst Bekanntschaft gemacht. Alles dieses mußte natürlich von mächtiger Wirkung auf das selbstschaffende Talent des jungen Mannes sein. Wenn seine Kompositionen von dieser Zeit an auch nicht mehr sehr zahlreich sind, so zeigen sie aber dagegen einen bedeutend verfeinerten Geschmack und mehr Selbstständigkeit im Styl. Seine größeren Gesangswerke aus dieser Zeit sind auch besonders sehr gut instrumentiert.

Er hatte es sich damals zur Regel gemacht, die goldenen Stunden des Morgens in ungestörtem Fleiße dem Komponieren zu widmen, aber sich zu vertiefen in die mannigfaltigen Herrlichkeiten großer Meisterwerke.

Meine Geschäfte hier“, schreibt er in einem Brief, „gehen wie ich es wünsche. Ich habe nun Gelegenheit, so nach und nach zu zeigen, was an mir ist, und ich darf mir schmeicheln, dass ich fortwährend an Achtung als Künstler gewinne. So wurde zum Beispiel letzthin bei Spohr ein großes Quintett, welches ich hier schrieb, aufgeführt. Viele konnten sich nicht genug wundern, wie ein Sänger ein so durchgearbeitete thematisches Werk liefern könne. Es wurde von fünf großen Virtuosen gespielt und daher über meine Erwartung schön exekutiert. Soeben, während ich in meinem Zimmer sitze und schreibe, donnern die Kanonen und verkünden die Ankunft des Königs von Württemberg. In allen Straßen strömt es unaufhörlich von Menschen; einmal 100.000 Fremde zählt man schon, die auf Veranlassung der Festis aufgekommen sind. Ihr könnt euch das Leben und den Spektakel denken. – Ich habe gegenwärtig täglich Probe und bin daher viel beschäftigt. Von Stuttgart bekomme ich stets die freundschaftlichsten Briefe mit den herzlichsten Äußerungen, besonders dass ich wieder kommen solle; ob es von Herzen geht, weiß ich nicht. Ich meinerseits werde Krebs, dem ich viel zu verdanken habe, nie undankbar vergessen. – In Betreff meines jungen Freundes Weiß kann ich im Augenblicke unmöglich etwas tun. Ihr glaubt nicht, wie die Theaterverwaltung gegenwärtig derangiert ist. Das ganze Orchester am Burgtheater wurde entlassen, worunter Spohr, der erste Violinspieler Deutschlands, Gierowetz und eine Menge anderer Mitglieder des Theaterpersonals u.s.w.

Wenn wir bedenken, wie selten Schelble mit seinen eigenen Werken hervorgetreten, und wie wenig er sich deshalb als Komponist in der Welt einen Namen gemacht, möchte es fast scheinen, dass er mit seinem schönen Talente auf halbem Wege stehen geblieben sey; doch mag bedacht werden, dass er dieses Studium eigentlich mehr nur als Bildungsmittel denn als Zweck selbst benützte, wie denn auch diese Geistestätigkeit gewiss vor Allem es war, welche seinem Sinn und Gemüte jene Richtung zum Ernsten und Tiefen der Kunst verliehen, welche sein ganzes nachheriges Wirken so entschieden bezeichnet. Vielleicht aber war auch der Umgang und die begeisterte Verehrung, die er den klassischen Meisterwerken zollte, mit mit Ursache, warum er stets so gleichgültig gegen die Kinder seines eigenen Geistes war, die er bekanntlich eher zu verbergen als vorzuführen suchte.*
*Ich habe einmal von einem denkenden Manne die Bemerkung gehört: das Süddeutsche sei im Vergleiche zu seinem verständnig nüchternen Landsmann im Norden ein fahrlässiger Haushälter in Sachen des eigenen Talentes; dieser wisse durch die kluge Oekonomie oft kein Weniges zu allgemeiner Geltung zu bringen, während Jener auch bei ungleich größerer Begabung nicht selten freiwillig zurückstehe. Und wahrlich, wenn wir die Kunstgeschichte verschiedener Zweige durchgehen, so finden wir in dieser Behauptung etwas Richtiges.

Von Wien ging Schelble über Prag nach Berlin, wo die großartige edle Weise seines Gesanges viel Anerkennung fand, ohne dass es jedoch, wie er zu wünschen schien, zu einer Anstellung gekommen wäre. Als ihn Freunde aufforderten, weitere „geeignete Schritte“ deshalb zu tun, war seine Antwort: „Wenn sie mich hätten haben wollen, würden Sie schon gekommen sein.“

Es lag eben nicht in dem Charakter des Mannes, durch unwürdiges Gebaren sich sein besseres Selbst herabzusetzen und damit ein gewünschtes Ziel erreichen zu wollen.

Der kurze Aufenthalt in Berlin verschaffte indes unserem Künstler sehr interessante Bekanntschaften mit ausgezeichneten Männern, wie Zeltler und Andere; auch erhielt er genaue Einsicht in die durch Fesch gegründete Singakademie. – Welche Vorbedeutung für Schelble!

In Frankfurt am Main, wo der Sänger durch Vermittlung des Dichters Clemens Brentano, mit dem er in Berlin nahe befreundet geworden, zu Gastrollen erwartet ward, gefiel sein Gesang so sehr, dass sogleich eine Anstellung als erster Tenorist auf drei Jahre mit entsprechendem Gehalt erfolgte. Zwar wollten auch hier wie anderwärts Manche sein mangelhaftes Spiel tadeln; doch dürfte, wie Solche behaupten, die tiefer blicken, dieses im Allgemeinen nur von Rollen zu verstehen sein, welche seiner edlen Persönlichkeit entgegen waren. (Wie sehr würde nicht heut zu Tage das Publikum in dieser Beziehung über ihn zu klagen haben, da dieser Fall auf unseren Bühnen so häufig vorkommen müßte.) Wer Schelble in Lieblingsrollen, wie Titus, Seretus, Belmont, Joseph und Faust gesehen, wird obigem Urtheile von Herzen beipflichten. Die herrlichen Genüsse, welche seine Gesangsleistung boten, wurden leider durch einen rheumatisch-gichtiges Uebel, welches ihn befiehl, unterbrochen. Schelble, der früher völlig gesund war, maß die Ursache dieser Krankheit der Bauart des Frankfurter Theaters bei, indem, sobald der Vorhang aufging, durch die Dachöffnung eine merkliche Zugluft entstand. – Und wirklich nach des Künstlers Abgang vom Theater verlor sich gedachtes Übel sehr bald, und er genoss auf lange wie eine beste Gesundheit.

Während einer langwierigen Kur, die er zum Theil im Bade Soden brauchten, war sein Kontrakt abgelaufen und Schelble sehnte sich nicht, ihn wieder erneuert zu sehen. Sollte ihm doch der Vaterstadt Goethe’s auf andere Weise Zeit und Gelegenheit werden, sein reiches Talent zu entfalten. Freiwillig entsagte er einer ruhmvollen Theaterlaufbahn, um der Kunstrichtung zu folgen, welche seinem geläuterten, auf’s höchste gerichteten Sinn völlig entsprach.

Die erste Veranlassung zur Gründer seines später berühmt gewordenen Cäcilienvereins gab eine kleine Zahl befähigter Schüler und Schülerinnen des Gesanges, mit welchen Schelble in geselligen Zirkeln zuweilen ein oder mehrstimmige Gesangsstücke zur Aufführung brachte. Die geschmacks- und würdevolle Art, wie der Künstler diese Musiken leitete, konnte nicht verfehlen, auf die Teilnehmenden einen bedeutsamen Eindruck zu machen, und der Gedanke einer dauernden Vereinigung trat lebhaft hervor. In dieser Absicht versammelten sich die Freunde am 24. Juli 1818 und beschlossen nach kurzer Beratung, dass wöchentlich einmal und zwar Mittwoch Abends Gesangsübungen unter der Leitung Schelble’s stattfinden sollten.

Die Einrichtung dieser Gesellschaft war in erster Zeit sehr einfach und patriarchalisch, indem jedes Mitglied einen gewissen Beitrag zur Bestreitung der unvermeidlichen Ausgaben spendete und alles andere dem Meister überlassen blieb, in dessen Wohnung die Singübungen gehalten wurden. Als Hauptleitfaden diente der Grundsatz: Meisterwerke für Gesang aller Gattungen und Zeiten mit Sorgfalt einzuüben und sie in möglichst künstlerischer Vollendung auch öffentlich vorzutragen.

Man wird natürlich finden, dass zuerst nur kleinere Werke einstudiert werden konnten, um die Kräfte allmählich erstarken zu lassen, was jedoch schneller geschah, als man erwarten durfte. Bereits am 8. Oktober 1818 wurde von einem kleinen Zuhörerkreis die Zauberflöte von Mozart und am 22. November eine Kantate von Schelible mit 50 Mitgliedern des Vereins ausgeführt. Ohne einseitige Ausschließen folgte rasch hintereinander bedeutende Werke: Mozarts Requiem, Misericordias, mehrere Messen und Chöre beschäftigten den Verein um diese Zeit.

Am 21. Februar 1820 aber konnte schon Händels Alexanderfest mit Mozarts Instrumentation unter Mitwirkung des ganzen Theaterorchesters gegeben werden, während für die nächstfolgende Zeit Cherubins Requiem, Händels Empfindungen am Grabe Jesu, sowie Sebastian Bachs achtstimmige Motette: „Ich lass dich nicht!“ die Tätigkeit des Vereins in Anspruch nahmen.

Gegen Ende des Jahres 1821 zählte der Verein bereits 100 Mitglieder; die erste Probezeit war glücklich bestanden, und das allgemeine Zutrauen, welches Schelble und seine gute Sache sich erworben, ließ dem Geschaffenen eine gedeihliche Zukunft hoffen. Die Wohnung des Meisters genügte der stets wachsende Mitgliederzahl nicht mehr, und ein größeres Lokal mußte gemietet werden. Zugleich war man auch bemüht, dem jugendlichen Institute eine spätere Gestalt und Grundlage zu geben. Die reichen Mitglieder traten zusammen, um einen Ausschuss zu wählen, welcher fortan den ökonomischen Teil des Ganzen zu übernehmen sich verpflichteten, während zu des Vereins Sicherung und Bestehen mit Schelble ein Vertrag auf zehn Jahre abgeschlossen, und ihm ein ansehnliches Gehalt bestimmt ward.

Um dieselbe Zeit wurde der Meister auch von Außen eine sehr beachtenswerte Antrag gemacht, der, wenn er angenommen worden wäre, des Meisters Zukunft jedenfalls zeitlebens gesichert hätte; Schelble jedoch glaubte, im Hinblick auf die soeben eingegangenen Verbindlichkeiten, denselben ablehnen zu müssen.

Das Verbleiben in der größeren Stadt und eine mehr gesicherte Stellung daselbst mußte unserem Meister umso erwünschter sein, als das Geschick ihn eben erst mit Fräulein Molly Müller aus Königsberg bekannt gemacht, mit welcher er im Jahre 1822 ein eheliches Bündnis feierte.

Im Zusammenhang mit der neu gegründeten Organisation des Vereins begannen nun Abonnementskonzerte, welche am 12. Dezember mit Händels Oratorium „Judas Maccabäus“ glorreich eröffnet wurden. Bald folgten auch andere Werke dieses herrlichen Meisters, sowie von berühmten Musterwerken einzelne Sätze, zum Beispiel von Palestrina, Lotti, Durante, Marcello, vorzüglich aber die Schöpfung eines Mozart, Haydn, Beethoven, Cherubini und später zuweilen auch Mendelssohn. Bei solcher Vielheit und Abwechslung wird daher der Vorwurf allzu einseitig strenger Richtung wohl nur von solchen gemacht werden können, die in unterentwickelten Sinne und Geschmacklosigkeit geistlose Modewerke dem Besten an die Seite setzen und als passende Unterhaltung für sich in Anspruch nehmen möchten. Gerade darin lag aber Schelble’s großer Verdienst, dass er dem Trivialen und Schwächlichen niemals die mindeste Konzession machte, und dadurch seinen Verein auf die Stufe wahrhaft künstlerischer Vollkommenheit hob.

Ein Blick über die Gesamtleitung des Vereins lässt hauptsächlich zwei Hauptperioden unterscheiden; die erste bis zum Jahr 1828 füllen vorzugsweise Händel’s, die zweite Bach’s Werke.

Durch den bekannten Kunstphilosophen Nägeli, mit welchem Scheluble persönlich und nahe befreundet war, hat er unter anderem eine authentische Abschrift des Bach’schen H Moll Messe erhalten, nach dem Autographum, welches Nägeli nebst anderen Handschriften dieses großen Meisters besaß, während andererseits Mendelssohn es war, der dem Meister die erste Kunde von Sebastian Bach’s doppelchöriger Passion brachte, indem dieser jugendliche Künstler bei einem Besuche in Frankfurt für Scheluble mehrere Stellen aus dem Gedächtnisse aufschrieb, später aber von Berlin aus eine Abschrift der ganzen Partitur besorgen ließ.

Sehr große Sorgfalt verwendete Schäuble auf die Ausbildung des Chorgesanges, wobei er, um jede Übereilung zu verhüten, mit größter Umsicht zu Werke ging. Außer den gewöhnlichen Proben am Mittwoch wurden deshalb nicht selten Extra- oder Spezial-Proben für einzelne Stimmen, zum Beispiel des ganzen Soprans x. veranstaltet, wobei allein jene freien Feinheiten erreicht werden konnte, die einem Kunstwerk seine individuelle Vollendung geben. Aber auch dem Sologesang widmete Schäuble seine ganze Aufmerksamkeit, umso mehr, als es keine geringe Aufgabe ist, mit bloßen Musikliebhabern das zu erreichen, was streng genommen nur dem eigentlichen Künstler zugemutet werden darf. Seiner Ausdauer gelang es jedoch, mehrere Schülerinnen für diesen Zweig heranzubilden, deren vortreffliche Leistungen weit über den gewöhnlichen Dilettantismus hinausreichten.

Eine Sorge anderer Art war für ihn die Instrumentalbegleitung, indem er dahin strebte, jedes Werk mit den ihm eigenen Instrumenten ausführen zu lassen. Geraume Zeit waren die Konzerte, mit wenigen Ausnahmen, mit der einfachen, aber vortrefflichen Klavierbegleitung Schelbles ausgeführt worden. In der Folge, als die Zahl der Mitglieder bedeutend angewachsen, hatte er diese Begleitung durch einen Kontrabass zu kräftigen gesucht, und später einmal bearbeitete er Haydn’s Schöpfung und die Jahreszeiten für mehrere Klaviere, was, obgleich von schöner Wirkung, denn doch nicht ausreichen sollte und Schelble mit dem Gedanken umging, ein Instrumentalverein aus Liebhabern ins Leben zu rufen. – Ein Plan, der jedoch nie zur Ausführung kam. Es mußte deshalb Zuflucht zum Theaterorchester genommen werden, was freilich mit Kosten und Unannehmlichkeiten mannigfacher Art verbunden war, in dem diese Künstlerschaft vom Theater abhängig und daher nicht jederzeit zu Diensten sein konnte.

Unter solchen Verhältnissen hatte der Verein das Jahr 1828 erreicht. Nach 10-jähriger Mühe und Arbeit war es gelungen, den musikalischen Sinn bedeutend zu wecken und auf Großartiges, Aechtes hinzulenken. Freudig wurden die herrlichen Leistungen des Vereins anerkannt und auch die allseitige Teilnahme des Publikums fehlte nicht.

