Der Hüfinger Künstlerkreis

Der Hüfinger Künstlerkreis

29. August 2023 2 Von Hannah Miriam Jaag

aktualisierte Version, Original vom 07. Juli 2020

Als früher Vertreter der Hüfinger Künstlertradition gilt Johann Baptist Seele (27. Juni 1774 in Meßkirch – 27. August 1814 in Stuttgart). Sein Vater Franz Xaver Seele diente ab 1776 in Hüfingen als Unteroffizier im fürstenbergischen Kreiskontingent. Johann Baptist Seele stieg bis zum Hofmaler des württembergischen Königs auf.

Johann Baptist Seele 1792
Johann Baptist Seele1800
Johann Baptist Seele 1810

Der eigentliche Künstlerkreis entstand um den Unternehmer Luzian Reich (7. Januar 1787 in Bad Dürrheim – 18. Dezember 1866 in Hüfingen), auch genannt der Ältere .

Luzian Reich
Luzian Reich und seine Ehefrau Maria Josefa Schelble
Fotos von Johann Nepomuk Heinemann Anfang 1866

Katharina Schelble geb. Götz (01.11.1760-04.04.1847) gemalt von Luzian Reich (dem Älteren) ihrem Schwiegersohn im Jahre 1829 .
Sie ist die Mutter von dem Musiker Johann Nepomuk Schelble und die Großmutter von Elisabeth Heinemann geb. Reich und Lucian Reich dem Jüngeren.

Luzian Reich gründete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Mal- und Zeichenschule in Hüfingen. Dort unterrichtete er neben seinen Söhnen Lucian und Franz Xaver die Brüder Heinemann und Rudolf Gleichauf.

Madonna von Luzian Reich senior

Auch gründete er zusammen mit seinem Schwager Schelble den Verein Freunde der Natur.

Der Bruder von Maria Josefa Reich (18. März 1788 -12. November 1866) war Johann Nepomuk Schelble (16. Mai 1789 in Hüfingen – 7. August 1837 in Hüfingen), der Gründer des Cäcilienvereins in Frankfurt a. M..

Johann Nepomuk Schelble (1789 -1837)
Zeichnung von unbekannt.

Im Jahre 1800 trat Johann Schelble als Chorknabe in das Kloster Marchtal ein wo er wissenschaftlichen und musikalischen Unterricht erhielt. Als das Kloster 1803 aufgehoben wurde, kehrte er zu seiner Familie nach Hüfingen zurück. In der Stadtmusik Hüfingen spiele er Piccoloflöte und besuchte die Schule in Donaueschingen, wo er an dem kunstliebenden Fürsten von Fürstenberg einen Beschützer fand. 

In Hüfingen erwarb Schelble 1824 ein „Landgütchen“, das er sein „Ruhetal“ nannte. Mit 48 Jahren starb Schelble in den Armen seiner Frau am Eingang seines Hüfinger Hauses an der Bräunlinger Straße.

“Man kann kaum glauben, wie viel ein einziger Mensch, der was will, auf alle andern wirken kann; S. steht dort ganz allein…Er hat sich einen sehr bedeutenden Wirkungskreis geschaffen und die Leute im eigentlichsten Sinne weiter gebracht …”

Felix Mendelssohn Bartholdy in einem Brief an Carl Friedrich Zelter

Der Sohn von Luzian Reich senior war Lucian Reich junior (26. Februar 1817 in Hüfingen – 2. Juli 1900 in Hüfingen).

Lucian Reich junior (1817-1900)
Lithographie von Johann Nepomuk Heinemann

Lucian Reich hat aus Geldnot erst am 8. August 1874 Margareta Stoffler (1825-1880) aus Geisingen geheiratet; die Tochter Anna Reich war deswegen unehelich und ihre Daten sind nicht bekannt. Anna Reich kam mit ihrem Vater später wieder nach Hüfingen und pflegte ihn bis zu seinem Tod am 2. Juli 1900. Danach heiratete sie einen verwitweten Landwirt in Neudingen und zog seine (8 ?) Kinder groß. Sie selber hatte nie eigene Kinder und starb hoch betagt in der Neudinger Mühle.

Lucian Reich wirkte jahrzehntelang als Zeichenlehrer am damaligen Großherzoglichen Lyceum in Rastatt. Einen Namen machte er sich vor allem durch seine heimatkundlichen Bücher und seine Illustrationen.

