Der heilige Gallus
Zur Weihnachtszeit möchte ich gerne den Bruder Martin aus dem Jahr 1853 aktualisieren. Dies nicht nur wegen der Weihnachtsgeschichte und dem Hüfinger Weihnachtslied von Kalliwoda, sondern auch wegen dem heiligen Gallus nach dem die Stadtkirche benannt ist und dessen Geschichte bei Bruder Martin wohl als Vorbild gedient hatte.
Über die Geschichte vom heiligen Gallus gibt es mehrere Bearbeitungen, da wir aber auch im Buch der Badische Bodensee auf den Reichenauer Mönch Walahfrid Strabo eingehen und dessen Fassung die weiteste Verbreitung hatte, gehe ich davon aus, dass Lucian Reich diese Fassung kannte.
Walahfrid von der Reichenau (deutsch Walachfried der Schieler) oder – wie er sich selbst auch nannte – Strabus, wurde 807 geboren und starb 849. Er war ein Benediktiner, Dichter, Botaniker, Diplomat und von 842 bis 849 Abt des Klosters Reichenau.
Der heilige Gallus
Gallus stammte angeblich aus Irland und kam im Gefolge des Wandermönchs Columban von Luxeuil auf den europäischen Kontinent.
Um 590 gründete der Abt Columban ein Kloster in Luxovium (Luxeuil-les-Bains) wo auch Gallus zu seinen Schülern zählte. Von Luxovium aus zogen die beiden um das Jahr 610 gemeinsam mit weiteren Mönchen nach Alemannien.*
Die Missionsreise führte die Gemeinschaft von Luxovium über die Römerstrassen nach Arbor Felix (Arbon) an den Bodensee.
Tabula Peutingeriana mit Arbor felix und Brigantio.
Der dicke Klecks ist der Lacus Brigantinus (Bodensee), oben sieht man Brigobanne.
Die ganze Peutingerkarte gibts es hier: https://tp-online.ku.de
Überall wo die Missionare hin kamen zerstörten sie Statuen einheimischer Gottheiten. Dadurch brachten sie die Einwohner gegen sich auf und die in Brigantio (Bregenz) begonnene Klostergründung misslang. Columban reiste 612 weiter nach Italien und Gallus blieb am Bodensee da er sich mit Columban nicht einig war. Im Gegensatz zu Columban konnte Gallus in alemannischer Sprache predigen und mit den Einheimischen kommunizieren. Gallus wurde von Columban wegen Ungehorsams exkommuniziert und durfte zu dessen Lebzeiten die Messe nicht lesen und nicht daran teilnehmen.
612 beschloss Gallus zusammen mit dem Diakon Hiltibod aus Arbor felix der in den Lacus Brigantinus mündenden Steinach zu folgen und zogen den Bach entlang in den Arboner Forst hinein und kamen an den Wasserfall bei der Mühleggschlucht. Hier stolperte Gallus und fiel in einen Dornbusch. Dies deutete er als göttliches Zeichen hier zu bleiben.
Gründung des Klosters St. Gallen
Fotos von Wikipedia
Gallus gilt als Gründer des Klosters St. Gallen und ist Schutzpatron von St. Gallen.
Die Legende von Gallus und dem Bären
Jeder Heilige hat sein Attribut. So hatten wir bei der heiligen Verena den Krug und Kamm und beim heiligen Leonhard die Kette. Den heiligen Gallus erkennt man am Bären. Hier die Legende:
Da Gallus von Columban exkommuniziert war und zu dessen Lebzeiten die Messe nicht lesen durfte, lebte er vor der Klostergründung als Einsiedler mit Hiltibod in den Wäldern. Während Hiltibod schlief war Gallus noch wach, als plötzlich ein Bär auftauchte. Gallus liess sich nicht einschüchtern, auch dann nicht, als der Bär sich aufrichtete. Als er sah, dass der Bär einen Dorn in der Pfote hatte, entfernte er diesen. Dann befahl Gallus dem Bären im Namen des Herrn ein Stück Holz für das Feuer zu holen. Der Bär gehorchte und trug das Holz zum Feuer. Anschliessend gab Gallus dem Bären ein Brot. Hiltibod, der zugeschaut hatte, sagte zu Gallus: „Jetzt weiss ich, dass der Herr mit dir ist, wenn selbst die Tiere des Waldes deinem Wort gehorchen.“**
**Von dieser Geschichte gibt es mehrere Variationen und sogar eine Narrenzunft mit dem Namen Quellbären.
Mehr zum heiligen Gallus im Heiligenlexikon: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienG/Gallus.html
St. Gallus mit Bär und Brot in der Stadtkirche St. Verena und St. Gallus.
Wie Bruder Martin einen Gesellschafter bekam, und wie ihm dieser das Leben rettete.
Bruder Martin
1853
Ein Hausbüchlein für die Jugend, von
Lucian Reich.
Mit Bildern von Heinrich Frank, Lucian Reich und Anderen,
nebst einer Musikbeilage von J. W. Kalliwoda.
Mit der Feder auf Stein gezeichnet von J. Nep. Heinemann.
Hüfingen, Steindruckerei von J. Nep. Heinemann.
Eines Tages ging Bruder Martin in den Wald, um dürres Holz zu holen, womit er Feuer in seiner Zelle machen wollte, weil die Witterung rau und unfreundlich zu werden begann. Eine ziemliche Strecke war er schon unter den hohen Tannen fortgewandelt, als plötzlich ein großer Bär aus dem Gebüsche brach und schnurstracks auf ihn zukam. – Der gute Mann erschrak nicht wenig, es stand ihm nichts zu Gebote, womit er sich wehren konnte, als etwa der Stock, auf den er sich im Gehen stützte. – Zu seiner Verwunderung jedoch gebärdete sich das Tier demütig und gar nicht unartig, wie sonst Bären tun. Es winselte kläglich und hinkte, indem es die vordere Tatze in die Höhe hob. Auf den verdutzten Waldbruder zu. Dieser merkte jedoch bald, wo es dem Tiere fehle. Er sah, dass in der aufgehobenen blutigen Tatze ein scharfer Dorn steckte. Es gelang ihm, den Splitter herauszuziehen, und da in der Nähe ein Bächlein floss, so wusch er sorgfältig die blutende Wunde und verband die mit feuchtem Moos und Waldgras.
Der Bär bezeigte sich dankbar, was sonst nicht Sache wilder Tiere ist. Er leckte seinem Arzte erkenntlich die Hand, brummte, als wolle er sich bedanken, und lief fort in das Dickicht.
Der Waldbruder ging wieder an sein Geschäft, und wollte eben sein Holzbündel schnüren, als er abermals im Gebüsch rauschte und der schnaubende Bär zum Zweiten Male zum Vorschein kam. Diesmal hielt er ein Kaninchen im Rachen, welches er im Walde erjagt hatte und jetzt seinem Wohltäter zu Füßen legte. Der fromme Bruder lächelte, dankte Gott für den Braten, legte das Thierlein oben auf den Bündel und schickte sich an, die Last auf die Schultern zu heben und nach Hause zu tragen. Aber siehe, der Bär suchte dieses zu verhindern, und gab durch Brummen und allerlei Bewegung zu verstehen, dass er dieses Geschäft verrichten wolle. Als Bruder Martin sah, dass der Bär sich durchaus nicht anders zufrieden geben wolle, legte er ihm die Bürde auf den zottigen Rücken, befestigte sie mit einem Strick, den er um den Leib des Tieres schlang, und trat in Gottes Namen mit seinem Begleiter den Heimweg an.
Das treue Tier war vor dieser Zeit so anhänglich, dass es nicht mehr von seinem Wohltäter weichen wollte. Der Waldbruder gab ihm den Namen Bläß und wies ihm ein eigenes Plätzlein in der Höhle an. Der neue Hausbewohner zeigte sich so gelehrig, dass er bald allerlei Geschäften verrichten konnte. – Jedesmal, wenn der Bruder in das Holz ging, so begleitete ihn Bläß und trug ihm wie ein fleißiger Knecht die Bürde heim: auch beim Hüten der Ziegen war er zu gebrauchen; er bewachte die Tiere wie ein Hund und trieb sie abends von selbst wieder in den Stall, und was das Beste bei alldem war Bläß sorgte selbst für seine Nahrung: jeden Morgen früh vor Tag begab er sich in den Wald, um zu jagen, und selten kehrte er zurück, ohne auch etwas von dem Fange, seinem Herrn zum Frühstück mitzubringen.
Einmal rettete sogar der Bär dem Waldbruder das Leben. – Ein verzweifelter Mensch, der nur von Raub und Diebstahl lebte, hielt sich seit einiger Zeit in den umliegenden Wäldern auf. Er hatte bei einer alten heidnischen Zigeunerin, welche sich mit Wahrsagen und anderem untrüglichen Künsten abgab und im Walde wohnte, bereitwillig Unterkunft gefunden. Dieses böse Weib aber war gegen den Bruder Martin feindselig gesinnt wegen seiner Frömmigkeit und Gottesfurcht, und weil er die Leute im Guten unterwies und vor Irrtümern zu bewahren strebte. Sie hatte ihrem Schützlinge, dem Räuber, vorgespiegelt, der Waldbruder besitze große Schätze und Wunderdinge, die er aus dem heiligen Lande mitgebracht habe: er sei im Besitze, suchte ihn das Weib glauben zu machen, eines Ringes mit einem köstlichen Karfunkelstein, welcher die Kraft habe, dass demjenigen, der ihn trage, das Geld in der Tasche nie ausgehe; auch ein Tischlein habe er, dem man nur die Worte: Tischlein deck dich! zurufen dürfe, um sogleich die ersten Leckerbissen und köstlichsten Weine darauf serviert zu sehen. – Dem abergläubischen, genugsüchtigen Menschen wässert sich schon im Voraus der Mund nach diesen Kostbarkeiten, und er beschloß, den frommen Bruder zu ermorden und ihm alles zu rauben.
In einer finsteren Nacht schlich er sich zur Klause des guten Mannes. Schwarze, im Winde vorüberziehende Wolken verdeckten das Licht des Mondes. Geräuschlos hatte der Bösewicht den Zaun am Eingang der Wohnung erstiegen, und sich stille durch die offene Türe, welche der Waldbruder zuzuriegeln vergessen, in die Zelle eingeschlichen. – In der Hand ein scharfes Beil, näherte er sich dem Orte, wo er, wie er wähnte, den Waldbruder laut schnarchen hörte. – Schon hob sich die mit dem Mordinstrumente bewaffnete Hand – da ertönte urplötzlich ein entsetzliches Brummen. – Eben tritt der Mond hinter den fliehenden Wolken hervor und wirft seine Strahlen durch die offene Tür der Hütte. – Welch ein Todesschrecken! – Eine furchtbare zottige Gestalt richtet sich vor dem entsetzten Räuber auf und schlägt ihn mit gewaltiger Tatze zu Boden. – Der entsetzte Bösewicht glaubt nicht anderes, als den leibhaftigen Satan vor sich zu haben: – Pardon! Schreit er heulend und zähneklappernd, Pardon, gnädiger Herr, verschont mich nur diesmal noch, ich will euch ja gern Seele und Leib verschreiben – und alles tun, was ihr wollt – nur schenkt mir das Leben. Bruder Martin, den dieser Lärm vom Schlaf erweckte, erstaunte nicht wenig, eine so seltsame Szene vor sich zu sehen. Der ergrimmte Bär war eben im Begriff, dem bebenden Räuber seinen Lohn zu geben, als der Bruder schnell von seinem Lager aufsprang, und dazwischen tretend, abwehrte. Der Bär ließ seinen Mann los und zog sich brummend zurück.
Der Waldbruder aber wendete sich zu dem zitternden, im Mondlicht auf dem Boden liegenden Menschen und fragte, was ihn hierher führe und was er wolle. Der zerknirschte Räuber gestand sogleich sein böses Vorhaben und bat, indem er die Knie des heiligen Mannes umfaßte, flehentlich um Verzeihung. – Bruder Martin, der die Gefahr, in welcher er geschwebt, überschaute, blickte gen Himmel und sprach mit den Worten des Psalmisten:
Herr! lehr‘ uns, unsere Tage zählen, * Dass unsre Herzen Weisheit lernen.
Ergieß‘ in uns der Gnadenfülle, * Und leit und stets auf Deinem Wegen.
Sey unser Schild und unsre Stärke, * Wenn Todesschrecken sich uns nahen.
Dann sprach er zu dem Räuber: Siehe, Unglücklicher, wie Gott die Absichten seiner Feinde zu nichte macht, und wie schwach ein böser Mensch ist; doch der Herr will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bessere und auf dem Wege der Tugend wandle!
Der Räuber bat unter Tränen wiederholt um Vergebung und legte auch über seine früheren Missetaten ein reumütiges Geständnis ab.
Bruder Martin, welcher sah, dass es dem Manne mit seinem Vorsatz, sich zu bekehren, ernst sei, behielt ihn einige Tage bei sich, um durch Unterricht und Ermahnungen redlich das Seinige zur gründlichen Besserung des Reuigen beizutragen. Er hatte gefunden, dass bei dem unglücklichen Menschen, der zwar dem Namen nach ein Christ war, mehr Unwissenheit und gänzliche Vernachlässigung seiner Erziehung obwallte, als ein böses von Grund aus verdorbenes Herz. Denn als er ihn zum erstenmal fragte: ob er auch etwas von dem Christkinde wisse, welches vom Himmel herabgekommen, die Menschen zu beseeligen? antwortete der verkommene Mensch ganz verwundert: was denn das für eine Geschichte sei? – davon habe er noch nichts gehört. – Der fromme Mann entsetzte sich über diese Verwilderung und erzählte ihm auf das Liebreichste die Geschichten aus der heiligen Schrift und ihre göttlichen Lehren.
Die Bemühungen des guten Bruders waren vom besten Erfolge begleitet; seine Worte fielen wie guter Same in ein frisch gepflügten Erdreich. Der väterlich gesinnte Mann veranlaßte in der Folge seinen Freund Christoph, dass er den Neubekehrten als Köhlerknecht in seine Dienste nahm, worüber der willige Mensch sehr erfreut war, weil er jetzt einsehen gelernt hatte, dass Müßiggang alles Übels Anfang, und der Weg zum Elend und zur Not sei.
Bauernregeln zum 16. Oktober
- Bis St. Gallus müssen alle Früchte, die im Frühjahr Samen bringen sollen, aus dem Garten in den Keller.
- Hedwig und St. Gall‘ / machen das schöne Wetter all.
- Viel Regen zu Gallus – Regen bis Weihnachten.
- Wenn St. Gallus Regen fällt, / der Regen sich bis Weihnacht hält.
- Mit St. Hedwig und St. Gall‘ / schweigt der Vögel Sang und Schall.
- Auf St. Gallus-Tag / nichts mehr draußen bleiben mag.
- Auf St. Gallen‘ Tag / muss jeder Apfel in sein‘ Sack.
- Auf St. Gall / bleibt die Kuh im Stall.
- Trockenheit am St. Gallus-Tag verkündet einen trockenen Sommer.
- St. Gallen/lässt Äpfel und Schnee fallen.
- Tritt St. Gallus trocken auf, / folgt ein nasser Sommer drauf.
- Ist St. Gallus nicht trocken, / folgt ein Sommer mit nassen Socken.
- Wenn Gallus kommt hau‘ ab den Kohl, / er schmeckt im Winter trefflich wohl.
- Gießt Gallus wie aus einem Fass, / ist der nächste Sommer nass.