Jetzt glaubte Schelble einen Schritt weitergehen und den kühnen Plan fassen zu dürfen, die Werke des größten und tiefsinnigsten Tondichters, des Johann Sebastian Bach, zum Hauptstudium des Vereins zu erheben. Indem er den Verein dadurch das unbestreitbare Verdienst verlieh, welches dem Institute wohl die erste Stelle unter ähnlichen Deutschlands einräumte, konnte dem Meister vielleicht etwas allzu rasches Vorgehen nach dem vorgesteckten hohen Ziele zum Vorwurf gemacht werden, wenn wir bedenken, dass er sogleich zwei der größten Werke Bachs hintereinander vornahm. Doch Schelble’s genialistischer Kraft und Begeisterung war allen entgegenstehenden Schwierigkeiten gewachsen. Nach der ersten Aufführung der großen H Moll Messe schrieb er den Seinigen in der Heimat: „Es ist das erste Mal, dass von Sebastian Bach’s größeren Kompositionen eine in’s Leben getreten ist. Als ich im Vereine anfing, die aus der großen Messe gewählten Stücke einzuüben, fand ich große Hindernisse. Die meisten Sänger und Sängerinnen hatten ein Vorurteil gegen diese Komposition gefaßt. Die Schwierigkeiten schienen ihnen unüberwindlich. Selbst die besten, die es mit der Sache treulich hielten, baten mich, von meinem Vorhaben abzusehen. Ich beschwichtigte sie, so gut ich konnte, half ihrem Unvermögen durch stetes Erklären des Bach’schen Werkes auf, und siehe da, als dieses Werk aus dem Chaos heraustrat – (es klang fürchterlich in der ersten Probe) wurde es immer herrlicher und größer, und bei der ersten Orchesterprobe mußte Freund und Feind bekennen, in seinem Leben nie etwas Tieferes und Erhabener es gehört zu haben. – So siegte meine Liebe und Tätigkeit für das große Werk, welches die Kunstgeschichte aufzuweisen hat, über das Vorurteil des vorlauten Dilettantismus. – Die Aufführung war prachtvoll, an 200 Personen wirkten mit, ich hatte ein gutes Orchester: 18 Violinen, vier Violen, vier Violocelles, zwei Kontrabässe, nebst kompletter Harmonie mit Posaunen.“

Fast gleichzeitig wurde, zwar immer noch unter Mühe und Not, die doppelchörige Passion eingeübt. Als dieses merkwürdige Werk so weit gediehen war, dass es richtig verstanden werden konnte, da freute sich Jedermann über den Geistesreichtum, welcher durch Svhelble’s Bemühen erschlossen ward.

Die erste Aufführung fand am 2. Mai 1829 statt. Groß und mächtig war der Eindruck sowohl der originell charakteristischen Chöre, als auch der höchst ausdrucksvolle Rezitative und Arien voll wunderbarer Schönheit. Diese Aufführung war ganz besonders feierlich, indem Schelble den Vortrag der Rezitative des Evangelisten und Christus übernommen hatte, während etwa sechzig junge Mädchen aus der städtischen Musterschule die in dem Werke vorkommenden Choralmelodien sangen.

Der sonst so unwillkommene Bach war von nun an der Liebling des Vereins. Man überzeugte sich immer mehr, dass derselbe nicht bloß ein strenger Contrapunktist, sondern ein tiefer, feinfühlender Komponist sei.

Um aber all diese Früchte zur Reife gebracht zu sehen, hatte es eines Mannes bedurft wie Schelble vor Liebe und Hingebung für das vorgestreckte, hohe Ziel. Uneigennützigkeit hatte er in die besten Jahren seines Lebens geopfert und das Gute, was durch seine seltene Kraft und Ausdauer geschaffen war, durfte Frankfurt unbestritten zu einer seiner vorzüglichen Zierde rechnen. Umso unerwarteter muss es daher erscheinen, bald darauf eine bedenkliche Krise für das ferne Bestehen des Vereins eintreten zu sehen. Viele frühere Mitglieder waren unterdessen zurückgetreten, und eine Erneuerung des Contracts, wodurch allein der Meister und sein Institut ganz sichergestellt werden konnten, war nicht zu hoffen. In dieser unangenehme Lage entschloß sich Schelble im Jahr 1831 auf Zureden seiner Freunde, den Verein auf eigene Rechnung fortzuführen. Und wenn auch der innere Fortgang des Instituts durch alles dies nicht im Mindesten litt, so kann es doch schwerlich Frankfurt zum Lob gereichen, Schelble und seine Sache aufs Spiel gestellt zu haben.

Die größeren Konzerte wurden wie bisher mit Orchester gegeben; daneben aber fanden auch kleinere, nicht minder interessante Aufführungen im Lokal des Vereins statt, wobei manche bisher unbekannt gebliebene Gesang- und Instrumentalwerke zu Gehör gebracht wurden. Aus diesem möchte genugsam zu entnehmen sein, wie der Meister weder Mühe noch Opfer scheute, um den Ruhm und das Gedeihen des Vereins aufrecht zu erhalten.

Gleichen Schritte mit Schelble’s Tätigkeit als Direktor hielten seine Bemühungen im Gebiete des Unterrichts. Nachdem der von ihm gegründete Verein bereits die höchste Stufe erreicht hatte und ein glückliches häusliches Leben dem genügsamen Manne wenig äußerliche Wünsche übrig lassen mochten, da gerade ließ es sich Schelble, von einem wohlverdienten Ruhm keineswegs lässig gemacht, auf das eifrigste angelegt sein, immer mehr den Mängeln und Lücken der musikalischen Bildung nachzuspüren; umso mehr, als diese es waren, welche ihm bisher so manche Mühe und Kämpfe bereitet hatten. Als Grund des Übels wurde von ihm erkannt, dass die Meisten die Musikin zu vorgerücktem Alter erlernen, das heißt in einer Zeit, wo die eigentliche Epoche der Bildungsfähigkeit schon vorüber ist. Vielfältige Versuche, welche Schelble bei Kindern anstellte, überzeugten ihn, dass je früher der Unterricht beginne, desto erfreulichere Resultate zu erwarten sein; eine Wahrnehmung, auf welche er seine, (wenn auch nicht allgemein) bekannt und sogar berühmt gewordene Singmethode, oder richtiger Gehörsbildungsmethode für Kinder gründete.

Diese Unterrichtsweise geht dahin, bei Kindern im zarten Alter das musikalische Gehör oder den Tonsinn auf naturgemäß neue Art zu wecken und stufenweise bis zu möglicher Vollkommenheit auszubilden. Leider hat uns der Meister, außer einer „kurzen Anleitung zur musikalischen Elementarunterrichte“ keine ausführliche Theorie seiner Methode hinterlassen. Doch ist hinlängliches Material selbst komponierter Übungsstücke vorhanden, von dem ersten Anfange mit drei Tönen bis zum ganzen Umfange der C Dur Tonleiter, nebst Ausarbeitung des harmonischen Theils oder der Akkorde.

In der geschriebenen Anleitung sagt Schelble: „Manche glauben, es gebe Kinder, die kein musikalisches Gehör besitzen; ich selbst war der Meinung; denn es gibt Kinder, welche mit zehn oder elf Jahren Musik zu lernen anfangen, und es zeigt sich, dass sie kein Gehör haben; nicht einen Ton sind sie imstande aufzufassen. Solche Beispiele habe ich viele gehabt. Dieser Mangel findet sich jedoch bei keinem einzigen Kinde von 4 bis 5 Jahren, mit welchem auf obige Art verfahren wird; alle werden ohne Unterschied Ton und Melodie auffassen. – Die Kinder lernen nach derselben Methode Musik, ehe sie noch Anderes zu begreifen imstande sind; ja sie sollen mit dem Schwersten schon fertig sein, ehe sie Weiteres beginnen. Fangen sie im vierten Jahre bei einigermaßen günstigen Naturfähigkeiten an, so werden sie mit den 7. nicht nur jene Melodie der Dur- und Moll- Leiter richtig hören und notieren, sondern sie werden auch alle Dreiklänge und ihre Versetzungen, so wie alle Vierklänge mit letzteren sicher hören, was viele Tausende, die ihre ganze Lebenszeit mit Musik sich beschäftigen, nicht können.“

Ohnerachtet Schelble seine Lernmethode nur für den Umfang der C Dur Tonleiter auszuführen Zeit gefunden, kann der Lehrgang noch gewissermaßen als abgeschlossen betrachtet werden, weil die Anwendung der noch übrigen fünf Töne keine so große Schwierigkeiten hat, als auf den ersten Blick scheinen möchte. Wenn diese treffliche Methode bis jetzt auch immer nicht im allgemeinen bekannt geworden, so sie verdient, so mag es vielleicht in den Umstande liegen, dass sie eben mehr unmittelbar praktisch, als bloß nur theoretisch mitgeteilt werden will; jede Willkür und Voreiligkeit oder Schaden bringen und die gehofften Vorteile im Voraus vernichten würde.

Was den eigenen Bildungsgang unseres Künstlers betrifft, so muss es auffallen, dass er im ganzen wenig Unterricht genossen, während er selbst eine angeborene Neigung in sich trug, unterrichtend und belehrend auf seine Umgebung einzuwirken. Selbst als Theatersänger suchte Schelble nach Umständen, in diesem Sinne tätig zu sein, in denen er die Kollegen die sich ihm zu nähern verstanden, gewissermaßen als Schüler betrachtete. Denn nicht nur teilte er diesen seinen Erfahrungen und Ansichten über Gesang gerne mit, sondern er sang mit ihnen Szenen, Arien, ja selbst ganze Opern am Klavier durch. Und noch mögen manche dieser Sänger und Sängerinnen leben, die Schelble’s Andenken dankend feiern.

Schelble selbst war eigentlich zum Sänger geboren; wie denn überhaupt alles dabei von einer glücklichen körperlichen und geistigen Organisation abhängt. Bei Schelble fand diese Organisation in glücklicher Vereinigung statt. Nebst einer vortrefflichen psysischen Bildung dürfen wohl die Hauptpunkte, Verstand und Gemüth, nur selten in so richtigem Verhältnis, wie bei ihm, zu finden sein. Seine Stimme war von Natur mehr hoher Baß, als eigentlich Tenor; aber durch fleißiges Studium hatte er den bedeutenden Umfang vom tiefen C bis zum hohen G oder A der kleinen Oktave erlangt. Über diese Töne von seltener Biegsamkeit und Gleichmäßigkeit war der Sänger völlig Herr und Meister, während Kraft und Wortlaut sein herrliches Organ schmückten, das leise An- und Verklingen der Töne, wie nicht minder die große Fertigkeit, die schwersten Gänge, Läufe und einen vollendeten Triller zu singen, waren bewundernswert; doch muß bemerkt werden, dass Schelble von diesem Prunk nur höchst selten und in späteren Zeiten gar keinen öffentlichen Gebrauch machte, weil er seinen Geschmack weit mehr zusagte, dem einfachen, zugleich aber künstlerisch vollendeten Vortrag seine Meisterschaft zu zeigen. „Ich kenne“, sagt er in dieser Beziehung von sich „viele Sänger welche mit schöner Stimme als die meinige ist, begabt sind. Was ich aber zu haben glaube ist: dass ich jedes Gesangsstück nach seinem wahrem Charakter vorzutragen verstehe“. Und wahrlich wer ihn hörte, mußte bekennen, dass sich bei ihm eine Art des Gesanges geltend mache, wie man sie noch nicht gehört hatte.

Nachdem Schelble das Theater (mit der Rolle „Tancred“) auf immer verlassen, war seine ganze Wirksamkeit als Sänger ausschließlich dem Cäcilienvereine gewidmet, wo diese Tätigkeit gerade bedeutend wurde, indem er nicht nur als Sänger überhaupt einen mächtigen Einfluss auf diese Anstalt ausübte, sondern auch viele vorkommende Solo’s selbst übernahm und sie jederzeit zur großen Erbauung der lauschenden Zuhörer vorzutragen wußte.

Was von dem Meister als Sänger gesagt ist, kann in fast gleichem Maße auf ihn auch als Klavierspieler angewendet werden. Er spielte zwar, Gesangsbegleitung ausgenommen, nie öffentlich und wollte überhaupt als Spieler ex professo nicht angesehen werden, allein seine Art und der reine Geschmack, mit welchen er das Instrument behandelte, waren vortrefflich. Ein schöner, gleichmäßiger Anschlag, verbunden mit bedeutender Fertigkeit, welche jedoch nie in die Sphäre des Virtuosentums ging, bezeichneten sein durchdachtes und höchst anspruchsvolles Spiel ohne alle Affectionen und kleinliches Effektaschen, wobei allerdings der gebildete Sänger nicht zu verkennen war, in den er die Tasten gleichsam zum Singen brachte. Die Werke eines Mozart, Beethoven und Bach konnte man unmöglich schöner als von ihm vorgetragen hören.

Es wird wohl kaum der Versicherung bedürfen, dass bei einer Kunstrichtung wie die Schelble’sche war, alle Halbheitheit und Scheinstreben einen strengen Richter gefunden haben werde. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist die Antwort, die er einst einem Kunstjünger gab, der ihn bescheiden um die Erlaubnis fragte, den Vereinsübungen manchmal beiwohnen zu dürfen. „Wenn Sie nur manchmal kommen wollen“, entgegnete Schelble, „so kann ich es Ihnen nicht erlauben, wollen Sie den Verein aber regelmäßig besuchen, so sind Sie mir jederzeit willkommen.“ Eine solche, auf nur das Innerste und Wahre gerichtete Gesinnung konnte natürlich auch nur wenig Behagen finden an sich vielfach verbildeten Zuständen unserer modernen Salon- und Modelebens. Obwohl ausgerüstet mit seltenen geselligen Talenten und auch einer durchaus bedeutsamen Persönlichkeit, suchte und fand er allein nur Erholung und Genuss im Geiste vertrauter Freunde.

Schon früh hatte er in seiner Vaterstadt, mit welcher noch Eltern und Geschwister lebten, ein kleines ländliches Besitztum erworben und hergerichtet, wo er alljährlich zur Sommerzeit sich aufzuhalten pflegte.

Hier, in der wohlbebauten Hochebene in der Nähe des Schwarzwaldes, verlebte der genügsame Manne an der Seite seiner würdigen Gattin die heiteren Stunden. „Wie glücklich bist du“, heißt es in einem Schreiben an seinen Schwager, welcher um die Zeit dort ein Stück Bergfeld zu kultivieren angefangen, „wie glücklich, dass du deinen Berg- und Baumgarten täglich sehen und besuchen kannst, während ich getrennt von einem meine liebsten Lebensgenüsse lebe, und auch noch von vielem Anderen. Kommen und gehen, mich freuen und betrüben, scheint mein Loos zu sein. Wir gehen oft spazieren und vergleichen hundertmal unsere Besitztum mit dem Gesehenen. – Es ist eben nicht der Garten allein, was mich fesselt, an dem hängt ein Ideal, also ein Ding, wovon das jetzige Leben sehr verschieden ist – und das ich vielleicht nie erreiche!“

Als Schelble hörte, dass in seiner Heimat die Straßen mit Bäumen bepflanzt werden sollen, schrieb er einem Freunde: „Hoch erfreut bin ich, dass endlich von Oben für die Verschönerung der Städtleins und der Gegend etwas getan wird. Möge die Sache mit Liebe und Strenge betrieben werden, das wünsche ich aus hundert Gründen tausendmal. Wissen möchte ich wohl, wann der erste Baum gesetzt wird, ich möchte diesen Tag feiern.

Wohl machte schon dazumal das Leben der größten Stadt von jenen bedrohlichen Vorzeichen der Bewegung und politischen Zwiespältigkeit, welche bald nachher den Frieden der Gesellschaft auf bedenkliche Weise zu stören drohten, Manches ahnen lassen.

Die Worte, welche Schelble aus Anlass der bekannten Frankfurter Unruhen anfangs der dreißiger Jahre brieflich anspricht, scheinen mir im Hinblick auf unsere nächste Vergangenheit etwas Prophetisches zu haben: „Wie auch die Ansicht und Empfindung eines jedes Einzelnen sein mag“, schreibt er, „Jeder fühlt sich auf seine Art höchst unangemessen berührt, und Zerwürfnis, Misstrauen und Feindschaft im Kleinen wie im Großen werden leider durch solche Ereignisse immer häufiger und somit das Leben trüber werden. Da ist es denn gut, wenn wir im kleineren Kreise einer erquicklichen Häuslichkeit uns einer Kunst oder Wissenschaft hinzugeben, das Glück haben.“

Und gewiss Schelbe’s reiches Gemüt und uneigennützig Strebende fand dieses Glück jederzeit in sich selbst und in dem Anteil und der Verehrung Aller, die mit ihm durch Beruf oder Freundschaftsverhältnisse in näherer oder entfernter Berührung kamen.

Auf’s lebhafteste und mit richtigem Sinn und Geschmack interessierte sich Schelble auch für alle Erscheinungen auf dem Gebiete der bildenden Kunst, ohne sich jedoch jenen leidigen sogenannten Kunstkennern beizählen zu wollen, die entweder in falsch verstandener Toleranz das Schlechte mit dem Guten gleichberechtigten, oder unfertigem Absprechen ihrer Meinung als gültigen Maßstab hurtig und flink und das Höchste und Vollkommenste unbedenklich anlegen möchten. Das Städel’sche Institut in seinem Anfang und Fortgang gab Gelegenheit genug, dem mit mehr als gewöhnlicher Liebhaberei gehegten Kunstinteresse Schelble’s einen Anhaltspunkt zu geben; sowie denn auch unter den in Frankfurt lebenden Künstlern mehrere waren, die zu seinen näheren Freunden zählten, mit welchen ein geselliges Verhältnis stets auf das Beste gepflogen ward.

Im Vorbeigehen mag hier noch erwähnt werden, wie der fein und gründlich gebildete Musiker sich mit Vorliebe für den Volksgesang interessierte. Es war ihm nicht zu geringfügig, bei Gelegenheit seines Sommeraufenthaltes in Vaterort zuweilen vorbeiziehende, singende Landleute, Schnitter und Schnitterinnen, zu sich in seinen Garten einzuladen, um an ihren Gesänge zu sich zu ergötzen. Ja, er schrieb sich manchmal diese Lieder auf, jedoch nicht um sie, wie es heutzutage geschieht, für den Salon oder die gebildete Welt zustutzen zu wollen.
*Es ist auffallend, dass da, wo (auf dem Lande) die, unserer Zeit so betriebenen Männergesangsvereine bestehen, der Volksgesang, diese gleichsam wildwachsende, aber frisch duftende Blüte auf dem Felde der Tonkunst, verschwindet. – Sonderbar, nachdem im 14. Jahrhundert die Meistersänger-Zunft entstanden war, hatte die Poesie bereits aufgehört. – Vielleicht dass einmal nach 50 Jahren ähnliche Betrachtungen auch über unsere Konservatorien, Akademien und zum Teil auch über die Universitäten angestellt werden.

Die Haupttätigkeit des Mannes aber war und blieb dem Vereine zugewendet. Die Zeit hatte zwischen ihm und einem herangeblühten Stamme der Mitglieder ein Band geschlungen, welches auf lange und glückliche Zukunft hoffen ließ; -allein das Schicksal hatte anderes beschlossen. Gegen das Jahr 1834 fing des Meisters Gesundheit an, schwankend zu werden; doch blieb Schelble noch immer in gewohnter Tätigkeit, bis gegen Ende des nächsten Jahres, wo sein Zustand bedenklicher wurde und er, zuerst auf kurze Zeit, dann auf immer dem Vereine entsagen mußte.

In peinlicher Untätigkeit wurde der Winter verbracht, und mit kommendem Frühjahr (1836) schied der Meister von Frankfurt nicht ohne ein Vorgefühl, dass er wohl für immer sein werde.

Im Bade Gastein hatte er vergeblich Heilung gesucht; ist so mächtig in die Heimat zu, wo er in der stärkenden Luft des Hochlandes Besserung hoffen durfte. – Und wirklich schien erneutes Leben noch einmal wiederkehren zu wollen – doch war es leider nur Täuschung – das Vollgefühl der Gesundheit kehrte nimmermehr wieder. Demungeachtet war er noch immer unausgesetzt thätig. Nebst der Sorge für die häusliche Einrichtung seiner kleinen Gartenwohnung beschäftigte ihn der Singunterricht der Kinder, die er um sich versammelt hatte; auch hier im Kleinen, wie früher im Großen, wollte er den Sinn und die Empfänglichkeit für das Schöne wecken und fördern. – Frohe Hoffnung gänzlicher Genesung beschlichen die Brust der Seinigen; um so unvorbereiteter traf sein plötzliches Dahinscheiden.

Es war am 6. August des Jahres 1837, an einem Sonntag, als das Totenglöcklein der Stadtkirche üblicherweise den Einwohnern verkündete, dass ein Mensch aus ihrer Mitte geschieden sei. – Es war das Scheidezeichen für Johann Nepomuk Schelble. – Im Geleite der Seinigen hatte er denselben Tag einen Spaziergang auf ein entferntes Grundstück unternommen, als er zurückkehrend am Eingange seines Gartens von einem Blutsturz befallen wurde, der seinen Leben in den Armen seiner Gattin ein schmerzliches schnelles Ende machte.

Ein Mitglied des Cäcilienvereins (Johannes Weismann) unternahm es, für die Freunde in kurzgefassten Zügen eine Schilderung des Lebens und Wirkens des Verewigten zu entwerfen. Und wohl darf er als die Denkweise Vieler betrachtet werden, wenn der Verehrer am Schlusse seines Nekrologs ausruft: „Fürwahr, ein ungewöhnlicher, ein großer Mensch ist mit ihm von der Erde geschieden; denn seine Aufgabe war eine große, und er hat sie im großen Sinn aufgefaßt und gelöst. Darum erkannte sich der Verein mit tiefem Schmerze verwaist, als er sich ihm die Überzeugung aufdrang, dass Schelble ihm unwiederbringlich entrissen sei. Darum ist es so natürlich, dass wir immer von Neuem an ihn erinnert werden, dass wir ihn immer wieder vor unserem Geistesauge erblicken, den Mann mit der großen Stirne, mit dem edelgebildeten Haupte, dem tiefblickenden Auge, wie er anspruchslos am Klavier saß und mit klarem, ruhigen Sinn die Tonwelt, das Ganze wie das Einzelne beherrschte“.

Noch besteht der von Schelble gegründete Cäcilienverein, ein lebendes Denkmal des Dahingeschiedenen. Und wenn auch der öftere Wechsel der Direktion nach Schelble der Sache nicht vorteilhaft sein konnte, und daher Manches vom ursprünglichen Geiste verloren gegangen sein mag, so darf dennoch nicht verkannt werden, dass der Sinn und die Richtung des Geschmackes für gediegene Musik im Ganzen erhalten blieb.


Lucian Reich zitiert hier viel aus Briefen von Johann Nepomuk Schelble die ihm damals wohl vorgelegen haben. Hier kommen wieder die selben Künstler vor die in den letzten Kapitel erwähnt wurden:

Johann Nepomuk Schelble (16.05.1789-06.08.1837) kam also über Stuttgart, Wien, Prag und Berlin nach Frankfurt.

Nebst verschiedenen Quartetten schrieb Schelble damals auch eine Oper „Graf Adalbert„, zu welcher Krebs den Text gedichtet hatte.

Graf Adalbert ist eine Oper in 3 Akten (1813 Stuttgart). Leider ist wohl nur der Text überliefert, die Musik gilt als verschollen.

Es konnte daher nicht fehlen, daß der junge Mann Gelegenheit fand, mit bedeutenden Künstlern in seinem Fache bekannt zu werden; unter diesen Weigel, Spohr, Meyfeder, Kreuzer, Schuppanzig und vor Allen Beethoven….Auch mit Händel’s großen Werken hatte Schelble hier (in Wien) Bekanntschaft gemacht.

So gab Johann Nepomuk Schelble als Initiator und bewegende Kraft einen Takt vor, der Frankfurts Chöre noch 175 Jahre nach seinem Tod durchpulst. Solange sie singen, kann man ihn, mag auch das Bild seiner Persönlichkeit verblasst, sein Name vergessen sein, noch heute „hören“.

https://www.caecilienchor.de/UeberUns/Schelble.shtml

1822 heiratete Schelble das Fräulein Molly Müller aus Königsberg.

Leider lässt sich über Molly Müller nichts mehr weiter herausfinden, außer, dass die Ehe anscheinend kinderlos blieb.

In Hüfingen erwarb Schelble 1824 ein „Landgütchen“, das er sein „Ruhetal“ nannte.

Foto: Karl Schweizer etwa 1980

Lucian Reich berichtet über Schelbles Engagement in Hüfingen und von den Pflanzungen der Hüfinger Anlage, die mit den Freunden der Natur Hüfingen errichtet wurde und teilweise auch von den selben „Baunausen im Geiste“ zerstört wurden, deren Nachfahren auch heute noch in Hüfingen Unheil stiften:

Mit 48 Jahren starb Schelble in den Armen seiner Frau Molly Müller am Eingang seines Hüfinger Hauses an der Bräunlinger Straße.

Wanderblühten – Schlußwort

Wanderblühten – Das Buch

Zur Übersicht gehts hier:

Wanderblühten – Johann Nepomuk Schelble – Prolog


Es bildet ein Talent sich in der Stille,
Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.

Johann Wolfgang von Goethe in Torquato Tasso

Gleichzeitige Menschen haben, wie eine aufmerksame Vergleichung zeigt, nicht selten auffallende Ähnlichkeit in der Art und Weise ihres Bildungsganges. Und es ist dies sehr natürlich; bilden ja doch Zeit und Umstände, so zu sagen das Klima, in welchem die Pflanzen aufwachsen und sich entfalten.

Unter die Landsleute, welche sich ehrenvoll und tüchtig hervorgetan, dürfen wir mit Recht die Musiker Conradin Kreutzer, Krebs und Schelble zählen. In ungefähr äußerlich gleich beschränkten Verhältnissen geboren, führte sie allein ihr Talent und Streben auf die Bahn, auf welcher sie (jeder in seiner eigenen Weise) für ihre Zeit Bedeutendes leisteten. – Wie bei ihrem Landsmann Seele, sind es die Orte Donaueschingen, Stuttgart und Wien, die bei Schilderung jenes Lebens und Wirkens vorzugsweise genannt werden müssen. Krebs, 1774 in Überauchen bei Villingen geboren, besuchte fast gleichzeitig mit Seele die Schule zu Donaueschingen, wo er nebenbei Gesangsunterricht nahm, und später am Hofe zu Stuttgart als tüchtig gebildeter Sänger und Theoretiker einen passenden Wirkungskreis fand. –

Kreutzer, ein (1782) geborener Mößkircher, kam, wie Schelble nach Marchthal, schon frühe in das Kloster Zwiefalten, wo er gründlichen musikalischen Unterricht genoss, und nachdem er einige Zeit in Wien sich aufgehalten, in Stuttgart und Donaueschingen die Stelle eines Kapellmeisters begleitete, sowie später in Wien die Direktorsstelle bei der Oper an der Josephstädter Bühne und am Burgtheater.

Was die Lebensgeschichte Schelble’s anbetrifft, so glaube ich dieselbe etwas ausführlicher geben zu müssen, zumal verschiedene hinterlassene Briefschaften, sowie Mündliches und Schriftliches von Freunden* die (eigene nahe Verwandtschaft mit eingerechnet) mich in den Stand setzen, einen biographischen Versuch mit einigem Glück bewerkstelligen zu können.
* Schätzenswerthe Beiträge verdanke ich dem Musiker und Schüler Schelble’s, Franz Xaver Gleichauf in Frankfurt; so wie ich auch dem Urtheile dieses gründlich gebildeten Musikers in Betreff Schelble’s musikalischer Leistungen treuchlich gefolgt bin.

Lebensgeschichten im allgemeinen sind jedoch immerhin Bruchstücke; denn wie Vieles verschlingt nicht unmittelbar die Woge der Zeit, und wie bald ist die Stelle, wo wir gelebt und gewirkt haben, überwachsen von dem üppigen Grün nachkommender Geschlechter, die oft kaum mehr wissen, wer von den Vorfahren das Bäumlein gepflanzt und gepflegt hat, dessen Schatten oder Frucht sie genießen. Bleibt ja doch gewöhnlich gerade das prunk- und anspruchlosere, darum aber vielleicht um so gesegnetere Wirken ungenannt, weil es verschmäht hat, in den Vordergrund sich zu stellen und von der Welt Beifall und Lohn zu heischen.

Schelble’s künstlerische Leistungen aber verdient unsere volle Beachtung, nicht nur deshalb, weil sie als schöne Erinnerung festgehalten zu werden verdienen, sondern, was noch mehr ist, weil sie als Vorbild für unsere und künftige Zeiten gelten dürfen. Sein ganzes Wirken und Streben erinnert recht eigentlich daran, dass die Kunst ein Göttliches im Menschen ist, welches zu erhalten und zu pflegen des wahren Künstlers hoher Beruf sein müßte!“

Nach dieser kurzen Vorbetrachtung wollen wir nun den Lebensgang des Meisters in möglichster Treue zu schildern versuchen.

Es ist eine, durch viele Beispiele bestätigte Wahrnehmung, dass ein Talent, gleichwie das Samenkorn, zum Keimen einer Anregung bedarf, einer Umgebung, wo es seine erste, wenn auch zuweilen spärliche Nahrung zieht. Dieser Satz auf die vorliegende Lebensgeschichte angewendet, möchte es fast scheinen, als werde auf dem Lande, oder was das Nämliche ist, in kleinen Landstädten, zumal in jenen unruhigen Kriegszeiten, wenig künstlerisch Anregendes vorhanden gewesen sein. Bei näherer Betrachtung jedoch dürfte sich ergeben, dass jener Boden in dieser Beziehung so ungünstig nicht gewesen, als wir auf den ersten Blick glauben möchten.

Um von der Musik allein zu reden, war es diese Kunst ganz besonders, dies bis herab in’s Kleine überall ihre Liebhaber und Pfleger fand. Der Umstand, dass in den damaligen Klöstern und ihren Unterrichtsanstalten vorzugsweise Musik getrieben wurde, mag wohl das Meiste hierzu beigetragen haben; denn selten kam ein Studierter von dort zurück, ohne wenigstens einige musikalische Bildung ins praktische Leben mitzubringen; daher nicht leicht ein kleines Städtlein gefunden wurde, wo nicht geistliche und weltliche Beamte in mancherlei Weise bei Kirchenmusiken, oder bei Unterrichte der Jugend sich thätig gezeigt hätten. Auch bei den Schullehrern wurde hauptsächlich nur auf musikalische Befähigung gesehen; eine gute Singstimme bei einiger Fertigkeit im Lesen und Schreiben genügte oft allein schon bei Bewerbungen um eine Stelle, den Ausschlag zu geben. „Vorsersamst“, hieß es gewöhnlich in der Dienstausschreibung, „solle er (der Schulmeister) eines gesitteten Lebenswandels sein, gut schreiben, lesen und rechnen, die Orgel schlagen, geigen und Baßsingen, auch wo möglich die blasenden Instrumente behandeln können.“

Zu allem diesen hatte das bürgerliche Leben noch mehr konservative Zähigkeit. Ein Gewerbe, eine Fertigkeit oder Kunst erbten sich nicht selten von dem Vater auf den Sohn durch mehrere Generationen fort. War zum Beispiel der Großvater Zeug- oder Schuhmacher ein fertiger Geiger, so war es gewiss nicht minder auch der Sohn und der Enkel. Und so konnte es kommen, dass in einem lange heimischen Fache zuweilen ein Talent hervortrat, welches über das Gewöhnliche hinausging.

Ein weitere Anregung und Förderung für strebende Jüngere war, um von unserer Gegend allein zu sprechen, stets auch der fürstlich fürstenbergische Hof. – In der Zeit, von der hier die Rede ist, war es insbesondere die Fürstin Maria Antonie, welche durch Pflege der schönen Künste ein heiteres, genussreiches Leben um sich schuf. Unter ihrem Mäcenate war in Donaueschingen ein Hoftheater erbaut worden, wo durch eigene, so wie aus der Ferne herberufene Kräfte viele jener Zeit entsproßte Meisterwerke dramatischer Kunst zur Aufführung kamen. Vor allem war die ewig schönen Produkte des heiteren, lebensfrischen Mozart, welche mit Sorgfalt und Liebe einstudiert, auf der neuen Bühne gegeben wurden; und der Eindruck, den diese Leistungen auf die größten Teil des Publikums hervorbrachten, mußte umso größer sein, je weniger man gewohnt war, je etwas derartiges hören und zu sehen. Vergünstigt durch die damaligen tiefen Friedenszeiten hatte die Kunst in ihrem gemeinsamen Aufschwung noch etwas Jugendliches, Frisches, was selbst durch die nachfolgenden Kriegswetter nicht ganz verkümmert werden konnte.

Man wird nun gerne zugeben, dass all dieses ein Element gebildet habe, worin eine junge Pflanze einige Nahrung und einigen Halt finden mochte. – Von diesen allgemeinen Umrissen zum Einzelnen übergehend, finden wir die Vorälteren Schelble’s* seit frühesten Zeiten als Bürger des fürstenbergischen Städtlein Hüfingen. Der Großvater, sowie der Urgroßvater trieben das kunstverwandte Handwerk der Faßmalerei, ein Gewerbe, welches heutzutage teilweise unsere Vergolder ausüben. Nebenbei versahren diese Männer noch den Kanzleidienst beim dortigen fürstlichen Justizamte, und als Lieblingsbeschäftigung trieben sie Musik. Stets fanden sie sich unter denen, welche in der Pfarrkirche des Ortes als leidliche Dilettanten mitwirkten und zwar als Violinspieler.
*Die ältere Schreibweise des Namens Schelblin.

Dieser letztere Fertigkeit war auch ein Erbschaft des Vaters unseres Schelble. Das Kunstgewerbe, die Faßmalerei, wiewohl er von Jugend auf darin unterrichtet war, behagte eben nicht sonderlich. Sein Sinn ging mehr auf Musik, Mechanik und Rechenkünste. Weil aber alles dieses, ohne bestimmten Zweck getrieben, wenig geeignet schien, eine sichere Existenz zu gewähren, so hatte der junge Mann sich entschlossen, Schullehrer zu werden. Er nahm deshalb Unterricht bei dem Normallehrer und Musikpräzeptor Käfer in Donaueschingen, wo er sich nebst Schulwissenschaftlichen Anweisung im Orgel- und Klavierspiel erhielt. Der gänzliche Mangel einer Singstimme jedoch, ohne welche er nie auf bessere Plätze Anspruch gehabt hätte, war es, was den Kandidaten bewog, dem Lehrfache zu entsagen, und sich wieder dem angestammten Haus- und Familiengeschäfte zuzuwenden.

Zur selben Zeit war in dem Städtlein ein Kaplan, Namens Reeser, welcher als Gesanglehrer und Direktor der Kirchenmusik sehr in Ansehen stand. Eine seiner Schülerinnen, die Chorsängerin Katharina Götz, die Tochter eines bemittelten Bauern, zeichnete sich durch eine hübsche Stimme so vorteilhaft aus, dass man ihr von verschiedenen Seiten rieth, in’s Kloster zu gehen, wo damals diese Eigenschaft als Empfehlung gelten konnte. Durch die Erzählung und das Zureden Verwandter und Freunde für das klösterliche Leben im Voraus eingenommen, hatte das 15-jährige Mädchen endlich den Entschluss gefasst, der Welt zu entsagen und in einem nahen Kloster Amtenhausen sich aufnehmen zu lassen. Ein Gleiches wollte eine ihrer Freundinnen thun.

Unter Glück- und Segenswünschen der Ältern hatten die beiden Jungfrauen voll Zuversicht ihre Wanderung dorthin angetreten, um sich vorläufig einer Probezeit und Prüfung im Gesang zu unterziehen, von derem Erfolge ihre Aufnahme in das geistliche Stift abhängig gemacht worden war.

Alles ging nach Wunsch, und die beiden Mädchen wurden mit den besten Versprechungen aus dem Kloster entlassen, nachdem man ihnen den Tag bestimmt hatte, an welchen sie sich wieder anmelden sollten. – Sei es, dass die Abgeschiedenheit, der Zwang und der Ernst des klösterlichen Aufenthaltes auf die jugendlichen, noch von keiner bitteren Erfahrung getäuschten Gemüter ungünstigen Eindruck gemacht, oder dass ihr Entschluss sein ursprünglicher gewesen – genug, die Beiden wandelten schweigend heimwärts; und als sie aus dem engen Tale herausgekommen, in die sommerhelle Landschaft, wo überall im Felde fleißige Hände sich regten und die glänzender Welle die junge Donau floss, während hundertfältige Jubelstimmen aus den grünen Buchenwälder riefen – da wurde es den Himmelsbräuten sonderbar zu Mut. „Katharina““ unterbrach die Eine das bisherige Schweigen, „nicht wahr, wir gehen nicht in’s Kloster!“ Und die Andere, als wäre eine schwere Last von ihrem Herzen, stimmte lebhaft und entschieden bei.

Ohne sich umzusehen, wie sie später noch oft erzählten, hatten die Mädchen den Weg zurückgelegt und als sie heim gekommen, wußten sie den Ihrigen viel von der Abenteuer und dem baaren Gelde zu erzählen, was man als notwendiges Erfordernis zum Eintritt in das Kloster ihnen zur Bedingung gemacht habe.

Unterdessen hatten die Umstände den ehemaligen Schulamtskandidaten Franz Joseph Schelble auf eine Bahn geführt, die mehr seiner angeborenen Neigung zu entsprechen schien. Der junge Mann war nämlich öfters als geübter Klavierstimmer in’s Schloss nach Donaueschingen gerufen worden, wo er manches Neue im Fache des verbesserten Instrumentenbaus sah und hörte, was bei ihm Nachahmung erweckte. Durch natürliches Geschick und eigenes Nachdenken gelang es ihm in kurzer Zeit, Klaviere nach der damals einfachen Bauart herzustellen. Eines dieser Instrumente kam der Fürstin Antonie zu Gesicht, und die hohe Frau schenkte der vaterländischen Arbeit so viel Beifall, dass sie das Werk ankaufte und den Verfertiger ermunterte, auf dem betretenen Weg weiter zu schreiten. Diese und ähnliche Erfolge bewogen den strebsamer Mann seine Versuche zum förmlichen Geschäfte auszudehnen, welches ihm dereinst die Mittel zur Gründung eines eigenen Hausstandes darbieten solle. Dieser Gedanke mochte wohl vor Allem eine Neigung eingegeben haben, welche der Jüngling der hübschen Chorsängerin Katharina Götz zugewendet hatte – ein Verhältniß, welches im Jahr 1787 glücklich zur Heirat gedieh. Die jungen Eheleute bezogen ein eigenes, aus ihren wenigen zusammengebrachten Vermögen erbautes Haus, wo am 16. Mai des Jahres 1789 unser Johann Nepomuk, das zweite Kind ihre Ehe, das Licht der Welt erblickte.

Um dieselbe Zeit war der Dienst eines Verwalters oder Vorstehers des fürstenbergischen Zuchthauses zu Hüfingen in Erledigung gekommen. – Unter dieser Zahl der Bewerber gehörte auch der Instrumentenmacher Franz Josef Schelble. Die Herren Regierungsräte hatten bereits in einer Sitzung einem ihrer Vergünstigten die Stimme gegeben, als der regierende Fürst Joseph Wenzel mit den Worten: „Der Klaviermacher muss die Stelle haben!“ dareinfuhr und der Debatte ein Ende machte.

Auf diese Weise hatte der junge Ehemann einen neuen Wirkungskreis erhalten, der ihn jedoch nicht hinderte, seiner angeborenen Neigung zum mechanischen Arbeiten volles Genüge zu tun. Neben der Verwaltungskanzlei (es wurde damals noch nicht so viel geschrieben und gesandelt wie heut zu Tage) ward bald eine Werkstätte eingerichtet, wo in freien Stunden der Verwalter mit einigen Gesellen dem Klavier und Orgelbau oblag, und dazwischen hinein wohl auch einmal in astronomischen und anderen Uhrwerken sich versuchte. – Das Interesse an diesen Arbeiten war groß, jedenfalls größer als der pekuniäre Vorteil, den sie brachten. Konnte ja doch bei dem erfinderischen Geiste des lebhaften Mannes nicht methodisch durchgeführt werden, nebstdem dass das Amt eines Vorstehers der Strafanstalt bei äußerst kleinem Hilfspersonal seine meiste Zeit in Anspruch nehmen mußte.

Der kleine Sohn zeigte schon im zarten Alter eine unverkennbare Liebe zur Musik. – Das elterliche Haus war zur selben Zeit der Sammelplatz verschiedener Beamten und befreundeten Bürger der kleinen Amtsstadt, wovon die meisten als Lieblingsbeschäftigung etwas Musik trieben und in dem Hause öfters ihre Proben und Übungen abhielten. Es konnte wohl nicht fehlen, dass auch der kleine Johann Nepomuk einige Unterweisung in dieser Kunst erhielt, und zwar durch seinen Vater im Klavierspielen, während andererseits die Mutter und ehemalige Chorsängerin dem Kinde gern ihre Lieder vorsang.

Unter solchen Beschäftigungen waren die Kriegszeiten hereingebrochen, und das geräumige Zuchthaus zu Hüfingen war zu einem österreichischen Spital eingerichtet. Unter den längere Zeit dort Einquartierten befand sich auch ein kaiserlicher Feldpater, welcher auf dem Klaviere nicht geringe Fertigkeit besaß, und mit Vorliebe mozartlische Melodien vortrug. Das Spiel dieses Mannes machte solchen Eindruck auf den 7-jährigen Knaben, dass er oft sagte: Wenn es einmal so weit gebracht haben werde, wie der Herr Feldpater, so wolle er zufrieden sein.

Gleichzeitig mit den Anfangsgründen auf dem Klavier erhielt der Kleine auch Unterricht im Singen, in welcher Kunst Kaplan Eiselin, ein Nachfolger Reeser’s, sein erster Lehrer war. Bei diesem Manne von etwas reizbarem Temperamente hatte jedoch der Schüler wenig gute Stunden. Abgesehen davon, dass der Unterricht nach sehr pedantischer Methode gegeben wurde, hatten die Zöglinge von dem ungeduldigen Wesen ihres Instruktors gar manche Unannehmlichkeiten zu erdulden. So wie es zum Beispiel für den aufmerksamen Beobachter gewisse Zeichen in der Luft gibt, woraus die bevorstehenden Erscheinungen der Atmosphäre zu erraten sind, ähnlich so kommen die Kinder schon aus dem Äußeren des geistlichen Herrn den Humor und die Stimmung ihres Lehrers prophezeien. War nämlich in der Morgenstunde seine Garderobe wohlgeordnet, die Hasrtour glatt und das Zopflein sorgfältig gewickelt, so durfte man mit Gewissheit einen wolkenfreien Tag verhoffen; zeigte sich aber das Gegenteil, so wußten die Untergebenen, dass es heute nicht ohne Sturm und Unwetter abgehen werde.

Der sanftmütige Knabe Schelble stand aber noch im besonderen Ungunst des Lehrers, denn je mehr Fortschritte der talentvolle Kleine machte, desto mehr glaubte jener eine Entmutigung seiner übrigen, meist älteren Schüler daraus erwachsen zu sehen. Die Ungnade des Instruktors ging zuletzt in offene Vernachlässigung über, die bald damit endete, dass der Schüler unter dem Vorwande, es gebreche ihm am Talent, ganz von dem Unterricht ausgeschlossen wurde. Ein Freund des Schelble’schen Hauses und nicht ungeschickter Organist und Klavierspieler, der Amtskanzlist Schlosser, nahm sich jedoch des Ausgewiesenen an, und setzte den musikalischen Unterricht mit ihm fort. Der Zögling machte seinem Lehrer alle Ehre, und nicht lange so wurde der Kleine ausersehen, bei einer Festvorstellung, welche der Rückkehr des, wegen Kriegsunruhen geflüchteten fürstlichen Hofes galt, im Hoftheater zu Donaueschingen die Begrüßungsarie zu singen. Der kindliche Versuch fand beifällige Beachtung, und der Fürst Karl Joachim belohnte den kleinen Sänger mit einem Goldstücke.

Schmeichelhaft und gerechtfertigt durch diese Erfolge, machte jetzt Freund Schlosser den Ältern den Antrag: dem Sohne zu seinem Freiplatz im Kloster Obermarchtal, wo er einen Freund hatte, verhelfen zu wollen. Das Anerbieten wurde dankbar angenommen, und die nötigen Schritte wurden getan und der Knabe erhielt die Zulassung.

Jenes geistliche Reichsstift war seinerzeit eines der bedeutendsten Klöster des schwäbischen Oberlandes; seine weitläufigen, nahe der Donau gelegenen Gebäulichkeiten beherbergten ausgedehnte Unterrichtsanstalten. Vater Ulrich Braig, Direktor der Chormusik, war der Freund, an welchen Schlosser seinen Schützling empfohlen hatte. Und wahrlich es bedurfte eines väterlichen Freundes und Führers, sollte der 11-jährige Chorknabe in dieser ungewohnten, großen Umgebung nicht mutlos und kleinmütig werden. – In musikalischer Beziehung jedoch fand der Schüler nicht, was er erhofft hatte. Der Unterricht, in einer geistlos pedantischen Methode gegeben, konnte ihn nur wenig frommen. Doch sollte das jugendlich empfängliche Gemüt auch hier nicht ganz leer ausgehen; wenn nämlich die Mönche nachts im Chore der hehren Klosterkirche sich versammelten, um begleitet von dem herrlichen Orgelspiel des damals berühmten Contrapunktisten Sirt Bachmann, die Psalmen anzustimmen, da sei es, nach Schelble’s eigenem Zeugnisse, diese Musik gewesen, welche einen tiefen, unauslöschlichen Eindruck auf ihn gemacht habe.

Ein freudiges Ereignis war dem Chorknaben der Besuch seiner älteren Schwester, die mit einem alten Diener der Hüfinger Strafanstalt und dessen Weibe, welche in der Nähe zu Hause war, die Reise nach Marchthal gemacht hatte. Der Alte brachte seinem kleinen Liebling zum Willkomm einen buntfarbigen Spielball, den eine in Zuchthause sitzende Vaganten eigens zu diesem Zwecke hatte fertigen müssen. – Da konnte wohl das Sprichwort Anwendung finden: Es ist ein kleines worüber sich Kinder freuen!

Der Aufenthalt in dem Stifte war nur von kurzer Dauer; denn schon nach zwei Jahren zog die allgemein ausgesprochene Sävularition der Reichsklöster auch diesem Institute seine Auflösung zu, und Schelble war genötigt, wiederum ins Vaterhaus zurückzukehren.

Es war zur Winterszeit und außerordentlich kalt; der mit Winterkleidern nicht hinlänglich versorgte Sängerknabe erkältete sich auf dem offenen Fuhrwerke, welches ihn mit einem jüngeren Landsmann in die Heimat bringen sollte, dermaßen, dass er bei seiner Ankunft, eher noch das entfernt liegende elterliche Haus erreichen konnte, bei einem Onkel unter- und zu Bette gebracht werden mußte.

Sein Verweilen im Heimathause fiel in die Epoche, wo seine Stimme zu wechseln begann, weshalb alle Muße allein nur auf das Klavierspielen verwendet wurde. – Eines Tages spielte Schelble für sich allein mehrere Klavierstücke durch, als er plötzlich durch den Zuruf: „Bravo – aber im Bass geht es zu stark“, unterbrochen und überrascht wurde. Es war ein alter fürstenbergischer Soldat, welcher zum offenen Fenster herein (das Zimmer lag zu ebener Erde) den Spieler belauschte und also kritisiert hatte.