Elisabeth (Lisette) Reich (1819 – 1871) am Spinnrad; Katharina Heinemann (1828 – 1900) mit Kind; J. Nepomuk Heinemann, genannt “Muckle” (1817 – 1902) mit Fes (Das Tragen eines Fes war im Biedermeier ein Zeichen der Gemütlichkeit); Lucian Reich (1817-1900) mit Pfeife; Rudolf Gleichauf (1826 – 1896) rechts unter der Uhr; Josef Heinemann (1825 – 1901) mit Buch. Zeichnung aus den Wanderblühten.

Das bekannteste von Reich geschriebene und illustrierte Buch trägt den Titel “Hieronymus. Lebensbilder aus der Baar und dem Schwarzwalde

Die Tochter von Luzian Reich senior war Elisabeth Reich (15. Dezember 1819 – 24. Juni 1871). Sie heiratete am 31. Januar 1854 einen Schüler ihres Vaters, Johann Nepomuk Heinemann (30.05.1817 – 22.02.1902).

Elisabeth (Lisette) Reich 1819-1871
Selbstportrait von Nepomuk Heinemann

Heinemann begann eine Lehre als Uhrschild-Maler in Neustadt. Danach lernte er in Donaueschingen die Technik der Lithographie. Wie alle Hüfinger Künstler hielt er sich in den folgenden Jahren, wie sein Bruder Joseph, zu Studienzwecken in München auf.

Die Eröffnung einer eigenen Druckerei in Hüfingen wurde ihm auf Intervention des Fürstenhauses genehmigt. Mit Entwürfen von Reich, seines Bruders Joseph Heinemann und von Heinrich Frank begann er das Buchprojekt Hieronymus – Lebensbilder aus der Baar und dem Schwarzwalde.

Bleistiftzeichnung Karl von Schneider (1847 – 1923) von Johann Nepomuk Heinemann

Johann Nepomuk Heinemann war einer der ersten Photographen im Land. Auch das Fürstenhaus Fürstenberg in Donaueschingen zählte zu seinen Kunden. Dieses Geschäft blühte in den 1860er Jahren auf und zahlreiche Portraits von Zeitgenossen entstanden in seinem Studio.

So auch Amélie Karoline Gasparine Leopoldine Henriette Luise Elisabeth Franziska Maximiliane Fürstenberg. Geboren am 25.05.1848 Schaffhausen und verstoben am 08.03.1918 in Baden-Baden. Tochter von Karl Egon II Fürst zu Fürstenberg (1820-1892).



Die Tochter von Nepomuk Heinemann und Lisette Reich war Maria Josepha Heinemann (“Marie” 23. Dezember 1857 – 19. Mai 1948) die am 19. September 1881 den Kaufmann Karl Nober (Haus Nober Hauptstr. 5) geheiratet hat.


Marie Heinemann (1857 – 1948)
Marie und Kätherli (Katharina Heinemann 30.04.1828-27.01.1900. Kätherli war die Schwester von Nepomuk und Josef Heinemann)
Fotos von Johann Nepomuk Heinemann etwa 1868
Selbstbildnis von Johann Nepomuk Heinemann von 1840


Ein weiterer Sohn von Luzian Reich senior war Franz Xaver Reich (1. August 1815 in Hüfingen – 8. Oktober 1881 in Hüfingen).
Nach initialer Förderung durch seinen Vater, kam Xaver Reich 1832 auf Empfehlung seines Onkels Johann Nepomuk Schelble an das Städelsche Institut. Durch seinen Onkel wurde er auch Mitglied in dessen Cäcilienverein.

Xaver Reich gezeichnet von Nepomuk Heinemann 1838
Foto von Xaver Reich
Franz Xaver Reich, gezeichnet von Josef Heinemann

Lucian Reich schreibt viel über seinen Bruder im Denkbuch: https://hieronymus-online.de/denkbuch-von-lucian-reich-1896/

Josefa Reich, geb. Elsässer (1823-1900)

Wilhelm August Rehmann, Leibarzt von Fürst Karl Egon II. zu Fürstenberg veranlasste, dass Reich eine Skizze modellieren konnte, welche die Donau mit ihren Zuflüsse Brigach und Breg zeigte. Karl Egon II. war vom Ergebnis begeistert und beauftragte Reich damit das Modell 1837 im großen Maßstab herzustellen. Im Schloss Hüfingen erhielt er von seinem Mäzen dann ein Atelier geräumt, um die Gruppe in Sandstein auszuführen. Die Sandsteingruppe wurde auf der „großen Insel im Schwanenweiher“ (heute: Pfaueninsel) im Schlosspark von Donaueschingen aufgestellt.