Schelble, über die sonderbare Bemerkung betroffen, fand nach einigem Nachdenken, dass der alte Kriegsmann mit seinem Tadel ganz Unrecht nicht habe, und verwendete, wie er später erzählte, seitdem mehr Aufmerksamkeit auf das Spiel der linken Hand.

Um diese Zeit las der junge, sich selbst überlassene Musiker zufällig einen Auszug einer damals erscheinenden Zeitschrift von Forckel: „Über Sebastian Bach’s Leben und Kunstwerke“, worin unter Anderem auseinander gesetzt ward, nach welchen Grundsätzen Bach die Mechanik des Klavierspiels angewendet und geübt habe. Schelble bekannte, dass ihm diese Andeutungen von nun an als goldene Regel gegolten, die er bei seinem ferneren Studium zur Richtschnur genommen habe.

Als humoristische Beigabe zu dieser ernsteren Beschäftigung mochte wohl der Jüngling seine Tätigkeit bei der städtischen Musikbande betrachten, welches Korps den Zweck hatte, bei kirchlichen Festen und Aufzüge verschönert mitzuwirken. Als Mitglied dieser geziemend uniformierten Truppe hatte Schelble die Ehre, das Picolo zu spielen, auf welchem Instrumente der junge Mann bedeutend Virtuosität besessen haben soll.

Bei all diesem Treiben jedoch war nicht wohl abzusehen, wie Musik allein ihrem Jünger eine solide haltbare Existenz für die Zukunft schaffen werde. Den Ältern wenigstens erschien die Kunst ein allzu unsicherer Boden, weshalb sie den Entschluss faßten, den Sohn das Gymnasium in Donaueschingen besuchen zu lassen, wo er die in Marchtal angefangenen Sprach- und auch anderen Studien fortsetzen und nebenher bei dem fürstlichen Kammersänger und Expeditor Weiß, der ein Schüler des berühmten Raff in München war, Unterricht in Gesang nehmen sollte.

Seine Stimme hatte sich unterdessen wieder gehoben und er suchte sie nach der strengen, wenn auch etwas einseitigen Methode dieses Lehrers eifrig auszubilden. Es war dies der erste gründliche Unterricht der ihm zuteil wurde, und hatte nicht wenig Einfluss auf die erste Richtung, welche Schelble fortan hielt. – Der Aufenthalt in Donaueschingen gab dem talentvollen Schüler öfters Gelegenheit, bei Hofmusiken und Konzerten, so wie auch im Hoftheater sich hören zu lassen. Und hier war er es, wo dem 16-jährigen Sänger einst bei der Aufführung der Oper: „die beiden Savoiarden“, eine anmutige, zarte Huldigung zuteil wurde, und zwar von Seiten einer durch Vorzüge des Geistes und Herzens gleich ausgezeichneten jugendlichen Fürstentochter, die, einen passenden Augenblick wahrnehmend, dem Sänger nach geendigtem Spiele das seidene Tuch zuwarf, welches ihr in der Rolle eines Savojardenknaben zur Augenbinde gedient.

Je mehr aber der Jüngling in seiner Kunst sich hervortat und Beifall gewann, desto eifriger ließ sich der Vater angelegen sein, dem Musenfache einen praktischen soliden Boden unterzubereiten. Er hatte deshalb Schritte gethan, seinem Sohne eine Stelle im fürstlichen Hauptarchive zu Donaueschingen zu verschaffen, und schon war eine provisorische Anstellung mit einem kleinen jährlichen Gehalte verwilligt, als Schelble erklärte, unter jeder Bedingung seinem ursprünglichen Berufe getreu bleiben zu wollen, und durch nichts sich binden zu lassen, was ihn von der einmal beschrittenen Bahn ablenken könne. Ja er stellte sogar den Eltern ein heimliches Entweichen aus der Heimat in Aussicht, wenn es ihm nicht gelingen solle, auf gütlichem Wege abzukommen. Denn längst schon hatte er seinen Blick weiter gerichtet, nach einem Orte, wo ihm eine höhere Stufe musikalischer Bildung werden konnte.

Er hatte den Plan gefasst, nach Darmstadt zu gehen, wo damals der berühmte Abbé Vogler lebte. Teilnehmende Freunde unter diesen besonders der fürstliche Hofrat und Leibarzt Rehman und seine Gattin, hatten ihm dazu geraten. Er wollte den Weg über Hechingen nehmen, wo einer seiner früheren Gönner, der ehemals fürstenbergische Musik- und Rittermeister von Hampeln, an der Hofkapelle angestellt war. Von dort gedachte er Stuttgart zu besuchen, wo ihm die Landsleute Krebs der Kammersänger und der Galeriedirektor Seele nützlich sein konnten. –

An Ersteren wies ihn ein Empfehlungsbrief von seinem Lehrer Weiß, obwohl dieser den talentvollen jungen Mann lieber bei sich behalten hätte, und ihm deshalb bereits ein kleines Gehalt als Sänger in Donaueschingen ausgemittelt hatte. Bei Seele konnte die Bekanntschaft der beiderseitigen Eltern als Anlass des Besuches gelten.

Also ausgerüstet verließ Scheble im Jahre 1807 Donaueschingen und die Vaterstadt. Über die Reise und seine Ankunft in Stuttgart berichtet ein vorhandener Brief, den wir hier einschalten wollen.


Conradin Kreutzer

22. November 1780 in der Thalmühle bei Meßkirch im Fürstentum Fürstenberg – 14. Dezember 1849 in Riga.

Johann Baptist Krebs

Über Johann Baptist Krebs (12. April 1774 – 15. September 1851) gibt es von Josef Vogt in den Schriften der Baar Band 63 (2020) den Artikel: Vom Taglöhnersohn aus Überauchen zum Opernstar und Logenmeister in Stuttgart:

Begegnung mit Johann Nepomuk Schelble aus Hüfingen
Als Johann Nepomuk Schelble am 16. Mai 1789 in Hüfingen geboren wurde, war Johann Baptist Krebs bereits 15 Jahre alt und hatte schon regen Kontakt nach Donaueschingen. Möglicherweise waren es zwei Umstände, die den Hüfinger Schelble und den aus Überauchen stammenden Krebs zusammenführten. Wie Krebs wurde auch Schelble durch den Donaueschinger Hofmusiker Franz Xaver Weiß geformt und hatte seine ersten Auftritte am dortigen Hoftheater. Als er im Alter von 18 Jahren durch die Vermittlung des in Hüfingen aufgewachsenen, beim Herzog und späteren König Friedrich I. als Hofmaler tätigen Johann Baptist Seele (1774–1814) 1807 nach Stuttgart kam, begegnete er dem zu dieser Zeit schon über 10 Jahre an der dortigen königlichen Oper tätigen Krebs. Offensichtlich verstanden sich die beiden von der Baar stammenden Musiker auf Anhieb. Krebs arrangierte ein Vorsingen vor dem König, der Schelble daraufhin sogleich als Hofsänger einstellte. Obwohl Schelble nur sieben Jahre in Stuttgart weilte, bevor er 1814 nach Wien weiterzog, entwickelte sich zwischen Krebs und Schelble eine fruchtbare Zusammenarbeit. So wissen wir, dass Schelble eine wichtige Aufgabe in dem von Krebs 1811 gegründete Musikinstitut am Waisenhaus übernahm, in dem er nach den Grundsätzen des Reformpädagogen Pestalozzi Jungen und Mädchen für den Einsatz an der Hofoper im Musizieren, Tanz und Schau- spiel unterrichtete. Erhalten aus der künstlerischen Zusammenarbeit von Krebs und Schelble ist uns die am 2. Februar 1813 in Stuttgart uraufgeführte Oper in drei Akten „Graf Adelbert“, zu der Krebs das Libretto und Schelble die Musik geschrieben hat.

Katharina Götz

Katharina Schelble geb. Götz (01.11.1760-04.04.1847), war die Mutter von Johann Nepomuk Schelble (16. Mai 1789 – 7. August 1837) und Maria Josefa Reich (18. März 1788 -12. November 1866).

Die jungen Eheleute bezogen ein eigenes aus ihrem wenigen zusammengebrachten Vermögen erbautes Haus, wo am 16. Mai des Jahres 1789 unser Johann Nepomuk, das zweite Kind ihrer Ehe, das Licht der Welt erblickte.

Franz Joseph Schelble

Franz Joseph Donat Schelble (17.02.1762-13.02.1835) wird hier von Lucian Reich als Instrumentenbauer bezeichnet. Er hatte zusammen mit Katharina Götz 14 Kinder.

Maria Antonia Anna von Hohenzollern-Hechingen 

10. November 1760 – 25. Juli 1797.

Der Fürst Joseph Wenzel Johann Nepomuk starb am 2. Juni 1783 in Donaueschingen. Sein Sohn war Joseph Maria Benedikt Karl Fürst zu Fürstenberg (9. Januar 1758 – 24. Juni 1796), verheiratet mit Maria Antonia Anna von Hohenzollern-Hechingen. Von daher muss der damals „regierende Fürst“ Joseph Maria gewesen sein.

Wie sein Vater, Joseph Wenzel, war auch Joseph Maria ein Musikliebhaber – er selbst wird als „talentvoller Klavierspieler“ und seine Ehefrau, Maria Antonie, als „ausgezeichnete Sopranistin“ geschildert. Das Fürstenpaar pflegte die vom Vater angeknüpfte Beziehung zu Vater und Sohn Mozart. 1784 wurde die bisherige Hofreitschule in Donaueschingen zu einem Hoftheater mit über 500 Plätzen umgebaut, wo auch Mozart-Opern aufgeführt wurden. (nach Wikipedia)

Zucht- und Arbeitshaus Hüfingen

Nach dem Kreistagsbericht vom 25.Juli 1715 sollte das Donaueschinger Zucht- und Arbeitshaus zur Aufnahme von mindestens 300 Personen dienen; auch “arme Kinder und Waisen, alte unkräftige Leute, Tolle und Irrsinnige sollten Aufnahme finden, dagegen nicht eigentlich Zigeuner, die den Venetianern ad triremes zu überlassen waren”. (*)

Nach 9-jährige Bauzeit wurde am 7. Oktober 1758 der Bau und die Einrichtung fertig und am 16. Mai 1759 ergeht ein Erlaß an sämtliche Oberämter mit der Anfrage, ob Züchtlinge oder Kinder einzuweisen seien. Am 23. Januar 1790 wurde Franz Joseph Schelble Zuchtmeister. Er war der letzte fürstenbergische Zuchthausverwalter und wurde 1808 in badischen Dienst übernommen. (*)

Am 27. Juli 1809 wurde das Zuchthaus in ein Korrektionshaus umgewandelt und zum Korrektionshausverwalter wurde Zuchtmeister Schelble ernannt.

Alle nach badischen Kriminalgesetzten Verurteilten wurden nach Freiburg abtransportiert. Das Korrektionshaus wurde 1828 aufgehoben. Schelble starb mit 78 Jahren am 13. Februar 1835 und seine Ehefrau Katharina geb. Götz am 4. April 1847 mit 87 Jahren. (*)

1850 diente das Gebäude eine Zeitlang als Kaserne, 1853 als Fürsorgeerziehungsanstalt, die nach dem in der Nacht vom 22./23. März 1853 abgebrannten Kloster in Neudingen den Namen Mariahof führt und seither katholische schulpflichtige Knaben beherbergte.

Das Bauwerk wurde 1972 abgerissen.

*Aus den Schriften der Baar 17 (1928), Dr. F. Wangener: Aus der Geschichte des Zucht- und Arbeitshauses in Hüfingen

Johann Nepomuk Schelble

Johann Nepomuk Schelble (16.05.1789-06.08.1837) hatte also 12 jünger Geschwister und eine ältere Schwester, Maria Josefa (19.03.1788-12.11.1866). Maria Josefa heiratete Luzian Reich (senior) und war die Mutter von Lucian Reich (der Jüngere). Lucian Reich und Johann Nepomuk Schelbe waren also Neffe und Onkel.

Im Jahre 1800 trat Johann Schelble als Chorknabe in das Kloster Marchtal ein wo er wissenschaftlichen und musikalischen Unterricht erhielt. Als das Kloster 1803 aufgehoben wurde, kehrte er zu seiner Familie nach Hüfingen zurück. In der Stadtmusik Hüfingen spiele er Piccoloflöte und besuchte die Schule in Donaueschingen, wo er an dem kunstliebenden Fürsten von Fürstenberg einen Beschützer fand. 

Fahnenmarsch mit Piccoloflöte von 1819. Datei erstellt durch Loris Gerber, Public domain, via Wikimedia Commons

Also ausgerüstet verließ Schelble im Jahr 1807 Donaueschingen und die Vaterstadt. Über die Reise und seine Ankunft in Stuttgart berichtet ein vorhandener Brief, den wir hier einschalten wollen.

204 Jahre Zerstörung der Anlage

Dieser Artikel ist nicht mehr aktuell und wird im Winter 2025 geändert werden!
Die Chronik von August Vetter stimmt nicht, im August 2025 habe ich mir die ganze Akte StAF B 695/1 Nr. 731 aus Freiburg über die Freunde der Natur Hüfingen kopiert.

In Erinnerung an die Zerstörung der „neuen“ Anlage!
Zur Mahnung, da Bäume auch über 200 Jahre später, immer noch unerwünscht sind!
Für eine Zukunft der nächsten Generation mit Bäumen!

Wie die Blätter am grünen Stamme wachsen und abfallen,
so die Geschlechter der Menschen.
Das Eine stirbt ab und ein Anderes wird geboren.

Auch 204 Jahre später leben wir noch.
Für die Hüfinger Natur!

aktualisierter Originalartikel vom 5. März 2021

Vor 200 Jahren gab es in Hüfingen den Verein „Freunde der Natur“. Diesem Verein gehörten Hüfinger Künstler um Luzian Reich senior an. Mit dabei war auch Johann Nepomuk Schelble, der Bruder von Maria Josefa Reich und einer der Gründer des Cäcilienvereins in Frankfurt a. M.

Johann Nepomuk Schelble
(1789 -1837)
Zeichnung von unbekannt.

Die Freunde der Natur entschlossen sich in Hüfingen mehrere Anlagen zu erbauen.

„Die Ruhe im Tempel der Natur besänftiget die Stürme des Gemüts“ war die Inschrift an der „Johannishütte“ in den gemeinsam von Bürgern und Beamten geschaffenen „Anlagen“ im nahen Tannengewälde des „Rotenraines“. (Lucian Reich im Denkbuch)

Eingang der Anlage von der Nordost Seite. Gewidmet Seiner Wohlgebohren Herrn Hofrath Baur, Director des Vereins gezeichnet von Luzian Reich senior 1820

Eingang der Anlage von der Nordost Seite. Gewidmet Seiner Wohlgebohren Herrn Hofrath Baur, Director des Vereins gezeichnet von Luzian Reich senior 1820
StAF B 695/1 Nr. 731

Fast die ganze Stadt Hüfingen stand hinter der Anlage und sehr viele hatten geholfen sie aufzubauen. So wurde ein Steg über die Breg gebaut und ein Forstweg errichtet. Auch wurde eine Kapelle errichtet mit einem „Joseph in der Wüste“. Die Anlagen ist in „erstaunungswürdiger Anstrengung“, so der damalige Hofrat Anton Baur, in kürzester Zeit entstanden. In der Nacht zum Fasnet Sonntag, vom 4. auf den 5. März 1821, wurden große Teile in der Nacht von Frevelern zerstört.

39 – Lehrer Reich
40 – Musiker Schelble

Mitgliederliste der Freunde der Natur 1833.
(Staatsarchiv Freiburg Akte Rotrain StAF B 695/1 Nr. 731)

In der Akte vom Staatsarchiv ist die Abschrift eines später verfassten Spottgedichts über die Zerstörungsnacht mit dem Akrostichon: „FALLER AUER RUF“ vorhanden. Der Verfasser des Gedichts wollte damit auf die Identitäten der Missetäter hinweisen (Landesarchiv Baden-Württemberg).

Spottgedicht von 1821
Staatsarchiv Freiburg B 695/1 Nr. 731

Abschrift

Die Zersterung der neuen Anlag in der Nacht vom 4. auf den 5. März 1821

Fallet Bäumchen fallet
Alles heute nacht erschallet
Laut vom Jubelthon
Luna selbst wird mich erheren
Eine Anlag zu zersteren
Ruf ich auch noch Pluto an

Als uns gedanken=Räthe niemand wollte Mehren
Unterstand ich mich, und half zersteren
Ein Erholungsort sehr angenehm und schön
Ruf ich jetzt Ruhe es ist geschehen.

Ruft nicht so laut! Sprach nach vollbrachter That ein Heüchlerischer Bether
Und nehmt euch wohl in Acht, es gibt ein fürchterliches Wetter.
Fort fort es ist geschehen, wir müssen jetzt ganz still nach Hause gehen.

Ein alter Briefkopf zeigt Hüfingen etwa 1840 mit den Pappelpflanzungen und der Anlage am Rotrain.

Ein alter Briefkopf zeigt Hüfingen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Pflanzungen der Freunde der Natur.

Die Namen der Zerstörer der Anlage waren damals bekannt, aber sie wurden vor einem Verfahren geschützt. Der Schutz ging noch bis ins Jahr 1984 in die Chronik von August Vetter über. So steht zu den Freunden der Natur in der Chronik gleich gar nichts, sondern es wird nur eine „Baumschule“ erwähnt:

Äpfel- und Birnbäume sollten in ihr gezogen werden. Mit besonderem Eifer setzte sich Oberamtmann Bauer für diese Baumschule am Rotrain ein. Oberlehrer Luzian Reich und Stadtrat Josef Burkhard überwachten die Ausführung der Pläne, die auch eine Allee zur Baumschule vorsahen.

Diese Allee wurde mit 400 Pappeln bepflanzt, die vom Fürsten Karl Egon von Fürstenberg gestiftet wurden. Er übernahm auch den größten Teil der Kosten für den Steg im Mühlöschle, der dort über die Breg führte und 1823 gebaut wurde.
Als die Anlage fertiggestellt war und die Bäume kräftig heranwuchsen, wurden in der Nacht vom Fastnachtssonntag zum Fastnachtsmontag in dieser Anlage 216 Bäume frevelhafterweise umgehauen.
Zwar wurden die Täter ermittelt, aber im Hinblick auf deren Familien schonlich behandelt.

Chronik von August Vetter 1984

Die heute kaum noch erkennbare Anlage mit den 216 Bäumen befand sich im Gewann Rotrain also westlich vom Römerbad.

Gewann Rotrain

Was noch lange stand war das sogenannte „Waldhisli“. Heute befindet sich auf dem Fundament ein Teil vom Römerpfad und es war ein Teil vom nicht realisierten Konzept des Architekten Hermann Sumser.

Weg durch den alten Steinbruch angelegt durch die Freunde der Natur 1820
Der Weg führte zur Kapelle mit einer Statue des heiligen Johannes in der Wüste auf dem Giebel

Das Waldhisli wurde vermutlich auf das Fundament der Johannes Kapelle gebaut

Schild auf derAnlage am Rothrain mit Waldhisli

Stein vom Fundament

Die Zerstörung der Anlage wird auch im Hieronymus von Lucian Reich junior in Kapitel 5 mehr- oder weniger thematisiert:

Das schien auch dem Kleinen das vernünftigste zu sein; und der Vetter sagte ihm dann, sie wollten jetzt noch einen Gang durch den fürstlichen Hofgarten machen. Der Hofgärtner besorgte früher den Dienst im Schloßgarten zu Hüfingen, wo ihn der Feldwaibel oft besucht und manche Tulpenzwiebel oder sonstige Sämerei von ihm erhalten hatte. Sie trafen den Mann im Garten, vor dem Treibhaus; und während er ihnen bereitwillig die Pflanzen und Blumen zeigte, erzählte er seinem Freunde, daß die fürstliche Regierung nächstens einen Befehl ergehen lassen werde zur Bepflanzung der Landstraßen mit Obstbäumen. „Es ist wahrhaftig kein Überfluß”, meinte er, „wenn die Baar mit Bäumen geziert wird. Denn, sagt selbst, Feldwaibel, ist es nicht ein trostloser Anblick, wenn man zum Beispiel aus dem schönen Kinzigtal heraufkommt und unsere baumlose Hochebene überschaut?”

„Wie man’s nimmt”, entgegnete der Feldwaibel. „Als Gärtner habt Ihr vollkommen recht. – Fragt aber einmal einen Bauern, der wird Euch sagen, daß es in der Welt nichts Schöneres gebe als so ein glatter Fruchtösch, Feld an Feld wie ein Schachbrett – insonderheit wenn die Ernt reif ist und das Aug über die gelben, im Sonnenschein wie ein Meer schwankenden Kornfelder hinschauen kann.”
„Ganz richtig”, versetzte der Hofgärtner. „Hätt ich aber zu befehlen, so müßte mir jeder Bauer wenigstens ein halbes Dutzend Obstbäume in jeden Acker pflanzen.”
„Würde nicht lang guttun”, meinte der Feldwaibel, „der Bauersmann ist kein Freund vom Schatten; und das hiesige Klima ist dem veredelten Obstbaum nicht günstig. Besser als das wäre meines Erachtens, wenn man das Wildobst im Wald und Feld mehr schonen würd. Erinnere mich noch recht wohl, wie wir daheim den ganzen Winter über gedörrte Holzäpfelschnitz oder teige Holzbirnen im Vorrat gehabt haben. Und eine ordentliche Kunkelstube hätt Euch den Abend nicht rumzubringen gewußt, wenn die Spinnerinnen keine Schnitz oder gedörrte Schlehen zum ‚Annetzen’ gehabt hätten. – Und jetzt noch darf in keinem rechten Bauernhaus das Fäßle hinterm Ofen fehlen, in dem die Bäurin ihren Essig aus Wildobst aufbewahrt.«

„In dem Punkt mögt Ihr recht haben, Feldwaibel”, räumte der Hofgärtner ein. „Andernteils aber müßt Ihr wieder zugeben, daß so manches unbenützte Plätzlein um Haus und Dorf vorhanden ist, wo ein Baum, gleichviel, ob Obstbaum oder sonst einer, recht gut stehen und niemand im Weg sein würde.”

„Einverstanden, Herr Hofgärtner, bin ganz Eurer Meinung”, sagte der Feldwaibel, „und bedaure nur, daß der alte Brauch mit Pflanzen von Linden so ganz abzukommen droht. Denn abgesehen von den Gemeindelinden ist keine Kirch, kein Kirchhof, keine Kapell oder Schützenhaus gewesen, wo früher nicht Linden hingepflanzt worden sind. – So ein Lindenbaum aber ist für den Landmann eine kleine Apothek, wo er den Lindenblütentee umsonst haben kann, für die Immen im Frühling aber eine wahre Honigweid. – Und daß auch der Holzbildhauer am liebsten zum Lindenholz greift, wenn er etwas Schönes machen will, ist bekannt.“

Kapitel 5 Hieronymus

Das Altarbild von Seele in St. Verena und Gallus

Da ich gestern Abend wieder das Altarbild von Seele bewundernd durfte, hier noch mal die Geschichte seiner Entstehung:

Originalbeitrag vom 18. Oktober 2022

Johann Baptist Seele 1810



Gottfried Schafbuch schreibt 1972 in Mii Boor – Mii Hoamet:

Das Altarbild in der Stadtkirche zu Hüfingen

In der Morgenfrühe des 4. Juni 1812, am Donnerstag nach dem Fronleichnamsfest, fuhr durch das untere Stadttor eine vollbesetzte Kutsche Donaueschingen zu. Stolzer Rosselenker auf dem Bock war der hiesige Josef Neukum, der den ehrenvollen Auftrag hatte, den württembergischen Galeriedirektor und Hofmaler Johann Baptist von Seele und seine beiden Kinder durch die Baar nach Stuttgart, in ihre Heimat, zu führen. Viel Ehre war dem Künstler im gastlichen Hüfingen, wo er bereits eine Woche weilte, zuteil geworden, und reich beschenkt kehrte er nun wieder in die königliche Residenz zurück.
J. B. von Seele, der von neidischen Kollegen als „Husaren- und Dragonermaler” angefeindet wurde, hatte aus Liebe für die Bewohner der Stadt Hüfingen, in der er die ersten Jahre seiner Jugendzeit zugebracht, ein Gemälde von 14 Schuh (4,20 m) Länge und 8 Schuh (2,20 m) Breite gemalt, vorstellend den am Kreuz hangenden Christus, darunter die Mutter Maria, den Jünger Johannes und die büßende Magdalena.

Einige Werke von Johann Baptist Seele am württembergischen Hof.
Für eine Beschreibung, bitte auf die Abbildung klicken.

In der am 30. Mai 1812 niedergeschriebenen Schenkungsurkunde hat v. Seele ausdrücklich bestimmt, „daß dieses Bild zwar in der Hüfinger Pfarrkirche vor dem Hochaltar aufgemacht, allein nie Eigentum der Kirche werde, sondern den wirklichen Inwohnern Hüfingens, ihren Erben und Nachkommen, solang sie dahier wohnen, als eine Schenkung zugehören solle, worüber sie aber nie anderst als zur öffentlichen Aufstellung in der Pfarrkirche zu verfügen haben; viel weniger soll, was immer für eine Behörde, weder unter dem Titel als Patron der Kirche, weder als Oberpflegschaft der Kirchenfabrik, weder als Obervormund der Gemeinde, noch aus was immer für einem Grunde oder Vorgeben, über dieses Bild zu verfügen berechtigt sein, weil sonst in solch einem Falle dem Stifter, dessen Erben und Nachkommen das Wiederzueignungsrecht auf dieses Bild gegen Erstattung der empfangenen Auslagen und kleinen Erkenntlichkeiten zu ewigen Zeiten zustehen solle“.

Der damalige Bürgermeister Stuckle fügte der Schenkungsurkunde noch den Vermerk bei:


Diese großmütige Schenkung nehmen die hiesigen Inwohner, nämlich die heute dahier zum weit größten Teil versammelte Bürgerschaft, dann die gesamte Beamtung und Klerisei von hier für sich, ihren Erben und Nachkommen durch den hier unterzeichneten Stadtrat mit innigstem Danke und mit der feierlichen Versicherung an, daß nie ein anderer, als der oben bestimmte Gebrauch von diesem vürtrefflichen Bilde gemacht werden solle.

Urkundlich nachstehender Fertigung

So geschehen zu Hüfingen, Samstag, den 30. Mai 1812.

Bürgermeister Stuckle, Fritschi, Stadtrechner, Marx Sulzmann, Joseph Burkhard, Jakob Kuttruff.” Auf die Rückseite des Altarbildes wurde folgender Hinweis aufgeleimt: „Dieses Gemälde, Christus am Kreuze vorstellend, hat der königlich württembergische Galeriedirektor von Seele aus Stuttgart der Bürgerschaft in Hüfingen geschenkt; worüber die in dem städtischen Archiv Hüfingen verwahrte Schenkungsurkunde vom 30. Mai 1812 das nähere ausweist.

Die Rahme um das Bild hat die Bürgerschaft in Hüfingen und deren Vergoldung die Durchlauchtigste verwittibte Fürstin Elisabeth zu Fürstenberg, geborene Fürstin von Thurn und Taxis aus dem Ihrigen, zu Bezeugung Höchstihrer Zufriedenheit mit den Hüfngischen Bürgern bezahlt im Jahre 1812. Stuckle, Bürgermeister.

Die Rahme wurde vom Schreiner Johann Bausch dahier, der Strahlenaufsatz vom Hofbildhauer Ignaz Brunner von Geisingen verfertigt und vom Faßmaler, Amtsdiener Johann Gleichauf von hier vergoldet.
Gleichauf, Amtsaktuar.”


Den Akten ist noch ein vergilbtes Blatt beigeheftet, auf dem 164 hiesige Bürger unterschriftlich den Stadtrat bevollmächtigten, die Schenkung des Altarblatts von Herrn Galeriedirektor v. Seele annehmen zu dürfen.
Warum diese eigenartige Bürgerbefragung und Vollmachtserteilung, ein so wertvolles Geschenk annehmen zu dürfen?
In einem Schreiben an den Stadtrat vom 27. November 1826, also 14 Jahre nach der Ausstellung der Schenkungsurkunde, berichtet Stuckle:


Löblicher Stadtrat! Noch immer hatte ich die beiliegende Schenkungsurkunde für unser Altarblatt von unserm seligen, vaterländischen Künstler, dem Königlich Württembergischen Galeriedirektor von Seele bei Handen. Diese Urkunde war bei mir sehr gut aufgehoben, und wenn ich auch unter dieser Zeit gestorben wäre, so hätte man solche bei der Apertur (Sichtung) meiner eigenen Schriften gefunden.
Die Ursachen warum ich diese selbst nicht in das städtische Archiv getan, oder später in dasselbe tun ließ, sind folgende:

  1. hatte dieses Altarbild, oder vielmehr meine Person das Unglück, von einer damaligen städtischen Deputation wegen des Kostens, den diese in der Rechnung pro 1812/13 gefunden und bemängelt haben, angefochten, und bis ans Kreisdirektorio verfolgt zu wer-den, und mir von dieser Stelle aus, dieses Bild, ohngeachtet der Schenkungsurkunde als mein Eigentum mit dem zuerkannt wurde, daß ich der Stadt die Unkosten wieder ersetzen soll, jedoch wurde diese Resolution später wieder aufgehoben, und ich und der gekreuzigte Heiland wieder mit Friede gelassen.
  2. hatten sich die Stürme des Krieges von außen und von innen – bis anno 1821 – aufs Neue gezeigt, so daß ich diese Urkunde in dieser Gärungsperiode ebenfalls nicht auf das Rathaus deponieren wollte. Die letztere Zeit bis anher scheint wieder allmählig ruhig zu werden und die Sonne heller und klarer zu scheinen, weswegen ich nun dem löblichen Stadtrat diese Urkunde mit der Bitte übersende diese gehörigen Orts wohl zu verwahren. Bei dieser befinden sich noch:
    a) Die Bevollmächtigung des Stadtrats zur Annahme der Schenkung von Seiten der Bürgerschaft vom 31. Mai 1812.
    b) eine Abschrift des Briefes von der Fürstin Elisabetha vom Juni 1812. Dann
    c) ein Danksagungsschreiben des verstorbenen Gefällverwalters Wölfle vom 5. September 1814 und
    d) die Bemerkung, welche auf der Rückseite des Christusbildes geschrieben ist.

Eines löblichen Stadtrats
ergebenster
Stuckle, Altbürgermeister”.


Nun ist das Rätsel um die Unterschriftensammlung bei den 164 Hüfinger Bürgern gelöst.

Die Schenkung des Altarbildes v. Seele hat hier keine wahre und echte Freude aufkommen lassen, weil sie eben keine wirkliche Schenkung war.

Die Stadtrechnung vom Jahre 1812/13 klärt das Zurückbehalten der Schenkungsurkunde und das eigenartige Verhalten des Bürgermeisters Stuckle mit nüchternen Zahlen auf.

Stadtrechner Fritschi schrieb auf Seite 53 ff. der genannten Rechnung:

Wegen dem von Herrn Galeriedirektor von Seele zu Stuttgart der hiesigen Stadt zum Geschenk gemachten Altarblatt haben sich folgende Auslagen ergeben: Herrn Galeriedirektor Ersatz für gehabte Aus-lagen, Reisekosten, Präsent usw.

429,09 Gulden

von Seele forderte von der Stadt:

Für den Ankauf der grundierten Leinwand, 15′ hoch und 9′ breit34.— fl.
Für Modelle zu allen vier Figuren, als
Christus10 Tage à 1 fl. 30 x15.00 fl.
Maria2 Tage2 fl. 45 x 5.30 fl.
Johannes3 Tage1 fl. 30 x 4.30 fl.
Magdalena4 Tage2 fl. 45 x 11.— 1.
Ein Farbenreiber22 Tageà 36 x 13.12 fl.
½ Loth Ultramarina 28 fl. 14.— fl.
1 Loth feiner Lack6.— fl.
Die übrigen niederen Kostenrechnungen,
Farbe, Ol und Firniß, alles zusammen
13.46 fl.
Ein Gerüst machen lassen um das Modell
des Christus aufzustellen1.36 fl.
Nägel, 400 Stück à 8 Kreuzer—.32 f.
In Tuttlingen mit einem Fuhrwerk das Christusbild samt Blindrahmen abholen lassen10.- fl.

Gehabte Auslagen von Seele
135 fl. 6 x

Johann Gleichauf wegen Vergoldung der Rahmen




188.— f.
Demselben — dito — dem Altarblatt12.— fl.
Dem Hofbildhauer Brunner in Geisingen für die Rahme des Altarblatts23.— fl.
Dem Schreiner Bausch hier für Arbeit an dieser Rahme23.30 fl.
Summa:
675.39 fl.

In den Beilagen 222 bis 226 zur hiesigen Stadtrechnung pro Georgy 1812/13 ist diese Summe von 675.39 Gulden peinlichst aufgeschlüsselt. Ihre Nüchternheit steht allerdings im Gegensatz zu den fröhlichen Tagen, die Galeriedirektor von Seele mit seinem vertrauten Anhang bei seinem Aufenthalt hier erlebte. Eine Rechnung vom 1. Juni 1812, die Bürgermeister Stuckle von der Stadtkasse begleichen ließ, zeigt, daß weder von Seele, noch sein Onkel, Gefällverwalter Wölfle, noch der „Amtsbürgermeister” freigebig aus der eigenen Tasche waren.

Die Rechnung (Beilage 222/1812/13) lautet:

Den 1. Juni 1812 wurde mit Herrn Galeriedirektor von Seele und dessen Kinder samt Herrn Gefällverwalter Wölfle und Jungfer Hauserin und ich, der Bürgermeister Stuckle, auf der Post zu Geisingen und Wartenberg verzehrt samt 2 Kutscher und 4 Pferde zusammen 8 Personen:

a) 6 Personen Mittagessenà 40 Kr. tut4.— Gulden
b) 4½ Maß Weinà 40 x tut3.— Gulden
c) Brot-.30 Gulden
d) Kaffee, 8 Tassenà 12 x tut1.36 Gulden
e) Kutscher und Pferdetut2.49 Gulden
11.55 Gulden
Auf dem Wartenberg—.48 Gulden
Den 3. Juni mit Herrn Gefällverwalter Wölfle, als wir die Chaisen bestellten im Schützen zu Donaueschingen—.36 Gulden
Den 4. Juni, bei der Abreise des Herrn Direktors im Schützen zu Donaueschingen noch verzehrt3.— Gulden
Summa16.19 Gulden
Wegen dem Fuhrwerk auf Geisingen mit Herrn
Direktor von Seele und Familie vom 1. Juni,
2 Pferde und 2 Chaisen für ein Tag 3,20 fl. und Gebühr —,30

3.50 Gulden
Ebenfalls an Joseph Neukum für das Fuhrwerk mit Herrn Direktor v. Seele und Kindern nach Stukart (Stuttgart)
33.— Gulden

Sehr aufschlußreich ist die

„Specifikation über die Auslagen wegen dem großen Altarblatt, welches der Herr Galeriedirektor von Seele aus Stuttgart verfertigte und der hiesigen Bürgerschaft laut Schenkungsurkunde vom 30. Mai 1812 übergeben hat.

An Auslagen welche Herr von Seele gehabt:

Laut spezifiziertem Conto dem Herrn Direktor wieder ersetzet samt Transport des Christusbildes von Stuttgart hierher 163,42 Gulden

Auf Reisekosten:

Dem Herrn Direktor die Reisekosten von Stuttgart hierher bezahlt57,30
Dto. denselben wieder durch den Joseph Neukum nach Stuttgart führen lassen33,0090,30 Gulden
Auf Honorarien usw.:
Des Herrn Direktor Frau als Präsent dessen zwei Kinder
110,—
44,00
auf dem Wartenberg, zu Geisingen und im Schützen mit Herrn Direktor zehrt16,19170,19 Gulden
Dem Joseph Neukum für zwei Chaisen und Pferde3,50 Gulden
Trinkgeld zu Geisingen und zu Donaueschingen—.48 Gulden
Summa:429,09 Gulden

Dieser Aufstellung ist noch der Vermerk beigefügt: „Daß jene Auslagen, welche unter obigem begriffen und nicht mit Scheinen belegt sind, in meiner Gegenwart richtig geschehen seien, das kann ich als Onkel des Direktors von Seele als Augenzeug bestätigen, welches hiermit geschiehet.

Hüfingen, den 9. Juny 1812.

Baarischer und Stühlingischer
Amts Kastenverwalter
Wölflin”

In den gehabten Auslagen von 429,09 Gulden sind noch Lieferungen und Arbeiten des Hofbildhauers F. J. Göppel aus Stuttgart enthalten, der „auf Bestellung Sr. Hochwohlgeboren Herrn Galeriedirektor von Seele, eine Blindrahme von Bettseide, mit Kreuz und Schließen zu einem Altarblatt gemacht

14/6° hoch und 8/6° breit14,30 Gulden
eine Überrahme3,48 Gulden
eine Walze 8′, 9″ lang 10″ dick, um die Malerei darauf zu rollen4,30 Gulden
eine Uberkiste 8′, 11″ lang 1′ 7″ im Quadrat samt Verpackung und Nägel5,48 Gulden
28,36 Gulden

Im Namen des F. J. Göppel, Hofbildhauer bescheinigt den Empfang der obigen 28 fl. 36 x

Galeriedirektor von Seele
Ritter des Civil Verd. Ordens.”

Die Verärgerung über die verausgabten 675 Gulden für das Altarbild, die ein Siebtel der ganzen Jahreseinnahmen der Stadt Hüfingen waren, wurde auch am Fürstlichen Hofe in Donaueschingen bekannt. Schon am 16. Juni 1812 schrieb die verwitwete Elisabeth, Fürstin zu Fürstenberg, geb. Fürstin von Thurn und Taxis, an Hofrat und Oberamtmann Bauer:

Fürstin Elisabeth zu Fürstenberg, geb. Prinzessin von Thurn und Taxis, Witwe des Fürsten Karl Aloys (um 1800)
Elisabeth Fürstin zu Fürstenberg, 1797 Foto eines Gemäldes von J.B. Seele
„Ausschnitt aus Bader“. Alle Fotos von Wikimedia

„Ich habe vernommen, daß die Stadt Hüfingen durch die Unkosten, welche die Vergoldung der Rahme des Gemäldes erfordert, wodurch unser vaterländischer Künstler Seele die dortige Pfarrkirche geziert hat, in einige Verlegenheit versetzt worden ist. Recht gern ergreif ich diese Gelegenheit, der Stadt Hüfingen dadurch einen Beweis meines Wohlwollens zu geben, daß ich diese Zahlung übernehme, ich ersuche dahero mir den Uberschlag derselben zu dem Ende chestens zuzuschicken, damit ich den Betrag auf meine eigene Kasse sogleich anweisen kann.”

Über den damaligen Wert des Gulden bzw. des Geldes mögen folgende Zahlen als Vergleich betrachtet werden:

Die Gesamteinnahmen der Stadt betrugen4906 Gulden
Die Gesamtausgaben 1812/13 betrugen3996 Gulden
Der Lehrer bezog an barem Geld
von der Stadt im Jahre 1812/13: 90 Gulden
vom Schulfond Donaueschingen: 12 Gulden
102 Gulden
Bürgermeistergehalt 1812/13130 Gulden
Gehalt des Stadtrechners und des Ratschreibers je150 Gulden
Die Stadt kaufte in Behla
1 Wucherrind, zweijährig für
54 Gulden
in Waldhausen einen Farren82 Gulden
von Valentin Haller hier
1 Wucherrind, einjährig
26 Gulden
von Nachrichter Seidel hier
45 Bund Stroh
3.44 fl.
Gulden = 60 Kreuzer, 4 Kreuzer 1 Batzen,
Kreuzer = 1 Groschen, ein preuß. Taler – 1 fl. 45 x)

Daß eine verarmte Bürgerschaft, der immer und immer wieder zugeflüstert wurde, daß die Stadt gezwungen sei, bei einigen reichen Schwarzwaldbauern und bei Juden in der Schweiz Geld zu pumpen, ob dieses vermeintlichen Geschenkes nicht entzückt war, ist begreiflich. Verständlich ist auch, daß Bürgermeister Stuckle aufgrund des Entscheids des Kreisdirektoriums, das Altarbild gegen Erstattung der Kosten für sich zu beanspruchen, kein Interesse hatte. Die Verheimlichung dieses Bescheids und all der übrigen Schriftstücke in dieser damals leidigen Angelegenheit sprechen dafür, daß er ängstlich besorgt war, nur noch in der Flüstersprache diese heikle Sache in vertrautem Kreise zu erwähnen.

Karl von Österreich-Teschen (Porträt von Johann Baptist Seele, 1800, Heeresgeschichtliches Museum in Wien)

Daß die damaligen Zeiten trüb- und armselig waren, beweist der Inhalt des folgenden Briefes des Fürsten zu Fürstenberg an Erzherzog Karl von Oesterreich:

Traurig ist der Zustand meiner Untertanen, und ebenso traurige Empfindungen erregt dessen Anblick. Ew. Königliche Hoheit kennen ihn durch eigene Ansicht und Betrachtung und kennen somit das grenzenlose Elend, welches über die Grafschaft Baar verbreitet ist.
Mitleidenswert und kläglich ist die Lage meiner Untertanen und schmerzlich meine eigene, weil es mir selbst an Mitteln gebricht, zu helfen und zu unterstützen und weil meine Vorräte erschöpft sind. Mit Bedauern muß ich das traurige Geständnis machen, daß auch meine Kräfte zur Unterstützung der Untertanen geschwächt sind. Nur die Not und die wirkliche Unmöglichkeit der vollen Leistung, von der ich durch die von meinen Amtern vorgenommene Hausdurchsuchung leider nur zu sehr überzeugt bin und sein muß, konnten mich bewegen, an Ew. Königl. Hoheit bittliche Vorstellungen gelangen zu lassen.”

Joseph von Auffenberg (1798–1857)
Digitalisat BLB Karlsruhe

Der Fürstliche Geheimrat Freiherr von Auffenberg richtete zur gleichen Zeit an die Kabinettskanzlei des Erzherzogs eine Denkschrift und führte darin u.a. aus:

„Wenn die Kräfte eines Landes auf 20 Jahre vorweggenommen sind, wenn seine Bewohner aus Mangel an Futter ihr Vieh abschlachten, wenn die bereits in die Erde gelegten Kartoffeln herausgegraben und ohne einen Bissen Brot dazu im Drange des Hungers verzehrt werden, wenn die einquartierten Soldaten mit dem Quartiergeber ihr Kommißbrot teilen, weil sie diese verhungern sehen, und die herrschaftlichen Fruchtkästen und Scheunen, die bisher einzige Aushilfe der aufeinandergefolgten Requisitionen, der Armut und den notleidenden Menschen preisgegeben werden müssen, so verdient dieses Land (die Baar) in jeder Beziehung das Mitleid und die Teilnahme des rechtschaffenen Mannes.”

Es zeugt von großem Taktgefühl und Anstand der Hüfinger, daß auch nicht mit einem Worte der geniale Künstler Johann Baptist von Seele angegriffen wurde. Lucian Reich erwähnt in seiner Abhandlung über das Kunstschaffen seines Vaters, des alten Lehrers Reich, daß er den Hüfinger Hochaltar in der Stadtkirche nach dem Entwurf des Galeriedirektors von Seele in farbigem Wutachalabaster ausführte; eine Arbeit, die jedenfalls wegen der besseren Sicht auf das Altarbild notwendig war.

Unbegreiflicherveise wurde bei der 1910 erfolgten Renovation unserer Stadtkirche, bei der Erstellung des Hochaltars, hierauf leider keine Rücksicht genommen.

Am 27. August 1814 ist von Seele, erst 40 Jahre alt, in Stuttgart an einem Herzschlag gestorben. Gleich nach Bekanntwerden seines Heimgangs gedachten die Hüfinger in rührender Weise des hervorragenden Künstlers, sie ließen ihm ein Seelenamt halten.

Onkel Wölflin dankte dafür dem wohllöblichen Stadtrat: „Sie haben meinem kürzlich verstorbenen Neffen, dem Königlich Württembergischen Galeriedirektor und Hofmaler von Seele, aus Liebe und Dankbarkeit für das vor zwei Jahren der hiesigen Bürgerschaft gemalte Christusbild, welches selbe als Altarblatt in die hiesige Pfarrkirche aufstellte, ein Seelenamt mit der gesamten Priesterschaft angeordnet, und heute dahier feierlich abhalten lassen.
Diese dankbare Liebe und Achtung für den Seligen hat mich außerordentlich gefreut und tief gerührt. Ich danke also hiermit dem wohllöblichen Stadtrat herzlich dafür, und wünsche im Stand zu sein, demselben und der ganzen Bürgerschaft meine Dankbarkeit tätig beweisen zu können.

Ich bin mit wahrer Hochachtung eines wohllöblichen Stadtrats ergebenster Wölflin.

Hüfingen, den 5. September 1814.”

Man schrieb das Jahr 1846. Wieder war das Altarbild Gegenstand von Beratungen und Verhandlungen.

Am 9. Juni 1846 erhielt der Stadtrat folgenden Brief:

„Das Pfarramt wird darauf dringen, daß noch diesen Sommer die Reparation in und an der Pfarrkirche geschehe, bei dieser Gelegenheit sollte vorgenommen werden die Reinigung des Kirchen- und Kunstblattes von Seele, als höchst notwendig.
Schon am 26. April ds. Js. hat der Stiftungsvorstand Beratung gehalten und Anstand genommen, weil das Kunstblatt eigentlich Eigentum der Stadtgemeinde ist und auf welche Unkosten die Reinigung geschehen soll.
Der Stiftungsvorstand will da nicht vorgreifen, und der löbliche Gemeinderat wolle anher berichten, was in Obigem geschehen und einberichtet werden soll.

Stiftungsvorstand: Hufschmid, Stadtpfarrer.”

Am 14. Juli 1846 berichtete Bürgermeister Hug dem Stiftungsvorstand, daß die Kosten für die Reinigung des Altarblattes auf den Kirchenfond übernommen werden möchten.
Stadtpfarrer Hufschmid gab sich jedoch mit diesem ablehnenden Bescheid nicht zufrieden. Am 21. September 1846 wurde folgende Vereinbarung beschlossen:

„Revers. Die Restauration des auf dem Hochaltar in der hiesigen Pfarrkirche befindlichen Seeleschen Altarbildes betreffend. Wird nach dem hohen Erlaß Großh. Seekreis-Regierung vom 11. September ds. Js. Nr. 20045 durch den unterzeichneten Stiftungsvorstand, Gemeinderat und Bürgerausschuß als Vertreter der Kirchspielsgemeinde gegenwärtiger Revers mit dem ausgestellt, daß sie die Bezahlung dieser Reinigungskosten nur als guttatsweise Leistung des Kirchenfondes annehmen, und darauf nie eine Verbindlichkeit desselben gründen wollen.

Zu Urkunde dessen

Stiftungsvorstand. Gemeinderat und Bürgerausschuß

Unterschriften.”

Und nun, im selben Jahre 1846, wird dem Altarbild in der Stadtkirche endlich die ihm gebührende Würdigung als Kunstwerk zuteil.

Oberamtmann Eckhard in Engen, ein ehemals guter Bekannter des so jung dahingeschiedenen Hofmalers von Seele, bot der Stadt Hüfingen das Selbstbildnis des Künstlers als Geschenk an. Oberamt-mann J. C. F. Eckhard schrieb am 1. Dezember 1846 an das „Wohllobliche Stadtpfarramt und Bürgermeisteramt Hüfingen:

Seit mehr als dreißig Jahren besitze ich ein sehr gutes Gemälde, von dem in Stuttgart verlebten Königl. Württembergischen Galeriedirektor Seele, der ein guter Bekannter von mir war, in Ol auf Leinwand gemalt.

Es ist sein eigenes Portrait in jugendlichen Zügen, ein Brustbild in Lebensgröße. Die Tafel, ohne den Rahmen, hat eine Höhe von 22, und eine Breite von 18 Bad. Zollen. Der Rahmen ist von hartem Holze, mit Goldverzierung. Die Beschränktheit meines Raums in der Wohnung, und die Beschaffenheit ihrer Gelasse, nötigen mich, seit längerer Zeit einen ziemlichen Teil meiner Tableaux unaufgehängt zu lassen, und versagen mir leider auch insbesondere das Vergnügen, das gedachte Bild als Zimmerzierde verwenden zu können.

Seele war meines Wissens ein geborener Hüfinger und der liberale Stifter des vortrefflichen Altarblattes in die vaterörtliche Pfarrkirche, eines Werkes seines schöpferischen Geistes und seiner ausgezeichneten künstlerischen Führung des Pinsels, eines Werkes, dessen Anblick die Bewunderung der Kenner und Nichtkenner erregt – Sollte dem Bildnisse des genialen Künstlers nicht auch ein schickliches Plätzchen in der Stadt vergönnt sein, wo erstmals er das Tageslicht sah, und wo in des Tempels heiliger Halle noch heute eines seiner klassischen Gebilde weilt, – Zeuge seiner Kunst und seiner Pietät?…Und wäre sohin unter den gegebenen Beziehungen dessen doreitigen Besitz nicht wünschenswert? –

In diesen Betrachtungen erlaube ich mir, der Person oder der Corporation, welcher das Altarbild verehrt wurde, das fragliche Bildnis als ein geringes Zeichen meiner Hochschätzung anmit – in Schenkungsweise – anzubieten.

Wenn sie diese kleine wohlgemeinte Gabe genehmigen, so belieben Sie Jemanden hier zu benennen, welchem ich das Gemälde zur Überschickung einhändigen kann; andernfalls sehe ich kurzer gefälligen Außerung entgegen.”

Schon am 11. Dezember 1846 gaben Stadtpfarrer Hufschmid und Bürgermeister Hug in einem gemeinsamen Schreiben dem „Wohlgeborenen, hochzuverehrenden Herrn Oberamtmann Eckhard in Engen” nachstehende überschwängliche Antwort:

Ihr verehrtes Schreiben vom 1. ds. Mts. hat uns ganz überrascht und mit Freude und Dank kommen wir demselben durch gegenseitige Antwort entgegen.

Galeriedirektor von Seele ist geborener Hüfinger und hat seiner Vaterstadt Hüfingen, oder ihrer Bürgerschaft, das in hiesiger Pfarrkirche aufgehängte Altarblatt, Christus am Kreuz, mit der ausdrücklichen Bedingung geschenkt, daß dasselbe nirgends anders, als nur in hiesiger Pfarrkirche verwendet werden dürfe. Darüber haben wir eine Schenkungsurkunde und dabei eine von Seele selbst geschriebene Biographie, in welcher der Künstler selbst den Anfang und die Ausbildung seiner Kunst bezeichnet. Sowohl jene als diese sind im Gemeindearchiv deponiert, von Seeles Altarblatt hängt etwa seit 1812 in hiesiger Pfarrkirche, als eine Zierde der hiesigen Gegend, als ein Kunstwerk, welches europäischen Ruhm hat. Aus Sorgfalt sahen wir uns veranlaßt, das Altarblatt mit Genehmigung der hohen Regierung durch einen von derselben bestimmten Maler vor einigen Monaten reinigen zu lassen. Vierzig Jahre mögen vorübergehen, bis diese Arbeit wieder notwendig wird und wir werden auch in Hinsicht des Lichtes noch mehr tun, um das Kunstblatt unseres Künstlers in unserem freundlichen Tempel noch mehr zu heben, wohl wissend, daß Wenige von Bildung unsere Stadt passieren, ohne nicht auch dasselbe in unserer Kirche bewundert zu haben.

In Erwägung des Angeführten ist es uns eine freudenvolle Überraschung, in Zukunft nicht nur das Kunstblatt von Seele, sondern auch sein eigenes Portrait zu besitzen, das Sie, hochzuverehrender Herr Oberamtmann, an unsere Stadt, oder an ihre Bürgerschaft, schenkungsweise abzutreten die große Güte haben.

Im Namen derselben nehmen wir mit Freude und Dank das werte Geschenk aus Ihren Händen uns bleibend zur dankbaren Erinnerung an Ihr ausgezeichnetes Wohlwollen. Wir haben bereits demselben den Platz im Gemeindezimmer des hiesigen Rathauses bestimmt; v. Seeles Kunstblatt als Eigentum der Bürgerschaft hat den ersten Platz in der Pfarrkirche und v. Seeles Potrait soll den ersten Platz im Gemeindzimmer haben, eines soll an das andere und zugleich an die verehrten Gaben erinnern. Ihr verehrtes Schreiben wird von Seeles Schenkungsurkunde und Biographie angeschlossen. Hochzuverehren-dem Herrn Oberamtsmann stellen wir nun die gehorsamste Bitte, von Seeles Portrait an Herrn Bezirksamtmann Ganter zu verabfolgen, welcher den Transport hierher weiter besorgen wird.
Wir wiederholen nochmals unsern Dank und versichern unsere ausgezeichnete Verehrung und Hochachtung.”

Es war fürwahr ein prächtiges Weihnachtsgeschenk, das der selbstlose Oberamtmann Eckhard den Hüfingern verehrte. Bürgermeister Hug und Ratschreiber Ambros schrieben nun auf die Schenkungsurkunde des Altarbildes den Zusatz: „Am 1. Dezember 1846 wurde uns durch Herrn Oberamtmann J. C.F. Eckard in Engen das Bildnis des Stifters des in obiger Urkunde bezeichneten Altarblattes J. B. von Seele als Schenkung verehrt und am Sonntag, 27. Dezember 1846, dasselbe im Rathaussaale aufgehängt, der versammelten Bürgerschaft das erhaltene Schreiben von Herrn Oberamtmann Eckard, die Wohl-demselben hierauf erteilte Antwort und sodann die Schenkungsurkunde des Altarblatts verlesen.

Auf der Rückseite des der Stadt geschenkten Portraits von Seele schrieb Eckhard:

Bildnis des Malers und nachherigen könig. Württemberg. Galleriedirectors
J. von Seele von Hüfingen
von ihm selbst gemalt.

Ein Geschenk an die Stadt- und Kirchengemeinde Hüfingen als ein kleines Zeichen seiner besonderen Hochachtung von den Großh. Bad. Oberamtmann J. C. F. Eckhard zu Engen; in der Kindheit Bewohner des Fürstlichen Schlosses zu Hüfingen und damahls oft Gespiele des Knaben Johann Baptist Seele.

1846″

Die Schrecknisse des Krieges 1939/1945 sind nicht spurlos an der hiesigen Stadtkirche vorbeigegangen. Sämtliche Kirchenfenster, dabei leider auch die mit den Glasmalereien des in München verstorbenen Hüfinger Künstlers Fridolin Heinemann (1859-1926), gingen in Scherben. Das Altarbild aber blieb heil und unversehrt.

Das künstlerische Schaffen von von Seeles wurde immer wieder von Kunstkennern hervorragend gewürdigt. In der württembergischen Kunstgeschichte ist von Seele als Schlachtenmaler in die Reihe der Großen gestellt. Sein Werk: „Die schwäbische Reiterattacke”, das er im Jahre 1810 vollendete, gehöre zu den allerbesten Kriegsbildern, welche die neue deutsche Malerei überhaupt hervorgebracht habe; es sei eine Leistung ersten Ranges.

Daß dem Hofmaler von Seele das künstlerische Schaffen von Soldaten- und Schlachtenbildern eher lag, als das mit religiösen Motiven, dürfte wohl keine Frage sein.

Wir Hüfinger, die wir das Hochaltarbild vom ersten Augenblick des Betrachtens an als Selbstverständlichkeit gewohnt sind, sollen und wollen nicht vergessen, daß ein großer Meister der Farben und des Pinsels uns dieses so wertvolle Bild malte, und daß Johann Baptist von Seele von wahrhafter Liebe zu seinem traulichen Städtchen Hüfingen und zu unseren Vorfahren durchdrungen war.

Zum 100. Gedenktage der Schenkung des Altarbildes im Jahre 1912, brachte das Donaueschinger Wochenblatt folgenden Bericht aus Hüfingen:

Hundert Jahre sind es, seitdem unser Gotteshaus mit einem hervorragenden Kunstwerke, das weit über die Grenzen des Bezirk bekannt ist und die Bewunderung der Kenner erregt, geschmückt wurde. Dieses Kunstwerk ist eine Schöpfung des Königl. Württbg. Hofmalers und Galeriedirektors Joh. Bapt. von Seele in Stuttgart, (Ritter des Königl. Verdienstordens), der in Meßkirch das Licht der Welt erblickte und seine ersten Jugendjahre in der Amtsstadt Hüfingen zugebracht hat.

Nach der im städtischen Archive verwahrten Schenkungsurkunde vom 30. Mai 1812 hat der geniale Künstler und edle Spender aus Liebe für die Bewohner der Stadt Hüfingen dieses Gemälde, darstellend den am Kreuze hängenden Christus und unter demselben die Gottesmutter Maria, den Jünger Johannes und die büllende Magdalena mit der ausdrücklichen Bestimmung gefertigt, daß das Bild zwar in der Pfarrkirche dahier über dem Hochaltar aufgemacht, allein nie ein Eigentum der Kirche oder der Kirchenfabrik werden, sondern den wirklichen Inwohnern Hüfingens, ihren Erben und Nachkommen solange sie dahier wohnen als eine Schenkung zugehören solle. Die Rahme um das Bild, das 14 Schuh Länge und 8 Schuh Breite mißt, wurde von Schreinermeister Johann Bausch dahier und der Strahlenaufsatz von Hofbildhauer Ignatz Brunner von Geisingen für Rechnung der hiesigen Bürgerschaft angefertigt. Die Vergoldung hat der Faßmaler und Amtsdiener Johann Gleichauf von hier ausgeführt. Dieselbe wurde von der Durchlauchtigsten verwitweten Fürstin Elisabeth zu Fürstenberg geborene Fürstin von Thurn und Taxis, zur Bezeugung höchst Ihrer Zufriedenheit mit den Hüfinger Bürgern bezahlt.
Im Jahre 1846 ist die Stadt Hüfingen von J.C.F. Eckhard, Oberamtmann in Engen, abermals erfreut und beehrt worden durch die Schenkung eines in Ol auf Leinwand gemalten Bildes. Es ist ein eigenes Portrait des Galeriedirektors von Seele in jugendlichen Zügen, ein Brustbild in Lebensgröße. Dieses sowie ein eigenhändig geschriebener Lebenslauf von Seele ist im Rathaus hier in sorgfältiger Verwahrung.”

Die Lebensgeschichte von Seele, die als eine Kostbarkeit betrachtet werden kann, wurde von seinem Onkel, Gefällverwalter Wölfle, in Hüfingen niedergeschrieben und wird mit der Schenkungsurkunde des Altarbildes im hiesigen Rathaus sorgfältigst aufbewahrt. Der Hüfinger Maler und Schriftsteller Lucian Reich (1817-1900) hat sie in seinem 1855 erschienenen Buch „Wanderblüten” ungekürzt wieder-gegeben.

Im „Ekkhart Jahrbuch für das Badner Land 1968″ des Vereins Badische Heimat, Freiburg/Brsg., wurde die Seele’sche Biographie ebenfalls im vollen Wortlaut mit etlichen Illustrationen und dem Selbstbildnis von Seele gebracht.
Wissenswert sind nun wohl auch die kurzen Angaben zu den einzelnen Personen, die im Zusammenhang mit Seele und seinem Altarbild standen.
Johann Baptist Seele wurde am 27. Juni 1774 zu Meßkirch (also nicht in Hüfingen) als Sohn des Franz Xaver Seele, Fürstl. Fürstbg. Soldat, und der Maria Anna Wölfin geboren. Schon als zweijähriges Kind kam er nach Hüfingen und verbrachte hier seine Jugendzeit bis 1789, wo er „Ende des September unter tausend Tränen und Segnungen der Mutter das väterliche Haus verließ”. Auf dem Titelblatt der Lebensbeschreibung steht, daß der „Königlich Württembergische Hofmahler und Gallerie Director zu Stuttgart, von Seele, zum Denkmal das Altarblatt Christus am Kreuz seinem zweiten Vaterort Hüfingen unentgeltlich gemahlt hat 1812” .

Väterlicherseits stammte die Familie Seele ja ursprünglich aus Italien und hieß Francelli la Salle bei Aosta. Daraus wurde dann la Sale, Sele, bis zu Seele. Das sehr lebhafte Temperament des Künstlers erklärt sich dann auch ganz gut aus solch romanischem Bluteinschlag.

Johannes Wölflin, der Onkel Seeles, war Großh. Badischer Gefällverwalter, geboren am 21. Juli 1751 zu Hüfingen und starb hier am 6. Oktober 1821. Seine Eltern waren: Joh. Bapt. Wölflin, Soldat, und Maria Barbara Zinsmayer.

Der Jugendfreund Seeles, J.C.F. Eckhard, Großh. Bad. Oberamtmann zu Engen war sehr wahrscheinlich ein Sohn des Fürstl. Fürstbg. Forstinspektors Jakob Eckhard aus Geisingen und der Maria Josefa geb. Haiz. Jakob Eckhard starb hier am 22. September 1846, 81 Jahre alt.

Franz Xaver Stuckle, geboren um 1769, war von Beruf Uhrmacher und in erster Ehe mit Maria Ursula Rhein, († 1805, 32 Jahre alt) in zweiter Ehe aber mit Barbara Maus aus Tengen verheiratet, die 1854 in Schaffhausen starb.
Aus der ersten Ehe gingen sechs und aus seiner zweiten Ehe zwölf Kinder hervor. Trotz dieser 18 Nachkommen ist das Geschlecht in Hüfingen ausgestorben. Schultheiß Stuckle starb hier am 19. August 1849.

Johann Gleichauf, Faßmaler (Vergolder) und Amtsdiener, geboren am 4. Februar 1764 verheiratete sich mit Anna Maria Schelble (1760-1800), aus deren Sippe später der berühmte Wiener Hofsänger und nachherige Direktor des Cäcilienvereins in Frankfurt am Main, Johann Nepomuk Schelble (1789-1837) hervorging.

Die Eheleute Gleichauf waren die Großeltern des Hüfinger Historien-und Trachtenmalers Rudolf Gleichauf (1826-1896).

Die Künstlerfamilien Schelble – Reich – Gleichauf und Heinemann waren allesamt miteinander verschwistert und verschwägert. In mehreren Veröffentlichungen, Kunstbesprechungen und Lebensbeschreibungen wurde und wird ihrer immer wieder rühmend und ehrend gedacht.

Möge ihr großes und so wertvolles Erbe, das Gedenken an diese „Hüfinger Künstlerkolonie”, vorab in ihrer von ihnen so geliebten Baarheimat, stets wachgehalten werden.

Gottfried Schafbuch im Jahr 1972