Danubiagruppe auf der Pfaueninsel (Postkarte 1906)

Nach Vollendung der Arbeit machte sich Xaver Reich 1842 zu einer Romreise auf. Aufenthalte in Pisa, Florenz und in Verona begeisterten ihn für die Tradition der Blumenteppiche.

Nach Vorbild aus Portici fertigte er in Hüfingen vor seinem Elternhaus den ersten Blumenteppich und legte so den Grundstein einer langen Tradition.

Film von Ernst Kramer in den späten 1920er


Franz Xaver Reich wohnte mit seiner Familie im ehemaligen Anwesen seines Onkels Johann Nepomuk Schelble an der Bräunlinger Straße. In Hüfingen hatte er die Ziegelei seines Vaters übernommen und zu einer Terrakottenbrennerei umgewandelt. In ihr brannte er plastischen Schmuck.

Der Engel auf der Elisabetheninsel, den Fürst Carl Egon II in Erinnerung an seine früh verstorbene Gemahlin Elisabeth aufstellen ließ, wurde nach einem Entwurf von Xaver Reich gegossen. Zu seinen Donaueschinger Arbeiten zählt auch das Turnierrelief an der Reithalle.

Die Inschrift auf der Vorderseite des Sockels lautet: “Der Gerechte ist auch in seinem Tode getrost. Sp. Salomon 14, 23” auf der Rückseite: “Karl Egon Fürst zu Fürstenberg seiner unvergeßlichen Frau Elisabeth, Prinzessin Reuß ä. L. zu Greiz. geb. 23. März 1824, gest. 7. Mai 1861” . Das Denkmal wurde nach einen Entwurf von Xaver Reich gegossen.

Als die Donauquelle im Schloßhof neu gefaßt und umgruppiert wurde, gestaltete Xaver Reich die Gruppe: “Die junge Donau als Kind im Schoß der Mutter Baar”. Sie musste allerdings in den siebziger Jahren der Marmorgruppe des Vöhrenbacher Bildhauers Adolf Heer weichen, die heute noch die von Adolf Weinbrenner geschaffene Quellfassung schmückt. Reichs Gruppe fand schließlich in der Nähe des Zusammenflusses von Brigach und Breg eine vorläufige Bleibe. Seit der Umgestaltung ist sie leider noch verschwunden.

Die junge Donau als Kind im Schoße der Mutter Baar. Sandsteingruppe von Xaver Reich (1815–1881) am Zusammenfluss von Brigach und Breg in Donaueschingen von 1875.


Ein weiters Mitglied des Hüfinger Künsterkreises war Rudolf Gleichauf (29. Juli 1826 in Hüfingen – 15. Oktober 1896 in Karlsruhe). Gleichauf erhielt ein Stipendium des Fürsten Karl Egon II. zu Fürstenberg an der Münchner Akademie bei Schnorr von Carolsfeld.

Rudolf Gleichauf (1826 – 1896)

Außer zahlreichen Wandgemälden hat Gleichauf im Auftrag des badischen Hofs und der badischen Regierung zwischen 1862 und 1869 zahlreiche Aquarellbilder und eine Vielzahl von Kostümstudien geschaffen, die sich in der Badischen Landessammlung erhalten haben und für ein „umfängliches badisches Trachtenwerk“ geplant waren, das jedoch nicht vollendet wurde.

Eine Schwester von Rudolf Gleichauf war mit dem Künstler Josef Heinemann (27.12.1825 – 02.04.1901) einem Bruder von Johann Nepomuk Heinemann, verheiratet.

Josef Heinemann (1825 – 1901)
Bleistiftzeichnung von seinem Bruder Johann Nepomuk Heinemann.
Marie Heinemann (1857 – 1948)
Gemalt von ihrem Taufpaten Josef Heinemann.

Auch Josef Heinemann studierte wie sein Schwager Gleichauf an der Münchner Akademie bei Julius Schnorr von Carolsfeld.

Jacob schenkt Joseph einen bunten Rock (1850)
Die selten dargestellte Szene der Josephsgeschichte des Alten Testaments entstand im Umfeld von Bibel-Illustrationen. Heinemann arbeitete an verschiedenen Editionen sogenannter Bilder-Bibeln mit.
Bildnis der Ida Müller, verh. Maier (1841)
Heinemann porträtiert die 20-jährige Blumen- und Stillebenmalerin als “Tochter aus gutem Hause”. Die noch ungleiche anatomische Exaktheit von ausdrucksstarkem Gesicht und summarischer Hand zeigt, dass es sich um ein Jugendwerk des 18-jährigen Zeichners handelt.



Mehr Fotos und Infos zum Hüfinger Künstlerkreis gibt es auch auf der Seite des Stadtmuseums: