Der Badische Bodensee – Karfreitag in Konstanz 1856

Nebst den Kapuzinern waren noch verschiedene andere Ordensklöster in der Stadt, die es an religiösen, im Geiste der damaligen Zeit liegenden Exhibitionen keineswegs fehlen ließen. Am Karfreitag zum Beispiel erhielten die Jesuiten einen feierlichen Umgang durch die Straßen und mit ihnen die Studenten und sämtliche Professoren. Hinter diesen Corporationen ging ein Zug, welcher sinnbildlich die Grablegung Christi vorstellte, umgeben von Büßenden, die sich geißelten, und Männern, welche schwere Kreuze und eiserne Ketten schleppten. So bewegte sich die Prozession von einer Kirche der Stadt zur anderen, um an den dort errichteten heiligen Gräbern das übliche Gebet zu verrichten.

In einer anderen Stunde, am Karfreitag, hielt die lateinische Kongregation ihren Umzug. In dieser Bruderschaft befanden sich Priester, Beamte und angesehene Bürger. An ihrem Festtage wurden in einer eigenen Kapelle im Münsterkreuzgang lateinische Predigten gehalten. – Ebenso feierte diesen Tag auch die bürgerliche Congregation. Diese hielt ihren Gottesdienst und ihre Feste in der Pfarrkirche St. Paul.

Ich möchte hier erwähnen, dass ich das alte Buch mit der sehr eigenwilligen Schreibweise in Frakturschrift vorgelesen habe, um den gesprochenen Text von einem Programm namens f4transkript in Buchstaben umzuwandeln. Den umgewandelten Text habe ich danach bearbeitet, da viele der Wörter dem Programm nicht bekannt waren.

Man möge mir verzeihen: Ist mir das Deutsche vor 200 Jahren sehr fremd, so ist das oft Zitierte aus dem 18., 17. und sogar 16. Jahrhundert aus heutiger Sicht fast unverständlich. Dazu kommt die eigenwillige Rechtschreibung und eine fremde Denkweise. Da viele Worte der alten Sprache von mir gesprochen und vom Programm transkribiert wurde, sind einige Worte in moderner Schreibweise im Text. Ich habe dies meistens aus Bequemlichkeit und für den Leser so stehen lassen.

Insel Mainau und der Badische Bodensee

Hier der 1. Teil vom Kapitel – Konstanz

Konstanz.

Ungern, wie von einem nach kurzer Bekanntschaft lieb gewonnenen Freunde, scheiden wir von dem schönen Eilande, um der nahen Hauptstadt des badischen Seekreises, der alten Konstanzia, einen Besuch abzustatten.

Wenn wir einen kleinen Umweg nicht scheuen, schlagen wir die Landstraße ein, über Egg, Almansdorf und die St. Lorettokapelle. Das erste Dörflein liegt der Mainau gegenüber. Es hat ein vormals orden’sches Schlösslein, in welchem der Rentmeister wohnte, der jeden Tag auf einem Schifflein nach der Insel fuhr.

Das Pfarrdorf Almansdorf ist sehr alt; es wurde im Jahr 724 von Karl Martell an das Stift Reichenau vergeben. Die Besitzungen, welche der Deutschorden daselbst besessen, haben wir oben verzeichnet.

Von hier geht die Straße über die Höhe, wo man zunächst der (aus Anlass der Pest erbauten) St. Lorettokapelle eine überraschende Fernsicht hat.

Der näher, kaum eine Stunde weite Weg führt durch den St. Katharinanwald in gerader Richtung nach der Stadt. Diese erscheint den Ankommenden von hier aus beinahe ganz verdeckt von Obstbäumen und Gärten; die alten Wälle im Vordergrund, erheben sich allein das ehemalige Kloster Petershausen und die Steinmassen des Münsters.

Zurückblickend auf die Entstehungsgeschichte des Ortes begegnen wir zuerst den Römern, welche, nach der Tradition, auf der Insel (später Dominikanerinsel) ein Kastell errichteten, von den umwohnenden Deutschen die Niederburg geheißen.

Eine alte Sage, von Schultheiß erzählt, gibt es vom Ursprunge der Stadt folgende Nachricht:

Kaiser Severus schickte, 207 Jahre nach Christus, zwei Landpfleger in das eroberte Helvetien. Der eine, Konstantinus, herrschte von der Lindmag (Limat) bis an den Vorderrein. Er saß zu Pfyn und erbaute sich auf der jetzigen Dominikanerinsel bei Konstanz ein Jagdhaus, welches er befestigte, weil er zwei gefährliche Feinde in der Nachbarschaft hatte: der eine, ein ungarischer Edler, wohnte auf der Anhöhe des jetzigen Almanansdorf, der andere, ein deutscher Herzog, hatte seine Burg zu Überlingen, wo jetzt das Johanniterhaus steht. Zur größeren Sicherheit der neu erbauten Veste gab Konstantius dem Orte allerlei Freiheiten, damit sich Leute daselbst ansiedeln sollten, was auch in kurzer Zeit geschah. – Als Konstantinus einmal von seinem Jagdgefolge abgekommen, allein in den Wäldern gegen Frutweilen und Ermatingen jagte, erschrak sein Pferd vor einem ungeheuren Wurme (Drachen), von welchem damals das Land voll war. Es wurde scheu und ging durch; Konstantinus aber blieb im Stegreife hängen und wurde weit fortgeschleppt, bis auf das Geschrei des Jägers die Knechte herbei eilten, das Pferd anhielten und den Landpfleger so schnell sie konnten nach Konstanz verbrachten, wo er an der Stelle starb, da jetzt die Kirche Sankt Stephan steht. – Nach seinem Tode setzten die vorgenannten beiden Feinde der Burg und Stadt, Niederwasserburg geheißen, so zu, dass fast alle Einwohner dieselbe verließen und der Ort wüst und öde wurde. 100 Jahre nachher schickte Kaiser Diokletian seinen obersten Feldhauptmann Konstantinus nach Deutschland und Helvetien, gegen den Herzog von Ellgen, den er mit fünf anderen Königen in der Nähe von Konstanz traf. Er überwand sie alle und machte sie den Römern untertänig. Dieses Sieges und der schönen, bequemen Lage wegen baute er die Stadt wieder auf und benannte sie nach sich – Konstantia“

„Das erste Gotteshaus, welches gebaut wurde, soll Sankt Johann gewesen sein, ein viertes Kirchlein ohne Abseiten und Chor; gleichzeitig entstand die jetzige Schreibergasse, in welcher das Rathaus zur „Tulle“ stand. Als die Stadt um diese Zeit bereits sehr mächtig geworden und viel Volk hingezogen war, erhielten Geistliche, die man jetzt (im 16. Jahrhundert) regulierte Chorherren nennt, vom Kaiser die Erlaubnis, sich darin niederlassen zu dürfen. Sie bauten, da wo jetzt das Münster steht, die Kirche in der Weite des Münsters. Wo jetzt die Sakristei ist und auf dem Kreuzgange, hatten sie ihre Schlafkammern, im Stauff, der am Kreuzgange ist, den Speisesaal und die Wohnung ihres Abtes u.s.w.“

Zu großer Bedeutung kam der Ort durch den bischöflichen Sitz, der im sechste Jahrhundert von Windisch, einem kleinen thurgauischen Flecken, nach Konstanz, verlegt wurde. – Ein weiterer Grund zum Gedeihen und stets erneuerter Lebensbewegung gab die herrliche Lage, an dem Engpass zwischen dem Ober- und Untersee, so wie nicht minder die große Handelsstraße, (die ehemalige Römerstraße), welche über hier vom Norden nach der Levante hinzog.

Infolge dieser günstigen Verhältnisse mußte frühe schon zur Erweiterung der Stadt geschritten werden, umso mehr, als nach und nach viele benachbarte edle Geschlechter ihre einsamen, oft bedrohten Burgen verließen und in der wohlbefestigten Stadt, unter dem Schutze mächtiger Bischöfe, sich niederließen.

Die trefflich gelegene Bodensee- und Bischofsstadt erlangte so gewaltiges Ansehen, dass sie von beinahe allen gekrönten Häuptern alter Zeit besucht und mit großen Vorrechten begabt wurden. So melden uns die Chronisten, dass Karl der Große, als er zur Krönung nach Rom reiste, mit seiner Gemahlin Hildegard, Konstanz und die dortige Marienkirche besucht habe. Ebenso Karl der Dicke im Jahr 828 und König Arnolf 890. – Einige Jahrzehnte später, zurzeit als der berühmte Salomo III auf dem Bischofsstuhl saß, erschien Kaiser Konrad um Weihnachten zu feiern, und zu Ende des zehnte Jahrhunderts sah man Kaiser Otto III nach glücklichen geführtem italienischen Kriege gieggekrönt in Konstanz einziehen.

Gleiches geschah unter den nachfolgenden Herrschern, die teils als Gäste, teils zur Verrichtung wichtiger Reichsgeschäfte nach Konstanz kamen. Im Jahr 1025 empfängt Kaiser Konrad II daselbst die Huldigung der Lombarden, und 28 Jahre nachher hält Heinrich III in Konstanz einen Reichstag. Auch Heinrich IV und Konrad III beehrten die Stadt mit ihren Besuchen, sowie der berühmte Hohenstaufe, Friedrich Barbarossa, welcher 1183 hier den bekannten Frieden mit den lombardischen Städten schloss und dabei der Stadt wichtige Freiheiten schenkte.

In ebenso großer Gunst stand der Ort unter den Habsburgern, wie den Rudolf, nach dem Sieg über Ottokar von Böhmen, in Konstanz sich huldigen, und den schwäbischen Adel den allgemeinen Landfrieden beschwören ließ.

Bei diesem freudigen Aufblühen nach außen und innen fehlte es jedoch nicht an mancherlei Misshelligkeiten und vorübergehenden Störungen im städtischen Haushalte. Nebst der Bischofgewalt, die allmählich zur eigentliche Landeshoheit anwuchs und die ursprüngliche Reichsfreiheit der Stadt zu vernichten drohte, waren es die adligen Geschlechter, welche Grund zur Unzufriedenheit und Streit gaben, dass sie im Verlaufe der Zeit das städtische Regiment völlig an sich gerissen hatten, während jetzt auch die Zünfte gleichen Anteil daran haben wollten. Der Hader deshalb dauerte vom 13. bis ins 15. Jahrhundert; es kam zu bewaffneten Aufläufen, infolge derer ein Teil des Adels die Stadt verließ. Der Bischof, die Nachbarstädte und selbst der Kaiser legten sich wiederholt ins Mittel, bis man zuletzt sich dahin verglich, dass die oberste Gewalt zwischen Patriziern und Bürgerlichen abwechseln solle. Doch dauerte die Rivalität beider Stände noch längere Zeit fort, und Beschlüsse wie der folgende halfen nur wenig.

1) Ein Jeder, hieß es in einer Gemeindeordnung vom Jahr 1420, solle in der Zunft verbleiben, in welcher sein Vater gewesen, und nicht zu denen auf der „Katzen“ (dem Gelaghaus der adligen Geschlechter), noch zu anderen Gesellschaften gehen. Er darf jedoch auf der andere Stubem gehen, um seinen Pfennig oder zwei x. –
2) Da die Geschlechter bisher ihre Tänze in der Ratsstube gehalten und zu derselben nur diejenigen aus der Gemeinde geladen haben, welche mit ihnen befreundet sind, so sollen die Geschlechter fürderhin keine Tänze mehr daselbst halten dürfen, ausgenommen wenn Fürsten und Herren kommen.
3) Man solle vier Tafeln mit dem jüngsten Gericht malen und solche in der Ratsstube aufhängen lassen, damit die Ratsherren desto mehr göttliche Furcht vor Augen haben. – Ähnliche Bestimmungen wiederholten sich später.

Wie sehr bereits im 14. Jahrhundert Kleiderluxus in der Stadt überhand genommen, erhellt er aus einer Kleiderverordnung vom Jahr 1390. – Jedermann, heißt es darin, kann einen Rock oder Mantel machen lassen, so lang und weit er will, jedoch nicht länger, als dass er auf die Erde gehe. Auch soll er weder Lappen noch Schnitzzle tragen, die länger seien als ein Gelaich. Auch soll er keinen zu hohen Kappenzipfel tragen. – Kein Mann, jung oder alt, soll Kränze oder große Schappel tragen, weder in der Kirche, noch auf der Gasse, zu Tänzen, zu Schimpf (Spiel) oder Ernst. Erlaubt sind nur die schlechten (einfachen) Schappel, die man von alter Gewohnheit her trug. – Es sollen auch keine Schuh auswendig Brisen haben, wie neulich vorkamen. Auch sollen sie keine Oertle haben, weder rote noch weiße, oder von anderen Farben. – Kein Mann, sei er arm oder reich, soll mehr als ein zweifarbiges Gewand haben, und die Tricco in zwei oder vier Stücken. – Ein jeglicher Mann soll an Gürteln, Ketten oder beschlagenem Gewand nicht mehr tragen als sechs Mark Silber an Wert. Ebenso soll keiner im bloßen Wams zum Tanze oder auf die Gasse gehen, sondern sich mit einem längeren Kleide ehrbar machen. – Die „Ordnung fröwlicher Zucht“ bestimmte: dass keine Frau, reich oder arm, ein Tuch trage, dass, wenn es von Seide sei, mehr habe als Zwanzigfache, und wenn von Wolle, mehr als 16Fache; und sind dieselben Tücher so zu machen in der Breite, dass sie jeglichem Weibe den Nacken, ihr Haar und Haarbändel bedecken, vornen unter dem Kinn aber zusammen gehen, gebunden mit einem Schnürlein. – Es soll auch keine Frau eine Haube tragen, die köstlicher sei an Perlen, Gestein, Ringen und Hästlein als 50 Gulden Werths. Dazu mag sie ihren Vermählungsring tragen an ihren Händen. – Es soll auch keine Frau weder ein beschlagenes noch silbernes Gürtellein, noch Halsband tragen, bei vier Mark Silbers Strafe. – Auch soll keine einen Rock noch Mantel länger machen, als dass er auf die Straße stoße, und ihr nicht nachgehe. Und endlich soll keine Frau einen Kranz noch Schnappel tragen. (Es stund dies nur Jungfrauen zu, wie noch teilweise im Schwarzwald und in der Baar bis auf den heutigen Tag Sitte ist.)

Seit dem Jahr 1384 besass der Rat zu Konstanz das von Kaiser Wenzislaus verliehene Recht, Übeltäter zum Tode zu verurteilen. Nach Beispielen, die Schultheiß in seinen Schriften anführt, war die Prozedur eine ziemlich strenge und kurze. Um 1418, erzählt er, war zu Konstanz ein Schneider, Namens Hans Ritter, der hatte, wie die meisten seiner Zunftgenossen, ein hitziges Geblüt und Anlage zum Helden – war aber dabei ein großer Prahlhans, auf dessen Rede niemand viel hielt. Dieser Mann sagte, er habe große Feindschaft gegen Radolfzell und schon viele Ritter und Knechte aufgebracht, um die Stadt zu nehmen und hernach darin nach Gutdünken zu schalten und zu walten. Die Zeller, denen das zu Ohren kam, gerieten in Angst, obwohl der Schneider nie daran gedacht hatte, das Gesagte auszuführen. Sie verklagten den Prahler beim Rate zu Konstanz, worauf ihn der Bürgermeister abends vor dem Rathause erscheinen und verhören ließ; er ward folglich verurteilt und am anderen Morgen in der Frühe – ertränkt. Als später einmal zwei Gesellen wegen falschen Spiels zum Tode verurteilt wurden, verlangten sie, dass man ihnen statt anderer Todesstrafe, den „Seemann“ gebe; worauf der Rat beschloß, künftig jedem Verurteilten den Seemann zu geben, der seiner begehre.

Aber nicht nur gegen Weltliche, auch gegen die Diener der Kirche wendete sich die Strenge, wie ein Ratsgesetz vom Jahre 1380 darthut, wonach jeder Bürger in Fällen, wo es sich um die Ehre seiner Frau oder Tochter handlte, nach eigenem Ermessen an dem Übeltäter im geistlichen Gewande Rache nehmen durfte; als bald darauf Einer vom Klerus von einem Bürger auf der Gasse angefallen wurde, verordneten die Oberen, dass kein Geistlicher Nachts ohne Licht ausgehen dürfe. – Zuweilen kommt in dieser und der späteren Zeit noch vor, dass in zweifelhaften Fällen im Gottesgerichte oder öffentlichen Zweikampfe das Recht gesucht wurde.

So zum Beispiel beschuldigte, im Jahr 1437, ein junger Geselle Wilhelm von Mengi, den anderen Hans von Lopheim, der Anstiftung zum Morde. Da sich der Fall im Thurgau ereignet haben sollte, über welche Landschaft die Stadt Konstanz die Gerichtsbarkeit besaß, so wurde die Sache von dem Landgerichte in Konstanz verhandelt. Die schweizerischen Heimatkantone nahmen sich des Handels eifrig an. – Da schlug der Anschuldiger einen öffentlichen Zweikampf vor, um zu zeigen, wie ein freier Mann einen Bösewicht behandle. Der Gegner wolle auf dieses nicht eingehen, worauf das Gericht entschied, dass er für schuldig erkannt werden solle, wenn er den Kampf nicht annehme. Es wurde ein Tag bestimmt, ein Platz, vor dem Tore abgesteckt und gleiche Kleidung, Schwerter und Schilde bereit gehalten. – Beide stellten sich, und man zog in Begleitung von 40 Gewappneten aus jeder der Zünfte hinaus vor die Stadt. – Inzwischen hatte sich der Bischof Heinrich von Höwen, (der vorher schon vergebliche Versuche gemacht hatte, den Kampf zu beseitigen), mit seinem stolz und edlen Gezeuge und 40 Pferden auf der Pfalz versammelt, und ritt zum Augustinerthor hinaus, um den Graben. Er erreichte den Zug vor dem Schnrtzthor und erwischte zuerst den Lopheimer. „Wer hat dir erlaubt zu kämpfen in meinem Bisthum!“ Rief der Bischof. „Es ist nicht erlaubt zu kämpfen und soll auch nicht seyn. Du musst mein Gefangener seyn und ich will Rath halten mit meinen Freunden, meinen Kapitelsherren, meinen Freunden in Konstanz und anderen Reichsstädten, dass ich deine Ehre besorge.“ Hierauf ließ er ihn wegführen, sowie seinen Gegner Mengi. Niemand widersetzte sich diesem Befehle, denn es geschah mit Willen der Stadt und der Anderen all. Man meinte, es wäre Alles vorher angelegt worden.

Von alters her galt die bischöfliche Pfalz als eine Freistätte für verfolgte Mörder. Als 1493 zwei Gesellen im Hause eines „guten Weiblein“ Nachts einen Edelmann von Pfirt erstochen, flüchteten die Übeltäter in die sogenannte Freiheit auf der Pfalz. Der Rat schickte in der Frühe zum Bischof und ließ ihm sagen, sie hofften, er werde den Mördern keinen Schutz gewähren. Der Bischof versammelte seine Räte und sandte nach gepflogener Besprechung seinen Hofmeister Balthasar von Randeck zu den Mördern, der ihnen die Freiheit ankündigte. Die Knechte der Stadt ergriffen sie und führten sie in den Thurm. Am Tage darauf wurden sie vom Rat gestellt, und da vielfältig für sie gebeten wurde, so enthauptete man sie „aus Gnade“ noch am nämlichen Tage.

Einem berühmten Abt in der Geschichte von Konstanz bildet das große Concil vom Jahre 1414 bis 1418. Als man bei einer Vorberatung zu Lodi wegen eines schicklichen Ortes zur Abhaltung dieser Versammlung sich besprach, lenkte der Graf von Nellenburg die Aufmerksamkeit des Papstes und des Kaisers auf Konstanz: als sei dies eine Stadt, „welche am Bodensee gelegen, wohlerbaut sey und viel Gemächer und Stallungen habe“. – Der Papst schickte Abgesandte dahin, und die Versammlung wurde nach Konstanz ausgeschrieben. – Weder vorher noch nachher hatte die abendländische Welt ein solches Zusammenströmen aller Nationen der Christenheit gesehen. Am 6. November 1414 fand die erste Sitzung in der Domkirche statt, (wo auch alle übrigen Sessionen gehalten wurden). Die Hauptresultate dieser, die Herstellung des Kirchenfriedens bezweckenden Versammlung, waren bekanntlich die Absetzung seiner Päpste gegen Päpste (Gegenpäpste), die Wahl eines neuen Papstes und die Anklage und Verurteilung des Johannes Huß von Prag und seines Schülers Hieronymus.

Von den Äußerlichkeiten jener Tage haben uns die Chronisten manch interessante Einzelheiten aufbewahrt.

Am 25. Dezember, nachdem das Konzil schon seit Wochen eröffnet war, erschien Kaiser Sigismund in Konstanz. Am Christabend war er in Überlingen angekommen und hatte von dort dem in Konstanz weilenden Papst Johann seine Ankunft auf den kommenden Dienstag melden lassen, mit der Bitte: der Heilige Vater möge mit Lesung der drei Heiligen Messe etwas zu warten, bis er, der Kaiser, angekommen. Sogleich wurden von Konstanz Schiffe nach Überlingen gesendet, auf welchen das Reichsoberhaupt mit den Seinen eine Stunde nach Mitternacht in Konstanz eintraf. In seinem Gefolge befanden sich seine Gemahlin Barbara, eine geborene Gräfin von Gilly in Steiermark, die Königin Elisabeth von Bosnien, der Kurfürst Ludewig von Sachsen, die Gräfin von Württemberg und viele andere Edle. Am Fischmarkt stieg man ans Land und begab sich in das Rathaus. Die Nacht war kalt, und die Damen eilten in die warme Ratsstube zu kommen, wo man die hohen Gäste mit köstlichem Malvasier, Bier und Konfitüre gebührender Maßen bediente.

Die Kaiserin wurden zwei große herrliche in Gold durchwirkte Tücher verehrt, die zum Traghimmel dienten, unter welchen zwei Stunden später das kaiserliche Paar, begleitet vom ganzen Hochadel, durch die schönen erleuchteten Gassen nach der Domkirche wandelte. Der regierende Bürgermeister Heinrich von Ulm, Heinrich Schilter, Altbürgermeister nebst dem Reichsvogt Hagen und Stadtmann Ehinger hatten die Ehre, den goldenen Baldachin über dem Haupte des Kaisers zu tragen, während Bürger und Ratsherren der Stadt gleicher Ehre bei der Gemahlin des Kaisers und der Königin von Bosnien sich erfreuten.

Der Kaiser wurde von lautem Zujauchzen des versammelten Volkes begrüßt. Seine hohe Gestalt hatte etwas ehrfurchtgebietendes. Ein langer Mannsbart zierte sein schmales, einnehmendes Gesicht, welches herabfallende blonde Locken umwallten. Nach der Ankunft des erlauchten Paares in der Domkirche hielt der Papst in eigener Person das Hochamt der ersten Messe. Als dieselbe zum Evangelium gekommen, bestieg der Kaiser in der Kleidung eines Diakons, begleitet von der Geistlichkeit mit brennenden Kerzen, die Kanzel und las das Evangelium: „Es ist von Kaiser August ein Gebot ausgegangen“ u. s. w. Während dieser feierlichen Handlung hielt der Kurfürst, Herzog Ludewig von Sachsen die Spitze des entblößten Schwertes, welches der Papst dem Kaiser als dem obersten Schutzherrn der Kirche übergeben hatte, gerade über letzteren Haupt. Nachdem der Gottesdienst zu Ende war, erteilte der heilige Vater auf dem Pfarraltar dem Volke den Segen und begab sich wieder in die bischöfliche Pfalz; der Kaiser aber, mit seiner Gemahlin und die Königin von Bosnien bezogen das Rrillenhaus zur Leiter.

Damit es während der langwierigen, ernsthaften Verhandlungen nicht an Abwechslung und geselliger Kurzweil fehle, war man eifrig besorgt, den anwesenden Herren und edlen Gästen Feste und Spiele mancherlei Art zu bereiten.

So gab am 2. März 1416 Herzog Ludewig von Bayern, Vikar des Konzils, zu Ehren der anwesenden Ritter und adeligen Einwohner der Stadt Konstanz ein prachtvolles Turnier, bei welchem drei Herzoge, sechs Grafen, viele Ritter und Knechte und bei 50 Helme in den Schranken erschienen; die Damen und adeligen Fräulein aber zwei Tage hindurch mit Tanz und festlichen Banketten sich lustig machten.

Von der Großartigkeit solcher Kampfspiele mögen uns die Zurüstungen zu denselben einigen Begriff geben. Als im Jahr 1434 der Kaiser Siegmund in Konstanz ein Turnier gegeben werden sollte, mussten die benachbarten Klöster und Gemeinden über 3000 Baumstämme zur Errichtung der Schranken liefern. Im nämlichen Jahr 1416, sah man am Tage des heiligen Johann Baptist die Abgesandten aus Florenz in der Stadt das Fest des Patrons ihrer Vaterstadt mit großer Pracht abhalten. Unter Pfeifen und Posaunenschall wurde am Abend vorher in allen Gassen ausgerufen: „Ihr Herren! Alle meine Herren von Florenz wollen morgen in der Kirche zu Sankt Johann das Fest des heiligen Johann Baptist feiern.“ In der Frühe versammelten sich sodann alle Florentiner bei den Franziskanern und begaben sich nebst dem Kaiser Sigismund, dem kaiserlichen Hofstaat, vielen Herzogen, Fürsten und Grafen, von denen jeder eine pfründige brennende Wachskerze trug, mit hoher und niederer Geistlichkeit in feierlicher Prozession durch die mit Blumen bestreuten und mit grünen Bäumen geschmückten Gassen nach der Kirche St. Johann alwohl der erste Kardinal und päpstliche Kanzler das Hochamt hielt.

Win ähnliches Fest feierten, am 29. Dezember, als dem Tag des heiligen Thomas von Canterbury, die in Konstanz anwesenden Engländer.

Das Prachtvollste, was man von einem einzigen sehen konnte, gab nach Versicherung der Chronisten der Markgraf Friedrich von Meißen bei seiner Ankunft in Konstanz zum besten. Mit 13 vornehmen, ihm dienenden Grafen zog er ein; 16 Gepäckwägen, 28 Lasttiere, nebst 500 Berittenen bildeten das Gefolge; letzteres samt und sonders mit ganzen und prächtigen Harnischen angethan, und geziert mit goldenen Ketten und Emblemen. Der Kaiser selbst und viele Großen ehrten den Grafen durch ihre Begleitung.

Einen besonders wichtigen Akt bildete wenige Tage nachher den 15. April 1417, die feierliche Belehnung des Burggrafen von Nürnberg auf dem oberen Markte. Dieser Akt bekommt für uns Badener durch die Verlobung einer durchlauchtigsten Urenkelin des Burggrafen mit dem Enkel und Nachfolger Karl Friedrichs ein besonderes erhöhtes Interesse. Denn durch die Belohnung, welche die Folge eines Pfandvertrages zwischen dem Kaiser und dem Burggrafen war, gelangte der fränkische (oder burggräfliche nürnbergische) Zweig des Hauses von Zollern in den Besitz der Markgrafschaft Brandenburg mit den kurfürstlichen Würde. Diese Erhebung aber verhalf ihm zu derjenigen Stellung unter den deutschen Reichsfürsten, welche das brandenburgische Fürstengeschlecht die Erreichung seiner gegenwärtigen Macht und Würde verdankt, worin er als Besitzer des zweiten Großstaates von Deutschland ein ausschlaggebendes Gewicht in die Waagschale des europäischen Gleichgewichts legt und für das Land Baden, nachdem es daselbst aus den frevlerischen Händen der Revolution errettet, nun durch die bevorstehende Verbindung der Prinzessin Luise von Preußen Königliche Hoheit mit seiner königlichen Hoheit vom Prinz-Regenten Fridrich von unberechenbarer Bedeutung wird.

Nicht minder Außergewöhnliches bot das Fronleichnamsfest, indem bei der öffentlichen Prozession drei Patriarchen, 25 Kardinäle, 300 und fünf insulirte Erzbischöfe, Bischöfe und Prälaten zugegen waren, mit einem Gefolge von 500 päpstlichen Auditoren, Schreibern, Hofbeamten und den Repräsentanten der hohen Schulen und aller Gelehrsamkeit. Ebenso zahlreich sah man dabei die weltlichen Gewalten vertreten: Kaiser Sigismund im Krönungsornate, zwei Kurfürsten, 23 Herzoge, fünf Fürsten, Landgrafen, 50 Reichsgrafen und Barone, und eine Menge Ritter und Edle mit ihren Knechten; im ganzen wohl 4000 Personen, alle mit brennenden Kerzen in den Händen.

Auch als ritterlicher Kämpfe zeigte sich einmal der Kaiser, und zwar bei einem großen Turnier, welches zu Fastnacht 1418 die Adligen in Konstanz auf dem Brühl veranstalteten. Mit verbundenen Helme ohne Wappenschild, ritt er in die Schranken, und zog, nachdem er einen Ritter und drei Knechte niedergerannt hatte, wieder ab, ohne das Visier zu lüften.

Es läßt sich denken, welch ungeheure Menge Volkes während dieser außerordentlichen Zeit nach Konstanz angelockt worden sein mag. Um den gemeinen Manne und den armen Priestern, Schülern und anderen, die des Konzils wegen in die Stadt gekommen waren, Gelegenheit zum Verdienste zu geben, ließ der Magistrat, ohne dass es durch Not geboten gewesen wäre, die Mauern und Gräben der Stadt im Tagelohn bauen und ausbessern. Ebenso arbeiteten viele Gelehrte und Priester in den Weingärten, an städtischen Gebäuden oder wo es sonst etwas zu verdienen gab.

Als nach Beendigung der allgemeinen Kirchenversammlung, der neu gewählte Papst Martin V. von Konstanz hinwegzog, ritt er, angethan mit einem goldenen Messgewande, auf einem scharlachbedeckten Pferde zur Stadt hinaus. Den Baldachin über seinem Haupte trugen zwei Ritter vom Bodnman, einer von Schellenberg und ein Herr von Klingenberg. Der Kaiser führte das Pferd am Zaune und zur Rechten ging der neue Kurfürst von Brandenburg, links der Herzog Ludewig aus Bayern, welche, mit dem nachfolgenden Herzoge Fridrich von Oesterreich die Decke des Pferdes gefasst hielten.

Nicht so glänzend war bekanntlich der Wegzug des Kaisers. Seine Dienerschaft hatte Schulden gemacht, und das Reichsoberhaupt sah sich genötigt, zu ihrer Auslösung eine Summe Geldes zu leihen und den Gläubigern (zu Konstantz, Zell, Arabon und einigen von Augsburg) einen Teil seiner kostbaren Tücher und Tapeten in Versatz zu geben, mit dem Versprechen, binnen Jahresfrist die Pfänder zu lösen. Es waren 15 seidene Tücher, (Bett- und große Wandvorhänge, auch einige Haupttücher) von schwarzer und blauer Farbe, geziert mit grünen roten Rosen, güldenen Kreuzen und dem kaiserlichen Adler, im Werte von 30.000 fl., dazu 13 Stück Tapeten mit Gold durchwirkt, gewehrthet zu 7000 fl.. Alle diese Sachen wurden im Kaufhause niedergelegt. – Als die bestimmte Frist verstrichen und keine Lösung erfolgt war, blieben die Sachen zum Schaden der Gläubiger jahrelang liegen. Angeknüpfte Unterhaltungen und Botschaften führten zu keinem Ziele, weil der Kaiser eine Gegenforderung machte, betreffend: der Stadt zu kaufen gegebene Steuern, den Kauf des Landgerichts Thurgau, und Strafgelder in Sachen des Auflaufs gegen die Geschlechter und gegen die Juden.

Als Sigismund im Jahr 1430 zu Weihnachten wiederum nach Konstanz kam, wurde aufs neue unterhandelt. Der Kaiser forderte 10.000 fl. Nachlass, oder dass man je den sechsten Pfennig an der Schuld fallen lasse, wogegen er den Gläubigern den Rest an die Juden verweisen wollte, die in Strafe verfällt waren, wegen eines zu Ravensburg 1429 an einem Christenknäblein verübten Frevels. Man wurde aber nicht einig. Zuletzt kam es dazu, „dass die Gläubiger die Pfänder unter sich vertrieben, und als sie solche verkauften, wurde kaum die Hälfte des Geldes daraus erlöst; worüber viel zu schreiben wäre.“

Während das Konzil in Basel tagte (1737), wurden von dort aus Gesandte in alle Städte geschickt, die Stöcke in den Kirchen aufrichteten, damit jedermann unrecht erworbenes Gut hinein lege und Ablass gewänne. Die geopferten Güter wolle man zur Bekehrung der Griechen verwenden. In Konstanz scheint aber die Sache wenig Anklang gefunden zu haben, denn die Tafel, welche mit Figuren und Inschrift am Stocke (im Münster) angebracht war, fand man eines Morgens zerbrochen, und als eine neue hinzukam, fand man sie gleich darauf mit schwarzer Farbe bestrichen. Der unbekannte Täter ward von der Kanzel in Bann getan und mit dem Judas Fluch belegt; wäre er entdeckt worden, so hätte er den Frevel im See gebüßt, da der Stadt übel nach geredet wurde.

Als der Stock etwa ein halbes Jahr dagestanden, fand man beim Aufschließen desselben 17 Schillinge, drei Pfennige und drei Würfel. Der Raum war so mit Sand gefüllt, dass nichts mehr Platz hatte; in einem zweiten Stock dagegen wurde viel Geld und Gut gefunden, ohne dass man wußte, woher es gekommen.

Ein eigentlich staatsbürgerliches Vergnügen und Üben war von jeher das Scheibenschießen. Auch Konstanz hatte seine wohl eingerichtete Schiessstatt. Im Jahre 1456 (am Frauentag 15. August) gab der Rat und die Schützengesellschaft in Konstanz ein großes Freischießen für Armbrustschützen, wozu Fürsten, Herren und Knechte und andere ehrbare Leute eingeladen wurden. Die Schussweite betrug 135 Schritte, anwesende Schützen waren es 285 und das Schießen dauerte zehn Tage. Unter den ausgesetzten Preisen waren ein „gedecktes Pferd“, gewerhet zu 24 fl., ein anderes zu 18 fl. und eins zu 14 fl., ferner Ochsen zu 10 – 8 und 7 fl.; mehrere silberne Pokale, eine Armbrust (für 3 fl.) und etliche goldene Ringe. Zugleich standen Preise ausgesetzt in den verschiedenen Spielen Laufen, Springen, Steinstoßen und Ballschlagen. Die Stadt schenkte dabei alle Tage 30 halbe Viertel Wein.

Im Verlauf des Festes geriet ein Konstanzer Bürger mit einem Schweizer, namens Plaphart, in Streit; der Konstanzer nannte seinen Gegner „Kuhplaphart„, welches Schimpfwort die anwesenden Schweizer als der ganzen Eidgenossenschaft zur Schmach geredet deuteten, und ein großes Geschrei darob anhuben. Es kam zu einem Tumult, den der Bürgermeister Hans von Sappel mit Mühe beschwichtigte und den Beteiligten das Versprechen abnahm, Recht zu geben und zu nehmen. Als die Eidgenössischen aber heim kamen, klagten sie, wie man sie in Konstanz behandelt habe, und ihre Mitbürger sahen darin eine solche Beleidigung der Nationalehre, dass mehrere Kantone eine Anzahl Bewaffneter, wohl an 1000 Mann, zusammenzogen und gegen die Konstanzer ins Feld rückten, ohne diesen weder geschrieben, noch sie zur Rede gesetzt zu haben. Am heiligen Kreuztag, (14. September) zogen sie über die Thur in das Dorf Weinfelden; es war zur Zeit der Weinlese und die Scheuern waren voll Korn. Als das Haus zu Weinfelden (die Veste) auf Gnade und Ungnade sich ergeben hatte, fiel der mutwillige Haufen in die Reben, hieb einen Teil davon um und stiftete viel Unfug und Schaden.

Die Konstanzer erhielten aber zur Stunde erst den Absagebrief der Eidgenossen. Man bot an, Recht bei allen eidgenössischen Städten und Kantonen zu nehmen, jedoch ohne Erfolg. Auf dieses sammelte man sich in Konstanz um den großen Banner und ordnete als Hauptleute sechs Mann von den Geschlechtern und der Gemeinde dazu ab; auch den Geistlichen wurde befohlen, was sie zu tun hatten. Die Überlinger schickten ihren Bundesgenossen in Konstanz bei 500 wohlgerüstete Männer, und die von Lindau und Buchhorn ebenfalls viele Leute.

Unterdessen hatte sich der Feind fast bis zu 6000 Mann verstärkt, und weil man weiteren Schaden an den armen umliegenden Dörfern, wo man die Weinlese erwartete und die Scheuern voll Korn hatte, abwenden wollte, schritt man zum Vergleich, den des Bischofs Vikari und andere Herren zustande brachten. Die Stadt zahlte 3000 fl. Brandschatzung und Berthold, der Reichsvogt, 2000 fl.. Die Eidgenossen zogen ab, nahmen aber zum Andenken mit sich, was sie zu tragen vermochten. An der geforderten Brandschatzung schenkten die Zürcher den Konstanzer ihren Anteil. Also endete der „Plaphartkrieg, den ein einziges Wort entzündet hatte.

Als einen Beitrag zur Sittengeschichte des vielfarbigen 15. Jahrhunderts mögen noch einige in Konstanz stattgehabte Empfangsfeierlichkeiten gelten, die eine im Jahr 1446 zu Ehren der Gemahlin des Herzogs Sigismund von Österreich. Die hohe Frau hielt ihren Einzug in einem vergoldeten Wagen mit einem Gefolge von 600 Pferden. Auf der Pfalz, wo Herberge für sie bestellt war, fand eine Beglückwünschung statt von zehn Adligen und ebenso vielen bürgerlichen Frauen, wovon die Frau des Junkers Markwart Breisacher die Rede hielt, neigte sich, so neigten sich die übrigen auch, und welcher Frau die Herzogin die Hand bot, dieselbe küßte sie ihr.

Nachdem die Herzogin die von der Stadt ihr dargebrachten passenden Geschenke an Wein, Fischen und Haber huldreich anzunehmen geruht hatte, begann bei Nacht ein „Gestech mit scharfen Spießen“, wobei die Ritter mit magisch schimmernden Kerzen auf den Schildern gegen einander sprengten.

Noch größere Ehre wurde 1592 dem Kaiser Maximilian bei einem Besuch in Konstanz erwiesen. Man fuhr ihm auf zwei Schiffen ins Buchhorn entgegen. In einem der Fahrzeuge waren die Ratsherren, im anderen viele starke Knechte. Als der Kaiser nahe der Stadt kam, erblickte er ein großes Schiff, von etlichen Gesellen zugerichtet; sie hatten eine Diele auf dasselbe gemacht und tanzten unter einer darüber gebauten Reishütte einen hübschen Mohrischen-Tanz. Die Tänzer alle waren nackt und schwarz gefärbt. Sie hatten eine Scheibe oben am Segelbaum angebracht, auf welcher drei sitzen konnten; diese sprangen herab ins Wasser und kletterten behend an den gespannten Segelseilen auf und nieder. Während dem schoss man von Raufhause aus mit vielen Hakenbüchsen strenge, und Alles gefiel dem Kaiser wohl, sowie die schöne Lage der Stadt. An der Konradsbrücke empfing ihn Bischof Thomas und sämtliche Priesterschaft und Orden, die Prälaten von Petershausen, Kreuzlingen und Schotten, alle in ihren Habiten, auf das Köstlichste, mit allen Heiligtümern. Der Bischof hielt eine lange Rede, die der Kaiser kurz beantwortete. Nach diesen empfingen ihn die von Konstanz, begleitet von 400 wohlgerüsteten Knechten in Harnisch, welche von dem Kaiser hergingen, das zahlreich vom Lande herbeigeströmte Volk abzuhalten.

Vom Fischmarkt an wurde er unter einem goldenen Himmel getragen, vom Bürgermeister Konrad Schatz, dem Reichsvogt Ludwig Appentager, dem Ritter Ludwig von Helmsdorf, und dem Hofmeister des Bischofs, Balthasar von Randeck, in das Münster begleitet, unter dem Geläute der Glocken aller Kirchen. Nach dem feierlichen Tedeum wurde er in die bischöfliche Pfalz geführt, und die 400 Knechte kamen auf den oberen Hof, ließen sich sehen und machten ein „Rädle“, was dem Kaiser sehr wohl gefiel. Er blieb über vier Wochen in Konstanz.

Begünstigt durch allgemeine wie besondere Zustände und Ereignisse hatte bis daher der Wohlstand und Flor der Stadt aufs erfreulichste zugenommen. Sehr ausgebreitet war der Handel, sowohl mit eigenen als fremden Erzeugnissen. Konstanzer Leinwand, (tele di constanza) war weit berühmt, sowie die Messen, welche, eine Vergünstigung des Kaisers Sigismund, seit dem großen Konzil alljährlich in Konstanz abgehalten wurden.

Verschriedene Umstände vereinigten sich jedoch im Verlaufe der folgenden Jahrhunderte, das rege Handels- und Verkehrsleben der Bodenseestadt allmählich zu lähmen. Die erste Ursache war das Eingehen des großen Landweges vom Norden nach der Levante; denn durch die Entdeckung des Vorgebirgs der guten Hoffnung und des neuen Weltteils Amerika büßte Italien und mit ihm die Nachbarlande den Handel mit Spezereien und anderen Produkten des Orients größtenteils ein. Nicht minder trugen später politische Ereignisse und Umgestaltung zum Verfall der einst so belebten Stadt bei.

Zu Anfang des 16. Jahrhunderts verlor Konstanz durch den unglücklich und ruhmlosen geführten Krieg mit den Eidgenossen unter Kaiser Maximilian, die bisher besessenen landesherrlichen Rechte über das thurgauische Gebiet. – Noch Schlimmeres brachten die blutigen Wirren der Reformationszeit. – Die Bürgerschaft, anfänglich der neuen Lehre zugetan, war dem Schmalkaldischen Bunde beigetreten. Der Bischof und das Domkapitel verließen die Stadt, ebenso alle geistlichen Ordensleute, mit Ausnahme einer Nonne in St. Katharina und eines Dominikaners, welche erklärten, lieber sterben als ihr Kloster verlassen zu wollen. Erbittert über diese Vorfälle schickte Karl der Fünfte ein spanisches Heer unter Alfonso de Vives, gegen die Stadt, um den Ungehorsam ihrer Bürger zu strafen. Aber die Bedrohten setzten sich mutig zur Wehr und vertrieben den Feind; der Kaiser verhängte hierauf die Reichsacht über die Widersetzlichen. Sich selbst überlassen und erschreckt durch den kaiserlichen Machtspruch unterwarf sich zuletzt die Bürgerschaft, verlor jedoch ihre Reichsfreiheit im Jahre 1549.

81 Jahre später, als der verderbliche 30-jährige Krieg bereits in schönster Blüte stand, kamen abermals schwere Tage. – Gustav Horn, der schwedische Feldmarschall, rückte im Spätjahre 1633, mit großer Macht den Rhein herauf gegen die Veste Konstanz. Überrascht sahen die Bürger von ihren Türmen den Feind im nahen Tegermoos ein Lager schlagen. Die österreichische Besatzung der Stadt war gering, aber vereinigt mit den wehrhaften Bürgern beschloss man mit Gut und Blut sich zu verteidigen. Horn, dem dieser Entschluss auf die Aufforderung, sich zu ergeben, kundgetan ward, ließ dem Stadtkommandanten Grafen Wolfegg erwidern: Je stärker man sich wehre, um so lieber wird es ihm sein! Doch fand er herzhafteren Widerstand, als ihm lieb sein mochte.

Alle Stürme wurden blutig abgeschlagen, und nach sechswöchentlicher Belagerung mußte der Schwede unverrichteter Sache das Feld räumen. Die Konstanzer aber feierten ihren Sieg am 4. Oktober mit einem feierlichen Tedeum in der Domkirche. Bis auf die neueste Zeit waren dort noch schwedische, hereingeworfene Bomben als Vodiva aufgehängt. (Im Jahr 1849 ließ der hessische General Schäfer bei der allgemeinen Entwaffnung diese ehrwürdigen Denkzeichen bestandener Gefahr wegnehmen.)

Die nachkommenden Sukccessions-Kriege gingen ohne besondere Folgen für unsere Stadt vorüber. Mehr und mehr verschwand die Regsamkeit und Behäbigkeit ihrer Bewohner. Die Kraft und Selbstständigkeit des Gemeinwesens waren längst dahin, Handel und Bautätigkeit lagen darnieder. Viele Häuser stunden leer, und wo früher stark besuchte Messen sich bewegten, blickte jetzt Merkurius mit seinem goldenen Stab von dem steinernen Brunnen der Marktstätte traurig auf den Platz, auf dem die Dammkärner ihre Mittagsruhe hielten, während ihre Tiere behaglich in dem hohen Grase schmausten, welches dem alten Straßenpflaster üppig entsproßte.

In diesem Zustande traf Kaiser Joseph II., auf seiner Rückreise von Paris im Jahre 1777, seine vorderösterreichische Provinzstadt. Der wohlwollende Monarch sah die Entvölkerung und Gewerbslosigkeit der Stadt und faßte den Plan, ihr abzuhelfen. Zur selbigen Zeit standen in Genf mehrere vermögliche Fabrikherren, ausgebrochener Mißhelligkeiten wegen, im Begriffe, ihre Vaterstadt zu verlassen. Diese Leute wandten sich an den Kaiser, und dieser lud sie ein, nach Konstanz zu kommen und sich da niederzulassen. Es wurden ihnen bedeutende Vorrechte und völlige Religionsfreiheit zugesichert. Überdies erhielt einer der möglichen Fabrikherren, J. Macaire, die schön gelegene Dominikanerinsel mit ihren Gebäuden unentgeltlich zur Errichtung einer Indienne- und Soton-fabrik. Ähnliche Vergünstigungen wurden den hereingekommenen Taschenuhrmachern und Goldarbeitern gewährt.

Noch erzählt man sich in Konstanz verschiedene Äußerungen des Kaisers aus den Tagen des Besuches. – So befanden sich unter anderem an verschiedenen Plätzen der Stadt kleine hölzerne Wachthäuslein für die städtischen Nachtwächter. Der Kaiser, den dieselben auffielen, fragte nach ihrem Zwecke und erhielt die naive Antwort: „Das sind die Häuslein, in welchem die Nachtwächter schlafen.“ – „So schlafen bei Euch die Nachtwächter“, soll der Kaiser lachend erwidert haben, „bei uns wachen sie!“ Ferner wird dem Monarchen ein hartes Wort in den Mund gelegt über den Konstanzer Klerus, dem er einen Theil der Schuld am Herabkommen der Stadt beimaß.

Der gute Kaiser, meint unser Gewährsmann, der verstorbene Zeichnungslehrer Nikolaus Hug von Konstanz, konnte schon aus dem Tun und Lassen der Jugend den vorwiegenden Einfluss der damaligen Klostergeistlichkeit abnehmen.

Viele Eltern, erzählte er, thaten, aufgemuntert durch geistliche Hausfreunde, das Gelübde, dies oder jenes Kind irgend einem Ordensheiligen zu weihen und bei seiner Volljährigkeit in ein Kloster zu bringen. Die Mütter trieben den frommen Eifer häufig so weit, dass die Kleinen bereits im zarten Alter Ordenshabitchen tragen mußten. Es war keine Seltenheit, sechs bis 8-jährige Kapuziner oder Dominikaner auf der Gasse herum balgen zu sehen. – Die Schilderung damaliger Zustände der Stadt und ihrer Umgebung überhaupt, wie sie uns Nikolaus Hug hinterlassen, ist interessant genug, um mehreres daraus hier mitzuteilen.

Im Ganzen, erfahren wir, gab es ums Jahr 1780 43 Kapuziner Klöster im Sprengel Konstanz, wovon eines in der bischöflichen Resistenz selbst sich befand. Wie in allen ihren Klöstern gab es auch hier einen sogenannten Malefitzpater, dessen Geschäft es war, Hexen und böse Leute zu bannen und den Teufel auszutreiben. Gewöhnlich wurden die unsauberen Geister in kleine Kisten beschworen und wohl verpackt, gegen Nachnahme, an entlegene Orte verschickt.

Geschah in einem Hause irgendetwas Ungewöhnliches, so nahm man seine Zuflucht zu den Vätern Kapuziner. Ja sogar die Evangelischen, aus den benachbarten Schweizer-Kantonen, kamen häufig in die Stadt, um bei den guten Patres in allerlei Angelegenheiten Hilfe zu suchen. – In Häusern, wo einige Behäbigkeit herrschte, erschien an Namensfesten oder sonstigen Familientagen gewöhnlich ein oder zwei Kapuziner, dem Hausherrn gar freundlich zu gratulieren und ihn zu versichern, dass man im Gebete seiner gedenken werde. Für diese Aufmerksamkeit wurde ihnen gebührend mit einem guten Glas Wein und einem „Leibpfeifle“ aufgewartet, später aber erst noch ein Eimer Wein, die Hälfte eines Kalbes oder 30 bis 40 Pfund guten Brotes in das Kloster gesendet wird. Wer dies unterließ, sah das nächste Jahr keinen Kapuziner mehr in seinem Haus.

Die Bettelmönche hatten darin einiges Gute, dass sie manche unserer heutigen Armen und Suppenanstalten entbehrlich machten. Allwöchentlich wurde ein gewisses Quantum Brot für die Armen gebacken, sowie reisende Handwerksgesellen jederzeit unentgeltliche Bewirtung fanden. Doch wo viele solche Almosenanstalten waren, hatten sie allerdings nicht den besten Einfluss auf Tätigkeit und Fleiß der abhängigen Bevölkerung.

Nebst den Kapuzinern waren noch verschiedene andere Ordensklöster in der Stadt, die es an religiösen, im Geiste der damaligen Zeit liegenden Exhibitionen keineswegs fehlen ließen. Am Karfreitag zum Beispiel erhielten die Jesuiten einen feierlichen Umgang durch die Straßen und mit ihnen die Studenten und sämtliche Professoren. Hinter diesen Corporationen gieng ein Zug, welcher sinnbildlich die Grablegung Christi vorstellte, umgeben von Büßenden, die sich geißelten, und Männern, welche schwere Kreuze und eiserne Ketten schleppten. So bewegte sich die Prozession von einer Kirche der Stadt zur anderen, um an den dort errichteten heiligen Gräbern das übliche Gebet zu verrichten.

In einer anderen Stunde, am Karfreitag, hielt die lateinische Kongregation ihren Umzug. In dieser Bruderschaft befanden sich Priester, Beamte und angesehene Bürger. An ihrem Festtage wurden in einer eigenen Kapelle im Münsterkreuzgang lateinische Predigten gehalten. – Ebenso feierte diesen Tag auch die bürgerliche Congregation. Diese hielt ihren Gottesdienst und ihre Feste in der Pfarrkirche St. Paul.

Wenn wir weiter auf die weltlichen Zustände, Sitten und Gebräuche blicken, wie sie vor kaum 60 Jahren noch gang und gäbe waren, so können wir uns nicht der Verwunderung enthalten, wie in kurzer Zeit so vieles im bürgerlichen Haushalte sich geändert hat.

Bekannt ist die Art und Weise, wie damals rekrutiert wurde. Die Regimenter bestanden sozusagen meist aus Strafkompagnien, weil Landläufer, Tagdiebe und Übeltäter verschiedener Art in die Soldatenjacke gesteckt wurden. Da aber die erforderliche Mannschaft durch solche Subjekte nicht immer zusammengebracht werden konnte, so nahm man seine Zuflucht zu Werbungen. Zu Konstanz hielten sich stets zwei kaiserliche Werber auf.

Als Kaiser Joseph im Jahr 1780 mit den Türken Krieg führte, wurden die Werbungen in Konstanz auf folgende Art bewerkstelligt: Ein Ratsdiener trug Geld in einer Platte von Gasse zu Gasse. Hinter ihm ging ein Stadttaglöhner mit einer 4 bis 6 mäßigen Kanne guten Weines, ein anderer trug die Gläser dazu. So zog man durch die Gassen, müßige Handwerksgesellen und gaffende Landleute zu verlocken. Jeder Rekrut erhielt 25 fl. Handgeld und einen Trunk: Vivat Maria Theresia! Vivat Kaiser Joseph! u.s.w. und fort ging’s unter Jubel und Geschrei auf eine städtische Zunft, wo die Leut wohl gespeist und von Neuem mit der süßen Bacchusgabe traktiert wurden. Nach diesem wurden sie unter Aufsicht eines Ratsdieners auf Wägen und dem vorderösterreichischen Platze Günzburg abgeführt.

Nicht minder Eigentümliches hatte der Handwerkerstand. Noch zu Anfang unseres Jahrhunderts war es Sitte, dem wandernden Gesellen statt eines polizeilichen Passes oder Wanderbuches, ein sogenannte Kundschaft oder Ausweis, von seinem Handwerke ausgestellt, mitzugeben. Diese Kundschaften bestanden in einem großen Bogen Papier mit schöner Einfassung und einer Ansicht derjenigen Stadt, wo der Geselle sein Handwerk erlernt hatte. Darunter stund mit schön verzierter Frakturschrift: Wir Bürgermeister und Rat der löblichen Stadt N.N. und die Vorgesetzten Meister des ehrsamen Handwerks der Schmiede x beurkunden hiermit u.s.w..“ Die Vollmacht, solche Kundschaften auszustellen, hatte jeder Altmeister des Handwerks. Die beigesetzten Personalschriebe fielen aber oft sonderbar aus, denn die Hälfte der Handwerksmeister konnte nur kümmerlich lesen und schreiben. Daher die Signalements sozusagen stereotyp waren. Gewöhnlich hatten die Schlosser und Schmiedegesellen schwarze Haare, schwarze Augen und waren fünf Schuh, acht Zoll groß; während die Bäckergesellen sämtliche blond und kurze fette Bürschlein waren. Oft kam es vor, dass Diebe oder faule Gesellen solche Kundschaften stahlen und unter dem Namen des ursprünglichen Besitzers Diebstähle oder gar Mordtaten begingen, enthauptet oder gehängt wurden. Kam nun die Kunde von einer solchen Exekution in die Heimat des ersten, rechtmäßigen Kundschaftbesitzers, so geriet Alles in Schrecken und Bestürzung, bis nach durchgemachter Wanderzeit der vermeintlich Hingerichtete gesund und wohlbehalten bei den Seinen eintraf, und tatsächlich jene Gerüchte widerlegte.

Fortsetzung hier:

Insel Mainau – Konstanz 2.

Über Johannes Huß von Prag und seines Schülers Hieronymus gibt es die Geschichte des Hussensteins in Constanz aus der Gartenlaube 1863:
https://de.wikisource.org/wiki/Die_Geschichte_des_Hussensteins_in_Constanz



Der Name der Sortengruppe leitet sich vom Namen der griechischen Stadt Monemvasia auf der Halbinsel Peloponnes ab, die im Mittelalter ein bedeutender Handelsplatz und eine Festung des Byzantinischen Reiches war.
Ursprünglich kommt der Malvasia-Wein (lateinisch vinum malvaticum) wohl aus Kleinasien und wurde in der Antike von der Insel Kreta aus in die Welt gebracht, wo auch der weiße Malvasia di Candia heute noch süß ausgebaut wird. Auch trocken wird er vor allem vom Weingut Douloufakis ausgebaut. Die Insel Kreta und andere Teile Griechenlands stellen somit die ursprünglichsten und ältesten Sorten (siehe Malagousia). Griechenland ist weitestgehend als Ursprungsland einiger Malvasia-Sorten anerkannt. Schon die Römer bauten diese Sorte an und süßten den daraus gekelterten Wein mit Honig. (Wikipedia)

1429/30 wurde eine Ritualmordanklage gegen die Ravensburger Juden erhoben. Man hatte einen 13-jährigen Jungen im Haslachwald zwischen Ravensburg und Weingarten erhängt aufgefunden. Zunächst war ein Fuhrmann, der den Jungen in den Wald gefahren hatte, beschuldigt worden, doch bezichtigte dieser die Juden, einen Ritualmord begangen zu haben. Hierauf wurden die Ravensburger Juden gefangen genommen. Ein Teil von ihnen wurde im August 1430 verbrannt. Andere konnten fliehen oder wurden aus der Stadt vertrieben. Diese Ritualmordgeschichte führte zu Verfolgungen und Vertreibungen auch der Juden aus Buchhorn (Friedrichshafen), Konstanz, Lindau, Meersburg und anderen Städten. 1431 beschloss die Stadt Ravensburg, nie wieder Juden in der Stadt aufzunehmen. 1559 ließ sich die Stadt dieses Verbot von Kaiser Ferdinand I. ausdrücklich bestätigen. (https://www.alemannia-judaica.de/ravensburg_juedgeschichte.htm)

Levante – altitalienisch levante, mittelfranzösisch levant, „Osten“, „Morgenland“, abgeleitet vom Sonnenaufgang, von lateinisch levare „emporheben, aufgehen“. (Wikipedia)

Vorgebirge der guten Hoffnung – vermutlich das Kap an der Südspitze Afrika’s.

Spezereien – Spezerei ist eine seit dem 14. Jahrhundert verbreitete Bezeichnung für Gewürzwaren. Auch allgemein für Delikatessen, gelegentlich für Gewürzläden und Apotheken verwendet. Spezereiwaren ist auch ein veralteter Ausdruck für Lebensmittel allgemein, in der Schweiz auch für Gemischtwaren. (Wikipedia)

Der Plaphartkrieg ist als Plappartkrieg von 1458 in die Geshichte eingegagen:
https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008880/2009-11-26/

Der Schmalkaldische Bund (auch Schmalkaldische Liga oder Liga von Schmalkalden genannt) war ein am 27. Februar 1531 in Schmalkalden geschlossenes Verteidigungsbündnis protestantischer Fürsten und Städte unter Führung von Kursachsen und Hessen gegen die Religionspolitik des katholischen Kaisers Karl V. (Wikipedia)

Dammkärner – Ein Kärrner ist vermutlich ein Wort für Fuhrmann. Also sind vermutlich die Pferde der Dammfuhrleute mit „Thiere“ gemeint.

Stadtplan Konstanz von 1807, mit Dominikanerinsel unten rechts (Norden ist rechts). https://de.wikipedia.org/wiki/Dominikanerinsel

Bereits am 30. Juni 1785, noch vor Schließung des Klosters, überließ Kaiser Joseph II. die Insel dem Genfer Fabrikanten und Bankier Jacques Louis (Jakob Ludwig) Macaire de L’Or (1740–1824), mit den Gebäuden, gegen Zahlung einer geringen jährlichen Pacht von 25 Gulden, zur Einrichtung einer Indienne-Fabrik mit Indigo-Färberei.

Nikolaus Hug* (geboren 14. Juni 1771 in Konstanz; gestorben 2. Dezember 1852 ebenda) war ein badischer Maler, Kupferstecher und Radierer. https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Hug.

*Ein Bruder des rühmlich bekannten Dr. Joh. Bernh. Hug, weiland geh. Rath und Domdekan zu Freiburg.

Malefitzpater – leider finde ich hierzu gar nichts und wäre erfreut, jemand könnte mir mehr dazu schreiben.

Insel Mainau und der Badische Bodensee

Insel Mainau – Radolfzell, die Höre, Stein

Für die dunkle Jahreszeit empfehle ich die Insel Mainau und der Badische Bodensee von Lucian Reich aus 1856. Das Buch hatte ich im Winter 2022/2023 hier vorgestellt und möchte es jetzt aktualisieren.

Hier das Kapitel Radolfzell, die Höre, Stein.

Während das Gefrieren des Ober- und Überlingersee’s zu den größten Seltenheiten gehört, legt der Winter beinahe jedes Jahr seine Eisdecke über den minder tiefen Untersee. Auf der Reichenau herrscht ein Sprichwort:

Wenn der Rhein treit,
Kost es Leben und Leut.

Der See gegen die Schweiz hin, heißt nämlich im Volksmund der Rhein, und es soll, wenn er gefroren ist, immer am kältesten auf der Insel sein. – Nach der Tradition führte früher ein steter Weg von Reichenau nach der Mettnau bei Radolfzell.

An der langen Uferstrecke zwischen Allensbach und Zell liegt Markelfingen, durchströmt von einem Wässerlein, welches aus dem oberhalb liegenden Mindelsee rinnt. Das Dorf ist eine der ältesten Ansiedlungen der Umgegend. Im Schwedenkrieg mussten die Einwohner manche Unbill erdulden. Noch zeigt man auf dem Kirchturm in der schweren eichernen Tür, die den oberen Boden abschließt, eine Öffnung. – Als die Schwedischverbündeten den Ort überfielen, flüchtete der Pfarrer auf den Turm und verriegelte die Tür; der Feind verfolgte ihn, und hieb, als er die Tür verschlossen fand, ein Loch in dieselbe, öffnete und reichte dem armen Manne den „Schwedentrunk“ (Mistjauche) bis er unter ihren Händen starb.

Das Städtlein Radolfzell, am Schlusse des Untersee’s, hat mit Toren und Mauern noch ganz die mittelalterliche Tracht. Was jedoch vielen interessanter vorkommen mag, als dieses, ist sein großer Verkehr vom Hegau her, die Frucht- und Viehmärkte und die soliden Gemeindeverhältnisse, welche zu den besten des Seekreis gehören. Der Fruchtmarkt hat seit Einführung des schweizerischen Zolls und des neuen Schweizergeldes sehr gewonnen. Früher führte der Hegauer Bauer sein Getreide nach Stein, jetzt bringt er es in die Amtstadt Radolfzell und überlässt es, wie billig, dem Schweizer Nachbar, seinen Bedarf da abzuholen.

Die Ortsgeschichte hebt vom heiligen Ratoldus (Radolf) an. Dieser vornehme Alemanne war der Nachfolger Bischofs Egino von Verona, und kehrte gleich diesem, von Sehnsucht getrieben, ins Vaterland zurück. Mit Bewilligung des Abts Hatto in der Reichenau baute er am Untersee eine klösterliche Zelle; als Reliquie brachte er die Gebeine der Heiligen, Synesius und Theopontus, wozu noch das Haupt des heiligen Zeno kam, dahin. Sein Ableben fällt in’s Jahr 874; die von ihm gegründete Pfarrkirche in Radolfzell bewahrt sein Grab.

Aus der Ratolduszelle erwuchs später ein Chorherrenstift, dem der Reichenauer Abt Albrecht von Ramstein im Jahr 1290 Regeln gab. Zugleich hatte sich der Ort zur ummauerten Veste als Schutz für die ansässigen Gotteshausleute herangebildet. Schon zurzeit Rudolf’s von Habsburg scheint Zell eine Stadt gewesen zu sein, welche dieser Kaiser samt der Reichsvogtei an sich brachte.

Das Vorspiel des 30-jährigen Krieges, der Bauernkrieg, brachte ihr großes Bedrängnis. Im Frühling des Jahres 1525 durchzogen zwei starke, bewaffnete Haufen das Hegau. Die feige hegausche Ritterschaft hatte sich geflüchtet, und es blieb den Städtern allein überlassen, mit den Aufrührern sich abzufinden. Nachdem diese Engen und Ach durch Überrumpelung genommen, belagerten sie Radolfzell zehn Wochen lang. Die Stadt hielt sich, bis die kriegsgeübten Feldobristen, des Tuchseß von Waldburg und Graf Wilhelm von Fürstenberg mit den Bündischen herbeikamen und den Bauern in verschiedenen Treffen totale Niederlagen beibrachten.

Im 30-jährigen Krieg kam die Stadt ohne Kampf in die Hände der Württemberger; ein Anschlag, den Platz der Kaiserlichen wieder zu gewinnen, schlug fehl. Ein zweiter, offener Versuch missglückte ebenfalls; bis nach der Nördlinger Schlacht die Schweden das Schwäbische räumte und Zell wiederum österreichische Besatzung bekam. Die spätere Zeit brachte wenig hervorragende Ereignisse.

Im bayerischen Erbfolgekriege litt die Stadt viel durch eine französische Besatzung von 7000 Mann. Nicht minder fühlte sie auch die langen Weltwirren des französischen Revolutionskrieges.

Ein schönes Baudenkmal ist die gotische Pfarrkirche mit einer unterirdischen Kapelle. Eine Inschrift außerhalb am Chor sagt, dass der „hochwidrig her Fridrich von Wartenberg, abt der richen owe 1436“ den ersten Stein zu dem Gotteshaus gelegt habe. Rechts im Langhaus findet sich das steinerne Grabmal des heiligen Ratold. Bei einer Ausbesserung im Jahr 1538 wurde der Deckel abgehoben und zwei Leichname in einem Sarg von Eichenholz gefunden, wovon der eine, laut beigegebener in Wachs aufbewahrte Urkunde, als der des heiligen Ratold erkannt ward. Der zweite Tote unbekannter Abkunft, hatte keinen Ausweis bei sich. – Einige altdeutsche Gemälde und die Grabmäler des Ritters Wolf von Homburg und des Abts von Stein, Davids von Winkelheim, sind beachtenswert.

Auf dem Brunnen, der mit seinem frisch schwellenden Strahl eine wesentliche Zierde des Marktplatzes ausmacht, steht die Figur des Kirchengründers; einige Ritterschaft und Amtsgebäude in der Nähe geben eine vorteilhaften Begriff vom städtischen Wesen der mittelalterlichen Zeit. – Zugleich aber bilden sie einen auffallenden Gegensatz zu dem neuen Kauf- und Rathause, das in seinem steifen, schmucklosen Äußeren zu den unerbaulichsten Betrachtungen Veranlassung gibt. – Das Stadtarchiv soll, wie man mich versicherte, wenig Geschichtliches enthalten; die auf die Stadt bezüglichen Urkunden befänden sich in schweizerischen Archiven und aus späterer Zeit sei wenig mehr vorhanden.
*Eine Geschichte von Radolfzell verfaßte der verstorbene Amtmann Wallcher.

Wäre es aber nicht sehr wünschenswert, in jedem Städtlein oder größerem Dorfe historische Aufzeichnungen seine Chronik, zu führen? Die Mühe, auf jedem Rathause ein derartiges Buch zu unterhalten, wäre in der That gering. Der Chronist, etwa ein Schulmann von altem Schrot und Korn, ein patriotischer Ratsschreiber oder Gemeinderat, würde sich wohl überall finden, der mit uneigennützigen konservativen Sinne und historischer Treue, fern von persönlicher Eitelkeit, das Geschäft besorgte. – Solche Arbeiten gäben den Nachkommen manch‘ willkommenen Aufschluss im Gemeindehaushalt, und Belehrung in vorkommenden ähnlichen Fällen; zugleich würde das Andenken des Guten und Würdigen der Vorzeit erhalten, und Anhänglichkeit an den eigenen Grund und Boden, mit der Liebe zum Vaterlande geweckt werden.

Von der Umgebung Zell’s kann mit Recht gesagt werden, dass sie einem fruchtreichen Garten gleiche. Wer einen Mittwochsmarkt in der Stadt besucht, wird alle Erzeugnisse einer bis zur Überfülle begünstigten Gegend beisammen finden. Umso mehr mag es auffallen, diese Bucht des See’s weniger als die übrigen Gewässer befahren und von keinem Dampfschiffe besucht zu sehen. Die kürzere direkte Landverbindung mit der Schweiz, welcher Zell und sein Amtsbezirk kommerziell verbunden sind, scheint den Verkehr zu Wasser einigermaßen entbehrlich zu machen.

In östlicher Richtung von der Stadt erstreckt sich schwertförmig eine Landzunge in den See. Sie heißt die Mettnau (Augiae Meta); in ihrem Umfange trägt sie Wein, und endet in ein niedriges, oft überschwemmtes Ried, wo die städtische Meierei steht.

Ich machte einen Spaziergang durch ihre höher gelegene Weinberge, wo man eine freie Rundschau genießt. – Über dem dunkelblauen Abendsee funkelte bereits der freundliche Hesperus. Die Gegend ringsumher war in Schweigen gesunken; nur eine Lerche, der lieblichen Mettnau entstiegen, schmetterte noch die letzten Strophen ihrer Jubelhymne. – Rückwärts streifte der Blick in’s grüne Hegau, wo in zarten Silhouetten die Schlossberge Hohentwiel, Krähen und Stoffeln standen. – Rechts der mächtige Schienerberg und die blinkenden Villen Thurgau’s – links an der niederen, waldbedeckten Hügelkette Makelfingen und Allensbach; und vor mir in blauer Flut – die Reichenau, und über dem dunklen violetten Wasserstreifen – Konstanz, wie dicht am Fuße der Alpen

Das breite Vorland, überragt von dem Schienerberg, zwischen dem Zellersee und dem Rhein, heißt die Höre (Bischofshöre). Der Name soll „dem Bischof gehörig“ bedeuten, weil der Landteil seit uralten Zeiten den Bischöfen von Konstanz zinsbar und eigen war. Die Höre ist außerordentlich fruchtbar – „wenn der Bauer e Hörnle us em Sack verliert, so wachst es“. Sie gewährt dem Wanderer die angenehmsten Touren, obwohl sie wenig besucht wird von jenen Söhnen Albions, die mit ihrem Wegweiser in der Hand fragen: was muss man hier sehen? – oder von unseren modernen Germanen, denen allein nur Gambrinus den höchsten Genuss verschaffen kann. Desto besser aber wird es einem Solchen gefallen, der überall am rechten Platze ist, wo eine schöne Natur und ein unverdorbener, kräftiger Menschenschlag sich findet.

Von Zell führt der Weg um die flache Seebucht nach dem Dorfe Moos. Ein weiteres schilfiges Ried oder Moor, umschwärmt von zahllosen Möwen und anderen Wasservögeln, bildet ein der Fischerei vorzüglich günstiges Revier. Zudem mündet hier die Ach, welchem Flusse mit lebendigem, und im Frühlinge, wenn kaltes Alpenschneewasser den See füllt, wärmerem Wasser gerne die laichenden Fische zuziehen. Beinahe alle im Bodensee vorkommenden Fische werden hier gefangen: der Aal, die Treische, der Barsch, die Lachsforelle, der Äsch, die Muräne, der Fölchen, die Barbe, der Karpfen, der Hecht, der Brachsmen und viele mehr.

Der Untersee ist überhaupt fischreicher als der Obersee. – Ein alter Fischer, der am Ufer beschäftigt war, Garne zum Trocknen aufzuhängen, erzählte mir mancherlei von seinem Handwerk. Die Laichzeit des Bachsmen dauere in der Regel nicht länger als zwei Tage, und sonderbarerweise falle sie fast immer auf einen Feiertag oder Sonntag. Um diese Zeit werde dann der Fisch zu Tausenden gefangen. Zu Bischofszeiten habe sich einmal die Landgeistlichkeit wegen Entheiligung des Sabbaths durch die Fischer beschwerend an den bischöflichen Obervogt von Hundtbiß auf der Reichenau gewendet. Der alte Herr habe den Spruch gethan: weil die Fische bei ihrem Laichen keinen Feiertag beobachteten, so könne man den armen Fischern, welche sie fangen sollten, ebenfalls nichts gegen ihr Sonntagsgeschäft haben. Es gebe aber, sagt der Mann, von alters her, absolute Seefeiertage, wie zum Beispiel die doppelten Aposteltage. – Über die Schweizer Fischer beklagte er sich; sie machten, behauptete er, auf sehr zudringliche Weise von ihrem diesseitigen Fischrechte Gebrauch und schon dabei die Setzgarne ihrer Genossen nur wenig, während der Badenser Grund genug habe, auf der Schweizerseite sein Recht nicht geltend zu machen.

Bekanntlich treibt im Hegau der Popele von Hohenkrähen noch immer seinen neckischen Spuk. Auch der Fischer von Moos weiß von ihm zu erzählen. In dunklen Nächten hört er oft rufen: „Hol, hol!“ und eilt an die Fahr, im Wahne, es wolle Jemand vom jenseitigen Ufer übersetzen, siehe da – das Schifflein ist los und die Ruder sind in’s Wasser geworfen. Wenn der Fischer bei Nachtzeit „setzt“, so patscht und badet es, als wären sie hundertweis im Garn; wenn er zur Stelle eilt – findet er die Garne zerrissen – und im Nachtwind verhallt ein schelmisches Gelächter. – Gleiches passiert den Jägern, die „beim Hellmond, wenn’s zunachtet“ und in den Fallschirmen der Wasserjagd pflegen. – Jedesmal aber kommt auf solche Spukerei ein Unwetter.

Von diesem wunderlichen Burggeist hörte ich überhaupt allerlei erzählen. Der Wirt von Gayenhofen ritt früher einmal mit einem Kameraden nach Engen auf dem Bohnenmarkt. Sie machten schlechte Geschäfte und suchten ihren Verdruss in einigen Botellen Neuen zu ertränken. Als sie im Heim ritt, am „Krayen“ vorbei kommen, ruft der Eine Spottweise hinauf: „Popele komm, komm!“ Und gibt seiner Mähre lachend die Sporen; – aber siehe – es dauert nicht lang, so liegt er da im Graben – und der Kamerad, der absteigt, ihm aufzuhelfen, verliert ebenfalls das Gleichgewicht und stolpert über ihn hin. Um ihre Ohren schallt es wie Gelächter, und wenn die Gäule nicht so vernünftig gewesen und stehen geblieben wären, hätten sie den Weg bis heim zu Fuße machen müssen. – Ähnliches soll sich noch oft in dieser Gegend zugetragen – „absonderlich in guten Weinjahren“, würde der alte Custode im Konstanzer Conciliumsaale sagen.

Das Geröhricht um Moos ist, wie bereits erwähnt, auch für die Wasserjagd sehr günstig. Es kommen alle Gattungen Wildenten, Strandläufer, auch Wasserhühner vor und zuweilen verirrt sich ein Fischadler oder ein wilder Schwan hierher. Der beständigste Gast jedoch ist die aschgraue Möwe, die mit ihrem heiseren Geschrei die Altwasser und Moore so gierig und dreist umschwärmt, als wolle sie den Fischern alle Augenblicke ihren Fang streitig machen. – Das hier wachsende Ried- oder Schilfgras wird zu ökonomischen Zwecken benützt, der halbe Morgen einer solchen „Streuwiese“ kostet nicht selten 300 fl. Ankauf.

Die Gegend von Moos, Weiler und Iznang heißt die Zwiebelhöre, weil in den Gemarkungen dieser Dörfer vorzugsweise Zwiebeln gepflanzt werden. In dem lockeren, sorgfältig erhöhten Boden, sieht man dieses Gewächs zelgenweise gebaut; es wird nach Schaffhausen verführt, wo alljährlich ein besonderer Zwiebelmarkt an St. Bartholomä abgehalten wird.

Nahe bei Weiler lag früher ein Edelsitz der Herren von Grüneberg, aus dem später ein armes Nonnenklösterlein erwuchs, von welchem aber keine Spur mehr sichtbar ist.

Der Abwechslung wegen zog ich, mit Umgehung der Uferdörflein Itznang und Gundolzen, von Moos über Weiler gen Gayenhofen. Der Weg führt durch ein wohlangebautes Tal und zuletzt über einen waldigen Gebirgskamm. Einem Blicke rückwärts zeigen sich im malerischer Verschiebung zum letzten Mal die Berge des Hegau’s. Die weite Wasserfläche verschwindet, statt ihrer brausenden Gewelle trifft Tannenrauschen unser Ohr, der Schlag der Finken und tief im grünen Forst das Geruuke der wilden Taube. – Doch, die wohltuende Abwechslung dauert nicht lange, bald endet der Wald, die Höhe ist erstiegen, und die Straße führt sachte abwärts. – Die Reichenau taucht wieder aus den Wellen empor und vor uns, zwischen paradiesischen Ufern, zieht der mächtige Vater Rhein.

Über dem Thurgau standen dunstige Wolken und Wetter, und tief im Horizont murmelte der Donner. – In Gayenhofen, wo ich einkehrte, sagte man mir, dass Hagelwetter in dieser Gemarkung keine Seltenheit sein; aber jedesmal bleibe Iznang verschont. Der Wirt erzählte von einem furchtbaren Schloßenwetter, wobei die Rehe gestreckten Laufes aus den oberen Wäldern dem See zu geeilt seien, um sich in dem Wasser zu bergen.

Gayenhofen hat ein altes noch bewohntes Schloss; dieses gehörte seit dem zwölften Jahrhundert zu dem Hochstift Konstanz, von dem es die Herren von Klingenberg, von Reischach, von Heudorf und andere zu Lehen trugen. In späteren Zeiten besaß es der Bischof unmittelbar. Alle Monate wurde hier von dem bischöflichen Amtmann von Bohlingen und Amtstag gehalten, und weil die Keller voll des besten Weines lagen, so soll der fleißige Mann jedes Mal illuminiert und von dannen gezogen sein. Auch mein launiger alter Wirt wusste von den Kellern zu erzählen, wenn der bischöfliche Kellermeister in Geschäften dahin kam, so war jedem, der bei ihm ein sprach, ein gemessener Trunk verabreicht. War aber der Kieferknecht allein in den Gewölben, so ging es mit einem Trunk selten ab. Der Wirt wurde als Bub auch einmal von dem gastfreundlichen Knecht traktiert. – Bei seiner Heimkunft warf es ihn den langen Weg zu Boden und die schwere Zunge lallte unverständliche Worte. Die Mutter, zum Tode erschrocken, rief dem Vater; dieser aber, der sogleich merkte, wo der Haas im Pfeffer liege, sagte: „Bist im Schloss gsi? – Jo – Ist de‘ Kieferknecht d’obe? – , He jo“ – „Für‘ ihn uffi und leg‘ ihn in’s Bett“, habe der Vater die jammernde Mutter lächelnd getröstet, „si Krankhet ist nit so geföhrli!“

Aufwärts im See, bei Hornstad, steht halb zerfallen ein kleineres Schloss. In seinem verwahrlosten holzgetäfelten Stuben wohnt ein armer Bauer. Die Besitzung gehörte früher den Herren von Kopenhagen, die durch üble Wirtschaft so herunterkamen, dass sie in der teuren Zeit der vorigen 70er Jahre, einen Vierling des besten Feldes um einen Laib Brot hergaben.

Horn, eine kleine Viertelstunde von da, bietet eine der freudigsten Aussichten am ganzen See. Die hochgelegene Kirche überschaut ein weites, herrliches Panorama. Wie ein schimmernder Garten liegt die Reichenau vor uns; über der Landzunge schimmert der Überlinger See und seine Felsenufer, herwärts die grauen Mauern von Zell, östlich die Kathedrale von Konstanz und der blaue Gürtel der Alpen, das grüne Schweizerland und seine im See sich spiegelnden Städtlein und Dörfer, Ermatingen, Berlingen und Steckborn. Es ist Sonntag früh, die Glocken erklingen ringsum aus den fliehenden Morgennebeln und stimmen deine Seele zum Gebet und zum Entzücken.

Obwohl abwärts Gayenhofen die Ufer sich verengen und das Wasser bereits merklich rinnt, so ist der Name See bis an die Brücke zu Stein noch immer der bezeichnende. – Oberhalb bei Ermatingen wird bedeutende Wasserjagd und Fischerei getrieben; unter Anderem kommt dort der den Biertrinkern bekannte Gangfisch vor, der zur Laichzeit in ungeheurer Anzahl gefangen wird.

Abwärts Gayenhofen liegt zuerst Hemmenhofen; es gehörte früher dem jenseitigen schweizerischen Kloster Feldbach und mit diesem zur Grafschaft Nellenburg. – Eine heiße Mittagssonne begleitet mich auf diesem Wege. Um so lieber folgte ich der Einladung des Müllers von Hemmenhofen, welcher von seinem Hause stehend, dem Fremden, der ihm um den Weg fragte, zurredete, einzutreten in sein Haus und eine kurze Mittagsruhe darin zu halten. Dem Zuspruch folgend, sass ich denn längerer Zeit gar behaglich in dem altväterlichen Stüblein, neben dem klappernden Mühlwerk, und ließ mir den säuerlichen Seewein und das kräftige Hausbrod, mit welchem mich der Hausherr regalierte, vortrefflich schmecken. – Eine solche alttestamentarische Gastfreundschaft findet sich eben nur noch auf dem Lande.

Eine kleine Strecke vom Dorfe erschauen wir das Schloss Marbach. Es gehörte seit Jahrhunderten den Herren von Ulm, von welchen es käuflich an einen französischen Malteser-Ritter von Grimaldi kam. – Frei auf einem felsigen Hügel an der Straße hatte es vor Kurzem noch Mauern und Umwallungen; der neue Besitzer ließ alles Abtragen, ebnen und dem alten Ritterhause einen nagelneuen weißen Anstrich geben. Dieser vor kurzem verstorbene Mann hatte überhaupt große Baulust, aber zwecklos wie ein Kind, das heute einreißt, was es gestern aufgebaut. „Es ist gut genug auf ein Jahr“ lautete der Wahlspruch des reichen Herrn, dessen Liebhabereien übrigens den umwohnenden Handwerksleuten und Tagelöhnern trefflich zu statten kamen.

In der Pfarrkirche des hübschen, vom alten Obstbäumen beschatteten Dorfes Wangen hatten die Herren von Ulm in einer eigenen Kapelle ihr Begräbnis. In der Kirche, mit der Jahreszahl 1411, sieht man ein Grabmal aus Sandstein gehauen: eine lebensgroße liegende Figur in voller Rüstung, den Kopf auf die Hand gestützt und den Rosenkranz in der Hand. Es gibt dem „edlen und gestrengen Hans Caspar von Ulm zu Marbach und Wangen, der in Gott alt, katholisch gelebt und aus diesem Jammertal abgeschieden im Jahr 1610“.

Als ich am schwülen Nachmittag von Wangen weiter pilgerte, kam mir ein mühselig daherschreitender Alter entgegen, mit dem ich ein flüchtiges Gespräch anknüpfte. Er sei früher einer der wohlhabendsten Bauern der Gegend gewesen, erzählte er, habe aber den Unschick gemacht, Alles seinen Kindern zu geben, denen er jetzt (ein Akt aus König Lear) unwert und überlästig sei; hoffentlich werde es aber mit ihm bald „Feuerthalen“ (dem Fegefeuer) zugehen. Der Tod könne ihn heute oder morgen dahin mähen. – Es waren in eurer Jugend wohl schönere Tage als jetzt? – warf ich hin. – Das will ich meinen, erwiderte er, das war ein anderes Leben – ein viel freieres. Jetzt darf, hol mich Gott – ja Keiner dem anderen mehr eine – Ohrfeige geben, ohne dass er vor Amt kommt. Zu meiner Zeit hat keinem Hahn darnach gekräht – und Tanz und Musik haben wir alle Sonntag und Feiertag gehabt! Sagte er ganz ernsthaft und humpelte kopfschüttelnd weiter, dem Dorfe zu.

Bevor ich sofort mein Tagesziel, Öningen, erreichte, hatte ich Gelegenheit, noch einen romantischen Rest alter Zeiten zu betrachten. – Die alte abenteuerliche Burg Kattenhorn, die, wie ein verrosteter Harnisch aus der Rüstungskammer des Mittelalters, wenig beachtet am flachen Ufer des See’s liegt. In ihren dunklen, holzgetäfelten Gemachen wohnte ein fürstenbergischer Dienstmann, der das schöne fürstliche Rebgut zu bauen und zu beaufsichtigen hat. Das Schloss (mit einigen Häusern) wird schon im Jahr 1155 urkundlich genannt. Die Herren von Landenberg waren seine früheren Besitzer. Eine kleine nebenan stehende Kapelle hat die Jahreszahl 1583. – Oberhalb am Berg erhebt sich ein kleines neueres Schlösslein, welches ein Herr Schultheiß baute, kurze Zeit bevor es an Fürstenberg kam.

Ein mehr in die Augen fallendes altertümliches Bauwerk finden wir hart am See, zwischen Hattenhorn und Öningen – das Schloss Oberstad. Der wohl erhaltene Turm mit zackigen Zinnen und gotischen Fenstern schaut wie ein Gewappnet über den See, den er als Wächter einst beherrschte. Wie Badian erzählt, wurde von hier aus den Schiffern manche Gewalttat zugefügt, weshalb die Schweizer im Jahr 1499 ihren Groll durch Zerstörung des Schlosses ausließen. Vordem besaßen es die Herren von Klingenberg, von welchen es in schnellem Wechsel von einer Hand in die andere kam. An den Mauern dieses Baues haftet die Erinnerung eines schnöden Mordes. Der vorletzte Besitzer war ein allgemein geachteter Herr von Lenz. Früherer Hauptmann im fürstenbergischen Diensten, verwaltete er von dem Schloss aus das benachbarte fürstliche Rebgut in Hattenhorn.

Er hatte eine einzige Tochter, Walburga, die ihre Güte und Leutseligkeit wegen in der Umgebung allgemein beliebt war. – Im Hause bestand die alte Sitte, bei Tagesanbruch mit dem Turmglöcklein die Hora oder „Betzeit“ zu läuten. Als eine Magd, der dies Geschäft oblag, einst um Mitternacht, beirrt durch die Helle des Vollmondes, das Glöcklein zog, eilten die benachbarten Öninger herbei, in der Meinung, es sei dem Hause etwas Übles zugestoßen und das Geläute ein Notruf. Das Fräulein äußerte hierbei, wenn je ein solcher Fall eintreten solle, so werde sie nicht säumen, den bereitwilligen Nachbarn ein Zeichen mit dem Glöcklein zu geben. – Das arme Kind wusste nicht, wie nahe ihr ein solcher Fall bevorstand. – Es war an einem Sonntag, den 16. Dezember des Jahres 1829. Der Vater hatte sich mit den Spätgottesdienst nach Öningen begeben, die Tochter war allein in dem ringsum abgeschlossenen Hause zurückgeblieben. – Zwei Tiger in Menschengestalt mußten aber vorher sich in dem Bau eingeschlichen haben, die jetzt hervorbrachen und das Fräulein, ehe sie noch den Turm und den Glockenstrang erreichen konnte, überfielen. Es scheint, dass die Mörder sie nötigen wollten, ihnen Geld und Kostbarkeiten zu entdecken, und als sie nicht zu ihrem Zwecke gelangten, das Fräulein von ihnen tödlich verletzt zu Boden geschlagen wurde. – Nach einer Weile aus tiefer Ohnmacht erwachend, schleppte sie sich taumelnd in die Wohnstube, wo die Banditen eben im Begriff sind, eine Kommode zu leeren und nun ihr Opfer vollends mit schweren Hammerschlägen töteten. – Indem schellte es am verschlossenen Hoftor – sie eilten hinab und treffen einen Handwerksmann, der in Geschäften zu dem Schlossherrn will. Es entspinnt sich ein verzweiflungsvoller Kampf, in welchem der Einzelne unterliegt. – Von der Schweizerseite, von Mammern aus, sah man zwei Männer querfeldein der waldigen Anhöhe zurennen. – Dem Vater aber ward, als er aus der Kirche zurückkam, der schreckliche Anblick des erbrochenen Hauses und zweier Leichen. – Niemals wurden die Täter entdeckt. Zwei übel berüchtigte Menschen, auf welchen der Hauptverdacht lastete, endeten, des langen Verhörs entlassen, später unter auffallenden Umständen. Der tiefgebeugte Vater aber wollte das Haus nicht mehr bewohnen, weshalb er die ganze Besitzung verkaufte. Jetzt ist sie Eigentum eines schweizerischen Fabrikherrn.

Doch wenden wir den Blick ab von einem unerfreulichen Gegenstande, der uns die Menschennatur auf dem schwärzesten Grunde zeigt. – Die Landschaft umher ruht so mild verklärt im goldenen Abendlichte, als wohnte keine Leidenschaft, nichts als Eintracht und Friede in ihr. Der Klosterbau erhebt sich imponierend über den Dächern des großen Dorfes, und Du glaubst eher eine Stadt als ein Dorf vor dir zu haben.

Von dem alten Augustinerstift Öningen berichtet uns die Geschichte, dass es ein gleiches Schicksal hatte wie das Kloster Reichenau; im Jahr 1534 wurde die Probstei zu den Tafelgeldern des Bischofs von Konstanz gezogen, der sich von da an „Statthalter von Oeningen“ nannte, und das Stift durch Priore, und später durch Dekane verwalten ließ, während die Mönche vom Hochstifte ihren Unterhalt bezogen. – Die Klostergründung fällt ins Jahr 965. Cuno, ein Sprössling der Grafen von Oeningen, die hier in dem Hauptorte der uralten Grafschaft gleichen Namens gewohnt haben, vergab seine Güter und sein Schloss der Kirche, zur Errichtung einer Augustiner-Probstei. Noch jetzt heißt ein mittelalterlicher Teil des Klosters das „Stammhaus“. Die nebenstehende Totenkapelle mit der Mönchsgruft soll die erste Kirche gewesen sein; eine Brüderschaft, „die Todtenbrüder„, hält noch alljährlich darin ihren Gottesdienst. –

Die Grafen von Öningen waren den berühmten Geschlechtern Habsburg und Zähringen nahe verwandt. – Das Dorf wird bereits in der zweiten Hälfte des achte Jahrhunderts als reich begüterter Meierhof genannt. Nahe dabei ist der berühmte Oeninger Steinbruch (Stinkkalk), in welchem zahlreiche Versteinerungen urweltlichen Getiers zu finden sind.

In dem nahen Stiegen, dem letzten badischen Orte, hatte ich übernachtet und machte des anderen Tages eine Tour nach Schienen. – In Oeningen, durch welches der Weg führt, prangten die Brunnen im Schmuck grüner bebänderter Tännlein – ein Werk der Schönen des Dorfes, die hiermit dem ersten Maitag ihre Huldigung dargebracht. – Schienen liegt im Schoße des Berges gleichen Namens, 2006 badische Fuß über dem Meere. Die Abgeschiedenheit des Ortes passt trefflich zu der Sage, welche Schienen, in den ersten christlichen Jahrhunderten, zu einer Zufluchtstätte für verfolgte Christen macht. Das uralte Michelskirchlein (in neuester Zeit eine Privatwohnung), soll an jenen Zeiten herrühren; es war vor Allem von einem großen „Todtengarten“ umgeben.

Die Pfarr- und Wallfahrtskirche zu unserer lieben Frauen soll, zugleich mit einem Kloster, unter Karl dem Großen von Otto, einem Grafen im Hegau und der Bertholdsbaar, gebaut und gestiftet worden sein. Das Stift, ein Benediktinerkloster, kam in der Folge so herab, dass es in einen Chorherrenstift verwandelt und endlich im Jahr 1452 der Abtei Reichenau, und mit dieser dem Bistum Konstanz zufiel. -Der Pfarrhof und die ehemalige Chorherrenwohnung. Die Pfarrkirche trägt am Portal die Jahreszahl 1559. In ihren Grundverhältnissen hat sie noch etwas von der Karolingerzeit, obwohl der Bau teilweise neuer ist, als selbst die ebengenannte Jahreszahl.

Ein Gemälde mit einer Inschrift erzählt die Sage von ihrer Erbauung: Als die Kirch, heißt es, öd und alt zu Boden fallen wollt, und man eine neue baute, ließ sich eine weiße Frau, liebreich mit Worten, sehen und ermunterte die Arbeiter zum Fleiße; es war Maria, wird geglaubt. – Von dem Wallfahrtsbild unserer lieben Frauen wird gesagt: Weil die Kirche öd, wildverwüstet und verderbt, ward das Bildniß (Marien’s) von dannen auf Sankt Michelsberg getragen, und von keiner Menschenhand, wie die Alten sagen, angerührt, wieder allhie gefunden.

Links am Chor bewahrt ein Grabstein mit einem unbehülflich gemeißelten Bildnis das Andenken des ehrbaren Hölzlin von Martendorf (gestorben 1598), „der 17 Jahr bei Hans Christoph von Schienen ehrlich gedient und demselben drei Töchter aus der Taufe gehoben.

Nördlich von Schienen, auf einem Vorsprung des Berges, liegt die Schrozburg, mit einem fürstenbergischen Kameralhof. Die Sage schreibt die Erbauung der Veste einem alemannischen Adelichen zu, während die antiken Fundstücke* auf ein Römerkastell deuten.
*Bestehend in mehreren römischen Silbermünzen, die in der fürstlich fürstenbergischen Altertumsammlung im Schlosse zu Hüfingen aufbewahrt sind.

Ihre Zerstörung fällt ins Jahr 1441, in die Zeit, wo die aufblühenden Städte in steter Fehde lagen mit der Ritterschaft, von welcher bereits mancher Sprosse die Tugend der Väter verloren hatte. Auf Schrozsburg saßen die Ritter von Schienen. Einer aus diesem Geschlechte, Werner mit Namen, der in Mitte des 15. Jahrhunderts die luftige Feste bewohnte, trieb in der Gegend um den See unedle Wegelagerei. Einmal fing er auf dem Staderberge bei Konstanz einen Krämer von München, den herbeikommende Konstanzer mit Mühe aus seinen Händen befreiten. Allein der Streitritter hatte ihn bereits geplündert und seine Barschaft in fürsorglichen Besitz genommen; die Münchner, denen man deshalb schrieb, antworteten, dass weder ihre Herrschaft noch sie mit dem gedachten von Sienenen jemals Ungunst gehabt hätten.

Gleichzeitig lagen sich die verbündeten schwäbischen Städte und ein Teil des Adels im Hegau und am Rhein in den Haaren; und es ging bei diesen Feindseligkeiten wie heut zu Tage zwischen den Russen und Westmächten, man nahm und verdarb sich gegenseitig zugehöriges Gut, wobei dann mancher Unschuldige in Schaden kam. So machte unter anderem der Adel bei Stiegen einen Fang an Genfergut, welches zu Schiff von Konstanz nach Stein verbracht werden sollte. –

Es waren dabei Heinrich von Lupfen, Hans von Rechberg und zwei von Landenberg; diese ließen die Beute, 20.000 fl. an Wert, auf Wägen nach der Burg Höwen führen. Ein größerer Teil, auf 10.000 fl. geschätzt, blieb aber in Stein, unter der Obhut des Ritters von Klingenberg, der einen „michel Theil“ davon den Konstanzern, die nicht in das Städtebündnis gehörten und ihr Eigentum zurückforderten, auslieferte. Ebenso wandte sich der Rat von Konstanz auch nach Höwen, und ließ den Rittern sagen, dass unter dem genommenen Gut Vieles von Konstanzer Bürgern sich befinde. Die Adeligen antworteten, was die von Konstanz bei ihrem Eid als eigen ansprechen könnten, solle ohne Schaden gütlich ausgeliefert werden. – Die verbündeten Städte aber wollten einen Zug vor die Burg Höwen tun, kamen aber zu keinem Entschlusse.

Unterdessen betrieb der von Schienen sein Wegelagerergeschäft so schwunghaft, dass Niemand getrost und fröhlich von Konstanz nach Stein und Schaffhausen reisen konnte, weil der Ritter und seine Gesellen zu Wasser und zu Land viel Ungemach verübten und alle vorbeifahrenden Schiffe anriefen und zu Landen nötigten. Eines Tages ritt Werner mit acht Pferden von seiner Schrozsburg aus über den Rhein in den Bonderbach unter Freudenfels. Über den Trupp kamen etliche Gesellen von Konstanz und nahmen ihnen drei Pferde und einen armen Knecht gefangen. – Als aber die verbündeten Städte Ulm, Biberach, Memmingen, Kempten, Ravensburg, Buchhorn, Lindau, Überlingen, Rottweil x. endlich Ernst machten, sich rüsteten und von Konstanz verlangten, dass die Stadt dem Bündnisse beitreten solle, lehnte der Rat das Ansinnen ab, unter dem Vorwande, dass es eine Schmach wäre, wenn Konstanzer Bürger unter dem Hauptmann der Überlinger in’s Feld ziehen würden; auch hätten die Städte Alles verabredet und festgesetzt, ohne Vorwissen und Beiziehung der Konstanzer, sie könnten deshalb ehrenhalber nicht mitziehen; was man den Nachbarn aber sonst zu lieb tun könne, wolle man tun.

Am Allerheiligenabend zogen die Städtischen von Überlingen aus nach dem Hegau. Bald darauf schwuren auch die von Radolfzell zu ihnen, die es früher mit der Ritterschaft gehalten hatten. Man zog vor ein Haus, die Wasserburg geheißen, und gewann auch denen von Rechberg eines ab. Hernach ging’s vor die Schozburg, die Wohnung der Herren von Schienen. Die Burg war fest und wohl versehen mit Wein, Fleisch und anderem. Die Belagerer fingen an, das Holz um den Berg zu fällen, um damit alle Ausgänge ringsherum zu verlegen, dass Keiner entrinne. Als die Belagerten dieses merkten, steckten sie die Burg in Brand und flüchteten. Die Feinde aber löschten das Feuer und machten große Beute. – Nachher brannten sie die Burg nieder und zerstörten sie von Grund aus. Überdies verbrannten sie das Dorf Schienen, einen Torkel und ein dem von Schienen gehöriges Haus, verdarben die Reben und nahmen alles weg, was sie erwischen konnten. Nach diesem verbrannten sie Horn und was denen von Rechberg gehörte, zogen gegen Hilzingen, wovon auch ein Teil diesem Ritter gehörte und zerbrachen daselbst den Turm. Dann wandten sie sich gegen das Städtlein Stein, wo sie an den Hans von Klingenberg wollten; die Steiner widersetzten sich aber, und der Junker Albrecht von Klingenberg zu den Städtern und sagte, Stein wäre sein und die Sache der Adelichen ginge ihn nichts an. Auf dieses ließ man ab und zog in’s Hegau, verbrannte den Anteil des Hans von Rechberg an der Burg Stauffen und gewann die Wasserburg, die dem Vitus von Ast gehörte. Vor Engen wurde nichts unternommen, weil Graf Sigismund den Sturm zu beschwichtigen wusste, dafür wurde aber das Eigentum des Grafen von Lupfen verwüstet. – Da es schon zu kalt war, um Höwen zu belagern, wandte sich der Siegeszug (am 16. November) wiederum heimwärts. – Nachdem die Feindseligkeiten noch längere Zeit fortgedauert und manches arme Dörflein im Hegau mit Feuer und Schwert heimgesucht worden, kam endlich, auf Befehl des Kaisers Friderich, ein Friede zu Stande, der im Jahr 1445 zu Konstanz besiegelt wurde. Jeder Theil mußte den ihm zugegangen Schaden erleiden, ohne Ersatzansprüche. Dergleichen Putsche waren im Mittelalter an der Tagesordnung.

Von der Schozburg ist nur weniges Mauerwerk, umfangen vom Graben, übrig. Die Aussicht, die man hier hat, ist groß und herrlich; wie von einer Königsloge aus betrachten wir ein weites Amphitheater – links das ganze Hegau, rechts den Untersee, Reichenau und Konstanz, den glänzenden Obersee und in blaulicher Ferne das Vorarlberg. – Wie zum Finale drängt sich die weite, von uns durchwanderte Landschaft noch einmal auf die Bühne – ruhendes Gewässer, freundliche Städtlein, Dörfer halbverdeckt im Grünen, auf den Zacken alter Felsen gebrochenes Gemäuer, aus grünem Wiesenplan der Blitz der Bäche, weitgedehnte Wälder, wogende Saatfelder und Gebirge, ruhend in Duft und Wolken.

Die Sonne war bereits hinunter, als ich über die Landesgrenze zum Städtlein Stein zuwanderte. Noch einmal öffnet sich auf luftiger Höhe die Aussicht; über Land und See lagen schon die Schatten der Nacht, aber die ewigen Alpen, schweigend und groß, standen noch glühend wie Abendrot am fernen Horizont.

In dem alterthümlichen Schweizerstädtlein Stein machte ich Rasttag. Es war mir vorzüglich darum zu thun, den schönen Amtssaal im ehemaligen Kloster zu sehen. Aber da der Stadtschreiber zufällig abwesend war, so wollte Niemand über die Schlüssel gebieten, und ich mußte auf den Genuss verzichten. Nach dem Urteile Verständiger sind die Wandgemälde des Klostersaales dem Besten mittelalterlicher Kunst beizuzählen. Sie entstanden unter Abt David von Winkelsheim, der während der Reformation nach Radolfzell flüchtete, und, wie bereits erwähnt, in der dortigen Pfarrkirche begraben liegt.

Als Ersatz für den vorenthaltenen Kunstgenuss betrachtete ich das hübsche Städtlein, seine wohlerhaltenen mittelalterlichen Häuser, ihre Wandgemälde und zierlichen Erker, und hoch über Allem – die ritterliche Burg Hohenklingen.

Ich hatte einen Platz auf dem Eilwagen genommen und war über die Rheinbrücke gegangen, an der Straße nach Schaffhausen den Wagen zu erwarten. – Eine Zigeunerfamilie lagerte nicht weit von meinem Wachposten im Grünen. Einige ihrer braunen Weiber kamen zu dem Reisenden herüber, ein müßiges Gespräch anzuknüpfen. – Sie fragten nach Heimat und Vaterland. – ich hatte keinen Grund, die Frage ausweichend zu beantworten. Sie spendeten dem Lande große Lobsprüche und rühmten seine Gastfreundschaft gegenüber der Schweiz. – Ich fragte, wohin ihre Reise gehe? – Wir wissen es selbst nicht! lautete die Antwort, wir sind überall am rechten Ort, wo sich gute, hilfreiche Menschen finden.

Indem rollte der Wagen heran und hielt, der Passagier stiegen ein, und fort gieng’s es in rascher Fahrt den Ufern des grünen Rheins entlang nach Schaffhausen und weiter.

Ende

Radolfzell (Wikimedia)

Radolfzell, Thor

Abbildung aus: Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden. Band 1: Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz. Freiburg i. Br. 1887 (Wikimedia)

Grab von Radolf von Verona in der Kirche von Radolfzell. (Foto: Wikimedia)

Die Geschichte über den Ratoldsbrunnen ist im Südkurier aufgearbeitet:

Der Poppele vom Hohentwiel

Über den Poppele kennt wohl auch noch heute jeder eine Geschichte. Falls sich jemand, aus Sicht des frühen 20. Jahrhunderts, dafür interessiert, dem sei zu der Abenteuerliche Reise des kleinen Schmiedledick von Elisabeth Walter geraten.

Felchen

Es sind mehrere Quellen zum Gangfisch vorhanden und sie gehen bis ins Mittelalter zurück. Aus den Quellen lässt sich deuten, dass der Gangfisch ein sehr wichtiges Produkt für den Bodenseeraum war. Offensichtlich war der Fischfang nicht nur auf Ermatingen konzentriert. Gottlieben und Konstanz werden als weitere Fangorte genannt. Seine Wichtigkeit hatte der Gangfisch auch als Handelsprodukt, sei es als Zehntenabgabe oder als Exportprodukt. Fangzeit und –methoden sowie Zubereitungsweisen werden ebenfalls in den Quellen beschrieben.

Wird der Legende des Konstanzer Bischofs Gebhard aus dem 10. Jahrhundert Glaube geschenkt, ist der Fisch schon seit dieser Zeit bekannt. Eine weitere gefundene Erwähnung datiert aus dem 13. Jahrhundert. Damals kommt der Name Gangfisch – dazumals „ganchvisch“, „gangvissche“ oder „gantvisch“ – in alten Fischereiordnungen vor. Die älteste Erwähnung von der Ankunft der Fische im Laichgebiet ist im 1337 vollendeten „Schachzabelbuch“ des Schweizer Benediktinermönchs Konrad von Ammenhausen zu finden. Sie war am 11. November, dem St. Martinstag, und dauerte zwölf Tage. Der Gangfisch war eng mit den Klöstern in der Umgebung verbunden. Zum einem im Rahmen der Klosterfischerei, das heisst zur Versorgung der Klöster selbst, zum anderen vergaben sie auch Fischrechte zur Lehe, deren Zins jährlich in Naturalien, in einer festgelegten Menge an Fischen, zu bezahlen war. Fischereirechte im Untersee vergaben das Kloster von Reichenau und der Bischof von Konstanz. Der Ermatinger Dorfchronist Thomas Vaterlaus berichtet von einer Quelle aus dem 14. Jahrhundert, wonach die Ermatinger „getertem Gantvisch“, also geräucherten Gangfisch, dem Kloster Reichenau als Teil ihres Zehnten abliefern mussten. Aus dieser Quelle geht hervor, dass der Gangfisch bereits damals geräuchert wurde. Auch in der Ortsgeschichte von Gottlieben, einem Nachbardorf von Ermatingen, ist notiert, dass die Bewohner dem Bischof Gangfische als Zinsen ablieferten. 13 000 Stück sollen es im Jahr 1521 gewesen sein. Der Bischof aus Konstanz erlaubte den Gottliebern keinen Grundbesitz, so dass sie sich ausschliesslich der Fischerei widmeten. Dies erklärt die bis heute sehr kleine Fläche des Ortes.

Der Gangfisch hat mindestens zwei Blütezeiten durchgemacht. Von der einen berichtet der Konstanzer Historiker Gregor Mangolt aus dem 16. Jahrhundert. Er beschrieb einen Rekordfang: „Im Jahr 1534 fiengents im Manet December […] ob 46’000 gangfisch…“ Der Gangfisch soll so begehrt gewesen sein, dass 1533 „etlich geterdt Gangfisch“ sogar nach Zürich – zu Heinrich Bullinger – geliefert wurden, wie Mangolt berichtet. Eine zweite Blütezeit soll um die Zeit des 2. Weltkriegs gewesen sein. Damals gab es so viele Gangfische, dass man die Idee hatte, einen Wettbewerb mit ebendiesen Fischen als Preis einzuführen. Im Jahr 1937 wurde das so genannte Gangfischschiessen erstmals durchgeführt und findet bis heute jedes Jahr am zweiten Wochenende im Dezember statt. Geschossen wird natürlich nicht auf die Fische, sondern, wie es sich bei einem Preisschiessen gehört, auf Zielscheiben. Anschliessend wird an diesem Tag der Gangfisch in den Ermatinger Restaurants angeboten. Der Brauch ist ein wichtiges und bekanntes Fest, an dem mittlerweile Schützen auch ausserhalb der Region teilnehmen.

Auch über die spezielle Fangmethode wird berichtet. Immer wieder ist von der Gangfischsegi, dem grössten Fanggerät der Schweiz, die Rede. Sie soll bereits im 14. Jahrhundert erwähnt worden sein. Segi bezeichnet sowohl das Boot, einen schweren, schwarzen, flachbödigen bis 15 Meter langen Kahn, als auch das Garn. Ebenso wird mit Segi die Mannschaft bezeichnet. Eine Statutenrevision der Ermatinger Gilde der Gangfischer vom Jahr 1876 legt dar, dass die Mannschaft 18 Mitglieder umfasst. Die Mitgliedschaft war sehr begehrt. Entsprechend streng waren die Auflagen. Lediglich Ermatinger Bürger durften es sein; schied ein Mitglied aus erhielt sein ältester Sohn das erste Anrecht auf Mitgliedschaft, die dazumals stolze CHF 150.- kostete. Wenn es wieder Zeit für den Gangfischfang war, brachte jeder Fischer sein eigenes Zuggarn. Diese wurden anschliessend nach einem genauen Plan zu einem grossen Fischfanggarn zusammengesetzt. Der Fischfang mit der Gangfischsegi war bis nach dem 2. Weltkrieg viel im Einsatz, seit 1958 respektive 1967 – je nach Quelle – ist es jedoch vorbei. Als 1968 ein Fischer erkrankte und sich kein Ersatz finden liess, um die nötigen 18 Mann für die Gangfischsegi zusammenzubringen, wurde erstmals darauf verzichtet. Jedes Jahr hoffte man, dass sich wieder genügend Fischer finden liessen – jedoch vergeblich. Heute ist die Gangfischsegi im Seemuseum in Kreuzlingen oder am Ermatinger Groppenumzug, einer speziellen Form der Fastnacht, zu sehen. Die wenigen heute aktiven Fischer verwenden einen neuen Bootstyp.

https://www.patrimoineculinaire.ch/Produkt/Gangfisch/302

Öhningen

Das Stift Öhningen liegt auf einer Anhöhe oberhalb des Untersees in der Nähe zum Rheinübergang bei Stein und wurde möglicherweise an der Stelle eines älteren Adelssitzes gegründet. Die Urkunde, in der Kaiser Otto I. (936-973) im Jahr 965 die Stiftung Öhningens und den zugehörigen Besitz bestätigte, ist wahrscheinlich in allen Teilen eine Fälschung des letzten Drittels des 12. Jahrhunderts. Nach diesem unechten Gründungsprivileg hatte Kuno von Öhningen mit Zustimmung seiner Frau Richlind und seiner vier Söhne das Stift kurz zuvor gegründet. Bereits die Gestalt des vermeintlichen Stifters hat für eine noch andauernde Forschungskontroverse gesorgt. Einigkeit besteht lediglich darin, dass Kuno als ein Mitglied des konradinischen Familienverbands anzusehen ist und dass er eine enge Beziehung zum Rheinauer Stifterverband besaß. Die Forschung tendiert des Weiteren dazu, Kuno mit dem von Otto II. (973-983) eingesetzten Herzog Konrad von Schwaben (982-997) gleichzusetzen sowie Richlind als Enkelin Ottos I. genealogisch einzuordnen. Die Vermutung, Kuno habe in Öhningen eine geistliche Institution gestiftet, ist in gleicher Weise spekulativ wie alle anderen Hypothesen, die einen späteren Gründungszeitpunkt favorisieren. Nicht zu klären ist ebenfalls die Frage nach dem Status Öhningens, das erstmals 1155 als Propstei und 1166 als Augustiner-Chorherrenstift sicher fassbar ist: Entweder bestand bereits eine ältere Gemeinschaft von Geistlichen, die erst später die Augustinerregel übernahm, möglicherweise als Benediktinerkloster oder als nicht reguliertes Kollegiatstift, oder Öhningen wurde als Augustiner-Chorherrenstift eingerichtet, vielleicht während der großen Gründungswelle solcher Institutionen im Bistum Konstanz im ausgehenden 11. und beginnenden 12. Jahrhundert. Im Jahr 1155 bestätigte Kaiser Friedrich I. (1152-1190) dem Konstanzer Bischof Hermann von Arbon (1138-1165) den Besitz der „prepositura Oningen“. Nach dem Tod Hermanns konnte der Kaiser seine Besitzbestätigung von 1155 rückgängig machen und so eigene Familieninteressen wahren. Doch kurz nach dem Tod Friedrichs erhielten die Bischöfe das Augustiner-Chorherrenstift wieder zurück, denn am 1191 übertrugen Heinrich VI. (1190-1197) und seine Brüder Bischof Diethelm von Krenkingen (1189-1206) die Vogtei des Orts unter Einschluss des Stifts. Trotz eines Privilegs Papst Alexanders IV. (1254-1261) aus dem Jahr 1256, in dem dieser das Stift Öhningen und dessen Güter in seinen Schutz nahm, blieb die Vogtei seit dem ausgehenden 12. Jh. unangefochten beim Konstanzer Bischof. Die Vogteirechte übten u. a. in Gaienhofen ansässige Untervögte aus, die den Besitz des Stifts verwalteten, der sich vor allem im Hegau und Klettgau, aber auch im Thurgau sowie im südlichen Schwarzwald befand. Ein Propst ist namentlich erstmals 1160 fassbar, er versah die inneren Angelegenheiten des Stifts und lenkte den meist etwa sechs Chorherren umfassenden Konvent. Besonders im beginnenden 15. Jh., als die Gemeinde Öhningen nach Unabhängigkeit von Bischof und Stift strebte, sind häufig Konflikte um Rechte und Zuständigkeiten belegt. Weitere Spannungen entstanden zwischen dem Augustiner-Chorherrenstift und der Stadt Stein am Rhein oder dem dortigen Kloster. Im Schwabenkrieg 1499 blieb Öhningen weitgehend verschont, im Bauernkrieg 1524/25 vertrieben Öhninger Bauern den Propst, selbst einige Chorherren sollen sich den Aufständischen angeschlossen haben. Mit dem Beginn des 16. Jh. erreichte der wirtschaftliche Niedergang auch im Augustiner-Chorherrenstift Öhningen seinen Höhepunkt, meist konnten nur noch drei Kleriker mit Pfründen versorgt werden. Die Bischöfe warfen den Chorherren sittliches Fehlverhalten vor, in erster Linie dürften die Ordinarien mit diesen Anschuldigungen aber versucht haben, das Stift stärker unter ihre Kontrolle zu bekommen. Zudem bot der Kaiser dem Bischof an, die Inkorporation des Stifts Öhningen zu unterstützen, um die Finanzen des Hochstifts zu verbessern. Unter Johann von Lupfen (1532-1537) wurde der Plan ausgeführt, die Inkorporation erlangte 1534 die Zustimmung Papst Pauls III., 1536 die Billigung König Ferdinands I. Nun fungierte der amtierende Konstanzer Bischof als Propst, der einen Dekan oder einen Prior einsetzte, der für die geistlichen Aufgaben vor Ort zuständig war; das Einverständnis des Konvents zu diesen Personalentscheidungen musste nicht eingeholt werden. In Öhningen residierte ab dem 17. Jh. ein bischöflicher Obervogt, der die weltlichen Belange des Stifts bestimmte. Die Inkorporation brachte eine vorübergehende Verbesserung der wirtschaftlichen Situation auch des Stifts, nun sind meist sechs Chorherren als Pfründner belegt. Allerdings war ihre von Konstanz aus gewährte finanzielle Versorgung oft knapp bemessen und wurde in manchen Fällen verspätet ausgezahlt. Bemühungen, besonders unter Dekan Karl Loder (+1760), die Inkorporation aufzuheben, blieben erfolglos. Im 30-jährigen Krieg kam es wiederholt zu Plünderungen des Stifts, doch die Bischöfe sorgten für die Wiederherstellung des Besitzstands. Das Augustiner-Chorherrenstift kam 1803 an Baden; im selben Jahr wurde seine Auflösung eingeleitet, die zwei Jahre später mit der Einrichtung der Pfarrei Öhningen abgeschlossen war. An der Öhninger Kirche gab es mehrere bruderschaftliche Zusammenschlüsse, die vor allem im 17. Jh. gegründet wurden. Der geistig wirkungsmächtigste Kanoniker war Dominikus Wenz (+1755), der einen Kommentar zur Augustinusregel (1718), eine Vorbereitungsschrift für die Erstkommunion (1724) und eine Sammlung von Sinnsprüchen (1726) zum Druck brachte. Sein Hauptwerk ist das 1757 und 1793 erschienene „Exempel-Buch“, das für die Erzählliteratur des 18. und 19. Jh. wichtige Anstöße gab. Dekan Karl Loder (+1760) verfasste neben einer biblischen Historie handschriftliche Aufzeichnungen zur Stiftsgeschichte. Im Westen des Stiftsareals stehen die Kirche, die Dreiflügelanlage des Konvents und das in der Mitte des 17. Jh. errichtete Amtshaus des Obervogts, im Osten der Wirtschaftshof. Die Baugeschichte lässt sich erst für die Zeit um 1500 sicher rekonstruieren: Auf Anordnung von Propst Nikolaus Christiner (1482-1513/16) wurden die Konventsbauten neu errichtet, einige Teile dieses Bauensembles sind in den heute erhaltenen, von Umbauten und Erweiterungen des 17. und 18. Jh. geprägten Gebäuden noch verbaut. Der weitgehende Neubau der Kirche wurde in Auftrag von Bischof Jakob Fugger (1604-1626) etwa 1610 begonnen und 1620 abgeschlossen. Unter Bischof Franz Johann Vogt von Altensumerau und Prasberg (1645-1689) wurden Schäden an Kirche und Konventsbauten behoben, 1681 konnte der neue Hochaltar geweiht werden. Auf Bischof Kasimir Anton von Sickingen (1743-1750) geht die barocke Umgestaltung des Konventsaals zurück. Den Innenraum der Saalkirche, deren Äußeres weitgehend Züge der Spätrenaissance trägt, ließen die Konstanzer Ordinarien barock ausgestalten. Der mittelalterliche Kirchenschatz und der vorbarocke Kirchenschmuck sind verloren, aus der heute vorhandenen Ausstattung ragen der Hochaltar und die Plastik Christus am Kreuz von Josef Anton Feuchtmayer hervor. Das Chorgestühl mit 30 Sitzen ist barock. Aus dem Besitz des Stifts stammen außerdem zwei Wappenscheiben aus dem Jahr 1520 (heute Zürich, Schweizerisches Landesmuseum).

Autor: ANDREAS BIHRER (LeoBW)

Beiträge zur Geschichte
der Badischen Landessammlungen für Naturkunde in Karlsruhe
IX. Eine Aktion zur Gewinnung öhninger Fossilien 1854-1860

Die wegen ihrer Fossilfunde weltberühmten öhninger Steinbrüche (Untermiozäne Kalke und Mergel),
bis zur Säkularisation im Besitz des Klosters Öhningen, wurden danach staatlicher Besitz und gingen
schließlich in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts in Privatbesitz über. Der ehemalige Goldarbeiter
Leonhard Barth verstand es daraufhin bald, die meisten Fossilien an sich zu bringen und nach ihrer
Präparation teuer, vorwiegend ins Ausland zu verkaufen, wodurch sie dem Land Baden verloren gingen.
Dies abzustellen, schloß der Bergrat und Professor für Mineralogie und Geologie an der Polytechnischen Schule in Karlsruhe Friedrich August Walchner im Jahr 1852 mit Johann Hangarter, dem Besitzer eines der beiden Steinbrüche einen Vertrag, wonach die anfallenden Fossilien zu sammeln und dem Verwalter Benz auf Schloß Marbach gegen eine jährliche Entschädigung abzuliefern seien. Barth versuchte daraufhin den Steinbruch zu erwerben, weshalb Walchner der Behörde vorschlug, Barth zuvorzukommen, was auch geschah, so daß Walchner von dem Vertrag zurücktreten konnte. Der nunmehr ärarische Steinbruch wurde von nun an vorzugsweise zur Fossiliengewinnung für das Naturalienkabinett in Karlsruhe unter der Direktion von Professor Dr. Moritz Seubert betrieben. Für die Auswahl und Herrichtung der Stücke zum Versand wurde der Apotheker Dr. Julius Schill in Stockach verpflichtet, welchen Auftrag er bis Herbst 1859 erfüllte, dann aber wegen Wegzugs nach Freiburg beendete. Da der Betrieb des Steinbruchs für den Staat letzten Endes ein Verlustgeschäft war, verpachtete er ihn noch im gleichen Jahr an Barth, der auch an einem Kauf interessiert war, der schließlich 1861 zu Stande kam, womit die Aktion zur Gewinnung von Fossilien für das Naturalienkabinett ein Ende fand.

https://www.zobodat.at/pdf/Beitr-natukdl-Forsch-Suedwestdtschl_37_0005-0030.pdf

St. Michaelskirche Schienen

Der spornartige Käppeleberg war vermutlich eine frühgeschichtliche Anlage in Form einer keltischen Zelle. Die ältesten Teile der St. Michaelskirche sind sicherlich die Mauern eines solchen Kultraumes. Der große Eckstein mit schalenförmigen Veriefungen unter der Nordwestecke wurde hier wahrscheinlich schon von den Kelten als Kultstein (Megalith) verwendet.

Nach dem hiesigen Probsteibuch soll die Gründung bis in die Zeit der ersten Christenverfolgungen im Bodenseegebiet zurückgehen. Der Sakralbau stellt somit die Verbindung zwischen keltischer und frühchristlicher Kultur in unserer Gegend dar. Die St. Michaels-Kapelle gehört, wie die Sylvesterkapelle in Goldbach, zu den ältesten Gotteshäusern am Bodensee.

Zwischen Jahren 832/838 wird die St. Michaelskapelle erstmal in einer reichenauischen Handschrift erwähnt. Die Reliquie des heiligen Genesius wurde etwa 800 vom Grafen Scrot aus Florenz auf sein Landgut Schienen und seine Eigenkirche St. Michael gebracht und wurde rasch Ziel zahlreicher Pilger.

https://www.bodenseewest.eu/attraktion/ehemalige-st.-michael-und-st.-mauritius-kirche-db38c1b70f

Stein am Rhein mit Hohenklingen

Die Insel Mainau und der Badische Bodensee

Insel Mainau – Wollmatingen und Reichenau

Für die dunkle Jahreszeit empfehle ich die Insel Mainau und der Badische Bodensee von Lucian Reich aus 1856. Das Buch hatte ich im Winter 2022/2023 hier vorgestellt und möchte es jetzt aktualisieren.

Hier das Kapitel Wollmatingen und Reichenau

Wollmatingen und Reichenau

Der badische Bodensee hat den unbestrittenen Vorteil großer landschaftliche Abwechslung: Wenn der breite Obersee mit seiner Alpenkrone von verschiedenen Standorten aus gesehen, stets das gleiche Bild gewährt, so wechseln an den schmäleren Buchten des Überlinger- und Untersee’s die Details auf das Mannigfaltigste.

Wie auf dem Überlinger See die Burgen Bodman, Hohenfels und Heiligenberg herniederschauen, so bilden die abenteuerlichen Hegauer Berge für den stilleren Untersee einen erhabenen Hintergrund; dort die ritterliche Mainau als Herrscherin über den Wellen – hier Reichenau, die Trägerin uralter Kultur und Gesittung.

Der erste Ort, von Konstanz abwärts, Wollmatingen, hat eine äußerst anmutige Lage zwischen Weinbergen, Obstgärten und Getreidefeldern. Ein weites torfhaltiges Ried liefert den Einwohnern, sowie auch den Nachbarn wohlfeilen Brennstoff. Das Gemeinvermögen ist eines der bedeutendsten am See. – Von hier führt ein fester Weg in die Reichenau. Ehe dieser hergestellt war, mußte der Übergang mittels einer Fähre bewerkstelligt werden. – So sehr mich die grüne Au im silbernen Gewässer auch verlocken mochte, so ließ ich sie doch noch bei Seite liegen, um vorher Hegne und Allensbach zu besuchen.

Schloss Hegne, mit einem ummauerten Garten, an der Landstraße, hat wie die meisten geistlichen Sitze, eine außerordentlich behagliche Lage; es war früher die Sommerwohnung der Fürstbischöfe von Konstanz und gehörte ehedem der Familie Reichlin von Meldegg. Jetzt ist es Eigentum eines Privaten. Die Schlosskapelle enthält zwei Hochreliefs von Hans Moring.

Das umliegende Dörflein, von Bauern und Schiffern bewohnt, zählt beiläufig 160 Seelen, die nach Wollmatingen eingepfarrt sind. – Aus der Zeit des 30-jährigen Krieges und der Pest erzählt man, sei in Hegne eine Person mehr verstorben, als der Ort überhaupt Einwohner gehabt habe. Ein Handwerksbursche kam abends in den nächtlichen, verödeten Ort und setzte sich ermüdet auf die Steinbank vor dem Schloss, über Nacht beschlich ihn der „schwarze Tod“.

Das große Pfarrdorf (Marktflecken) Allensbach, eine halbe Stunde von Hegne, soll vorzeiten eine Stadt gewesen sein. Doch wird dieser Behauptung nur insofern Glauben geschenkt werden dürfen, als der wohlgelegene, dem Kloster Reichenau gehörige Ort am See, von jedem möglichst begünstigt und mit Vorrechten begabt worden ist. Allerdings mochten die Gräben und Tore, die Allensbach früher hatte, dem Ganzen den Charakter einer Stadt gegeben haben.

Im Schwedenkrieg wurde hier übel gehaust; der Feind brannte einen Teil des Fleckens nieder, und wer konnte, flüchtete sich. Zudem kam später noch die Pest, die den Ort schrecklich entvölkerte. Bei gänzlichem Mangel an Weltpriestern kamen die Kapuziner von Konstanz und reichten den Sterbenden die heiligen Sterbesakramente zu den offenen Fenstern hinein.

Als ein geflüchteter Bürger endlich wieder in seinem Vaterort zurückkehrte, fand er alles verödet; im Felde standen die überreifen Trauben an den Stöcken. Niemand kam, sie einzuheimsen. – Der Mann ging in die Pfarrkirche und zog die Glocke, um zu sehen, ob sich noch etwas Lebendiges im Flecken rege – da kamen drei Personen, die allein noch Übriggebliebenen.

Nur langsam erholte sich der Gemeindehaushalt. Die großen hiesigen Fruchtmärkte waren während der Verödung nach Radolfzell verlegt worden und blieben für immer daselbst. Ja, noch bis in die neuere Zeiten will man die Folgen jener Unheils Jahre verspürt haben. Als vor etwa 60 Jahren ein bewaffnetes Bürgercorps (sogenanntes Herrgotts-Corporäle) zur Begehung der Fronleichnamsprozession errichtet werden sollte, fanden sich nicht 18 taugliche junge Leute, und man mußte zu fremden, hier dienenden Knechten seine Zuflucht nehmen.

Als hübsches Beispiel brüderlich werktätiger Gesinnung, wie sie vielfach in den Einrichtungen des Mittelalters sich offenbart, kann das hiesige kleine Bürgerspital gelten, wo ehedem eine Stube war, in welcher durchreisende Handwerksgesellen unentgeltlich Herberge und im Winter einen warmen Ofen fanden.

Früher soll auch ein Schloss hier gestanden haben, noch wird der Platz gezeigt. – Ein schwarzer Pudel hütet dort vergrabene Schätze. – Zu Großvaterszeiten lebte im Dorfe ein außergewöhnlich zänkisches Weib; als sie einst in später Nacht mit ihren Geliebten Streit bekommen, verließ sie unter Verwünschungen das Haus. Es war Mitternacht, als sie am „Schloßbuck“ vorbeikam -da vertrat ihr der Borstige mit glühenden Augen den Weg. In stillem Schrecken kehrte sie um – ihrer Wohnung zu; der Hund aber gibt ihr das Geleite. Sie klopft an der Haustüre, der Mann öffnet, und als er die Eskorte sieht, sagt er lakonisch: „Du hast e’n Saubern bei dir.“ Die Xantippe aber soll von der Zeit an nie mehr vom Hauswesen fortgelaufen sein.

Das Dorf hatte eine umfangreiche Gemarkung; früher wurde fast durchgehenden Wein gebaut, bloß zwei Bauern „schnitten Brod“.- Jetzt wird mehr auf Getreide gehalten, während nur in den tauglichsten Geländen Wein gepflanzt wird. Das Allensbacher Gewächs ist übrigens ein sehr preiswürdiges, wovon ich selbst durch die altdeutsche Gastfreundschaft des Herrn Bürgermeisters mich genüglich überzeugt habe.

Die Ufer beim Dorfe sind außerordentlich quellig. Hart am See befindet sich ein Sprudel, der durch Deichel so hoch steigt, dass sämtliche Brunnen des Ortes, von dem ihr Wasser erhalten. Nahe dabei ist die „Fahr“, wo ein Schiffsmann immer bereit ist, Passagiere nach der Insel Reichenau und zurück zu befördern. – Wenn am Fronleichnamstag Kirchen und Brunnen mit grünen Bäumen geschmückt werden, so steckt nach altem Brauch auch der Fährmann seinen geweihten Maien – das „Haldenstäudle“, in den See, an die Halde.

Die Entfernung von hier nach Reichenau beträgt beiläufig eine halbe Stunde. Während meiner Überfahrt, abends vor einem hohen Kirchenfeste, verkündeten die Glocken ringsumher die kommende Feier. Es war, als summe und erklinge der See in seiner Tiefe. – Über dem alten Sankt Markusmünster lagen bereits die Schatten der Dämmerung und in verdüstertem Blau schauten die Hegauer Berge über die farblose Wasserfläche. Es wehte kühl und der Pilgrim, nachdem er in Mittelzell gelandet, war froh, im Wirtshaus zur „Krone“ eine behaglich warme Stube zu finden. – Dieses Gebäude gehörte früher dem Kloster und diente zur Bibliothek. Der hübsche Hausgarten mit seiner grünen Laube gewährt einem bequemen Standort, den tiefer liegenden Klosterbau des einst so berühmten Ortes zu betrachten.

Die Bauart des breiten, massiven Turms mit seinem dreifachen Rundbogenbaien sagt uns deutlich, wie manches Jahrhundert über die mönchische Ansiedelung möge dahingegangen sein. – Und in der Tat müssen wir bis ins achte Jahrhundert zurückgehen, um das Datum ihrer Begründung zu finden. – Die Insel war zu jener Zeit im Besitz eines austrasischen Landvogts, namens Sintlas, der auf der benachbarten Burg Sandeck wohnte; von ihm trug das Eiland den Namen Sintlas-Au; es war aber öde und unbewohnt, ein Aufenthalt giftigen Gewürms und schädlichen Ungeziefer. – Erst durch das Christentum kam Kultur dahin. Der Landvogt Sintlas gestattete nämlich den frommen Bischof Pirmin und seinen Genossen auf der Insel sich niederzulassen. Sie reuteten die Wildnis aus, bepflanzten das Land und bauten sich ein kleines Kloster, dessen Stiftungsbrief von König Carl Martell ausgestellt, die Jahreszahl 724 trägt.

Die junge Pflanzung blühte freudig auf; Könige und Fürsten wendeten ihr besondere Gunst zu und vermehrten den Besitzstand durch fromme Schenkungen. Carl der Große gab ihr zehn Ortschaften, darunter die Dörfer Ulm und Radolfzell. Gerold, Herzog in Schwaben, die Orte Tuttlingen, Wangen, Stetten am Kalten Markt und 24 Dörfer; Karlmann Vier kleine Städte am Comersee; Herzog Berthold aus Schwaben 35 Dörfer, worunter Geisingen und Schaffhausen; Carl der Dritte den Ort Zurzach, Ludwig der Fromme sieben Ortschaften, – Herzog Berthold in Schwaben 30 Dörfer, und Konrad, Herzog von Zähringen Deningen im Breisgau. Dazu kam noch eine Menge geringerer Stiftungen.

80 Jahre nach dem ersten Klosterbau ließ Abt Otto I die jetzt noch (der Hauptsache nach) stehende Münsterkirche ausführen. – Das Kloster erwuchs bald zum reichsten im ganzen Alemannien. Der Hof des gefürsteten Abtes wurde von Kaisern und Päpsten besucht, während zahlreiche und mächtige Vasallen als Lehenträger dem Stifte dienstbar waren. – Aber nicht nur in materieller Beziehung errang sich das Gotteshaus auf der reichen Au große Bedeutung; auch in geistiger Hinsicht war es ein Mittelpunkt, von dem bis weithin wohltätiges Licht und Wärme ausstrahlte. Nicht in stillem Zurückziehen von der Welt suchten die Mönche ihren Beruf; ihre Anstalt war die Pflanzschule des Christentums, das Gehege alles Schönen und Guten, der Künste und Wissenschaften, der deutschen Sprache und Sitte, eine Erziehungsstätte des alemannischen Adels.

Aber wie eben Verwelken und Hinfälligkeit der Heimatschein alles Irdischen ist, so erhielt sich auch diese Einrichtung nicht lange auf ihrem Höhepunkt. Schon vor den Hohenstaufen ging es abwärts, und in Mitte des 14. Jahrhunderts sehen wir das Stift geistig und materiell völlig verarmt und bedeutungslos. Schlechte Verwaltung der Güter, mehr noch Schwelgerei und Ausgelassenheit der Mönche waren Schuld am Ruin. Das Kloster, von dem die Sage geht, dass sein Abt, wenn er nach Rom reiste, jede Nacht auf eigenem Grund und Boden habe übernachten können; oder wenn die Zehntfuhren aneinandergereiht, die erste Fuhre auf der Insel angekommen, die letzte in Ulm das Tor passiert habe; dieses Kloster hatte im Jahr 1385 nicht mehr so viel, seinen Vorsteher, den Abt Werner von Roseneck, mit dem nötigsten Lebensbedarf versorgen zu können. Der gute Mann mußte bei dem Pfarrer zu Niederzell alltäglich Imbiss und Nachtmahl suchen. Drei Mark Silber waren allein die Gesamteinkünfte des Stiftes. Um dieses erklärlich zu finden, mag ein einziger Zug von Verweichlichungen der Klosterangehörigen hier stehen. Ein Lehensbauer hatte mit seinen Leuten die Verpflichtung, zur Nachtzeit die im nahen Weiher quakenden Frösche, welche die frommen Mönche und ihrer vornehmen Gäste den Schlummer stören konnten, mit Stangen zur Ruhe zu verweisen.

Kümmerlich schleppte das einst so berühmte hochverdiente Kloster seine Existenz bis zum Jahre 1538. Längst schon hatten die mächtigen Bischöfe von Konstanz ein begehrliches Augenmerk auf dasselbe gerichtet; aber erst Bischof Johannes von Weza, von Kaiser Karl der Fünfte, begünstigt und im Einverständnis mit Abt Marr von Knörringen, brachte 1538 die Einverleibung des Stiftes ins Bistum Konstanz zuwege. Vergeblich war die spätere Protestation eines Mönches; die Bischöfe waren und. Lieben Herren der Reichenau. Sie ließen als Äbte des Stiftes durch zwölf Mönche den Gottesdienst besorgen, während ein bischöflicher Obervogt die Klostergüter und Einkünfte verwaltete.

Im Jahr 1757 wollten die beibehaltene Mönche, unter ihrem Prior Weichelbeck, von neuem die Selbstständigkeit des Stiftes erringen. Auswärtige Klöster und die Höfe von Frankreich und Preußen unterstützten sie, doch ohne Erfolg. – Kardinal Roth schickte eine Kommission unter dem Schutze bischöflicher Soldaten nach der Reichenau, welche die guten Väter, als sie eben an der Tafel saßen, aufhob und in verschiedene Abteien Schwabens versetzte. Von da an besorgten zwölf Missionäre aus verschiedenen benachbarten Klöstern den Kirchendienst, bis im Kriegsjahr 1799 und diese abgedankt und das Münster als Pfarrkirche der Gemeinde Mittelzell mit drei Weltpriestern besetzt wurde. Fünfundfünfzig Äbte vom Jahr 727 bis 1538, bildeten die Reihe seiner Äbte.

Nach dieser kurzen geschichtlichen Betrachtung steigen wir hinunter in den alten Bau, um zu sehen, was nach so vielen Jahrhunderten an Pracht und Reichtum noch übrig geblieben. – In der Tat verhältnismäßig wenig. Es ging eben auch hier wie anderwärts; während die Gelehrten über den Ort und seine Geschichte weitschweifige Abhandlungen schrieben, verwahrlosten und zerfielen die Denkmale, die ehrwürdigen Zeugen des Bestandenen, und manch anderes wurde verschleppt und verloren. So finden wir denn heute in dem Münster nur Weniges, was den bedeutenden historischen Erinnerungen einigermaßen entsprechend wäre.

Die alte Grabstätte des unglücklichen Kaisers Carl des Dicken ist nicht mehr zu finden. Ein wertloses Gemälde aus der Zopfzeit, den Kaiser darstellend, hängt über der Sakristeitüre und soll bedeuten, dass an dieser Stelle die Gebeine Carl’s ruhen, welche im Jahr 1728 aus ihrem ursprünglichen Grabe genommen und hierher gebracht wurden.

Von dem Ruheort des Herzogs Gerold von Bussen, der ein Schwager Carl’s des Großen, 798 in der Hunnenschlacht fiel, suchen wir vergeblich eine Spur, sowie von dem Grabe des Grafen Mangold von Beringen, der im Kampf gegen Herzog Ernst von Schwaben den Tod gefunden. Das gleiche gilt von den Gräbern der Herzoge Burkard, Berthold und Hermann von Schwaben, welche in der Evanuskapelle bestattet sind. Alte, meist schlecht erhaltene Grabsteine finden sich von mehreren Äbten den des 14., 15. und folgenden Jahrhunderts.

Der Hauptaltar enthält die namenhafteste Reliquie der Kirche, das heilige Blut, verschlossen in einem goldenen Kreuze. – Ein Gemälde, links im Chor, stellt eine Jubiläumsfeier desselben vor aus dem Jahre 1738 am 26. Mai. Das Bild vergegenwärtigt in seinen Einzelheiten recht gut die Pracht des damaligen fürstbischöflichen Hofes, denn der Bischof, als Landesherr und Abt von Reichenau, wohnte der Feier persönlich bei. In der Mitte des Gemäldes schreitet der geistliche Fürst, Bischof Johann Schenck von Staufenberg*, gefolgt von sämtlichen Lehensrittern, Vasallen und den Domherren von Konstanz nebst einer Menge verschiedener Ordensgeistlicher.
*Johann Schenck von Stauffenberg kam zur bischöflichen Würde 1704 und starb 1740 am Schlagfluss im Schlosse zu Meßkirch, wo er die Ehe des Fürsten Froben von Fürstenberg mit der Gräfin Theresia von Sulz eingesegnet hatte.

Zur Seite paradiert das weiß uniformierte bischöfliche Militär mit den von Meersburg hergebrachten Kanonen. Ein anderes, halb vermodertes Ölbild im Seitenchor bezieht sich auf die Besitznahme durch den Heiligen im Pirmin. Der fromme Mann landet auf der einen Seite, während auf der anderen Schlangen, Kröten und Eidechsen das Eiland verlassen. Das Gemälde aus dem vorigen Jahrhundert ist ohne Kunstwerth, verdient aber sorgfältiger Verwahrung, weil es die ganze Lokalität des Klosters mit der, in neuerer Zeit leider als abgegriffenen alten Pfalz und der nicht mehr vorhandene Johanniskirche getreulich darstellt.

Ein älteres Heiligenbild auf Holz und Goldgrund hängt hinter dem Hauptaltar. Es diente früher als Altargemälde und soll nach der Tradition aus der Schweiz stammen, wo es bei der Reformation in’s Wasser geworfen und landend an der Insel aufgefischt und in’s Münster gebracht wurde.

Die Sakristei besitzt noch mancherlei Reste früheren Reichtums. – 6 bis 7 Reliquiensärge von schöner Arbeit; von diesen enthält der eine die Gebeine des heiligen Markus, des Patron der Kirche; Bischof Egino brachte sie (830) aus Italien hierher. – Eine Urne von weißem Marmor, ohne sonderliches Kunstgepräge, wird als ein Krug von der Hochzeit zu Kana vorgewiesen. Ein zierlicher Reif von Silber, mittelalterliche Arbeit, hält das schadhafte Gefäß in der Mitte zusammen. Der griechische Fürst Simon Bardo soll es um’s Jahr 910 nach Reichenau gestiftet haben.

Ein in Silber gefaßter Zahn Carl’s des Dicken; ein sogenannter Smaragd von 28 Pfund, der aber ein bloßer Glasfluß ist. Carl der Dicke, verkappte ihn hierher. – Ein uraltes Evangelienbuch mit zierlichem Einband und figurreichem Beschläg. (Ein Abtsstab aus dem 14. Jahrhundert ist neuerer Zeit abhanden gekommen.) – Ein Siborium von Elfenbein mit geschnitzten Figuren. – Eine Monstranz aus dem 17. Jahrhundert. – Ein Zahn des heiligen Markus usw.. Unter den Messgewändern findet sich ein sehr altes, mit einer Stickerei den gekreuzigten Heiland darstellend, ein anderes soll die Kaiserin Maria Theresia selbst gestickt und anher verehrt haben.

Die Kirche an sich, obwohl zweimal durch Brand beschädigt, trägt noch ganz den einfachen ernsten Charakter der karolingischen Zeit. Als ursprünglich dürften der Turm und das Mittelschiff mit seinen massiven Pfeilern angesehen werden. Die Umfassungsmauern und der Chor gehören einem späteren Jahrhundert an. – Das Kloster, ein armer Überrest des früheren, ist gering an Ausdehnung und enthält nichts Bemerkenswertes. – Die Bibliothek war außerordentlich reichhaltig an seltenen Handschriften. Mit dem Verfalle des Klosters gerieten diese Schätze in Vergessenheit, bis im vorigen Jahrhundert der gründlichste Forscher seiner Zeit, der. sanktblasische Abt Martin Gerbert,* sie wieder hervorzog und teilweise ans Licht stellte.

*Dieser gebildete Prälat stammt aus dem alten Geschlecht der Gebert zu Hornau von Horb. Er wurde im Jahr 1764 Abt von Sankt Blasien und starb 1793. Unter seinem Regiment war das schwarzwaldische Kloster der Hort der Künste und Wissenschaften; und der Ruhm, den sich sein Vorsteher selbst durch Werke geschichtlichen und theologischen Inhalts erwarb, reichte weit über die engen Marken seines Landes. Er durchreiste, mit Altertumsforschung beschäftigt, Deutschland, Italien und Frankreich, und entdeckte eine Menge bisher unbeachtet gebliebener Kunstschätze. Nicht minder ruhmwürdig war sein stilleres, einheimisches Wirken als Vorstand seines Klosters und Sprengels. Die hinterlassenen Stiftungen sind zu wahrhaften Wohlthaten der betreffenden Gemeinden geworden. Erst der neueren Zeit war es vorbehalten, diesen verdienstvollen Mann durch ein öffentliches Monument gebührend zu ehren. Durch geistliche und weltliche Vorstände der Amtstadt Bonndorf angeregt, wird die Porträtstatue des Abtes vom Bildhauer Xaver Reich in Sandstein ausgeführt und im Lauf des nächsten Jahres in genannter Stadt aufgestellt werden.

Die meisten der wertvollen Werke bewahren die Bibliotheken zu Karlsruhe und Heidelberg. Doch verlassen wir die feuchten, düstern Räume und ihre Vergangenheit und begeben uns hinaus in die lebendige Gegenwart. Wir schweifen über die Höhen des gesegneten Eilands – welch‘ liebliche Bilder zeigen uns seine drei Pfarrdörflein zwischen Weingärten, Wiesen und Fruchtfeldern umher gestreut! Hier das eben verlassene Mittelzell und seine Kloster, den See und die Waldhöhen bei Allensbach im Rücken. – Gegen Morgen, zwischen Baumgrün, Oberzell auf lichtschimmerndem Grunde des Sees, aus dem in zarten Silhouetten der Dom von Konstanz und die Hochberge Tirols emporsteigen.

Dort – die schlanken Türme von Niederzell und weiterhin, über der wasserblauen Fläche Radolfzell und die ritterlichen Vorposten des Schwarzwaldes, der gewaltige Hohentwiel und seine hochgeborenen Nachbarn. Wenn uns dieser Blick mit Sehnsucht in die Ferne zieht, so erregt dagegen die Aussicht südwärts auf die Städtlein und Edelsitze des nahen Thurgau’s behagliche Gefühle der Wohnlichkeit. Auf der Rheinseite der schweizerischen Kreisorte Ermatingen; über demselben die Schlösser Hard und Wolfsberg. Unserem Standort gegenüber, auf einer vorspringenden, malerisch bewachsenen Terrasse, die napoleonische Villa Arenaberg; die Burg Salenstein und das Dorf Mannenbach mit seinem Schlosse Eugensberg. – Im ganzen anzuschauen wie ein grüner Gürtel mit kostbarem Gesteine besetzt.

Zur Insel gewendet, betrachten wir zuerst die alte St. Georgskirche in Oberzell. Abt Otto III gründete sie im Jahr 888. Sie enthält als Reliquie das Haupt des heiligen Georg und ist vollständig erhalten, eines der merkwürdigsten Bauwerke der Gegend. Unter dem Chor befindet sich eine Krypta.

Unweit Oberzell sehen wir unförmliche Reste der Burg Schopfeln, die wie ein urweltlicher Zahn im äußersten östlichen Teil der Insel steckt. Ihren Erbauer kennt man nicht; in frühesten Zeiten sollen daselbst Ritter gehaust haben, die in Sankt Gögen (Oberzell) zur Kirche gingen. Später diente die Veste den reichenauischen Aebten zum gelegentlichen Aufenthalte. In einer Fehde der Konstanzer mit dem Abte Mangold von Brandis (dem späteren Bischof von Konstanz) und seinen Brüdern und Vettern auf der Reichenau, wurde sie (1382) zerstört. Die Streitigkeiten hatten schon unter Bischof Heinrich von Brandis, ihrem Oheim, viele Jahre vorher angefangen. Als im Jahre 1366 zwischen Weihnachten und Fastnacht sechzehn Konstanzer Patrizier und Bürger mit zehn Gesellen (Adligen) vom Lande auf ein Stechen nach Zürich reiten wollten, begegnete ihnen bei Bassersdorf, zwischen Winterthur und Zürich, sechsundzwanzig Wäppner, deren von Brandis aus der Reichenau, welche auch zum Turniere zogen. Sobald die Reichenauer aber die verhaßten Städter erblickten, sprengten sie auf sie ein und stachen ihrer fünfe von den Rossen. Ihrerseits aber bekamen Junker Wölfle von Brandis (ein Bruder Mangold’s) einen Stich in’s Gesicht, dass er tot auf dem Acker liegen blieb. Die Konstanzer behaupteten das Feld und machten vier Gefangene. Die Gegner, unter Ritter Türing von Brandis, ergriffen die Flucht, einen Konstanzer als Gefangenen mit sich schleppend. Nach längerem Verhandeln mussten später die Konstanzer eine Strafsumme von 2000 Gulden geben; jedoch machte der Rat dabei die Bedingung, dass weder die Bürger, welche bei dem Strauße zugegen waren, noch ihre Nachkommen sollten gehalten sein, etwas an der Summe zu erlegen.

Als in der Folge ab Mangold und seine Vettern einige Fischer von Konstanz, welche auf ihrem Gebiete fischten, auf das Grausamste mißhandelten, zogen die empörten Städter in die Reichenau und zerstörten die Veste Schopfeln und mehrere Mönchshöfe daselbst.

Die Kirche zu Niederzell verdankte ihr Dasein dem Bischof Egino von Verona, dem edlen Alemannen aus dem Geschlechte der Zähringer, die in der Bertholdsbaar ihren ursprünglichen Sitz hatten. Eine Messingplatte mit Inschrift in Mitte des Chores deckt seine Ruhestätte; sein Tod fällt ins Jahr 802. – Der Bau hat zwei hübsche Türme, die aber durch einen neuen, kreideweißen Verputz und Anstrich um ihr altehrwürdiges Ansehen gekommen sind. – Einige 100 Schritte von da liegt am See das Schlösslein Bürglein, ein ehemaliges Tusculanum der reichenauischen Mönche. – Zu bequemer Überschau der Seelandschaft hat ein Bewohner der Insel, Herr Hofrat Seyfried, auf dem höchsten Punkte, der sogenannten Hochwart (1469 Fuß über der Meeresfläche) ein Belvedere errichtet, wo sich ein Fraunhofer’scher Tubus befindet.

Die Insel an sich mißt fünf Viertelstunden in die Länge und eine halbe Stunde in die Breite; sie hat ungefähr 1400 Einwohner. – Das Leben des Insel Völkleins hat viel Eigentümliches. Ein Teil ihrer Felder liegt außerhalb des Eilands, in dem Gemarkungen Allensbach, Hegne, Radolfzell und Makelfingen, und ihre Produkte müssen auf Schiffen eingebracht werden. Nicht leicht wird ein Fremder auf der Insel ansässig. Seit Menschengedenken, versichert man, sei der Kronenwirth in der Mittelpfarrei der einzige, der sich von auswärts hierher verheiratet habe. Der Wohlstand der Bevölkerung hat zur Ablösung der Grundlasten außerordentlich zugenommen. Eine genügsame Lebensweise, der seltene Verkehr mit den Nachbarsorten, sowie ein löblich konservativer Sinn im Familien- und Gemeindewesen haben diesen Aufschwung mit befördern helfen.

Der Auer“, sagte mir der greise Hirschenwirt in Mittelzell, „ist bereits (etwas) gelinder als alle seine Nachbarn; er muss dienstfertig gegen diese sein, weil er ihre Hilfe, bei Vorfällen auf dem See, namentlich beim gefährlichen Westwind, oft in Anspruch nehmen muss. Händelflüchtiges Wesen ist ihm fremd, auch hat er blutwenig bei Amt zu schaffen, weshalb der selige Geheimrat Ittner in Konstanz zu sagen pflegte: Die Auer seien ihm die Liebsten, sie hätten. Am wenigsten mit ihm zu tun.“ –

Dann erzählte der Mann mit großer Naivität, wie es zu seiner Zeit noch viele Gespenster gegeben, die so oft bis in die Au herübergekommen, seit dem Jubiläum des Papstes Pius VI aber gänzlich verschwunden sein. –

Auf dem „Ergat“ (wo eine alte Linde im Umfang von 36 Fuß steht) habe dazumal eine Hexe gewohnt, die Betrunkene usw. verhext habe; und wenn der Hört-Geist am jenseitigen Gestade über dem Wasser erschienen sei, habe es jedes Mal Unwetter gegeben. Seine Großälteren hätten oft erzählt, wie das Kloster in arger Verderbnis gekommen, und ein Mönch einmal nachts in Niederzell ein Mädchen besucht habe, von dem jungen Burschen erschlagen und der Leichnam vor die Klosterpforte gelegt worden sei.

Nach der Sage ist die ganze Bevölkerung zu Zeiten der Pest ausgestorben; nur drei Männer sind am Leben geblieben; sie retteten sich dadurch, dass sie in einem Fasse sich aufhielten, wo vorher neuer Wein gewesen.

Das Inselland war in den ersten Zeiten als ein geheiligt es angesehen; weshalb der Fromme Wahn, solche Kinder, welche von der Taufe gestorben, oder tot geboren waren, außerhalb beim sogenannten Kindlebild am Wege nach Konstanz bestatten ließ. Auch durften auf der Insel keine Waffen getragen, und Todesstrafen mußten auswärts vollzogen werden.

In der Reichenau war es von jeher der Sitz des Oberfischermeisters über den Untersee. Zwei und zwanzig Ortschaften, acht schweizerische und 14 badische, haben gemeinschaftliches Fischrecht. Die immer noch giltige Satzungen dieser Zunft sind uralt und stammen von den Bischöfen von Konstanz. Alljährlich versammeln sich die Glieder auf der Reichenau, um unter dem Vorsitz des Oberfischermeisters die Bestimmungen für das laufende Jahr festzusetzen.

Unter den herkömmlichen Festen ist das Pirminsfest eines der sinnigsten.

Am Tage des Heiligen, zur Herbstzeit, opfert nämlich jeder Einwohner etwas von den Erzeugnissen der Inselfelder auf dem Pirminsaltar im Münster: Trauben, Getreide, Obst und Gartengewächse aller Art, in dankbarem Andenken der Verdienste des Heiligen um die erste Kultur der Insel. Die dargebrachten Früchte bilden zugleich eine Competenz des Messners.

In sehr feierlicher Weise wird auch das Fest des heiligen Blutes, im Monat Mai begangen. Früher kam an diesem Tage von allen umliegenden Orten die Pfarrgemeinden in Prozessionen nach der Insel. Seitdem jedoch eine Prozession, von der Neubirnau kommend, auf der Fahrt über den See, vom Sturme überfallen, in Todesgefahr gekommen, findet die Zuzüge nicht mehr in dieser Weise statt.

Eben so große Feierlichkeiten bringt das Markusfest, an welchem Tage der silberne Sarg mit den Gebeinen des Heiligen in feierlichem Umgange verehrend zur Schau getragen wird.

In sehr poetischer Weise, und bezeichnend für die Reichenau, wird am Pfingstdiensttag die Inselfahrt abgehalten. An diesem Kirchenfeste macht die ganze Bevölkerung auf etwa 15 Schiffen eine Fahrt um die Au. – Voran die Geistlichkeit mit dem Allerheiligsten und Kreuz und Fahne. An vier verschiedenen Plätzen, Mittelzell, Nieder- und Oberzell und auf der Rheinseite an der „Städe“ werden die Evangelien gelesen. – Man denke sich einen sonnigen Frühlingstag; über Land und See. Der Blütenhauch linder Maiendüfte – Sonntagsruhe rings umher – nur Glockenklang und Chorgesang der Jungfrauen auf einer eigenen Jacht begleiteten im Weiterziehen den Rudertakt der Bootsleute.

„Horch! wie über’s Wasser hallend,
Klar die Vesperhymne klingt!
Näher jetzt und näher schallend,
Jubilate, Amen!
Ferner jetzt und ferner hallend,
Bis sie sanft im Ohr verklingt,
Jubilate, Amen.

Jetzt, wie Mondscheinwellen rollend
An das Ufer stirbt sie hin;
Jetzt, wie zorn’ge Brandung, grollend
Wächst die Fluth des Liedes kühn,
Jubilate, Amen!
Wieder hoch! wie Wellen rollend
An das Ufer stirbt sie hin;
Jubilate, Amen.

Aussicht auf die westliche Hegaulandschaft vom Hegaublick aus. Foto: Suedkollektiv, Wikimedia

„Pietà von Hans Morlock (jetzt in Karlsruhe)“ laut Lucian Reich Hans Moring, um 1600; ursprünglich in St. Johann, Konstanz, 1819 nach Schloss Hegne gekommen Abbildung aus: Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden. Band 1: Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz. Freiburg i. Br. 1887 (Photograph Krämer, Kehl, oder German Wolf (1830-1890), Public domain, via Wikimedia)

Schloss Hegne, Abbildung aus: Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden. Band 1: Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz. Freiburg i. Br. 1887 Rudolf Redtenbacher (1840–1885)
(Wikimedia)

„Trinität von Hans Morlock (jetzt in Karlsruhe)“ laut Lucian Reich Hans Moring, um 1600; ursprünglich in St. Johann in Konstanz, 1819 nach Schloss Hegne gekommen. Abbildung aus: Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden. Band 1: Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz. Freiburg i. Br. 1887
(Photograph Krämer, Kehl, oder German Wolf (1830-1890), Public domain, via Wikimedia)

Das zänkische Weib und der Borstige

Im Dorfe Allensbach erzählt die Sage, hüte ein schwarzer Pudel auf dem Platze, wo früher
das Schloss gestanden, vergrabene Schätze.
Vor langen Jahren lebte in selbigem Orte ein zänkisches Weib, das mit ihrem Manne tagaus
tagein Händel hatte. Einmal in später Nacht, als sie wieder mit ihrem Ehegespons im Streite
lag, verliess sie das Haus unter lauten Verwünschungen und sprang zornentbrannt durch das
Dorf. Wie sie nun am »Schlossbuck« vorbeikam, war es gerade Mitternacht. Da vertrat ihr
der »Borstige« den Weg, flösste ihr mit seinen glühenden Augen einen solchen Schrecken
ein, dass sie schnurstracks umkehrte und zu ihrer Wohnung eilte. Doch der schwarze Pudel
geleitete sie bis vor die Haustüre. Hier begann das böse Weib dermassen zu klopfen, als ob
die ganze Hölle hinter ihr her wäre und bis ihr der Mann öffnete. Als dieser den gespenstischen Begleiter sah, den seine Frau bei sich hatte, sagte er spöttisch: »Du hast bei Gott einen
sauberen Gesellen mitgebracht!« Seitdem ist das zänkische Weib geheilt gewesen und nie
mehr vom Hauswesen fortgelaufen.

SAGEN, SCHWÄNKE UND LEGENDEN
aus dem Thurgau und der Nachbarschaft:
https://www.gigers.com/ernst/Sprache/TG_SAGEN.pdf

Kindlebildkapelle vor dem Zugang zur Reichnau



laut Wikimedia: „Reichenau, Münster Mittelzell, Elfenbeinpyxis und Blut-Reliquie“ Lucian Reich schreibt:
Siborium von Elfenbein mit geschnitzten Figuren.
Der Hauptaltar enthält die namenhafteste Reliquie der Kirche, das heilige Blut, verschlossen in einem goldenen Kreuze“.….

Abbildung aus: Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden. Band 1: Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz. Freiburg i. Br. 1887 (Wikimedia)

Grenzgebiet, Reichenau; Umrissradierung, koloriert. Zwischen 1788 and 1798. Swiss National Library, Prints and Drawings Department (Wikimedia)

Die Abbildung Hermann des Lahmen auf einer Kachel der Schatzkammer des Münsters in Reichenau-Mittelzell wird sehr häufig reproduziert. Der Ofen ist 1745-1746 gesetzt worden, hat schon damals „Ehre eingelegt“ und „wegen schönerer als vereinbarter Malerei“, dem Hafner ein Trinkgeld eingebracht. Walter Berschin hat in „Hermann der Lahme, Gelehrter und Dichter“, Heidelberg 2004 die Schrift in der Kartusche folgendermaßen gedeutet: „Beatus Hermannus Contractus Monachus Augiae a devotione Mariae celebris obiit 19. Julii 1054.“ (Der selige Hermann der Lahme, Mönch der Reichenau, berühmt ob seiner Marienverehrung, starb am 19. Juli 1054.) Foto: Thomas Fink, Veringen (Wikimedia)

Denkmal Abt Martin Gerbert von Franz Xaver Reich aus dem Jahr 1856 im Bonndorfer Martinsgarten

Kirche Sankt Georg in Oberzell

Tatsächlich hatte der Reichenauer Abt und Mainzer Erzbischof Hatto im Jahr 896 König Arnulf zur Kaiserkrönung nach Rom begleitet. Wieweit allerdings der Bau dieser Kirche bis dahin gediehen war, ob sie bereits fertiggestellt war oder sich noch im Bau befand, läßt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen.

Der Platz für die neuerworbenen Reliquien war die vierstützige Krypta der Kirche, die sich unter dem Querhaus und der Ostchoranlage befindet und über eine Treppe erreichbar ist. Was Stilreinheit und Harmonie angeht, ist St. Georg die ausgeglichenste der noch erhaltenen Reichenauer Kirchen.

Nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist die Krypta, deren Ostwand frühmittelalterlich mit zwei Kruzifixen und jeweils einer anbetenden Heiligenfigur bemalt ist, sowie die Michaelskapelle über der heutigen Vorhalle. Dort auf der Westapsis ist eine Parusie Christi, die Wiederkunft Christi zum Weltgericht dargestellt.

https://www.reichenau-privat.de/insel-reichenau/wissenswertes/sankt-georg/index.html

Linde auf dem Ergat in Mittelzell 2023

Hark! the vesper hymn

‚Hark, the vesper hymn is stealing‘ ist ein Text von Thomas Moore den Lucian Reich aus der Übersetzung von Ferdinand Freiligrath anscheinend frei zitiert hat.

Insel Mainau – Bodman und Lüzelstetten

Für die dunkle Jahreszeit empfehle ich die Insel Mainau und der Badische Bodensee von Lucian Reich aus 1856. Das Buch hatte ich im Winter 2022/2023 hier vorgestellt und möchte es jetzt aktualisieren.

Hier das Kapitel Bodman und Lüzelstetten. – Ja, Lüzelstetten steht da, nicht Litzelstetten!

Bodman und Lüzelstetten

Das Wetter war kalt, unfreundlich geworden; in Gewitter, das im Lauf des gestrigen Nachmittags aufgezogen, hatte, die Atmosphäre gekühlt und verdüstert. Ein rauher Ost haderte so gewaltig mit den Wellen, dass ich zwei Ruderer brauchte, um nach Bodman überzusetzen.

Zwischen diesem Dorfe und Ludwigshafen, wo der See gegen das Tal von Espasingen an flachen Ufern endet, mündet die Stockach. – Bodman selbst liegt malerisch am Fuße waldiger Berge, die so hoch im Süden aufsteigen, dass den Einwohnern Winters um zwei Uhr schon die Sonne entschwindet. Trotzdem ist die Vegetation hier früher, als in der südlichen Bucht von Ludwigshafen; ohne Zweifel deshalb, weil Bodman den Vorteil der Morgensonne hat. Das wenige Land um das Dorf ist außerordentlich fruchtbar., die Häuser stehen in einem förmlichen Wald von Obstbäumen. – Das Schloss des Freiherrn von Bodman umgeben zierliche Gärten und Anlagen; es ist von mäßigem Umfang und scheint der Bauart nach dem vorigen Jahrhundert anzugehören.

Das Geschlecht dieses Hauses, ein ehemaliger reichenauischer Dienstadel, gehört zu den ältesten am See. An ihr Wappen mit den dreilinden Blättern hat Dr. Bader in seinem neuesten Werk „Fahrten und Wanderungen im Heimathlande“ interessante Aufschlüsse geknüpft.

Auf einem der drei „Randen“, die sich hinter dem Dorfe erheben, liegt in Ruinen Altbodmann, der frühere Sitz des Geschlechtes – und gegenüber der Frauenberg, welche allgemein für den Ort gilt, wo die alte fränkische Königspfalz Bodama gestanden, auf der Kaiser Karl im Jahre 881 Urkunden ausfertigte, wie vorher Ludewig der Fromme den 18. April 839. In folgenden Jahrhunderten saßen hier die mit dem Bischof Salomo streitenden Kammerboten Echanger und Berthold, welche über dem Kampfe um Wiederherstellung des altalemannischen Herzogtums das Leben verloren. Auch wurde auf dem Frauenberg der heilige Othmar gefangen gehalten, der von einigen umwohnenden Gaugrafen gehasst und verfolgt, auf der Insel Stein (759) sein viel geprüftes Dasein beschloss.

Gegenwärtig steht ein Schlößlein aus mittleren Zeiten an der Stelle. Ein Gang zu seinen hohen Waldgipfel über dem See, versetzt uns in das stille Reich einsamsten Naturlebens. Ein bodmanscher Dienstmann, der hier wohnt, öffnet uns die Hausräume und die Kapelle, in der ehemals ein salemischer Priester den Wallfahrtsdienst besorgte. An der Rückwand hängt ein großes Ölgemälde mit Kostümfiguren; es bezieht sich auf die wunderbare Errettung des einzigen Sprößlings bodman’schen Stammes. Als im Jahre 1307 während eines Familienfestes, „das Bodmerschloss durch Gottes Gewalt und Donnerstrahl“ entzündet ward, und alle Sippen des Geschlechts von Bodman in den Flammen ihren Tod fanden, rettete Adelhaid, des jüngsten Kindes Säugamme, ihren Schutzbefohlenen dadurch das Leben, dass sie den Knaben in einen kupfernen Kessel setzte und selbigen im Namen der heiligen Dreifaltigkeit den Abhang hinunter rollen ließ. Im Mitte des Berges, an der Stelle, wo jetzt ein Bildstöcklein steht, blieb der Kessel mit der teuren Last im Gestrüpp hängen. Der Kleine wurde von Dorfbewohnern gefunden und zu Verwandten auf die Burg Kargeck gebracht, wo er eine sorgfältige Erziehung erhielt.

Eine im Munde des Volkes lebende Sage bringt dieses Ereignis mit einer älteren, wunderlichen Mär in Verbindung. – Ein Ritter von Bodman, heißt es, wollte die Welt ausreiten. Er nahm von seiner Gemahlin Abschied mit dem Bedeuten, dass er binnen sieben Jahre nicht zurückkehren werde, sie ihn für tot halten und, wenn er ihr bliebe, sich wiederum verheiraten dürfe. Von ein paar. Knappen begleitet, machte sich der Ritter auf den Weg; er zog übers Meer in unbekannte, ferne Länder. Nachdem er schon viele Jahre gereist war, kam er in eine wilde Einöde, wo er abends auf einem hohen Berg ein Licht schimmern sah. Er schickte einen Knappen hinauf, um zu erfahren, ob Menschen da wohnten, bei denen man eine Herberge finden könne. Der Diener ging, kam aber nicht wieder; ebenso der zweite und der dritte. Endlich, nach langem Harren, machte sich der Herr selbst auf den Weg. Oben angekommen findet er in einen kleinen Haus ein Weiblein, das ihn mit bedächtiger Miene begrüßt und ihn sagt, ihr Mann sei das Nebelmännlein und ein grausamer Feind der Menschenkinder; wolle er das Schicksal seiner Diener nicht teilen, so müsse er sich schleunigst von hinnen machen. Während sie aber noch sprach, hörte man jemand kommen, und das Weib sagte Ich will Euch verbergen, schlupft da hinunter in den Keller. – Der Ritter folgte dem Wink. Das Nebelmännlein aber ließ sich nicht täuschen. Ich wittere einen Menschen! schnaubte es gleich beim Eintritt. – ein Mensch muss da verborgen sein! und näherte sich dem Kellerloch. Der Ritter, der sich entdeckt sah, trat heraus, aber wie erstaunte er, als ihn der Alte nicht unfreundlich mit Namen begrüßte. Woher wisst ihr, wie ich heiße? Fragte verwundert der Ritter. Ich weiß noch mehr, sagte der Nebelmann, morgen früh wird Eure Gemahlin getraut in der Schlosskapelle zu Bodman. Die sieben Jahr, die ihr Bedung habt, sind längst verflossen. – Den Ritter traf dies Wort wie ein Wetterstrahl; das Nebelmännlein aber fuhr fort: „Ich will einen Vertrag mit Euch abschließen – wisst, ich bin der Nebelmann vom Bodensee, und die Nebelglocke, die jeden Abend in Bodman geläutet wird, schlägt mich jedes Mal bummelnd um den Kopf – wenn ihr mir versprecht, das leidige Ding für ewige Zeiten in den Bodensee zu versenken, so will ich euch noch vor Tagesanbruch in die Heimat schaffen. – Der Ritter willigte ein, worauf das Nebelmännlein einen seiner dienstbaren Geister berief und ihn fragte: Wie schnell bist du? – Wie der Pfeil vom Bogen! Lautete die Antwort. – Du bist zu langsam, versetzte der Nebelmann und zitierte einen zweiten: Wie schnell bist du? So schnell wie der Wind! – erhielt er zur Antwort: Zu langsam – hieß es und ein dritter wurde gerufen, der auf die Frage, wie schnell er sei, zur Antwort gab: So schnell wird es Menschengedanken! Gut, versetzte das Nebelmännlein, Du bist der Rechte auf mit im und davon. –

Der Ritter wusste nicht, wie ihm geschah. – Als er erwachte, lag er auf dem „Gänsriedersteg“ bei Bodman. Lieblich von der Morgensonne beschienen, glänzte der See und die hohe heimatliche Burg, die Glocken riefen zur Kirche. Bei dem Festmahle, das der Trauung folgte, wird dem Fremden im Schlosshofe stehenden Pilgrim hereingerufen und ihm einen Ehrenplatz angewiesen; die Braut selbst kredenzt ihm den üblichen Trunk. Der Ritter lässt seinen Ehering in den Wein fallen, und die gute Frau, als sie Bescheid thun will, sieht das Zeichen auf das Bechers Grunde liegen -sie wird aufmerksam – und erkennt in dem Gaste den todt geglaubten Gemahl – und Alles endet in Freude, der Ritter aber löst getreulich sein Versprechen wegen des Nebelglöckleins. – Gewöhnlich wird der Geschichte im Volksmund durch Verknüpfung der späteren Sage ein tragisches Ende gegeben.- Die Frau will den, durch lange Jahre und Mühseligkeiten gealterten Gemahl nimmer erkennen, worauf dieser des Himmels Strafe und Verderben über die Ungetreue und ihr ganzes Haus herabschwört. Sogleich erfüllt sich die Verwünschung. Ein Wetter zieht am Himmel auf, und der Strahl entzündet die Burg, in welcher alle in den Flammen den Tod finden, mit Ausnahme des jüngsten Sprößlings eines anwesenden Ritters von Bodman, der durch die Geistesgegenwart der Amme gerettet wird. Bis auf den heutigen Tag wird im freiherrlichen Schlosse der Kessel, in dem das Kind gelegen, als Familienreliquie aufbewahrt. Und jeder Fremde, der das gastliche Haus besucht, übt gerne den alten Brauch, stehend auf dem Grunde des ehernen Gefäßes einen Becher Weins auf das Wohl des Geschlechtes von Bodman zu lehren.

Noch soll zuweilen bei niederem Wasserstand die versenkte Nebelglocke gesehen werden. Das Nebelmännlein aber hat seinen Sitz im „Löchle„, einer angeblich unergründlichen Tiefe des See’s bei Bodman, welcher Fleck bei größter Kälte niemals zu gefriert. In stillen Nächten steigt der silberbärtige Alte auf, beirrend die Schiffsleute und beschadigend mit kaltem Reife die Reben.

Die Keller unter dem Schlösslein Frauenberg sollen den heiligen Othmar beherbergt haben. Ein Platz am See heißt noch heute das Othmarsenstücklein; von hier soll der fromme Mönch, aus seinem Kerker entlassen, trockenen Fußes über den See, an das jenseitige Ufer gewandelt sein. – Auch von der ehemaligen Stadt Bodungo lebt noch eine Tradition im Volk. Ein großes Stück Feld, westlich vom Dorf „auf Mauern“ geheißen, soll ihre alten Fundamente bergen.

Unter den hiesigen alten Volkssitten findet sich auch der anderwärts herrschende, jetzt aber abgekommene Brauch, Gegenstände der Landwirtschaft, die vom saumseligen Bauern über Winter draußen im Felde gelassen worden, vogelfrei zu erklären und zur Fastnachtszeit lustig zu verschmausen. – Noch in den dreißiger Jahren holten die Bodman junge Bursche einen Sägklotz vom Felde und schickten sich an, die gute Prise im Wirtshaus zur „Linde“ zu vertrinken – aber man erklärte ihnen, die alten Privilegien hätten aufgehört, und das Fasnachtsrecht sei außer Kraft.

In einer handschriftlichen Chronik fand ich einen ähnlichen Zug aus Hintschingen in der Baar. Bauernweiber, darunter die Frau Vögtin selbst, holten am Aschermittwoch einen im Felde stehen gebliebenen Pflug und hielten auf Kosten des Eigentümers einen Schmaus im Wirtshaus.

Von Bodman bis Wallhausen, die ganze Uferstrecke entlang, führt kein eigentlicher Weg. Ein schmaler Raum zwischen Wald und See dient bei niederem Wasserstand dem Fußgänger zum notdürftigen Pfad. – Von Bodman hatte ich einen Führer und Packträger mitgenommen. Die Luft war immer noch stürmisch, aber wolkenlos und klar. Ein Sonntagnachmittag, ganz geeignet, einen so wild einsamen Landstrich zu durchwandern. Das brausende, tief erregte Gewelle in seinem dunklen Blau bildete einen wundersamen Gegensatz zum jenseitigen grauen Felsgestade und seine sonnenhellen Höhen im zartgrünen Frühlingsgewande. Glänzend stand die verlassene Kirche Neubirnau’s als erhabener Mittelpunkt in der schönen Landschaft.

Während mir längs des Kranzes von verwelkten Blättern, den in vorigen Herbst der Wald dem wellenreichen Bodan um die Stirne gelegt, dahin wandelten, erzählte mein Begleiter mancherlei auf die Gegend bezügliches. – Entlang dem düsteren Bodenwalde, der sich weithin über den Rück ausbreitet, gelangt der Wanderer zu einer Schlucht, über welcher in kolossalen Trümmern auf Felsen die Burg Kargeck, vergessen von der Welt, seit Jahrhunderten die Einsamkeit hütet. Sie ist Eigentum der Herren von Bohman und soll im Bauernkrieg gebrochen worden sein. – Das Gemäuer überblickt weithin den See, und die Besitzer konnten den von Hohenfels am jenseitigen Ufer in die Fenster schauen.

Nach einer Volkssage lebte in dem alten Schlosse eine schöne Fräulein, Fortunata, die von einem Ritter von Hohenfels geliebt wurde. Aber nur in dunkeln, sternenlosen Nächten durfte der Erwählte es wagen, sein von einem tyrannischen Vater bewachtes, Mädchen zu besuchen. Ein zweiter Leander, schwamm er über den breiten See nach dem Schlosse, wo auf hohem Söller ein Licht brannte – das Zeichen der Sicherheit und zugleich dem nächtlichen Schwimmer ein Leitstern. Während er einst dieses Wagnis unternahm, erhob sich ein Unwetter, der rasende Sturm verlöschte das Licht – und der weitverschlagene Ritter fand in den Wogen seinen Tod. – Die Liebende aber nahm ihre Treue mit in’s Grab – sie soll die letzte ihres Stammes gewesen sein. Die Sage läßt wunderseltene Schätze in der Burg verschüttet sein, unter Anderem ein Kegelspiel von purem Golde. Mehr waldeinwärts liegt der boman’sche Prachthof Kargeck. Der See soll in dieser Gegend von außerordentlicher Tiefe sein.

Weiterhin, hart am Ufer, kommen wir zum sogenannten Halbmond, einer alten fichtenbeschatteten schroff ansteigenden Felswand mit einer, wie von Menschenhand gebildeten, Bogenstellung. – Ein harmloses Schneiderlein aus einem benachbarten Dorfe suchte einst im Wald nach Haselnüssen. An der dichtbewachsenen Felswand macht er einen Fehltritt und stürzt hernieder. Aus der Betäubung unverletzt erwachend, gelobte er eine Wallfahrt nach Maria Einsiedeln, mit dem Versprechen, dem dortigen Gnadenbilde so viele Pfund Wachs zu opfern, als sein eigenes körperliches Gewicht betrage. Am fernen Gnadenorte angekommen, läßt er sich wägen – und siehe – sein Gewicht beträgt kaum 10 Pfund. Misstrauisch besteigt er die Waagschale zum zweitenmale – da sieht er bloß noch 5 Pfund. Jetzt ahnt er übernatürlichen Einfluss und wie gut es seinen Fürbitterin die Mutter Gottes mit ihm meine, opfert gläubig nach Maßgabe des reduzierten Gewichtes und scheidet neugestärkt im Glauben von hinnen.

Ferner zeigte mir mein Cicerone die Stelle (vis a vis von Überlingen), wo unterm Wasserspiegel verborgen das sogenannte Teufelstisch liegt – ein isolierter Felsblock von etwa 40 Fuß im Durchschnitte, der nur in ganz trockenen Jahrgängen bei außerordentlich niederem Wasserstand zum Vorschein kommt. Wie der gefrorene See, so wird auch dieses Vorkommniß mit einiger Umständlichkeit gefeiert.

Im Jahre 1829, wo der Block zum Vorschein kam, hielt eine joviale Gesellschaft von Überlingen ein Gastmahl und Tanz auf dem alten Felszahn, dem sie ihre Namen und die Jahreszahl meißeln ließen. Auch im vorigen Jahre (1854) kam der Tisch über der Wasserspiegel. Einen außergewöhnlich niederen Wasserstand beobachtete man auch im Jahr 1672 im März. Damals kam bei Konstanz oberhalb der Rheinmühle nächst der Dominikanerinsel ein großes „Horn“ zum Vorschein, auf welchem ein Freischießen abgehalten, unter Zelten gewirtschaftet und von der Kieferzunft ein Fass gefertigt wurde.

Den höchsten Stand des See’s brachten die Monate Juni und Juli im Jahre 1817. Dazumal machten manche seiner kaltblütigen Bewohner Exkursionen in ganz fremde, vorher nie von Fischaugen erschaute Gegenden. In den Straßen und Häusern von Konstanz zum Beispiel wurden häufig Fische gefangen; in Unteruhldingen stand ein Bäcker, der nach seinem unter Wasser gesetzten Backofen sah, eine mächtige Forelle in demselben, und der Kiefermeister zu Mainau hatte sogar das Glück, in der Schublade des schweren eisernen Tisches, der „Binhausstube“ (am Hafen) allerlei Fische zu fangen.

Unter solchen Diskursen gelangten wir, ermüdet von dem Gang auf Sand und Kies, nach Wallhausen. Wir haben bereits vernommen, dass hier seit 1488 die Commende Mainau den Kelnhof besaß, zugleich mit der Gerichtsbarkeit über das Dorf. Der Ort liegt malerisch hübsch mit den zierlichen landschaftlichen Einzelheiten am Tobelbache, der silberhell durch üppige Wiesen, eingefaßt von Obstbäumen, dem See zueilt.- Westlich, in kaum viertelstündiger Entfernung, steht einsam, hoch über dem See, das Schlösslein Burg, jetzt ein herrschaftlich badischer Parthof. Es ist in der Geschichte vom Mainau gesagt worden, wie die „alte Burg“ zu Dettingen 1405 vom Konstanzer Patriziergeschlechte Blarer mit reichenauischer Bewilligung an den Deutschorden gekommen. Hier ist ohne Zweifel die Heimat des Minnesänger Heinrich von Dettingen zu suchen. – Wenig ist vom Sange dieses Meisters der Nachwelt geblieben; aber das Wenige ist Zeugnis eines tiefen, liebreichen Gemüts. Er singt:

„Lieb, liebes Lieb, liebe Fraue!
Lieb, Trost des Herzens und der Sinne!
Lieb, liebes Lieb, liebe Schaue!
Lieb, daß mich raubet deine Minne!
Hei, lieber Leib,
Selig Weib!
Lieb, liebes Lieb, sehnendes Leid mir vertreib!“

Von der alten Burg sehen wir nur wenige Mauertrümmer; aber nebenan erhebt sich wohlerhalten mit Zinnen und Giebeln, das spätere Herrenhaus von einem Graben umgeben. Das ganze Anwesen macht den Eindruck einladender Heimeligkeit, weitentlegen von prosaischem Weltkram. – Von der einen Seite drängt sich ein finsterer Tannenforst dicht heran, während gegen den See ein urwüchsiges Gehölz von Buchen und Fichten den steilen Abhang beschattet. – Im oberen Stockwerk des Pächterhauses finden wir einen kleinen Saal, der mit Ziegelsteinen gepflastert ist und einen Hausaltar hat und einen Erker, dessen Fenster die anmutigsten Fernsichten geben – von der jenseitigen Sängerburg Hohenfels und den schwarzwaldiegen Höhen hinter Aufkirch bis zum weitsichtbaren Heiligenberg und dem fernen Meersburg, wo die Tiroleralpen noch hervortreten – und tief unter uns liegt der See und der abschüssige, wildverschlungene Wald, deren gemeinsames Brausen feierlich im Winde verhallt.

In der Nähe auf einsamer Wiesenau ruht das Dörflein Dettingen, wohin die Höfe Burg, Rohnhausen und das Dorf Wallhausen pfarrhörig sind. – Von hier kehren wir zurück nach Wallhausen, um von da nach Dingelsdorf zu wandern. – Dieses ehemals mainausche Pfarrdorf hat eine eben so malerische Lage wie Wallhausen. Noch tragen viele Häuser die Farben und das heraldische Kreuz des Ordens. Einige vorhandene Wohngebäude in Renaissance rühren von einem komptur’schen Amann des 17. Jahrhunderts her; sie wären werth, von einem Architekten gezeichnet zu werden, ehe die Zeit ihr eigentümliches Gepräge vollends verwischt.

Von Konstanz über Lüzlstetten bis hierher und zur nahen Schiffslände Sankt Nikolaus (Überlingen gegenüber) führt eine ehemals stark begangene Straße, die jetzt durch die Dampfschifffahrt etwas verödet ist.

Über Lüzelstetten, berichtet Freund Bader, besitzt man noch eine wohl erhaltene Urkunde von 1285, worin ein Ulrich von Alga „vom Heiligen Geiste geleitet“ dem Stift Reichenau, zu seinem und seiner Vorälteren ewigem Seelenheil, all‘ seine eigenthümlichen Güter „in Liuzelenstetten“ unter der Bedingniß vermacht, dass ihm dieselben wieder zu einem „rechten Lehen“ verliehen werden. Diese Güter gelangten später an das Ritterhaus zu Mainau und waren vielleicht der Anfang von dessen Besitzungen zu Lüzelstätten. Aber auch das Domstift von Konstanz hatte Güter daselbst, deren Lehnsbesitzer öfters genötigt waren, gegen die strenge ritterliche Oberherrschaft, welche in dem tonsierten Lehnsherrn einen „Sackaufheber“ sah, Klage zu erheben. Komtur und Bischof stunden wohl nicht immer auf dem brüderlichen Fuße miteinander.

Indem wir Lüzelstetten noch besuchen, nähern wir uns wieder unserem Ausgangspunkte, der Insel Mainau. – Dem holden Eilande mit seinem See letzte Grüße zusendend, schlagen wir den Waldweg ein, nach dem einsamen Klosterbau St. Katharina, und weiter zum Dorfe Wollmatingen, an die Ufer des jenseitigen Untersee’s.

St. Peter und Paul in Bodman. Bleiglasfenster von 1889, Darstellung: Hl. Otmar, Wappen des Stifters Othmar Freiherr von Bodman-Bodman. Foto: GFreihalter.

Pfarrkirche St. Othmar in Kirchberg. Hochaltar: Statue des heiligen Othmar (1710). Foto: Wolfgang Sauber

Pfarrkirche St. Otmar, Ludwigshafen. Photo: Veit Feger

Wappenscheibe der Fürstabtei St. Gallen im Kreuzgang des Klosters Muri. Wappen der Abtei (Schwarzer Bär auf goldenem Grund), der Grafschaft Toggenburg (Schwarze Dogge auf goldenem Grund) und von Fürstabt Diethelm Blarer von Wartensee; neben den Schilden die Heiligen Gallus und Otmar von St. Gallen; im Oberbild Gallus im Gebet und mit dem Bären. Foto: Marco Zanoli

Die Burg brennt

Schloss Frauenberg

Schloss Frauenberg ist eine ehemalige Burg der Grafen von Bodman bei Bodman-Ludwigshafen und wird heute durch die Communitas Agnus Dei als Kloster Frauenberg genutzt.

Die Burg Frauenberg war ursprünglich der Sitz der gräflichen Familie, bis am 16. September 1307 während eines Familienfestes ein Blitzschlag einen Brand verursachte. Der Legende nach verbrannte die gesamte gräfliche Familie und einige Angehörige des Hegauer Adels. Unter den Opfern waren Conrad, Katharina, Adelheid und Anna von Bodman, Gottfried von Kreyen (Krähen), Heinrich von Blumegg und die Ritter Hans von Bodman und Hans von Schellenberg. Nur der jüngste männliche Namensträger des Geschlechts, der einjährige Johannes von Bodman, überlebte die Katastrophe, indem die Amme das Kind in einen großen Kessel steckte und diesen samt Kind aus dem Fenster warf. Der Kessel stürzte die Felsen hinab, wurde von den Büschen gebremst und blieb schließlich hängen. Der Fundort ist heute durch einen kleinen Obelisken gekennzeichnet.

Nach dem Brand errichtete der Großvater des Geretteten am Ort der vollständig zerstörten Burg Frauenberg eine Kapelle mit Priesterhaus und schenkte diese um das Jahr 1308/09 dem Zisterzienserkloster Salem für die Errettung des Stammhalters. Das Kloster baute die abgebrannte Burg zum Kloster Frauenberg aus. Im Jahre 1515 fanden Baumaßnahmen und eine Neukonsekrierung statt; in den Jahren 1610/11 wurde das Gebäude schließlich erneut umgebaut. Im Zuge der Säkularisation gelangte das Kloster 1806 in den Besitz der gräflichen Familie zurück.

Teufelstisch

Der Teufelstisch ist eine Felsformation im Überlinger See. Es handelt sich hierbei um eine Felsnadel, die am Bodanrück im Uferbereich zwischen Wallhausen und dem Beginn der Marienschlucht dem Steilabfall des Flachwasserbereichs (dem „Felsen“) vorgelagert ist. Die Felsnadel endet in einer flachen Platte dicht unter der Wasseroberfläche.

Das häufig sogar von der Seeoberfläche aus sichtbare Plateau des Teufelstisches hat eine Größe von rund 22 m × 10 m (Fläche: 160 m²) und liegt normalerweise bis zu 1,5 m, bei Hochwasser bis zu 3 m unter der Wasseroberfläche. Seeseitig fällt die Wand des Teufelstisches fast senkrecht bis in rund 90 m Tiefe ab. Der Teufelstisch befindet sich 50 m vom Ufer und 14 m vom uferseitigen Niedrigwasserbereich entfernt. Ein schmaler Felssteg an der südsüdwestlichen Seite des Tischs, der sogenannte Sattel, verbindet den Gesteinszacken in rund 32 m Tiefe mit dem Gestein des landseitigen Bodanrück-Sockels, so dass tatsächlich nur etwas mehr als 30 m der Zinne wirklich frei stehen.

Das Plateau liegt nur bei sehr starkem Niedrigwasser über der Wasseroberfläche. Bei einem Pegelstand von unter 2,40 Meter wird es teilweise begehbar, ab einem Wasserstand von unter 2,30 Metern ragt die gesamte Oberfläche aus dem Bodensee. Diese Ereignisse werden von den Jahren 1672, 1823, 1829, 1854, 1858, 1909, 1949, 1963 und 1972 berichtet. Alle Angaben aus Wikipedia. Wobei 1829 mit der Tanzgesellschaft bei Wikipedia nicht verzeichnet ist. Auch über 1672 und dem „großen Horn“, dem Freischießen und dem Faß lässt sich nichts finden.

Seezeichen 22, Teufelstisch.
Foto: Holger666

Teufelstisch.
Foto: Marco Hertwig

Sagen und Legenden um die Burg Tettingen

Wie bei allen Burgen ranken sich auch um die Burg Tettingen Sagen und Legenden. Aber leider sind uns heute nur noch wenige bekannt. Zu ihnen gehören die „Legende von der Christnacht 1790“ und „Das verschollene goldene Kegelspiel.

Die Christnacht im Jahre 1790

Wie es alle Jahre Brauch war, gingen die Leute vom Burghof auch in der Christnacht 1790 zur Christmette. Um die Mitternachtsstunde wurde diese in der Pfarrkirche zu Tettingen abgehalten.

Tief verschneit lagen Wald und Flur. Silbern glitzerte der Schnee in der klaren Mondnacht. Nur ein schwaches Licht brannte oben in der Burgstube. Hier hütete eine junge Magd, die zurückgeblieben war, das jüngste Töchterlein des Burgherren. Fürchten brauchte sich die junge Maid nicht, denn wachsame Hunde lagen am Eingang der Burg. Wehe dem Fremden, der es gewagt hätte, in die Burg einzudringen. Dumpf und schwer schlug die „Osianna“-Glocke auf dem Überlinger Münster die Mitternacht. Ringsum läuteten die Glocken ihr Jubilate in die Heilige Nacht und kündeten die Geburtsstunde des Herrn. In Kirchen und Kapellen knieten die Menschen und feierten das Wunder der Heiligen Nacht. Friedlich schlief das Kleine in der alten Wiege, in der schon sein Urahn gelegen hatte. Die Magd betete vor dem Herrgottswinkel. Über allem lag ein heiliger Zauber: Christus ist geboren!

Plötzlich horchte die Magd auf. Leise Schritte auf dem Gang, ein Rauschen, wie von einem schweren Kleid. Leise öffnete sich die Türe. In ihr steht ganz in weiß gekleidet ein blühend junges Weib. Als wäre ihr eine Heilige erschienen, sinkt die Magd in die Knie und starrt die geheimnisvolle Dame an. „Fürchte die nicht!“, sprach die Erscheinung. „Es soll dir kein Leid geschehen, aber laß mich kurze Zeit bei dir ruhen und meine Not dir klagen. Endlose Jahre schon muß ich friedlos wandern, von einer Christnacht zur andren. Böses tat einstmals einer meiner Ahnen, er verging sich an der Unschuld eines Mädchens. Nun muß eines unserer Sippe dafür büßen. Mich traf dieser furchtbare Fluch. Kinderlos blieb mein Schoß, und früh mußte ich von dieser Erde scheiden. Doch ruhen darf ich nicht, Denn noch ist der Baum nicht gepflanzt, aus dessen Holz man einst die Wiege schnitzt für den, der mich erlösen soll, einmal in der Christnacht durch sein Beten.“

Sprach’s und leise, wie sie gekommen war, verschwand die Erscheinung wieder. Und wieder umgab tiefe Stille die Magd und ihrern Schützling in dieser geheimnissvollen Nacht.

Das verschollene goldene Kegelspiel

In vielen Burgen haben sich die edlen Herren mit Kegelspielen vergnügt. Kunstvolle Figuren aus Holz und sogar aus reinem Gold wurden verwendet. Eines Tages nun war das goldene Kegelspiel verschwunden. Irgendwo auf dem Burghof hatte es ein Ritter vergraben. Lange hatte man danach gesucht, es aber nie mehr gefunden. In dunklen, unheimlichen Nächten allerdings, soll dieser Ritter, der danach keine Ruhe mehr gefunden hat, dieses goldene Spiel hervorholen und die Kugel rollen lassen. Oft haben früher die Leute dieses unheimliche Rollen der schweren goldenen Kugel vernommen und zwar immer dann, wenn wieder einmal Schatzsucher nach dem verschwundenen Kegelspiel gegraben haben.

Quelle: Festschrift und Orts-Chronik anläßlich der 1250-Jahr-Feier



Heinrich von Tettingen

Lieb liebes lieb liebú vꝛowe·
lieb h̾zen troſt vn̄ der ſinne·
lieb liebes lieb liebú ſchowe·
lieb dc mih rǒbet din mīne·
hei lieb̾ lib
ſelig wib·
lieb liebes lieb ſendú leit mir v̾trib·

Lieb dv biſt mir nv vil lange·
lieb vn̄ han dir vil geſvngē·
nach din hulde iſt mir ange·
des hat mich mīne betwūgen·
ach frowe min·
ſich d̾ pin·
nimet froͤide mir ſol ich lange alſe ſin·

IR ſchoͤne ir gvͤte ir gebare·
hant mich ze tode v̾wundet·
des ſtirbe ich nv ī einē iare·
ob mich ir troſt niht geſvndet·
ach wafena·
ſi iſt mir da·
lieb vn̄ lit minē herzen vil na·

Das dú zit iſt alſo ſchoͤne·
da vō ſiht mā nv die heide·
wol gebluͤmet[WS 2] vn̄ dē walt·
dar zv̊ ſingēt ſvͤze doͤne·
kleine vogel dē vil leide·
tet húr ê d̾ wint̾ kalt·
ſi vꝛoͤwēt ſich deſ meijen blvͤte·
dv́ mih twinget doch mit guͤte·
dc dú troſte mī gemvͤte·
ich wurd ǒch ze froͤden balt·

Mir wirt alſe wol zemv̊te·
ſwāne ich die vil liebē ſvͤzen·
ſihe ſo mīneklich getan·
da kvmt es mir ǒch zegv̊te·
wil ſi mīnekliche bvͤzē·
dc ich ſendē kvmb̾ han·
vō ir liebeſ wibes mīne·
lieb minſ herzen kv́nigīnne·
vuͤge dc ich noh gewīne·
vō dir troſt vn̄ liebē wā·

Das mī vꝛowe mir gevellet·
dc kvmt vō vil maniger gvͤte·
vn̄ dē tvgēdē die ſi hat·
nah ir bꝛīnet vn̄ wellet·
h̾ze lib vn̄ mī gemvͤte·
deſ mir ſchiere wurde rat·
wils an frúndeſ trúwe denkē·
alleſ trurē alleſ krenkē·
mvͤſte ſnelle mir entwenkē·
ob ſi mich zeliebe en pfat·

Niemā iehe dc ich ſi tvmber·
ob ich h̾zecliche mīnē·
ein ſo mīnekliches wib·
ein lant ſolte g̾ne in kvmb̾·
komē moͤht es wol gwīnen·
alſe reineſ wibeſ lib·
dú ſo manige vv̊ge hete·
zizelwehe ſi wol nete·
ah dc ichs ir mīne erbete·
wol litte ich darvmbe kib·

https://de.wikisource.org/wiki/Lieb_liebes_lieb_lieb

Codex Manesse, UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 361r: Heinrich von Tettingen
Zwischen 1305 and 1315
Quelle: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/

Lüzelstetten

Der Name „Litzelstetten“ wurde erstmals 839 als „Luzzilonsteti“ in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Reichenau erwähnt. 1272 wurde die Herrschaft in Litzelstetten durch die Kommende Mainau des Deutschen Ordens übernommen, die sie bis zur Säkularisation 1802 behielt.

Als Großherzog Friedrich I. von Baden 1853 die Insel Mainau übernahm, wurde Litzelstetten zu einem seiner Lieblingsorte, was sich auf die Entwicklung des Dorfes positiv auswirkte. Bis 1918 war die Insel Mainau, das Gebiet des heutigen Stadtteils Egg und das frühere Kloster St. Katharina ein Teil der Gemeinde Allmannsdorf. Im Jahre 1915 wurde Allmannsdorf in die Stadt Konstanz eingemeindet. Nach 1918 entschieden die Grundeigentümer der Mainau, dass die Insel und das in ihrem Eigentum befindliche ehemalige Kloster St. Katharina zur Gemeinde Litzelstetten gehören sollte. Erst mit der Eingemeindung von Litzelstetten in die Stadt Konstanz am 1. Dezember 1971 wurden die Mainau und St. Katharina wieder Teil der Stadt Konstanz, verblieben jedoch beim Stadtteil Litzelstetten. (nach Wikipedia)

Wie Lucian Reich auf „Lüzelstetten“ kommt, konnte ich nicht heraus finden.

Insel Mainau – Goldbach, Sipplingen und Ludwigshafen

Für die dunkle Jahreszeit empfehle ich die Insel Mainau und der Badische Bodensee von Lucian Reich aus 1856. Das Buch hatte ich im Winter 2022/2023 hier vorgestellt und möchte es jetzt aktualisieren.

Hier der das Kapitel Goldbach, Sipplingen und Ludwigshafen

Von Aufkirch schlug ich den Fußweg nach Goldbach ein. Dieses Dörflein liegt am Ausflusse des Baches gleichen Namens mit einer malerischen Schlucht. Die Einwohner sind der Gemeinde Überlingen zugeteilt. Das Kirchlein soll eines der ältesten der Gegend sein; es hat den Papst Silvester zum Heiligen. Die Strasse hierher und weiter ist in Felsen gehauen, die überall schroff emporsteigen und an deren Absätzen kaum der genügsamen Föhre einiges Wachstum gönnen.

Das längst den hohen Felswänden tiefliegende Terrain eignet sich vorzüglich zum Weinbau; die Hitze erreicht hier im Sommer und Herbst einen außergewöhnlichen Grad, während die stets aus dem Gestein sickernde Feuchtigkeit eine allzu große Trockenheit des Bodens verhindert. – Die Vegetation um Goldbach ist die früheste am ganzen See. Einige 1000 Schritte vom Dorfe tritt der Fels hart am Seegestade heran. Aus der Felsmasse blicken wunderliche Fensteröffnungen und Eingänge; es sind die rätselhaften Heidenlöcher. Nur wenige Reste sind noch davon zu sehen, weil der neuen Straße nothwendig ein Teil des Felsvorsprungs weichen mußte. Doch ist genug übrig geblieben, um den Charakter des Ganzen darin zu erkennen. Eine Stiege, in den weichen Molaß gehauen, führt zu den verlassenen Gemachen, deren es ursprünglich viele waren – Stuben, Kammern, Küche und Keller, alles in Felsen gehauen. Die Sage eignet den Bau den Heiden, auch verfolgten Christen zu, während Neuere römischer Arbeit daran erkennen wollen. Bis jedoch die Gelehrten einig sind, mag es jedem Einzelnen anheim gestellt bleiben, das einsame Felsenfest auf die eine oder andere Weise entstehen zu lassen. Seine unzugängliche Lage scheint jedenfalls für einen Zufluchtsort zu sprechen; die Weichheit des Gesteins mochte zunächst auf einen solchen Gedanken geleitet haben, wie denn in der Nachbarschaft noch häufig ähnlich beschaffene Keller, Felshütten usw. anzutreffen sind.

In späterer Zeit dienten die Kammern, allerlei Gesindel und Landfahrern zum Aufenthalt. – Die letzte historisch erwiesene Person, die darin hauste, ist ein Spitzbube, vulgo „der kleine Fidele“.

Dieser Mensch war in den vorigen 80er Jahren durch seine Einbrüche und frechen Diebstähle lange Zeit der Schrecken der Umgebung, ohne dass man seiner habhaft werden oder seinen Aufenthalt ausfindig machen konnte. Da sahen eines Morgens Fischer, welche den wellenbespülten Felsvorsprung umruderten, Rauch aus einer der Löcher dringen und zugleich den Kopf eines Menschen eilig sich zurückziehen. – Es war der kleine Fidele, welcher in der Morgendämmerung, während sein Frühstück am Feuer schmorte, zur Felsburg herauslugte über das Bereich der Gewässer und Dörfer, die ihm tributpflichtig waren. – Es wurde Lärm gemacht und Mannschaft herbeigeholt, die, an Stricken von oben herab gelassen, in die Höhlen eindrang und den Burgherrn nach verzweifelter Gegenwehr gefangen nahm. An welchem luftigen Rabenstein er sein tatenreiches Leben beschloß, meldet die Geschichte nicht.

Der Abend war bereits herangekommen, als ich diese Gegend durchzog. Geisterhaft finster schauten die halb zerfallenen Taglöcher aus der gelblichgrünen Masse, und bildete dieser Vorgrund einen auffallenden Contrast zu dem glühenden Abendhimmel, in welchem wie auf Goldgrund das alte Bodmerschloss ragte und die Kirchturmspitze von Sipplingen.

Weiterhin gegen Brünnensbach war ehedem eine Einsiedelei mit Küche und Schlafstelle, ebenfalls ein Felsenwerk. – Die Phantasie mag sich’s poetisch ausmalen, hoch über dem Wellengebrause, unangefochten vom Weltenlärm, in einsamen Felskämmerlein der Beschaulichkeit zu leben. Aber ein gewisser Heroismus oder, wenn man will, ein wunderlicher Heiliger gehörte ebenfalls dazu. – Man denke sich wochenlange, tödlich einförmige Regentage, die Schauer der Nacht, wenn kalte Winterstürme dem verschwundenen Frühling und Sommer das Requiem singen, wenn der Schlaf das Lager flieht, in Stunden, wo die trübsinnige Seele nach menschlicher Teilnahme sich sehnt. Ein solches Einsiedelgemüt – gleicht es nicht der Pholade, die in Felsen eingebohrt, mitten im Gebrause des Weltenmeers, einsam, sich selbst leuchtend, ein wunderliches Stillleben führt?

In der Nähe dieser Felsklause stand die uralte Sankt Katharinakapelle, die ebenfalls dem Straßenbau geopfert werden mußte. Sie enthielt unter Anderem eine Votivtafel, die folgendem Vorfall ihr Dasein verdankte. Ein Bauer pflügte mit einem Ochsengespann auf den Feldern unmittelbar über der Kapelle. Sein 15 jähriges Töchterlein leitete das Zugvieh. Durch einen Zufall werden die Tiere scheu, das Kind wird in eine Stränge verwickelt und mitgerissen über die Felswand hinunter in den See. Erstarrt und händeringend steht der Vater -aber siehe, welch ein Wunder! – Unversehrt schwimmen die beiden kräftigen Tiere dem jenseitigen Ufer zu, und die Jungfrau hält sich krampfhaft fest am Riemenzeug – und so teilt der wunderbare Zug, beschützt von himmlischen Mächten, die Wogen und landet glücklich am jenseitigen Ufer des tiefen, wohl eine halbe Stunde breiten Sees. – Aus Dankbarkeit gegen die heilige Katharina, deren Schutz der bedrängte Vater in dem qualvollen Momente angerufen, ließ dieser nachher das Gemälde verfertigen und in der Kapelle aufhängen. Als diese vor einigen Jahren weggeräumt wurde, nahm der Pächter vom gegenüber liegenden Kargeckerhof die Tafel an sich, wo sie bis auf den heutigen Tag noch zu sehen ist.

Wem aber dieses Ereignis in Bezug auf die Ausdauer der Tiere unglaublich scheinen möchte, der kann sich hin und wieder am See Ähnliches aus neuerer Zeit berichten lassen. So zum Beispiel verwilderte vor einigen Jahren dem Pächter auf der Mainau ein Stier, der sich in der See warf und an das jenseitige, wohl drei Viertelstunden entfernte Ufer schwamm, wo er noch einige Zeit verwüstend in den Feldern hauste. Ebenso erzählte ein Metzger, der zufällig mit mir von Allensbach nach der Reichenau überfuhr, wie er kürzlich auf der Insel eine Kalbin gekauft und zu Schiff nach Allensbach habe verbringen wollen. Scheu geworden durch die Ruderschläge, sprang das Tier zum großen Schrecken des Eigentümers ins Wasser, schwamm aber, gezähmt durch das ungewohnte Element, folgsam dicht neben dem Kahne bis zum gegenüberliegenden Landungsplatze.

Jenseits der Heidenlöcher, gegen Sipplingen zu, heißt das Gelände an den Felsengründen der Rosenberg und ist einer der vorzüglichsten Weinlagen am ganzen Seeufer.

In Sipplingen nahm ich mein Nachtquartier. Das Wirtshaus zum Adler, in dem ich logierte, war ehemals ein Nonnenkloster. Die Schwestern hatten vor Zeiten ihren Sitz oberhalb des Pfarrdorfes auf der sogenannten Nonnenebene; als die Gebäulichkeiten zu Ende des 17. Jahrhunderts durch Brand zerstört wurden, siedelten sich die Nonnen im Dorfe an. – Nach der Tradition wurde Sipplingen durch die Schweden abgebrannt; nur ein einziges Haus blieb verschont und zwar durch folgenden freundlichen Zwischenfall.

Als die Schweden und ihre Verbündeten das Dorf in Flammen aufgehen ließen und an diesem Häuslein auch die Brandfackel anlegen wollten, sprang ein Soldat hervor und bat um Schonung. Vor mehreren Jahren sagte er seinen Kameraden, sei als armer wandernder Handwerksbursche, den man nirgends beherbergen wollen, hier in diesem Hause gastlich aufgenommen und unentgeltlich mit einem Trunk Rotwein bewirtet worden. – Die wilden Kriegsknechte fanden die Einsprache beachtenswert, und die Hütte blieb stehen. Noch heute sieht man an seiner Außenwand eine Weinkanne und einen Becher angemalt. Das Haustürgestell trägt die Jahreszahl 1599.

Die Einwohner Sipplingen’s gehören zu den Tätigen am See, weshalb sie von ihren Nachbarn vorzugsweise zu Arbeitern begehrt werden. Ihr Feldumtrieb ist ein eigentümlicher; noch vor wenigen Jahren ging hier ein Pflug, kein Pferde- oder Ochsengespann ins Feld, Alles wurde und wird größten Theils noch durch Menschenhand verrichtet. – Es hat etwas Schönes, die Leute mit ihren silberglänzenden Spaten in’s Feld gehen zu sehen. Diesen, allerdings mühevollen Feldbauverhältnissen ist es zuzuschreiben, dass kein Auswärtiger sich so leicht nach Sipplingen verheiratet oder eingekauft, weshalb der Ortsstamm noch ein ganz unvermischter und eigentümlicher ist.

Der Weinbau hat sich in neuerer Zeit sehr gehoben und das Sprichwort vom sauren Sipplinger durchaus zur Unwahrheit gemacht. Der üble Ruf, in dem dieser Wein früher stand, hat es sein Entstehen vorhandenen Grundverhältnissen zu verdanken. Das meiste Geländ war fremdes Eigentum, und wurde gegen die Ertragshälfte gebaut; die Bauern aber behielten die bessere zurück und gaben das Schlechtere, taten auch überhaupt wenig zur Veredelung der Sorten. Wenn nun der Zinswein in den fremden Kellern zum Verkauf kam, verzog es den Kauflustigen schon unwillkürlich den Mund beim bloßen Ausrufen des Namens „Sipplinger“, der höchstens als Trunk für die Dienstboten gekauft werden mochte. In neuerer Zeit ist aber, wie gesagt, der Sieblinger bedeutend besser als sein Ruf, ja er ist den besten Weinen der ganzen Gegend beizuzählen. Ein Grund der Verbesserung ist die Ablösung der Grundzinse und das Eigenmachen der Grundstücke. Zu dem kam noch ein anderer wohlthätige Einfluss: „Der Herr Markgraf Wilhelm“, sagen die Bauern, „hat uns die ersten Setzlinge edler Rebsorten geschickt. Ihm verdanken wir sehr viel.“

Nicht wenig zur Hebung der Culturverhältnisse hat auch die neue Straße von Überlingen über hier nach Ludwigshafen beigetragen. Bevor sie gebaut war, lag Sipplingen, zu Lande wenigstens, abgeschlossen in seiner berg- und felsumgebenden Kluft. Die Einwohner sehen deshalb den Straßenbau mit Recht als eine große Wohltat an, und vielfach hörte ich die Äußerung: der Weg solle zu dankbarster Erinnerung an ihren durchlauchtigsten Begründer die Leopoldstraße heißen.

Nahe beim Dorf liegt am Absatz der mächtigen Felswand die Ruine Hohenfels, ein kolossaler, zerrissener Burgturm, umgeben von zertrümmerten Wohngebäuden und einer Ringmauer. Es ist die Heimat Burckharts von Hohenfels, des lieberfüllten Sängers und kühnen Weidmanns, dem zu Mute ist „wie dem wilden Fisch im Bären (Bähren, Garn); dessen Freiheit sich neigt, der vielen Liebe zu; – die so gewaltig sitzet auf seines Herzens Thurm, der veste ist von allen Sitten.“ –

Noch hat sich im Volke das Andenken einer „guten Frau Hildegard vom alten Schloss“ erhalten, welche, die letzte ihres Stammes, bedeutende Vergabungen an die Kirchen der Umgebung und an das Spital zu Überlingen gemacht haben soll. Ein Platz bei Hohenfels heißt noch heute das Hildegardens Gärtle. Die Sage berichtet der Guten einen Schweinskopf an und läßt sie ihre Nahrung aus einer silbernen Schüssel zu sich nehmen.

Unterhalb der Burg steht der Hohenfelserhof, und in der Nachbarschaft finden sich die Trümmer der Bergschlösser Clausberg und Heldenburg, die mit mehreren Dörfern im Überlinger Amte die Herrschaft Althohenfels ausmachten, im Gegensatz zu den Neuhohenfels, das von dem deutschen Orden an die Fürsten vonZollern kam.

Eine der herrlichsten Aussichten am ganzen See gewährt ein aus dem Walde hervortretenden Felszacken beim Haldenhof, oberhalb der Burg Althohenfels. – In glänzender Pracht entsteigen die herrlichen Alpen und die Hegauer Berge majestätisch dem Gesichtskreis, während die dunklen Forste des Rück, der Untersee mit Reichenau, der Ober- und Bodmersee von Ludwigshafen bis Bregenz, ausgebreitet zu unseren Füßen liegen.

Nach etwa einstündiger Pilgerfahrt kommen wir nach dem alten Gernantingen, welches seit seiner Erhebung zum Hafenplatze den Namen Ludwigshafen führt.

Gernartingen gehörte früher mit Sipplingen zur Grafschaft Neuenburg, deren Hauptort Stockach war. Beide Orte verbindet eine alte Straße. – Der verewigte Großherzog Ludewig faßte den Plan, dem trefflich gelegenen Verkehrsplatze einen Hafen zu geben. Die neue Schöpfung erhielt rasch große Handelsbedeutung, verlor aber durch die württembergische Eisenbahn und ihre Endstation Friedrichshafen einen großen Teil ihrer Frequenz; doch ist der Transithandel mit Salz, Holz usw. noch immer sehr lebhaft. Nach dem Volksglauben wäre Gernatingen eine der ersten Stätten des Christentums und die Kirche auf den Grundmauern eines Heidentempels errichtet. Der vorhandene Bau ist jedoch einfach mittelalterlich. An einer Außenwand sind noch Überreste eines Fresko Bildes sichtbar, ein heiliger Christoph und zwei Wappenschilde, deren Embleme nicht mehr zu erkennen sind. Vielleicht beziehen sie sich auf das ehemals hier ansässige Adelsgeschlecht.

Einige 100 Schritte vom Dorfe steht eine Gottesackerkapelle, die aus Dank für das Verschwinden einer großen Viehseuche im 17. Jahrhundert errichtet wurde. Es kam bei diesem Bau die besondere Bestimmung vor, dass eine Kuh von der Gemeinde Herde geopfert, das heißt der Erlös von ihr zur Ausschmückung der Kapelle verwendet werden sollte. Der Zufall mußte entscheiden, von welchem Eigentümer der Beitrag erhoben werden durfte. Man legte nächst dem Neubau eine Stange quer über den Weg und bestimmte, dass die Kuh, welche beim Eingang der Herde das Ziel zuerst überschreiten werde, das verlangte Opfer sein solle. Und siehe, das schönste Stück der ganzen Herde schritt zuerst über die Stange.

Wie die Nachbarorte Sipplingen wird auch hier die gute Hildegard als Wohltäterin verehrt. Nach der Tradition wäre sie die Besitzerin eines noch vorhandenen Schlössleins gewesen, welches jetzt Privateigentum, früher mit Mauern und Graben umgeben, eine Freistatt für verfolgte Verbrecher war.

Im Wirtshaus zum Adler nahe dem Hafen nahm ich Quartier. Nach einer Weile trat ein alter wandernder Musikant herein und bestellte für sich und sein Töchterlein einen Teller voll Suppe. Er erzählte den Anwesenden, dass er in einem nahen württembergischen Grenzorte zu Hause sei und vom Stockacher Jahrmarkt komme, wo er und sein Kind musiziert hätten; das Ergebnis sei aber ein schlechtes gewesen und habe nur wenig über die Erlaubnißtare betragen. Während dem Reden hatte er sein Instrument hervorgezogen und gab, begleitet von der Tochter, ein Stück seiner Kunst zum Besten. Er spielte die (altgriechische) Doppel- oder, wie er sie nannte, Duceflöte; sein Töchterlein, ein ärmlich aber rein gekleidetes Mädchen von 13 Jahren, blies das Waldhorn dazu.

Die Musik bei offenen Fenstern mochte weit in den stillen blauen Frühlingstag hinausströmen, denn alsbald erschien der Ortspolizeidiener, um mit strenger Miene zu fragen, ob das Paar Erlaubnis habe öffentlich zu spielen. – Der Alte nahm seine beiden Pfeifen vom Munde und sagte, mit ironischem Humor auf das Süpplein deutend, das unterdessen aufgetragen worden: „Ich mache für mich Tafelmusik“. Der Dienstmann stand verblüfft, und entfernte sich ohne weitere Einsprache. Die Zuhörer aber freuten sich des guten Einfalls und ließen für den launigen Alten und seine Mignon den Teller herumgehen.

Der jetzt erloschenen Namen Gernatingen spielt übrigens in der Geschichte des bodenseeischen Bauernkriegs eine kleine Rolle. Es lag in dem Dorfe einmal die Mannschaften des schwäbischen Bundes und der Städte, während der kritischen Momentes einer Unterhandlung mit dem sogenannten Seehaufen. Da ergaben sich 600 Bauern, welche Gernantingen hatten erobern sollen, an die Bündischen und dieses entschied den Vorteil der letzteren. – Noch findet sich ein Schreiben vor, worin für einen gefangenen Gernatinger, welcher sich „im verschinen Baurenkrieg unabgefallen und erlich bei der Oberkeit gehalten“ Fürsprache eingelegt wird.


Heidenhöhlen bei Goldbach

Die Heidenhöhlen sind westlich des Dorfes Goldbach in den Molassesandstein des fast senkrecht abfallenden Heidenlöcherfelsens eingehauen, der früher bis in den See hineinragte. Dadurch sperrte der Fels das Ufer, so dass dort nur ein Fußweg bei niedrigem Wasserstand von Goldbach Richtung Sipplingen führte.

Nordwestlich des ebenfalls zu Überlingen gehörenden Weilers Brünnensbach gab es eine weiter Stelle, an der der Molassefels bis zum Seeufer reichte. Dort befand sich die Felskapelle St. Katharina, die aus Hohlräumen im Fels bestand und früher Wohnstätte eines Einsiedlers war. Der Uferweg führte direkt durch die Kapellengrotte, die mit Kruzifixen und Heiligenbildern ausgestattet war.

Die Heidenhöhlen wurden 1846 zum Teil zerstört, als für die Bodensee-Uferstraße (die spätere Bundesstraße 31) eine Schneise durch die Felsen gesprengt wurde. Durch ein Unwetter stürzte 1960 der östliche Teil der Höhlen ein. Daraufhin wurden weitere Teile wegen Einsturzgefahr zur Sicherung der nahe gelegenen Bundesstraße gesprengt.

Auch der Felsen bei der Katharinenkapelle und die Kapelle selbst wurden im Jahre 1847 für den Straßenbau zerstört. Danach wurde im verbliebenen Felsenrest ein schmuckloser „Ersatzraum“ angelegt, der an die alte Kapelle erinnern soll. Der Raum ist heute vergittert und unzugänglich; zudem ist es gefährlich, zu der Stelle zu gelangen, denn an der vielbefahrenen Bundesstraße gibt es dort keine Haltemöglichkeit. Der Rest des Katharinenfelsens gehört heute zu einem gleichnamigen kleinen Naturschutzgebiet. Aus Wikipedia

So unglaublich es ist, was unsere Großväter mit der Sprengung im Jahr 1960 angerichtet haben, so ist es noch blöder, dass keiner die Höhlen vorher fotografiert, beschrieben oder kartiert hätte. Eigentlich fehlen einem die Worte über so viel Banausentum und ich stelle die Männer in die geistige Reihe der Taliban die genau dies 2001 mit den Buddha-Statuen von Bamiyan getan haben.

Zum Glück war die Generation vor den Nazis geistig rege und es wurde ein kleines Bisschen von ihnen über die dunkle Zeit gerettet. Hier einige Bilder aus den Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung aus dem Jahr 2011, Band 129, S. 77-132 „Heidenhöhlen“ von Ralf Keller.


Der dankbare Schwede oder das Weinglas am Bodensee

Von Josef Zimmermann / Sipplinger Sage
(nach J. Schmitt, Badische Sagen, Bd. 1)

Im Frühjahr 1634 belagerten schwedische Truppen unter General Horn drei Wochen lang die feste Stadt Überlingen, aber sie konnten sie nicht einnehmen. Aus Ärger über den Misserfolg ließ General Horn beim Abrücken seiner Truppen mehrere Dörfer im Linzgau und Hegau, Sipplingen, Nesselwangen, Weildorf, Frickingen und Altheim ausplündern und in Flammen aufgehen.

Das Dorf Sipplingen wurde bis auf ein einziges Haus niedergebrannt. Als auch an dieses letzte Haus die Brandfackel gelegt werden sollte, trat einer der schwedischen Soldaten vor seinen Offizier und bat um Schonung des Hauses. Gerührten Herzens erzählte er seinem Vorgesetzten, er sei vor Jahren als armer Handwerksbursche müde und hungrig in dieses Dorf gekommen und habe um bescheidene Gabe gebeten. Überall aber sei er unbarmherzig abgewiesen worden, nur in diesem Haus sei er gastfreundlich aufgenommen und mit Speisen und einem Becher Rotwein bewirtet worden. Der schwedische Offizier freute sich über die dankbare Gesinnung des Soldaten und befahl, das Haus und seine Bewohner zu schonen. So blieb das Haus stehen, bis es im Jahre 1858 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden musste. Über der Haustüre war damals noch die Jahreszahl 1599 zu leben, und an der Hauswand war ein Weinkrug und ein Weinglas gemalt, und darunter stand der Spruch: „Seid barmherzig, dann wird auch euch Barmherzigkeit erwiesen werden!“

https://stollen-ueberlingen.de/ueb/minnedichter/index.htm

Gegenüber von Altbodmann, am jenseitigen Ufer des Ueberlinger See’s, ragt ein hoher Fels, abgesondert von der übrigen Bergkette, und auf ihm stehen die Ruinen der alten Burg Hohenfels. Ihr Name hat sich im Volke nur noch in dem sogenannten Hohenfelser Hof, der am Fuße des Berges liegt, erhalten. Dort erzählen die Leute von einer besonders wohlthätigen Frau von Hohenfels, die einst auf der Burg wohnte. Sie soll sich durch reiche Stiftungen an die Kirchen der Umgegend und durch unzählige Almosengaben verewigt haben. Das Volk nennt sie daher nur die gute Frau Hildegard. Ein Platz nahe der Burg Hohenfels heißt jetzt noch das „Hildegardens-Gärtle.“ (Wikipedia)


Doppelflöte

Eine Doppelflöte ist eine Flöte mit zwei separaten oder miteinander verbundenen Spielröhren, die zugleich angeblasen werden. In Europa bestehen Doppelflöten üblicherweise aus einem Holzstück, das zwei über Kernspalte angeblasene Spielröhren enthält, seltener kommen gedoppelte Längsflöten ohne Kernspalt vor und eine Besonderheit stellen in Indien ungefähr mittig angeblasene Querflöten dar. Je nach Anordnung der beiden Grifflochreihen sind Doppelflöten für ein zweistimmiges Melodiespiel, ein Zweiklangspiel mit einem festen Intervall (Akkordflöte), einen Zusammenklang zweier annähernd gleicher Töne, der eine Schwebung bewirkt, oder – wie in den meisten Fällen – für das Spiel einer Melodie- und einer zweiten liegenden Stimme (Bordun) geeignet.

Links zwei Doppelflöten aus der Schweiz (um 1800) und Deutschland (Ende 18. Jahrhundert), rechts zwei dvojnice aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien (19. Jahrhundert). Metropolitan Museum of Art, New York. Wikipedia

Insel Mainau – Salem und Ueberlingen

Für die dunkle Jahreszeit empfehle ich die Insel Mainau und der Badische Bodensee von Lucian Reich aus 1856. Das Buch hatte ich im Winter 2022/2023 hier vorgestellt und möchte es jetzt aktualisieren.

Hier der das Kapitel Salem und Ueberlingen

Salem

Salem und Uerberlingen

Von Meersburg führt ein Uferweg nach dem Dorfe Unteruhldingen. Dieser Ort, ehemals fürstenbergisch, liegt unmittelbar am See, der Mainau gegenüber, und erinnert mit seinem flachen Ufern und verpfählten Landungsplätzen an Bilder der Niederländischen Schule. – Als wohlgelegene Marktstätte hatte Uhldingen ein großes Kornhaus, welches jetzt, da der Fruchtmark sehr nachgelassen, einer Gesellschaft von acht bevorrechteten Schiffern zum Magazine dient. Noch zeigt man an einer nahen waldbewachsenen Anhöhe die „Knabenlöcher“ verlassene, in den Fels getriebene Gänge, in welchen nach einer Sage einst Gold gegraben und auf dem Heiligenberg, in den „Goldhäuslein“ bei der Heinrichsquelle, geschmolzen wurde.

Der Mittag war heiß, und ich suchte nächst einem Bauernhaus Schatten, wo ein Alter auf grünem Wiesenplatze beschäftigt war, junge nachgesetzte Stämme von Raupennestern zu säubern. Der Mann hatte bereits nahe an die 80 Frühlinge gesehen und trug, eine Seltenheit am See, noch die alte Tracht. – Er schaute den Fremden lächelnd an, als dieser unter Anderem nach den unterirdischen Gängen fragte, wo früher Gold gegraben worden. Es mochte ihm scheinen, als habe er einen Schatzgräber, oder einen goldhungernden modernen Abenteurer vor sich, der in Uhldingen ein zweites Kalifornien suche.

Er wies gleichgiltig mit der Hand nach der Berghöhe, und als ich der Sage weiter nachfragte, meinte er: „von gegrabenem Gold spüre man in der Gemeinde nimmer viel – werde auch wohl Alles nur Erdichtung und Fabelwerk sein.“ Sein großes, ehrliches Gesicht verriet einen Anflug von Beleidigung, dass man ihn für so einfältig halte, an dergleichen zu glauben.

Ich gab ihm Recht, und er erzählte mir, dass vor einigen Jahren ein paar Hirtenbuben, die im Innern der Höhle aus Wunderwitz ein Feuer angezündet hätten, vom Qualm beinahe erstickt, hervor gezogen worden seien. Er berichtete mir mancherlei aus der Zeit, da Uhldingen noch zur Grafschaft Heiligenberg gehörte. Der Fruchtmark sei dazumal ein bedeutender gewesen, und von Sulgau, Altshausen und der Umgegend befahren worden. Alle Mittwoch seien bei 400 Malter Korn von hier über’s Wasser nach Konstanz und in die Schweiz verführt worden. Der Verkehr habe seitdem aber durch die württembergische Eisenbahn sehr gelitten.

Ihre Gemarkung von geringerem Umfang sei erträglich, auch werde etwas Wein gebaut; die Gemeinde habe früher eigene Reben gehabt, und von einem Teil des Weines hätten die Bürger mit ihren Weibern alle Jahr an Fastnacht einen fröhlichen Trunk auf der Gemeindestube gehalten u.s.w.. Die gemütliche Berichterstattung wurde unterbrochen durch ein Kind, welches kam, den Großvater zum Mittagessen zu rufen.

Mein Weg aber ging nach Salem, ein Ausflug landeinwärts von ein paar Stunden. Der Reisende, begünstigt von einer Reihe schöner Tage mit immer gleicher Aussicht auf die weite Wasserfläche und ihren fernen Grenzen, kann leicht von einem Gefühle, wo nicht des Überdrusses, doch gleichgültiger Gewöhnung beschlichen werden, wodurch eine landschaftliche Abwechslung zum Bedürfnis wird.

Die Straße von Unteruhldingen nach Salem führte über Oberuhldingen und Mühlfeld, beides Dörfer an dem Flüsschen Aach. Oberhalb von Oberuhldingen bei Gerhardsberg liegt auf dem weit sichtbaren „Schlossberg„, ganz von dichten Wald umwachsen, eine gebrochene Burg mit einem Walle. Vor vielen Jahrhunderten soll hier ein Ritter von Ober-Riedern gehaust haben, dessen Besitzungen später an Salem kamen. Unter den älteren Fischern und Schiffern herrschte noch jetzt der Glaube, dieser Ritter gehe um, und bei jeder Schiffmannsnoth auf stürmischer See wird der Geist um Hilfe gebeten, und, wie versichert wird, niemals umsonst.

Weiterhin nach dem Kloster begegnen wir dem eigenthümlichen gelegenen Killiberg, einem ehemals salemischen Gute mit Jägerhaus und Kapelle, auf einem Bühel mitten in dem großen waldumgebenden Killi- oder Edelburger Weiher.

Kurz vor meiner Ankunft ward die Leiche eines jungen lang vermissten Burschen in dem Wasser gefunden; bei welcher Gelegenheit mehrere ähnliche Fälle wiederum in Erinnerung gebracht wurden, mit der herrschenden Sage, dass dem tiefen Weiher eine verderbliche, opferheischende Macht inne wohne, – So, hörte ich unter anderem, geschah es einem geachteten Bürger und Metzger von Überlingen, der bei dunkler Nacht an dem Killiweier vorüber wollte, dass eine Gestalt ihn gegen das Gewässer stießt und zuletzt erfaßte, um ihn hinein zu schleudern. Als der Morgen graute, erwachte der Mann aus tiefer Betäubung am jenseitigen Rande des Weihers.

Zwischen Waldung und fruchtbarem Ackergeländ führt der Weg durch Mimmenhausen in den grünen Linzgau, wo in herrlicher wohlbebauter Ebene das ehemalige Reichsstift Salem liegt und von luftiger Höhe die weißen Giebel des fürstenbergischen Schlosses Heiligenberg zu Tal schauen.

Der Bodensee und die Alpen sind dem Blicke verschwunden, und alle Umgebung deutet auf Verhältnisse wohl betriebener Landwirtschaft, die ihren gegenwärtigen Flor hauptsächlich dem Herrn Markgrafen Wilhelm Großherzoglicher Hoheit verdankt. Die Bewirtschaftung der markgräflichen Domaine wird nämlich höchst uneigennützig im Sinne einer Musterwirtschaft für die Umgebung behandelt; Reben-, Acker- und Wiesenbau des ganzen Gaues haben sich unter diesem Einfluss wesentlich gehoben, und die wohlthätigen Folgen werden bis ins späteste Zeiten das schönste Denkmal so ächten hochherzigen Fürstensinnes bilden.

Zu den umfangreichen Gebäulichkeiten des ehemaligen Reichsstifters führen drei Tore. Der Baustil des Ganzen ist der des 17. Jahrhunderts, mit Ausnahme des Münsters und der Vorratshäuser, welche älteren Ursprungs sind. Ein Teil der Räumlichkeiten dient zum Sitz des großherzoglichen Bezirksamtes des markgräflichen Rentenamtes und zur Elementarschule. usw.. Der Klosterbau unter Abt Stephan, 1700 ausgeführt, nunmehr ein markgräflich badische Schloss, ist zum Sommeraufenthalte JJ. HH. der Herren Markgrafen wohnlich und geschmackvoll eingerichtet. Den großen Kaisersaal in imposantem Roccocogeschmacke, zieren lebensgroße Statuen in Stuckarbeit von sämtlichen deutschen Kaisern.

Die Klosterkirche, (das Münster) stammt aus dem 14. Jahrhundert und repräsentiert würdig den reinen gotischen Stil. Ihr Inneres wurde jedoch unter Abt Robert, zu Ende der vorigen 70er Jahre, durch Zutaten (Altäre, Statuen, Reliefs x.) im Sinne dieser geschmacksverirrten Zeit dem ursprünglichen Charakter teilweise entfremdet. Wenn dies dem Eindrucke, den der herrlichen Tempel macht, natürlich nicht wenig Eintrag tut, so versöhnt einigermaßen die Solidität und Kostbarkeit des Materials der neueren Ausstattung. Der Hauptaltar, die zahlreichen Seitenaltäre, mit Reliefs, Statuen und Kandelabern, sind von weißem Alabaster, wie solche an den abschüssigen Ufern der Wutach bei Aselfingen und Achdorf vorkömmt. Nachdem die salemischen Besitzungen an das Haus Baden gefallen, überließ Großherzog Ludwig den schönen Tempel der Gemeinde Salem unentgeltlich zur Pfarrkirche.

Es war gerade Morgengottesdienst, als ich die Kirche betrat; der ehrwürdige 86-jährige Pfarrer Honoratus Hapt, der letzte der ehemaligen salemischen Klostergeistlichen, las eine stille Messe; nur wenige Andächtige waren zugegen. – Der Priester schien ein abgeschiedener Geist aus früheren Tagen, von dessen Pracht und Reichtum die hohen Säulen und Marmorbilder noch stumme Zeugenschaft gaben. Als der Greis mit zitternder Hand die Gemeinde gesegnet hatte und vom Altar zurückgetreten war, sah ich ihn nach einer Weile, umgeben von einer Gruppe Schulkinder, die ihn wie zum Schutze begleiteten, über den Platz seiner nahen Wohnung zuschreiten.

Bei einem Besuche, den ich ihm machte, erzählte er viel von den Zeiten des Klosters; ich erfuhr, dass die alabasterernen Altäre der Kirche in der Werkstätte der salemischen Laienbrüder verfertigt wurden. Bei Aufhebung des Stiftes habe die Zahl der Konventualen achtundsiebzig betragen, eine verhältnismäßig geringe Zahl, da wegen Kriegs- und anderen Umständen längere Zeit keine Novizen mehr aufgenommen werden konnten.

Unter anderem zeigte mir der alte Herr auch ein kleines Bildlein, welches, von einem Freund entworfen, ihn selbst darstellt, wie er betend und sich geißelnd in der Zelle kniet, eine dampfende Tabakspfeife im Mund. Er hatte sich, erläuterte er mit liebenswürdigem Humor, in früherer Morgenstunde einst verleiten lassen, ein Pfeifchen zum Fenster hinaus zu rauchen, als es an der Türe klopfte und der Erschrockene rasch in die Knie sank und sich, wie im Gebet begriffen stellte. Die Schauöffnung an der Türe hatte ihn aber verraten, und er mußte Buße tun.

Als ein natürliches Dokument der alten Zeit betrachtete ich die riesenhafte Linde in dem Klosterhofe. Es ist anzunehmen, dass der Baum irgend einem historischen Moment sein Dasein verdankt. – Zur Zeit aber, wo das Stift noch eigene Gerichtsbarkeit hatte, gab es ein Sprüchwort unter dem Volke: „er ist schon unter der Linde gelegen.“ -was jedoch dem, auf welchem es angewendet wurde, nicht zu sonderlichen Ruhm gereiche. Denn unter dem kühlen Schatten der altwürdigen Linde wurden der Göttin Themis von Amtswegen jene Opfer gebracht, bei welchen der Stock eine Hauptrolle spielte.

Dem Baume hatte aber der Zufall oder das Geschick noch eine Bedeutung höheren Sinnes zugedacht. – Als ich schon seit Wochen von meiner Bodensee Reise wieder zurückgekehrt war, erhielt ich ein Schreiben von achtbarer Hand* des Inhalts: „Die große Linde gehörte zu den allerältesten Bäumen in der Umgegend und erscheint in den frühesten gezeichneten Planen und Ansichten des Klosters Salem. Sie ist älter als das vorhandene Klostergebäu; eine sonderbare Fügung des Zufalls, oder wie man es nennen will, wollte, dass der Baum am 25. April des Jahres plötzlich und unerwartet, ohne dass ein Sturm oder anderes äußeres Ereignis beigetragen hätte, bei ruhiger Witterung in sich zusammenbrach. – Wenige Tage nachher, am 1. Mai, starb altersschwach der 86-jährige Pfarrer von Salem, Honoratus Hapt, der letzte Geistliche des ehemaligen Stiftes – Als er auf seinem Lager, wo ihn seine Schwäche gefesselt hielt, von dem so unerwarteten Zusammenbrechen der Linde hörte, ergriff ihn ein wehmütiges Gefühl, und er sprach gegen die Anwesende seine Ahnung aus, dass er nun bald sterben und zusammensinken werde- wie die Linde.“
*Von A. Ellensohn, Gastwirth auf der Mainau.

Das Kloster Salem oder Salmannsweiler wurde gestiftet im Jahre 1134. Es war früher ein Weiler im Besitze eines Ritters Guntram von Adelsreuthe, der ohne männliche Nachkommen war und das Gut mit verschiedenen anderen Besitzungen dem Zisterzienser-Orden vermachte. Die Schenkung geschah mit Bewilligung des Königs Conrad, des Herzogs Friderich von Schwaben und des Markgrafen Hermann von Baden. Das Stift war ein reichsunmittelbares und genoss alle Vorrechte, die einem Reichsstande zukamen. In kirchlicher und staatlicher Beziehung war das Stift lange Zeit in Streitigkeiten verwickelt, welches teils mit dem bischöflichen Ordinariat Konstanz, andererseits mit Fürstenberg wegen der Grafschaft Heiligenberg. So ging zum Beispiel die Grenzlinie der Jagdgerechtigkeit mitten durch die Münsterkirche zu Salem, und es soll ein Graf von Heiligenberg, um die Rechte zu wahren, einst mit dem ganzen Jagdgefolge durch die Kirche gezogen sein.

Vierzig Äbte bilden die Reihenfolge der Klostervorsteher, von dem ersten, Frowin, der ein Gefährte und Dolmetscher des heiligen Bernhards war, als dieser Deutschland durchzog, bis zu Caspar Öchsle von Schönberg. Von diesem Letzteren sagt Kolb viel Rühmliches. Gastfreundschaft, Liebe für Kunst und Wissenschaft, Eifer für Erziehung der Jugend usw. haben unter seiner Regierung und Fürsorge einen hohen Grad erreicht.

Wenn der Pilgrim von Salem aus seiner Fahrt weiter landeinwärts fortsetzt und dem kaum eine Stunde entfernten Heiligenberg einen Besuch machen will, so wird er den sichersten Führer durch die Hallen jenes prächtigen Fürstenschlosses finden in dem vor einiger Zeit erschienenen Schriftchen von dem vaterländischen Forscher und Geschichtenschreiber C. B. A. Fickler: „Heiligenberg in Schwaben. Mit einer Geschichte seiner alten Grafen und des von ihnen beherrschten Lintzgaues. Bei Macklot, 1853.“

Meine Zwecke führten mich wiederum dem Bodensee entgegen, auf dem Wege über Tüfingen nach Überlingen – Zwischen Salem und Tüfingen, im Walde, durch den die Straße führt, hängt an einem Tannenstamme eine von Wind und Wetter gebleichte Malerei mit einer Inschrift des Inhalts: Als zur Schwedenzeit (1643) der Feind die Kirche Altbirnau’s ruiniert habe, sei das dortige Gnadenbild, eine Mutter Gottes, allein unversehrt geblieben; der Knecht eines benachbarten Hofes habe das Bild nach Salem flüchten wollen, sei aber unterwegs von französischen Soldaten der überlingischen Besatzung (unter Corval), welche mit Kornsäcken beladen von Heiligenberg hergekommen, angehalten und gezwungen worden, seinen Schatz abzulegen und mit einem Fruchtsack beladen nach Überlingen umzukehren. Als er später wieder an die Stelle kam, fand er das Bildnis unversehrt unter der Tanne, wo er es niedergelegt hatte, und brachte es nach Salem. Zum Gedächtnis ließ er eine Votivtafel an der Tanne befestigen, die im vorigen Jahrhundert restauriert, und weil die Tanne altershalber umgefallen, in der Nähe an einem jüngeren Stamme angebracht wurde.

Ungefähr eine Viertelstunde von Überlingen liegt das Schlösslein Burgberg, von einem schilffigen Wassergraben umgeben. Dieser ehemalige Adelssitz ist gegenwärtig ein Wirtshaus, zu dem eines schönen Tages die Herren und Damen aus der Amtsstadt wallfahrten. Über die Höhe wandernd, erblicken wir bald die Stadt und den See, der nach ihr den Namen trägt.

Überlingen selbst hat, zumal in seinem Türmen, öffentlichen Gebäuden und stattlichen Patrizierhäusern noch viel mittelalterliches Gepräge; doch würde es, käme der Schwed‘ zum zweitenmal, dem Feinde nicht mehr die trotzige Stirne von ehemals zu bieten vermögen. – Die alten Stadtmauern und Wälle, da und dort durchbrochen und geebnet, erleiden mit jedem Jahrzehnt neue Einbußen. Hoffentlich werden aber nicht alle Erinnerungen einer rühmlichen Vorzeit dem kahlmachenden Neugeiste zum Opfer fallen.

Vom Ursprung der Stadt berichtet uns die Ahnfrau der Geschichte, die Sage, nichts. In frühen Jahrhunderten sollen mehrere alemannische Herzoge im Iburinga ihren Sitz gehabt haben. Von des einen Tochter, Friedeberge wird erzählt, dass sie in üblen Gemütszuständen von dem heiligen Gallus geheilt, ihrem bestimmten Bräutigam entsagend, sich der Kirche vermählt und auf dem Gallerberge ein Kloster gestiftet habe. Im Jahr 1241, nach Abgang der schwäbischen Herzoge, finden wir Überlingen als Glied des damaligen Städtebundes; unter Conradin wurde die Stadt reichsunmittelbar. Die Ortsgeschichte hat manche rühmliche Momente aufzuweisen und zeugt von kräftiger bürgerlicher Gesinnung. –

Als die aufständischen Bauern weithin im Schwäbischen und am See mit Feuer und Schwert hausten, standen die Überlingen unter dem Patrizier Reichlin-Meldegg auf Seite der Bündischen, welche den übel beratenden Bauern bei Ravensburg einen tödlichen Schlag beibrachten. Als der Aufruhr in der Seegegend von neuem begann, rückten die Überlinger, geführt von ihrem Bürgermeister Keßering, abermals ins Feld, umringten die Rebellen und stellten ihre Anführer vor ein Kriegsgericht. Hundertundfünfzig der Unglücklichen wurden auf dem Credplatze öffentlich enthauptet. Noch sieht man an der Türe auf dem Vorplatz des städtischen Rathauses ein Gemälde, welches diesen blutigen Akt zum Gegenstande hat.

Karl V. stiftete der Entschiedenheit der Reichsstadt dadurch ein Andenken, das er dem aufrecht stehenden Löwen, welcher die Helmzierde ihres Wappens bildet, ein bloßes Schwert zuerkannte.

Der 30-jährige Krieg brachte Überlingen gleiche Bedrängnis wie den Nachbarstädten Konstanz, Radolfzell und Villingen. Die Bürgerschaft hatte das Glück, einen ausgezeichneten, ächt patriotischen Mann an ihrer Spitze zu haben, in der Person des Bürgermeisters Freiherrn Heinrichs von Pflummern. –

Zweimal wurde die Stadt angegriffen, doch jedesmal ohne Erfolg. Der letztere Angriff geschah unter Gustav Horn im Jahre 1634. 24 Tage dauerte die Belagerung, aber die Bürger mit dem ringsum aufgebotenen Bauern in der Stadt wehrten sich als Männer, die um ihr Theuerstes fechten. Der Feind mußte nach großen Verlusten unverrichteter Dinge abziehen. Die Stadt mochte für die damalige Zeit als sehr wohlbefestigt gelten. Ein tiefer, in den Molaßfelsen gehauen Graben trennte sie völlig von dem übrigen Land, während die Mauern auf allen Punkten durch das Geschütz der Türme bestrichen wurden.

Fast noch Schlimmeres als die heißen Kampftage selbst brachten die nachfolgenden Zeiten. Aber auch da war es der wackere Bürgermeister von Pflummern, der mit Bewusstsein und Kraft das städtische Regiment zu führen wusste. Der lange Krieg hatte die Soldaten so sehr verwildert, dass zwischen Freund und Feind wenig Unterschied mehr war. Die Überlinger mußten den befreundeten, in der Stadt lagernden spanisch-österreichischen Kriegstruppen ungeheure Summen bezahlen, während Widerhold von Hohentwiel aus die Umgegend verheerte und endlich (den 30. Juli 1643) die Stadt überfiel und besetzte. „Viele der Bürger verloren das Leben, der Feind raubte, plünderte, was er fand. Viele Bürger verließen aus Elend die Stadt, alles, auch Hunde, waren aufgezehrt.“ –

Als nach Abzug des Feindes bayerische Truppen hereinkamen, fanden die guten Überlinger, dass die Arznei bitterer sei, als die Krankheit gewesen; denn der Freund hauste noch übler als der Feind gethan. – Auch das 7-jährige Kriegswetter verhängte großes Ungemach über den Ort, so wie die nachfolgenden größeren Stürme der französischen Invasion.

Im Äußeren der alten Stadt zeigt sich die Wohlhabenheit des mittelalterlichen, zugleich aber der Stillstand, wo nicht Zerfall der späteren Reichsszeiten. Von ersteren zeugen viele stattlichen Baudenkmale, unter denen das bedeutendste die Münsterpfarrkirche ist. Sie wurde zu bauen angefangen im Jahre 1360, nach dem Plane des Eberhard Raben. Das. Innere des Langhauses hat fünf hohe Gewölbe, getragen von 28 Säulen und 81 Pfeilern, zwischen denen zu beiden Seiten zwölf Kapellen angebracht sind. Die Altäre finden sämtlich aus dem 17. und 18. Jahrhundert, sie enthalten außer einem Gemälde in einer Kapelle der rechten Abseite, Frauen und Engel um den Leichnam Jesu beschäftigt, nichts Gutes.

Der reich verzierte Hauptaltar ward aus Anlass der Pest, im Jahre 1618, vom Magistrate errichtet. Ein Seitenaltar, der von Schultheiß’sche, enthält Bilderhauarbeiten von Hans Morink, die mit Talent und großem Fleiße ausgeführt, aber, wie alle Arbeiten dieses Meisters nicht mehr der guten Zeit angehören. Der riesige Geist Michelangelo’s, der kühn bis zu den äußersten Grenzen der Plastik vorschreiten durfte, übte bereits auf die Werke des nachahmenden Deutschen beirrenden Einfluss.

Von den beiden Türmen ist nur der eine vollendet; er ist über 200 Schuh hoch und hat eine herrliche Aussicht. Im anderen hängt die große, 177 Centner schwere Osannaglocke, gegossen im Jahre 1664. Vor der Kirche steht ein Ölberg, mit architektonischem Gehäuse. Dieses Werk befand sich vor der Reformation im Münsterkreuzgange zu Konstanz.

Bemerkenswert erscheinen die Reste von Freskobildern an den Außenwänden der Kirche, in dem unter den Fenstern hinlaufenden Feldern. Sie sind biblischen Inhalts und scheinen aus der ersten Zeit des Baues herzurühren. Die Umgebung der Kirche war früher ohne Zweifel Begräbnisort, und die Bilder mochten darauf Bezug haben. Jetzt gewährt der Platz mit seinem Lindengrün und der mittelalterlichen Fassade des altstädtischen Kanzleigebäudes einen überaus malerischen Anblick. Auf dem Brunnen, welcher den Platz ziert, steht aus der Renaissancezeit die Statue eines Knaben mit einem Fisch und Fischergeräth; ob die anmutige Figur auf irgendetwas Örtliches hinweist, konnte ich nicht erfahren.

Ein herrlich Denkmal mittelalterlicher Kunst bewahrt der „zierliche Rathaussaal“ in seiner holzgeschnitzten Dekoration. Die Decke ist flach gewölbt, von braunem Holz und reich verzerrt mit Vergoldung. Die Wandverkleidungen enthalten 40 Felder, über welchen auf Consolen mit Wappen vortrefflich geschnitzte Kostümfiguren zu sehen sind. Der dem Ganzen zu Grunde liegende Gedanke ist: die organische Gliederung der Reichsverfassung deutscher Nation bildlich zu versinnlichen. Über dem Eingange prangert das Wappen des Reichs und der Stadt Überlingen; auf der einen Seite die Figur der Gerechtigkeit, auf der anderen der heilige Nikolaus als Stadtpatron; dann folgen ringsumlaufend die verschiedenen Reichsstände in beiläufig zwölf Zoll hohen Statuetten mit etwas kleineren Wappen.

Diese Gliederung, wie sie in alten Chroniken herkömmlich dargestellt ist, bildet eine Kette von zwölf Standesgruppen, deren jegliche vier Glieder zählt, nämlich

1) der Kaiser (durch das Reichswappen dargestellt) und die drei geistlichen Kurfürsten des Reichs: von Mainz, Trier und Köln;

2) die vier weltlichen Kurfürsten: von der Pfalz, von Böhmen, Sachsen und Brandenburg;

3) die vier Herzoge des Reichs: von Braunschweig, Bayern, Lothringen und Schwaben;

4) die vier Markgrafen des Reichs: von Meisen, Brandenburg, Mähren und Baden;

5) die vier Landgrafen des Reichs: von Thüringen, Hessen, Elsaß und Leuchtenberg;

6) die vier Burggrafen des Reichs: von Nürnberg, Magdeburg, Reineck und Stromberg;

7) die vier Grafen des Reichs: von Kleve, Schwarzburg, Zilli und Savoyen;

9) die vier Freiherren des Reichs: von Limburg, Thufiß, Westerburg und Altenwalden;

9) die vier Ritter des Reichs: von Andlau, von Strondeck, Meldingen und Frauenberg;

10)die vier Städte des Reichs: Augsburg, Aachen, Metz und Lübeck;

11) die vier Dörfer des Reichs: Bamberg, Schlettstadt, Ulm und Hagenau; endlich

12) die vier Bauern des Reichs: Köln, Regensburg, Konstanz und Salzburg.

An der einen Wand erscheint Christus, an der anderen Maria und Johannes, letztere betend um Erleuchtung und Gedeihen des Reichstages. – Der Name des Meisters dieser schönen Arbeiten findet sich nirgends angegeben. Manche wollen in ihm den Ulmer Holzschnitzer Hans Syrlin sehen.

Als spätere Zugabe sehen wir in Feldern der rechten Seite eine Reihenfolge von gemalten Kaiserporträts, von Rudolf II. bis zu Maria Theresia. Auffallend ist der Umstand, dass wir im Römer zu Frankfurt, noch drei leere Felder übrig sind, die für die nachfolgenden deutschen Kaiser.

Die plastischen Figuren, die Repräsentanten des Reichstags, sind mit altdeutscher Treue und Wahrheit gegeben. – charakteristische Bilder ihrer Zeit bis in’s einzelne der Tracht. – Wenn es nicht so großen Schwierigkeiten unterläge, über Holz zu formen, so müßte man wünschen, einen Teil dieser Statuetten zu Nutz und Frommen der Kunst durch Abgüsse vervielfältigt zu sehen. Der architektonische Kunstteil wird von jüngeren Baukünstlern an Ort und Stelle häufig zu Studien benützt. So belehrend solche phantasie- und gedankenreiche Vorbilder auch sein mögen, so werden nicht selten in größeren und kleineren Städten sehr kostspielige öffentliche Gebäude, Brunnen x. errichtet, ohne den mindesten Schmuck, ohne bildliche Beziehung und Bezeichnung, kahl und unerquicklich wie ein Haideland.

Was mich nicht weniger anzog, als die ebenbeschriebene Dekorierung, waren einige Möbel im Ratszimmer. Das eine ein Waschbecken, dessen hohes Gestell von dunklem Holz, herrlich verziert ist mit Wappen und einer Arabeske, Simson mit dem Löwen. Das andere ein ebenso schön verzierter Aktenkasten. Beides Arbeiten aus der Renaissance und darum in ihren freien Formen unserem Gefühle näher, als die in sich mehr abgeschlossene Gotik, die übrigens bei Möbeln, Gittern, Schmucksachen x. auch freierer Motive sich bediente und nie (wie im Neueren geschieht) den streng architektonischen, monumentalen Charakter derartigen Gegenstände geben wollte.

Bei Betrachtung der Rathstube zu Überlingen, können wir nicht umhin, einen Gemeinwesen, dem so Schönes und Würdiges entsproßte, unsere Bewunderung und Achtung zu zollen. Dieser löbliche Sinn, alles Öffentliche, dem Gemeinwesen Dienende, durch künstlerischen Schmuck und Charakter auszuzeichnen, scheint hier einigermaßen bis auf spätere Zeit sich fortgeerbt zu haben; das zeigen wenigstens die Dekorationen der Türen auf den Gängen und der Vorplätzen. Sie sind von einem Überlinger Maler, Christoph Lienhardt, im Jahre 1712 gefertigt und bestehen in grau gemalten allegorischen Figuren und Emblemen, die auf das bürgerliche Regiment Bezug haben. Derselbe Meister verzierte auch die Gänge und Türen des Klosters Salem.

Auf den Vorplätzen des Rathauses finden sich noch einige naturhistorische Merkwürdigkeiten. Auf einer Tafel das gemalte Conterfy eines riesenhaften Seeräubers, der wohl über ein Jahrhundert hindurch die Gewässer des Bodensees beunruhigt haben mag. Es ist ein Hecht, der laut beigegebenen Maßes, nicht weniger als zwölf Fuß in der Länge gemessen und anno 1570, Donnerstag, den 26. November von den Fischern und Bürgern Franz und Christen Ueberlin „in dem See, hinter der Stadt, bei der alten Badstuben an der Halde, gefangen wurde.“ Das andere ist ein Trappe, im Hornung des Jahres 1730 von einem 15-jährigen Knaben bei St. Leonhardskapelle geschossen.

Interessante öffentliche Gebäude, außer den genannten, sind: der massiv erbaute Pfennigturm neben dem Rathaus, wo das städtische Archiv aufbewahrt wird. – Die alte Stadtkanzlei mit ihrer steinernen Wappengeschmückten Fassade. – Das Credhaus (Kaufhaus) an der Schiffslande. – Das große Spital zum Heiligen Geiste, mit einer gut erhaltenen hübschen, gotischen Kapelle, die aber leider, weil das baufällige Haus niedergerissen werden soll, dem Abbruch geweiht ist. Sollte sie aber nicht geschont und erhalten werden können*. Das Spital ist sehr reich, und seine Stiftungen gehen bis in früheste Jahrhunderte zurück; es besaß in der Umgegend Dörfer und Höfe im Wert von 1,5 Millionen.
*Auch einem Teil der in den See gehenden Stadtmauer mit einem alten Turme ist, wie ich hörte, gleiches Schicksal zugedacht. Warum?

Das s.g. Steinhaus mit einer Hauskapelle, früher die Herberge der hier durchreisenden Kaiser. Sigismund stieg daselbst ab auf seiner Reise zum Konstanzer Konzil, und später im Jahre 1430; ebenso Ferdinandi I Anno 1563 x. Das Haus gehörte dem Kloster Salem und hieß deshalb Salmansweilerhof, erbaut von Abt Konrad Schäfer 1530. Jetzt dient es Privatzwecken.

Das ehemalige Franziskanerkloster mit einer Schülerkirche und dem städtischen Theater. Die Leopold- und Sophien-Bibliothek im alten Zeughaus, sie wurde gestiftet vom Dekan und Stadtpfarrer Mocheler, der einer der letzten Benediktiner von Villingen, ein tätiger Freund der Wissenschaften und Wohltäter der Armen war.

Das Reichlin-Meldegg’sche Haus, ein stattlicher Patrizierbau mit Zinnengiebeln und weiter Aussicht; er rührt aus dem Jahre 1462. Die ehemalige Rittercommende St. Johann, auf einem hochgelegenen Punkte über der Stadt und ihrem tiefen Graben mit dem mächtigen Rondellturm, jetzt Eigentum des Freiherrn von Ulm.

Der Gallerturm ein altehrwürdiger Veteran, dessen Namen an die früheste Ortsgeschichte erinnert; seine prächtige Aussicht belohnt reichlich die Mühe des Besteigens. – Das Pflummer’sche Haus, von stattlichem Äußeren mit dem Wappen der ursprünglichen Besitzer. Eingemauerte Kugeln an der Wand gegen die Heldgasse sind Denkzeichen der schwedischen Belagerung, deren Hauptsturm auf die Gasse gerichtet war. Der letzte Sprössling der um die Stadt hochverdienten Freiherrn von Pflummern starb im Jahre 1829 zu Überlingen; eine Seitenlinie hat noch ihren Sitz in Überlingen. Die ehemalige adlige Zunft, jetzt ein Wirtschaftslokal, dem Freiherrn von Bodman gehörig. Die Gaststube wurde neuerlich im Sinne der früheren Zeit mit dem Wappen der in Überlingen existierenden adligen Geschlechter dekoriert.

Das Bad Überlingen ist seit Anfang des 16. Jahrhunderts urkundlich bekannt. Es war städtisches Eigentum bis zum Jahre 1802, wo es käuflich in den Besitz verschiedener Privaten kam, um neuerer Zeit wieder von der Stadt erworben zu werden. Gegenwärtig ist es im Pacht gegeben, und bildet die Anstalt eine Hauptzierde, nicht nur der Stadt, sondern des ganzen See’s. Sie liegt in der Vorstadt zu den Fischerhäusern, mit einem großen Garten am Seegestade. Alles was Gesunden und Kranken zur Erholung und Erheiterung dienen kann, findet sich hier in wünschenswerten Maße: solide Wirtschaftseinrichtungen, gute Bedienung, geschlossene Seebäder, Gelegenheit zu Luftpartien zu Land und zu Wasser, Musik und Bälle; auch ist den Gästen die städtische Bibliothek zugänglich. Und da das Bad zugleich allgemeines Gasthaus und ein beliebter Ausflugsort der Nachbarschaft ist, so sehen wir an schönen Sonntagen seine Räume heiter belebt von Besuchern aus der Nähe und Ferne.

Die Mineralquelle befindet sich etwa 70 Schritte vom Badhaus nahe der Stadtmauer, in einem 17 Fuß tiefen Sammler, sie enthält hauptsächlich Eisen, wovon die Oberfläche des Wassers und seine steinerne Fassung gelbrötlich gefärbt erscheint, außerdem Alkali, gebundene Schwefelsäure Kalkerde und Schwefelsäure. Die Heilkräfte des Wassers sind erprobt bei allen Krankheiten, denen Schwäche, Stockungen in den feinen Geweben, Störungen normaler Funktionen x. zu Grunde liegen. Es ist frisch von der Quelle getrunken etwas herben, aber nicht unangenehmen Geschmackes. Der Gast findet die ganze Saison über stets zahlreiche Gesellschaft; doch verdienen die Vorzüge des Ortes einen viel stärkeren Besuch, denn nicht leicht wird ein Aufenthalt geeigneter sein, wohltätig-beruhigend auf Körper und Gemüt zu wirken, als der hiesige, an der sommerlich gelegenen Buch des schönen Überlingersee’s, umkränzt von Gärten und Weinbergen – mit einem Klima, welches die Nachbarschaft Italiens ahnen läßt.

Unter den wenigen neugeschaffenen Bauwerken der Stadt bemerken wir einen Brunnen in der Vorstadt; er ist von Architekt Schwab entworfen und hat als Säulenzierde einen auf das städtische Wappen bezüglichen Adler von Eisenguss aus der fürstenbergischen Gießerei Zizenhausen, nach einem Modelle von Xaver Reich*.
*Das ursprüngliche Modell diente zum Grabmale, des im Jahre 1849 zu Donaueschingen beerdigten, königlich preußischen Generals von Hannecken.

Ein alter Brunnen auf der Marktstätte wurde in einen modern-gothischen umgewandelt; ein zweiter mit dem Bildnisse Karls V., vor dem Rathause, leider ganz beseitigt, um einem neuen artesischen Quell Raum zu machen.

Wenn der Fremde nach Besichtigung aller dieser Merkwürdigkeiten noch Zeit genug übrig behält, eine Flasche feurigen Meersburger oder Hagenauer zu sich zu nehmen, so wird er gut’thun, dieses löbliche Geschäft auf der Altane des Gasthauses zum Löwen vorzunehmen. – Es gibt wohl nichts angenehmeres, als hier unmittelbar über dem plätschernden Gewoge, von schmeichlerischen Lüften umwoben ein Sommerstündlein zuzubringen; sei es, dass wir gerade unter uns dem wohligen Spiele der Fischbrut zuschauen, die in dem durchsichtigen Kristallgrün zu Tausenden die alten Hafenpfähle umschwärmt; oder dass uns das Brausen des Dampfschiffes in die Ferne zieht, wenn es von dem fernenblauen Eilande der Mainau her direkt auf uns zusteuert, um in der Nähe, am Hafenplatze, das bunte Gewimmel von Passagieren an’s Land zu setzen.

Der Hafen ist neuerer Zeit sehr belebt, namentlich durch den wöchentlichen Fruchtmarkt, dem alljährlich im Durchschnitt gegen 70,000 badische Malter Getreide zugeführt werden, die meist über den See nach der Schweiz kommen; ebenso bedeutend ist der Handel mit Obst, welches meist aus den Orten Nussbach und Sipplingen kommt und von den Bauern vom Heuberg und aus dem Hohenzollernschen als Rückfracht mitgenommen wird.

Es war abends, als ich einen Spaziergang um die Stadt machte. – Der Weg führte mich zufällig zum Gottesacker in die Kapelle, wo noch einige Denkmale aus früherer Zeit vorhanden sind. Das eine berichtet von einer grausamen Pest in den Jahren 1610 und 1611, wo so Viele starben, dass man nicht genug begraben konnte. Anno 1612 aber seien dagegen zahlreiche Ehebündnisse gefeiert worden; und unter Anderem am 5. Februar sei es geschehen:

„Dass im Pfarrmünster von jung und alten Leuten
Gehalten wurde einundzwanzig Hochzeiten.
Das Jahr nachher wurden geboren so viel Kind,
War nichts dann lauf, tauf geschwind.“

Während ich einige andere Inschriften las, kam der Meßner vorbei, ein alter Mann, den ich dem abendlichen Halbdunkel jetzt erst bemerkte. Er sagte, er habe die Obliegenheit, für das ewige Licht in dem Kirchlein zu sorgen, und jeden Abend den Kirchhof zu schließen. Mit großem Eifer erläuterte er die Bedeutung der Gedenktafeln und kam dabei auf das Ehemals und seine eigene Jugend zu sprechen. Am meisten interessierte mich sein Erzählen vom alten Maifest, wie er zu seiner Zeit noch in Überlingen, aber nur in den meist von Rebleuten bewohnten Vorstadt, die das „Dorf“ heißt, gehalten wurde. Am Vorabend war der Maien gehauen und gesteckt. In früher Morgenstunde versammelte sich dann die ledige Welt, Bursche und Mädchen, zum Tanze und um den geschmückten Baum, wobei ein Lied gesungen wurde. Sia, Sia, voll der Freuden, wollte ich, dass der Maien wär usw.. Gesang und Tanz wiederholten sich am Abend, und so ging es fort, 14 Tage lang.

Der 1. Mai war überhaupt beim Landvolk ehedem ein Festtag, an welchem Tanz und Spiele gehalten wurden. – Ein allgemeiner Brauch fand auch statt am 1. März, die sogenannte Märzen- oder Fasnachtsfunken. An diesem Tage flackerten auf Berghöhen beim Beginn der Nacht größere Feuer von Reishaufen. Am See war diese Sitte allgemein. Im südöstlichen Schwarzwald, auf den Waldhöhen um Bonndorf und die Wutach, kann man in der ersten Märznacht noch jetzt weithin die Feuer leuchten sehen. – Auch die Fastnacht wurde in Überlingen in ähnlicher Weise wie in Meersburg gefeiert. Die acht bestehenden Zünfte hatten jede ihr eigenes Gelaghaus mit Schenkrecht*, durch welche Abgrenzung in närrischen wie in ernsten Dingen ein löblicher Wetteifer entstand. – Zu den herkömmlich, en Bräuchen um diese Zeit gehörte unter anderem auch, dass die Überlinger Ratsherren im freundnachbarlichen Ritterhause zu Mainau persönlich das „Fastnachtsküchlein“ abholten, wozu begreiflicherweise der große Landeskomtur-Keller sein Edelstes zu spenden pflegte.
*Noch jetzt sagt der Überlinger statt >von Wirtshaus zu Wirtshaus<, >von einer Zunft in die andere ziehen<.

Als einheimische Fasnachtsmaske findet sich der „Hänsele“; er ist eine Abart von seinem Namensbruder in der Baar, ein Stück mittelalterlichen Pickelhäring mit buntfarbigem „Hääß“, einer Kapuze, die statt der Larve ausgeschnittene Augenlöcher, einen herabhängenden Rüssel und hinten einen Fuchsschwanz hat. – Wie sorgsam das Feld der edlen Narrheit mit unseren Altvorderen gebaut worden, mag eine ehemals bestehende Stiftung dartun. Es war früher zu Fastnacht ein eulenspiegelartiger Brauch, der den „Narren“ erlaubte, in Bäckers- und Metzgersläden, zuweilen auch in Privathäusern, Brot, Schinken, Würste x. listigerweise wegzukapern und ein Mahl daraus zu bereiten, zu dem auch der unfreiwillige Spender eingeladen wurde. Da nun der etwas plumpe Scherz, der oft einen förmlichen Unfug ausartete, zu keiner Zeit verboten werden mochte, fand sich ein möglicher „Narr“ bewogen, ein Gestift zu machen, aus dessen Zinsen den Geplünderten der Schaden jedes Mal zu vergüten sei.

Die alte Reichsstadt ist überhaupt sehr wohl bedacht mit Stiftungen aller Art. Wohl nirgends sind zum Beispiel die Armen reicher als hier; das Spital, welches, wie oben erwähnt, Millionär ist, besitzt sogar ein eigenes, gestiftet es Reben, von deren Blute alltäglich das Krüglein des sorgenfreien Spitäler sich füllt. – Nebst dieser Anstalt besteht noch die sogenannte Spendenpflege, die reichliches, wöchentliches Almosen an Hausarme spendet. – Ebenso gut ist für arme Studierende gesorgt, denen zahlreiche Stipendien zur Unterstützung gedeihen.

Eine hübsche altväterliche Einrichtung besteht noch heut zu Tag in den sogenannten Nachbarschaften. Jede Gasse oder kleinere Stadtgegend bildet nämlich eine für sich bestehende Nachbarschaft, die ihr eigenes Gemeindevermögen besitzt, aus dessen Zinsen jährlich an Johanni in einem Wirts- oder Privathause innerhalb der eigenen Nachbarschaft ein Mahl bestritten wird, dem alle Zugehörigen anwohnen. Der Zweck dieser Stiftung ist (ähnlich dem der 101. Gesellschaft zu Meersburg) Eintracht und gute Nachbarschaft zu hegen und zu pflegen, und entstandene Feindseligkeiten bei einem fröhlichen Becher Wein gütlich beizulegen. Neu hereinkommende Bürger, oder solche, die von einem Stadtteil in den anderen ziehen, kaufen sich mit einer kleinen Summe in die neue Nachbarschaft ein.

An Wein fehlt es überhaupt, den Stadtbürger nicht. Seine Gemarkung hat vorzügliche Weinlagen, die jedoch durchschnittlich mehr der Quantität als der Qualität nach ausgebeutet werden. Auch wird sehr viel Most erzeugt; die Obstbaumzucht dient beinahe ausschließlich diesem Zwecke. Bei dem Überflusse, den eine gütige Natur hier spendet, ist es ein patriarchalischer Brauch, dass zurzeit des Herbstens der ärmere Besitzlose in jedem Torkel sich ein Müsterlein holt. Gleiches tun zu Neujahr die Thurm- und Nachtwächter, Stadtdiener und dergleichen; mit einer Bütte auf dem Rücken statten sie ihren Mitbürgern die Neujahrsgratulation ab, wofür ihnen ein Krüglein oder zwei in das mitgebrachte Gefäß fließen.

Zum Schlusse sei noch eines alten Brauchs erwähnt, der geübt wird, so oft der durchlauchtigste Fürst von Fürstenberg auf Besuch nach Überlingen kömmt. Also Willkommen wird dem hohen Gaste von den Gemeindevorstehern feierlich ein Becher mit Wein kredenzt. Der Ursprung dieser Sitte ist folgender. – Im Jahr 1657 kam die Herrschaft Waldsberg durch Kauf an die Grafen Franz Christoph und Froben Maria von Fürstenberg-Meßkirch. In dieser Herrschaft hat die hiesige Spendenpflege dem zweiten Teil des Groß- und Kleinzehnten zu Salbach (im Amte Pfullendorf) zu Lehen. Es ließen sich die neueren Lehensherren, wie ihre Vorgänger in frühester Zeit, von den Lehnträger den herkömmlichen Revers ausstellen: „dass zu dem allem, so Sye oder Ihre nachkhommen in die Stadt zu Ueberlingen kommen, als dann gedachte Burgermeister und Rath daselbst als Obherrn und Pfleger gemelts Almosens (Spendenpflege) Ihnen Jedesmahls, so oft das geschieht, einen Kopff (Gefäß) mit Wein, wie von Altershero, verehren sollen.“

Am 27. Juli 1853 beerte der nunmehr in Gott ruhende, durchlautigste Fürst Carl Egon von Fürstenberg, in Begleitung Ihrer Großherzoglichen Hoheit der Fürstin Amalie und Höchstdero hoher Familie, von der Sommerresidenz Heiligenberg kommend, das hiesige Bad mit seinem Besuche. Von Seiten der Stadt wurde diese Gelegenheit benützt, die alt her gekommene Sitte auszuüben. Es wurde dem durchlauchtigsten Herrn ein Becher Wein aus hiesiger Spitalkellerei auf geziemende Weise kredenzt, welcher huldreich angenommen und auf das Wohl der Stadt Überlingen geleert wurde.

Gegenwärtig beläuft sich die Einwohnerzahl auf 3400 meistenteils Katholiken. Die Stadt ist der Sitz eines großherzoglichen Bezirksamtes, einer Obereinnehmerei, Postverwaltung und eines Oberzollamtes.

Ehe wir weiter pilgern ist zu bemerken, dass durch den Ausflug nach Salem die Uferort Seefelden, Maurach und Rußdorf umgangen worden sind. Ersteres, eine Ansiedlung von wenigen Häusern, gehört in’s Amt Salem .Maurach, unmittelbar am Seeufer ist ein markgräflich badisches Schloss mit einem Meierdorf und war früher ein Nonnenkloster. Das wohlhabende, auf fruchtreicher Gemarkung gelegene Dörflein Rußdorf mit seiner alten Pfarrkirche gehört zur Gemeinde Unteruhldingen.

Von interessantesten Punkten der Umgebung Überlingens führen wir noch an: Altbirnau, die ehemalige, sehr alte Wallfahrt ,zu Salem gehörig; sie liegt seit langer Zeit in Trümmern; Sankt Leonhard, eine halbe Stunde von Überlingen, eine mittelalterliche Kapelle mit einer daneben stehenden, gut eingerichteten Wirtschaft und herrliche Aussicht; sodann Spechtshard mit einer großartiger Fernsicht; Luegen und Aufkirch.

Dieser letztere Ort liegt eine Viertelstunde nordwestlich von Überlingen. Bis zum Jahr 1357 war die Stadt hierher eingepfarrt; jetzt bildet Aufkirch eine Filiale von ihr. Das Dörflein ist klein und seine Bürger gehören zur Stadtgemeinde. Die Kirche hat sehr alte Überreste. Einige Gemälde auf Goldgrund und ein Seitenaltar stammen jedenfalls noch aus den Zeiten, da die Überlinger hierher pfarrhörig waren. Sehr schön ist der vergoldete Tabernakel auf dem Hauptaltar; es ist eine zierliche Arbeit aus der Renaissance. Aber alles Vorhandene mit der Kirche ist in äußerlicher Verwahrlosung; die Fenster sind zerbrochen und die Decke verfault und am Einstürzen. – Es scheint, als wäre seit mehreren Menschenalter nicht ein Heller von der Gemeinde, oder wem sonst die Baupflicht obliegt, zur Erhaltung des Kirchleins und seiner Einrichtung verwendet worden.

Beim Anblicke solcher Halbruinen drängt sich unwillkürlich das Gefühl auf, wie notwendig die Wiedererweckung und Befestigung conservativen Sinnes im Volksleben sei, wozu die Erhaltung und Restauration unserer Altertümer nicht wenig beitragen dürfte. – Freilich sollte Letztere, nämlich die Restauration, stets auch im conservativen Sinne, das heißt mit möglichster Pietät gegen das Alte, Vorhandene geschehen, und mit Hinweglassung moderner Schminke und Schönheitspflästerchen.





Die Auszüge unten sind aus dem Buch „Überlinger Sagen, Bräuche und Sitten mit geschichtlichen Erläuterungen“ von Medizinalrat Theodor Lachmann in Überlingen aus dem Jahr 1909. Der Autor hat teilweise bei Lucian Reich abgeschrieben und auch zitiert. Interessant, dass im Jahr 1909 die schreibweise doch etwas verständlicher war als 1856. (Meersburg, Not)

Die Kanabenlöcher bei Unteruhldingen:

Der geistende Ritter von Oberriedern.

Oberhalb von OberuhIdingen, in der Nähe von Gebhardsweiler, befindet sich der weithin sichtbare Schloßberg, ganz vom Wald umgeben. Hier stand dereinft eine Burg, welche der Sitz der Herren von Oberriedern war. Ein Burcardus von Oberriedern wird unkundlich schon 1134 genannt. Gebhardus von Oberriedern gründete 1200 Den Ort Gebhardsweiler; die Vetter Ulrich und Rudolf von Oberriedern ermordeten 1267 Den Frh. Walter von Sastell, weil er in einem Streit ihren Vetter, einen Edlen von Grieß, erschlagen hatte. Die Besitzungen des Rittergeschlechts von Oberriedern, welches Ende des 14. Jahrhunderts ausstarb, kamen an Salem; die Burg wurde im Schwabenkrieg gebrochen und im Bauernkrieg ganz abgetragen. Jetzt ist alles überwachsen, nur einzelne Gräben sind noch vorhanden. Das Wappen der Ritter von Oberriedern war ein schwarzes Schiff mit zwei braunen Rudern auf bewegter See.

Nach altem Schifferglauben geht der letze Ritter von Oberriedern hier um. Bei Schiffersnot auf stürmischem See rufen die Schiffsleute gern hinauf zum Berg und bitten um Hilfe, und nicht selten soll ihnen der Geist des umgehenden Ritters geholfen haben. (Nach Staigers „Salem“ und Reichs „Mainau“.)


Die Linde konnte ich auf den Bildern von Wikipedia nicht erkennen. Die alte Linde ist am 25.April 1855 umgefallen.

Älteste bekannte Darstellung des Salemer Münsters aus dem Jahr 1536, gezeichnet von Augustin Hirschvogel

Salem mit dem Turm des Abtes Anselm II. Schwab. Ölgemälde von Andreas Brugger um 1765

Das Kloster Salem im Entwurf des Architekten Franz Beer um 1700

Das Fenster der Nordfassade: Die repräsentative Nordseite des Münsters im Zustand vor der Restaurierung von 1890, bei der das Fenster verkleinert wurde

Das Maßwerk der Westfassade wurde erst in der letzten Bauphase vollendet. Diese Lithographie von 1823 zeigt die Fassade im Originalzustand vor den entstellenden Veränderungen durch die Restaurierung von 1890

Die Nordfassade vor der Restauration, fotografiert um 1885 von German Wolf

Liste der Äbte von Salem

Carl Borromaeus Alois Fickler

C. B. A. Fickler, (* 8. Mai 1809 in Konstanz; † 18. Dezember 1871 in Mannheim) war ein deutscher Gymnasiallehrer und Historiker. Er war 1849 Verteidiger der Angeklagten der Badischen Revolution in Rastatt. (Wikipedia)

Einen sehr interessanten Artikel über die Wallfahrtskirche Birnau gibt es von David Ganz:

Gottesmutter und Honigschlecker.

Klösterlicher Besitzanspruch und kulinarische Seherfahrung in der Wallfahrtskirche Neu-Birnau.

Originalveröffentlichung in: Ganz, David u.a. (Hrsg.): Rahmen-Diskurse : Kultbilder im konfessionellen Zeitalter (KultBild / Thomas Lentes (Hrsg.) ; 2), [Berlin] 2004, S. 173-218

Christoph Lienhardt, Wahrhaffte Abbildung der Wunderthätigen Mutter Gottes zu Birnaw (unterhalb des Gnadenbildes die Wallfahrtskirche Alt-Birnau und das Wirtshaus), aus: Apiarium Saemitanum, Prag 1706

Maria von Birnau, um 1420/30, Birnau, Wallfahrtskirche, Hochaltar

Gottfried Bernhard Göz, Kleines Andachtsbild der Maria von Birnau, 1750, Augsburg Städtische Kunstsammlungen

Das Reichlin-von-Meldegg-Haus in Überlingen gilt als eines der ältesten Renaissancegebäude Deutschlands und zählt zu den wichtigsten Kulturdenkmalen und Sehenswürdigkeiten der Stadt. (Wikipedia)


An der Südseite des Münsters steht der Ölberg, ein achteckiger Zentralbau mit Stützen aus Stein und einem Sterngewölbe, der eine betende Christus-Statue beherbergt. Der Ölberg wurde im 15. Jahrhundert von Elbeth Küfferin aus Überlingen gestiftet. (Wikipedia)

Überlinger Rathaus

Das Rathaus wurde im Jahr 1332 erstmals erwähnt, als die Stadt ein Grundstück zur Erweiterung desselben erwarb. 1394 wurde es erstmals ausdrücklich genannt, als man dort einem Priester das Mesneramt übertrug. Die noch ältesten im Westbau an der Münsterstraße erhaltenen Holzdecken werden auf das Jahr 1400 datiert. Alle Abbildungen unten sind von Wikimedia.

Vertragsentwurf zwischen Jacob Russ und der Stadt Überlingen zur Lieferung der Rathaussaal-Ausstattung, 1490/1491; in Ich-Form aus der Sicht des Künstlers geschrieben; die genannte Zeichnung ist nicht erhalten; Stadtarchiv Überlingen, fotografiert in der Ausstellung „Jacob Russ“ im Museum Humpis-Quartier, Ravensburg Transkription siehe https://archive.org/stream/zeitschriftfrdi16langoog#page/n505/mode/2up

Überlingen, Rathaussaal mit den Schnitzereien von Jacob Russ Abbildung aus: Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden. Band 1: Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz. Freiburg i. Br. 1887

Der von Lucian Reich beschriebene Aktenschrank Photographie 1887

Jacob Russ: „Salzburger Bauer“; Teil der Darstellung des Quaternionen des Hl. Römischen Reichs im Rathaussaal in Überlingen (fotografiert in der Ausstellung „Jacob Russ“ im Museum Humpis-Quartier Ravensburg)

Überlingen, Rathaussaal, Stadtwappen und kaiserliches Wappen (Reichsadler mit Herzschild: Österreich und Burgund), links: Stadtpatron St. Nikolaus, rechts: Erzengel Michael

Jacob Russ: Pfalzgraf bei Rhein; Teil der Darstellung des Quaternionen des Hl. Römischen Reichs im Rathaussaal in Überlingen (fotografiert in der Ausstellung „Jacob Russ“ im Museum Humpis-Quartier Ravensburg)

Pfennigturm in Überlingen

Überlingen Rathaus mit Pfennigturm.
Bleistiftzeichung von 1877 von Karl Weysser (1833-1904).
(Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe)

Pfennigturm als Sitz der „reichsstädtischen Münze“. Im Hintergrund zu sehen der Turm des Münsters St. Nikolaus.

Kaiserbrunnen vor dem Pfennigturm (Wikimedia)

Unter den wenigen neugeschaffenen Bauwerken der Stadt bemerken wir einen Brunnen in der Vorstadt; er ist von Architekt Schwab entworfen und hat als Säulenzierde einen auf das städtische Wappen bezüglichen Adler von Eisenguss aus der fürstenbergischen Gießerei Zizenhausen, nach einem Modelle von Xaver Reich*.
*Das ursprüngliche Modell diente zum Grabmale, des im Jahre 1849 zu Donaueschingen beerdigten, königlich preußischen Generals von Hannecken.

Spaziergang durch Überlingen im März 2023 auf den Spuren von Lucian Reich:



Insel Mainau – Kirchberg und Hagnau

Für die dunkle Jahreszeit empfehle ich die Insel Mainau und der Badische Bodensee von Lucian Reich aus 1856. Das Buch hatte ich im Winter 2022/2023 hier vorgestellt und möchte es jetzt aktualisieren.

Hier der das Kapitel Kirchberg und Hagnau.

Kirchberg und Hagnau

Es war ein warmer Sonntagvormittag, den ich zu einem Ausfluge nach dem benachbarten großherzoglichen Schloss und Pachtgut Kirchberg benützte.

Der Frühling, jung und hold, hatte bereits die Wiesengelände und ihre Einhegungen mit zartem Grün geschmückt; aber die Obstbäume und Reben warteten noch auf ihren Ostertag. – Der Weg, die Straße nach Ludwigshafen und Lindau führt durch Hagnau, welches Dorf nach wechselndem weltlichem und geistlichem Besitze durch den Preßburger Frieden an das Haus Baden gekommen. Eine kleine halbe Stunde von diesem Orte, unmittelbar an der Straße auf mäßig erhöhtem Terrain liegt Kirchberg – einer der zierlichsten Edelsitze am See. Alte Obstbaum-Alleen führen rechts von der Straße ab, zum Tor und Hofraum, in dessen Mitte ein plätschernder, von Kastanien beschatteter Brunnen erfrischende Labe spendet. Südlich, gegen den See, erhebt sich der Hauptbau des Schlosses mit einem östlich gewendeten, später erbauten Seitenflügel und Tor, während dem Commenden zur Linken die mittelalterliche Pächterswohnung und das Wirtshaus den Hof gegen die Straße hin abschließen.

Die Aussicht aus den Fenstern des Schlosses, oder von dessen Altane, gibt uns jedoch erst den wahren Begriff von der herrlichen Lage dieses behaglichen Sitzes. – In unmittelbarer Nähe ein lieblicher Park und Blumengarten; an der Abdachung gegen die grünen Seeufer sonnige Weingelände, und links ein schattiges Lustrevier junger Büsche und schlanker Buchen mit einem in der See hinaus gebauten Sommerhause. Bei Betrachtung dieses reizenden Landschaftsbildes will es uns bedünken, als sei dieser Ort von Mutter Natur eigens zu einem jener Mußeplätze geschaffen, wo der Geist, von ermüdender Beschäftigung und vom Weltgetriebe ausruhend, neue Luft und Kräfte gewinnen soll.

So trugen Tag und Stunde meines Dortseins ganz den Charakter, solch ein Gefühl zu erwecken. Ein heißer Mittag lag in brütender, allein vom Geschrei schweifender Möwen und dem fernen Rauschen eines nicht sichtbaren Dampfbootes unterbrochene Stille über Land und See, in welch‘ letztem sich strahlenden Glanzes die hochgetürmten Alpen bespiegelten. – Dieser Ruhe rings umher entsprachen die stillen Hausräume der nächsten Umgebung. Die älteren Bewohner Kirchbergs waren mit Ausnahme einiger Dienstboten nach Immenstad in die Kirche gegangen, während die Kinder in den nahen Wiesen nach Primeln und Veilchen suchten, welche die warmen Apriltage hin und wieder den blaßgrünen Teppich eingewoben hatten.

Eine Dienerin erschloss mir die Zimmer, in welchen Seine Königliche Hoheit der Prinz und Regent im Herbst des Jahres 1853 einen längeren Aufenthalt zu nehmen geruhten. Es war mir bekannt, dass das eine dieser fürstlichen Gemächer, der Speisesaal, vorzügliche altdeutsche Gemälde bewahre noch aus den Zeiten, wo Kirchberg ein Besitztum des Reichsstifters Salem war.

Diese vortrefflichen Kunstwerke, vier an der Zahl, sind von der Hand Martin Schaffner’s, und haben die Versuchungen des heiligen Antonius zum Gegenstande. *Bereits im Jahrgang 1822 des Kunstblattes (8. August) von Brouillot erwähnt. Sie sind auf Holz und Kreidegrund gemalt, in gleicher Größe, etwa zwei Fuß breit und viereinhalb hoch.

Auf der ersten Tafel erblicken wir in einsiedlerischer Landschaft den heiligen Altvater, vertieft im Lesen eines Buches. Neben ihm die halbfertige Arbeit eines Korbes von Binsengeflecht, und im Mittelgrunde seine Klause, die er, nach der Legende, über einem verlassenen Grabe errichtet hatte. Die frommen Betrachtungen des Klausners abzulenken, hat sich ihm eine reizende Jungfrau in reichem Schmuck und prächtigem Gewande genähert, welche dem Heiligen ein Gefäße von kostbarer Arbeit, wahrscheinlich eine zweite Pandorabüchse darbietet, die der angefochtene Mann jedoch misstrauisch verwundert anzublicken scheint.

Eine zweite Versuchung versinnlicht die Scene im Mittelgrunde, wo der Böse, in Gestalt eines rotgekleideten Jägers mit Hunden und einem geflügelten Schweine dem Klausner ein netzartiges Jagdgeräte vorweiset, während aus dem nahen Walde mitleidflehende trügerische Gestalten Presshafter und Bedürftiger auf die beiden zukommen. Im oberen Raum Christus in Wolken, vor dessen Erscheinung die Dämonen die Flucht ergreifen.

Die Hauptgruppe des zweiten Gemäldes zeigt den Heiligen betend, bedrängt jedoch und verwirrt von den üppigen Gestalten dreier Mädchen, deren lange rote Gewänder und zierliche Haargeflechte nur unvollkommen Bocksfuß und sprossende Hörnlein verdecken. Die eine der Schönen faßt zudringlich des frommen Vaters Kapuze, während ihre Schwestern, neben einem reich verzierten Ruhebett stehend, mit arglistigem Lächeln die Verwirrung der Heiligen betrachten. Ein Teil des Mittelgrundes rechts füllt ein prächtiges Gebäude, an dessen Treppe Antonius, umgeben von Preßhaften und den drei rot gekleideten verführerischen Weibern. Links mehr in der Ferne gerückt, schließt das Bild mit einer Szene von anmutiger Erfindung und Ausführung. An sommerlichen Tagen sehen wir den Alten in sinnender Beschaulichkeit längs eines Waldrandes dahin wandeln. – Siehe, da tritt ihm der rot gekleidete Versucher wieder in den Weg, und zeigt gegen ein klares, ruhig fließendes Waldwasser, wo drei nixenartig gestaltete Jungfrauen den schönen Leib im Bade kühlen.

Das dritte Bild stellt, im Gegensatze zu den Anfechtungen sinnlicher Begier, den Heiligen dar unter den Händen wilder Dämonen, die im Begriffe stehen, ihrem Opfer äußerliche Körperbeschädigungen beizubringen. Die eine dieser diabolischen Gestalten packt das Gewand des Alten, der in abwendender Gegenwehr nach oben blickt, wo die Lichtgestalt des Heilandes im Wolkenschimmer schwebt.

Den Schluss macht der Tod des viel Gepriesenen. – Auf einer Binsenmatte ausgestreckt findet ihn sein Mitbruder, ein benachbarter Einsiedel, während zwei Löwen, bisherige Gefährten seiner Einsamkeit, emsig bemüht sind, mit ihren Klauen ein Grab in die Erde zu scharren. Im Mittelgrunde deutet der Künstler sinnreich noch den letzten Lebensmoment des Dahingeschiedenen an. – Antonius kniet im Gebete, vor einem in tiefer Waldeinsamkeit stehenden Kruzifixe. In der Ferne wandelt sein Freund, der Waldbruder, auf steinigen Felspfade, um dem Heiligen seinen Besuch abzustatten, der ihn jedoch, wie wir gesehen haben, nicht mehr unter den Lebenden trifft. – Sämtliche Gemälde tragen das Monogramm des Künstlers und die Jahreszahl 1517.

Martin Schaffner’s Werke wurden vielfach irrtümlicher Weise mit denen des Martin Schön, aber, wie er zuverweilen auch genannt wird, Martin Schongauer, verwechselt, obwohl Letzterer früher als Schaffer lebte und bereits in den 80 er Jahren des 15. Jahrhunderts sein rühmliches Dasein in Colmar beschloß. Die Wirksamkeit Schaffner’s dagegen fällt in den Anfang des 16. Jahrhunderts, zu welcher Zeit der Meister in Ulm als Bürger und Mitglied der dortigen Malergilde lebte. Dieser Künstler hatte das sonderbare Schicksal, bis auf die neuere Zeit fast gänzlich im Dunkel geblieben zu sein, wo ihn dann erst sorgfältige Forschungen in das verdiente Licht gestellt haben. Obwohl Martin Schaffner, wie erwiesen, nie Italien gesehen, so tragen seine Werke doch noch den Stempel jener kurzen Blütezeit deutscher Kunst, in welcher die Bekanntschaft mit der italienischen Muse der strengen Charakteristik und der zwar innerlichen, aber in ihrem Äußeren allzu dürftigen Gemütlichkeit der Deutschen mehr künstlerische Freiheit und Schönheit einhauchte – ein Einfluss, der in seinem Verlaufe mißverstanden, später allerdings dem reinen Kunstelemente verderblich wurde, nicht desto weniger aber in seiner anfänglichen Reinheit das Vortrefflichste deutsch mittelalterlicher Kunst hervorbringen half.

Über die Geschichte des Schlosses Kirchberg (oder wie die frühere Schreibart „Killiberg“) berichtet Kolb, dass im Jahr 1288 das Besitztum von dem ehemals fürstlichen Stifte Kempten durch Kauf an das Gotteshaus Salem gekommen; wie denn auch der letzte Vorsteher dieses Klosters, der Reichsprälat Kaspar Öchsle, hier sein Leben beschloß. Das vorhandene Schloss ist teilweise aus späterer Zeit, zweistöckig und ganz im Sinne eines behaglichen Wohnsitzes angelegt und ausgeführt. Die Wirtschaftsgebäude dagegen tragen noch mittelalterlichen Charakter.

Nachdem dieser herrliche Sitz längere Zeit unbewohnt gestanden, würdigte ihn der höchstselige Großherzog Leopold, zu Anfang der 40er Jahre auf kurze Zeit seines Besuches. Einen zweiten Lichtpunkt in der Geschichte des Schlosses bildet das schon erwähnte Aufenthalt Seiner königlichen Hoheit des allverehrten Regenten im Herbst des Jahres 1853. Der Aufenthalt dauert über fünf Wochen und die meisten angehörigen Bodenseeorte hatten das Glück, von ihrem durchlautigsten Herrn und Regenten besucht zu werden.

An schöne Sonntagen ist die Wirtschaft zu Kirchberg ein besuchter Ausflugsort der Umgebung. Und wahrlich, es gibt wohl kaum ein einladenderes Plätzlein, die Muße, eines schönes Sommernachmittag so angenehm zu verbringen, als Kirchberg mit seinem Weinlauben, blumigen Wiesen und schattigen Gehölzen, angespült von den stillen Gewässern des mächtigen Bodan.

Der Volksglaube lässt in dieser Gegend zuweilen Wanderer nächtlicher Weile irre gehen; auch sollen nicht selten Pferde, welche an Fuhrwerken die Straße passieren, scheu werden. Im nämlichen Sinne fährt auch mit sechsspännigem Zuge der Geist des Prälaten Anselm von Salem (gestorben 1778) von seinem Kloster nach Kirchberg. Dieser Abt lebte mit Kardinal Bischof Roth in beständigen Territorial- und Rangstreitigkeiten, infolgedessen der Kardinal dem Abte, als er einstens sechsspännig von Salem über Meersburg nach Kirchberg fahren wollte, zwei Pferde an dem Wagen ausspannen ließ.

In geringer Entfernung östlich von Kirchberg schaut das Schloss Herschberg stattlich von einem rebenbepflanzten Hügel über den See. Es ist der Sitz der fürstlichen Familie von Salem-Krautheim und liegt auf württembergischem, vom badischen Gebiete umschlossenen Grund und Boden. Ein letzter badischer Uferort in genannter Richtung bildet das große Pfarrdorf Immenstad, erstmals unter fürstenbergischer Landeshoheit, ist ein Bestandteil des großherzoglichen Bezirksamtes Meersburg.

Während ich auf dem Wiesenpfade längs des Seeufern von Kirchberg zurückkehrte, zog von Westen her ein Gewitter, welches bald heftige Regengüsse über Land und See schickte, und den Wanderer am Bodensee kaum noch ungenäßt den Ort Hagnau und das Wirtshaus zum Adler erreichen ließ.

In der Nähe des Gasthauses befindet sich ein mächtiger Steinblock, ein Denkmal des gefrorenen Bodensee’s im Februar des Jahres 1830. – Als die Eisdecke Nachts unter furchtbarem Krachen sich hob und bohrst, wurde dieser Stein (wahrscheinlich eingefroren) mit vielen mannshohen tafelförmigen Eisschichten, aus dem See an das Ufer bei Hagnau geschleudert und später von den Einwohnern mittels vier Pferden in’s Dorf geschleift, um vor dem Adler zum ewigen Gedächtnis aufgestellt zu werden. Ähnliche Erinnerungszeichen warf der wunderliche Alte im Jahr 1573 zwischen Lindau und Wasserburg an’s Land, sowie 1659 bei Arbon unweit der Stadtmauern einen Stein, der nicht weniger als hundert und fünfzig Zentner wog.

Das gänzliche Gefrieren des Sees ist übrigens etwas so Seltenes, dass der gemeine Mann am See, vor dem Jahr dreißig, durchaus die Möglichkeit desselben bezweifelte und alle Berichte aus früheren Jahrhunderten in diesem Betreffe für eitel Lug und Fabel hielt. *)

*Auch von außerordentlich gelinden Wintern, berichten die Chronisten. „Anno 1287 war ein sehr warmer Winter, in welchem zu Konstanz die Bäume und Rosenstöcke geblühet, auch Veielin und andere Frühlings- und Sommerblumen gepflückt worden; da denn am Weihnachtsfest die jungen Mägdlin mit Blumenkränzen geschmückt zur Kirche gingen, und die Knaben im Bodensee badeten.

Von jeher wurde das Phänomen, wenn es eintraf, mit allerlei Festlichkeiten und Unternehmungen von den Umwohnern gefeiert. – Als im Jahr 1573, am 22. Januar der See hart gefror und es mehrere Wochen lang blieb, transportierte man schwere Lasten über das Eis, und sogar ein sechsspänniger Güterzug fuhr von Fußach nach Lindau. Bei Rorschach wurden Fastnachtsspiele und andere Lustbarkeiten auf dem Eis gehalten, und zwischen Lindau und Meheran hielten 200 Bürger zu Fuß und zu Pferde die übliche Aschermittwochschlacht. (Die Sage von dem Reiter, der die beschneite Eisdecke für eine Wiese gehalten und darüber geritten, ist bekannt.)

Ebenso lustig ging es auf der Eisdecke im Februar 1830 zu. Güter wurden hin und hergeschafft, und zahllose Spaziergänge von einem Uferorte zum anderen gemacht. Die Küsterzunft von Konstanz verfertigte ein großes Weinfass auf dem Eis, und die Immenstader benutzten die Bahn, um den f.g. Hennenzins auf einem Schlitten von ihrem Dorfe nach Meersburg zu verbringen.

Meister Sepp von Eppishusen aber hatte Laune genug, eine Schlittenpartie von seinem Schlosse (er wohnte damals in Eppishausen) über den See nach Immenstad zu machen. – Manche Wanderer, die sich zu weit in das nebelige Schneegebilde wagten, irrten lange umher und durften froh sein, mit heiler Haut das Land wieder zu erreichen. Doch sind keine eigentlichen Unglücksfälle bekannt geworden, mit Ausnahme eines badischen Soldaten, der von der Garnison zu Konstanz, welcher in eine Eisspalte fiel und nicht mehr zum Vorschein kam.

Ein ganz besonderer Brauch jedoch findet bei dem jedesmaligen Gefrieren des Sees zwischen den Bewohnern von Hagnau und dem schweizerischen Orte Münsterlingen statt. In feierlicher Prozession wird nämlich ein Heiligenbild von einer Pfarrei in die andere gebracht, wo es so lange verbleibt, bis der See wiederum Gelegenheit zu ähnlicher Transferierung darbietet. Dieses Bildnis befindet sich gegenwärtig in Hagnau, wohin es im Winter 1830 mit Kreuz und Fahnen in Begleitung der Schuljugend von Münsterlingen verbracht worden ist.

Mein kurzer Aufenthalt in Hagnau gab mir Gelegenheit, aus dem Munde eines alten Mannes noch von einem anderen ehemaligen Brauche des Dorfes Kenntnis zu erhalten. Es bestand nämlich hier die Gesellschaft der „Käseträger“ – eine Verbrüderung von 24 ledigen Burschen, mit eigenen Sittengesetzen. Von Alters her war es üblich, dass diese Gesellschaft nach verflossenen sieben Jahre jedes Mal am Neujahrstag ein besonderes Fest beging. Mit Unter- und Obergewehr bewaffnet, unter der Führung eines Oberen, den eine Hellebarde auszeichnete, rückte man früh morgens vor den Pfarrhof und die Wohnungen des Amann und der Gemeinderäte, um hier die übliche Gratulation abzustatten. Nach dem Gottesdienste begab sich die Mannschaft nochmals zum Herrn Pfarrer, um einen Käselaib dort in Empfang zu nehmen, welcher auf einer Stange, die oben ein rundes Brett hatte, im Dorf herum vor jedes Haus getragen wurde, wo man, nach Glückwunsch und Gesang, um eine Gabe bat. Wurde die Spende gereicht, so drückte der Geber oder die Geberin die hierzu bestimmte Münze in einen Apfel, steckte diesen an eine Spindel und diese wiederum in den am Fenster empor gehaltenen Käselaib. – Später ließ man wohl noch Gaben an Fleisch, Mehl, Brot und Butter folgen, was alles zusammen bei einem großen Gastmahl, woran alle Ledigen des Ortes teilnahmen, unter Gesang und Tanz verzehrt wurde. Die Beiträge fielen meist so reichlich aus, dass auch der Armen und sämmtlicher Schuljugend auf’s Freigebigste gedacht werden konnte. 3 bis 4 Zentner Fleisch und ein Dutzend saftige Schinken war keine Seltenheit gespendet zu sehen. –

Ein zweiter „Zechttag“ mit Tanz und allerlei Spielen fand an Fasnacht, ein dritter am 1. Mai u.s.w. statt. Jedes Mal durften sämtliche ledige Welt teilnehmen, mußte sich jedoch den bestehenden Gesetzen der Vierundzwanzig unterwerfen. Es war zum Beispiel Sitte, dass beim Ende der Tanzbelustigung der Obere seine Sackuhr auf den Tisch legte und die Minute bestimmte, wo die Burschen, welche Tänzerinnen nach Hause zu begleiten hatten, wieder im Saale erscheinen mußten. Versäumte einer die gegebene Zeit, so wurde er zur Buße von den nächsten Zechtagen ausgeschlossen.

Traf es sich, dass der Genosse heiratete, so „stand die ganze Mannschaft in’s Gewehr“, um unter Trommel- und Pfeifenschall dem Ausscheidenden gebührende Ehre zu erweisen. Wie das Brautpaar aus der Kirche kam, traten zwei Kameraden vor mit einem farbigen Bande, dessen Enden die Beiden, an ihre gezogenen Degen geknüpft, aus einander hielten, während der übliche Glückwunsch gesprochen, und von der Mannschaft eine feierliche Gewehrsalve gegeben wurde.

Im Jahr 1798„, schloss mein Berichterstatter, das letzte lebende Mitglied der ehemaligen Käseträgergesellschaft, „wurde das Neujahrsfest zum letzten Male von uns gehalten. – Es waren vergnügte Zeiten, lieber Herr; unter dem jetzigen Geschlecht ist nicht halb so viel Harmonie und Lustbarkeit.“

So erzählte der Alte, und es wollte mir scheinen, als liege in seiner Schlussbemerkung etwas Wahres. – Lebt die jetzige Generation, fragte ich bei mir selbst, lebt sie mit all‘ ihrem Raffinements und weltbeglückenden Ideen glücklicher als die Vorältern? – Wir sollen uns in einer Übergangs- und Entwicklungsperiode befinden, hört man vielfach behaupten. – Ist aber nicht jede Zeit eine solche? Gewiß. Keine bringt jedoch, halte ich dafür, so Wunders viel Neues, dass es sich der Mühe lohnte, entbehrend lange darauf zu warten. –

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.“

Allerdings ist viel Poesie, oder was dasselbe ist, Gemüth, aus dem Volksleben geschwunden, vorzugsweise seit der Zeit, wo alles cosmopolitische Zwecke, sociale Ideen und Zukunft gepflegt werden wollte; worüber nothwendig die Freude am Herkömmlichen, das Behagen an der Gegenwart, verloren gehen mußte.

Mit solchen Raisonnements beschäftigt, wanderte ich Meersburg zu. – Das Gewitter war vorüber und die Luft herrlich erfrischt und klar. – In erneuter Pracht lag die noch eben von Regenschauer verhüllte Gegend vor mir, und die uralten Häupter der Alpen schauten in unwandelbarer Ruhe, verklärt durch Apollos scheidendes das Flammengespann, in’s glühende Abendroth.

In Meersburgs Hallen aber herrschte Freude. – Ein Teil der in Konstanz gastierenden Schauspielerbande war mit dem Dampfschiffe herüber gekommen, um auf dem Theater, welches noch aus Bischofszeiten im oberen Saale des Rathauses vorhanden ist, Vorstellungen zu geben. Auch ich ließ mich verlocken. Das Stück war ein wenig erbauliches modernes Lustspiel, dessen Name ich vergessen habe; doch ist mir noch so viel erinnerlich, dass es mich von Neuem in dem Verdacht bestärkte, als schwinde alle ächte Poesie aus dem Leben und der Kunst.

Joseph Maria Christoph Freiherr von Laßberg


Schloss Kirchberg

1829 wurde die barocke Schlosskapelle abgetragen. Kurz nach 1850 und ab 1880 wurden die Schlossgebäude jeweils einer tief greifenden Umgestaltung unterzogen. Durch Prinz Wilhelm von Baden wurde ab 1880 der Südflügel in seiner äußeren Gestalt soweit verändert, dass die im Bau vorhandene ältere Bausubstanz nicht mehr zu erkennen war. Das Gebäude wurde um ein Geschoß erhöht und erhielt eine neue Dachkonstruktion.

Martin Schaffner (* um 1478; † nach 1546 in Ulm). Seine Unterschrift findet sich auf dem von Stocker geschaffenen Ennetacher Altar. Schaffner wechselt später zu einer anderen Ulmer Werkstatt, um schließlich in Augsburg mit Hans Holbein dem Älteren zusammenzuarbeiten. Vom Stil des letzteren ist seine eigene Arbeit ebenso beeinflusst wie durch Albrecht Dürer und Hans Burgkmair. Wikipedia

Die von Lucian Reich erwähnten Tafeln aus dem Schloss Kirchberg befinden sich heute als „Salemer Altar Tafeln“ in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Vermutlich waren sie 1829 aus der Schlosskapelle in das Schloss Kirchberg, und dann 1880 nach Salem gewandert. Die heutig Beschreibung ist eine ziemlich andere als die unten eingefügte von Lucian Reich aus dem Jahr 1855.

Die Hauptgruppe des zweiten Gemäldes zeigt den Heiligen betend, bedrängt jedoch und verwirrt von den üppigen Gestalten dreier Mädchen, deren lange rote Gewänder und zierliche Haargeflechte nur unvollkommen Bocksfuß und sprossende Hörnlein verdecken. Die eine der Schönen faßt zudringlich des frommen Vaters Kapuze, während ihre Schwestern, neben einem reich verzierten Ruhebett stehend, mit arglistigem Lächeln die Verwirrung der Heiligen betrachten. Ein Teil des Mittelgrundes rechts füllt ein prächtiges Gebäude, an dessen Treppe Antonius, umgeben von Preßhaften und den drei rot gekleideten verführerischen Weibern. Links mehr in der Ferne gerückt, schließt das Bild mit einer Szene von anmutiger Erfindung und Ausführung. An sommerlichen Tagen sehen wir den Alten in sinnender Beschaulichkeit längs eines Waldrandes dahin wandeln. – Siehe, da tritt ihm der rot gekleidete Versucher wieder in den Weg, und zeigt gegen ein klares, ruhig fließendes Waldwasser, wo drei nixenartig gestaltete Jungfrauen den schönen Leib im Bade kühlen.

Das dritte Bild stellt, im Gegensatze zu den Anfechtungen sinnlicher Begier, den Heiligen dar unter den Händen wilder Dämonen, die im Begriffe stehen, ihrem Opfer äußerliche Körperbeschädigungen beizubringen. Die eine dieser diabolischen Gestalten packt das Gewand des Alten, der in abwendender Gegenwehr nach oben blickt, wo die Lichtgestalt des Heilandes im Wolkenschimmer schwebt.

Den Schluss macht der Tod des viel Gepriesenen. – Auf einer Binsenmatte ausgestreckt findet ihn sein Mitbruder, ein benachbarter Einsiedel, während zwei Löwen, bisherige Gefährten seiner Einsamkeit, emsig bemüht sind, mit ihren Klauen ein Grab in die Erde zu scharren. Im Mittelgrunde deutet der Künstler sinnreich noch den letzten Lebensmoment des Dahingeschiedenen an. – Antonius kniet im Gebete, vor einem in tiefer Waldeinsamkeit stehenden Kruzifixe. In der Ferne wandelt sein Freund, der Waldbruder, auf steinigen Felspfade, um dem Heiligen seinen Besuch abzustatten, der ihn jedoch, wie wir gesehen haben, nicht mehr unter den Lebenden trifft. – Sämtliche Gemälde tragen das Monogramm des Künstlers und die Jahreszahl 1517.

Die Fotos sind von Wikimedia der Text von Lucian Reich.

Insel Mainau – Mersburg

Für die dunkle Jahreszeit empfehle ich die Insel Mainau und der Badische Bodensee von Lucian Reich aus 1856. Das Buch hatte ich im Winter 2022/2023 hier vorgestellt und möchte es jetzt aktualisieren.

Hier das Kapitel Mersburg – ja, es steht Mersburg da!

Da der Text vom Programm transkribiert wurde, ist er teilweise der neuen Schreibweise angepasst

Mersburg

Wie in den vorigen Tagen, war auch bei meiner Abreise von Konstanz der See noch immer schäumender Bewegung. Aeolus blies ein altes Lied, die Aufforderung zum Tanz, so kräftig gegen den Hafen, dass selbst die hier liegende Dampfboote und schweren Segelschiffe in schaukelnde Bewegung gerieten. – Der „Friedrich“, der schnellste Fährmann des Bodensee’s, eröffnete trotz dem Aufruhr der Elemente den Reigen, um im Sturme die alte Meersburg zu gewinnen.

Sprühende Regenschauer verhüllten die fernen Gestade, und wie hinter einem wehenden Schleier erschien bald die seitwärts liegende, wellengeborene Königin des See’s, die liebliche Mainau. Mit ungehinderter Kraft durchschritt das Boot die wallende Flut, welcher bald groß und größer die Felswände Meersburgs und seine Bischofsschlösser erstiegen. – Welche Fortschritte, dachte ich, mögen nicht im Bereiche der Schifffahrt gemacht worden sein, seit den Tagen, wo unter König Dagobert der alte Turm dort oben zum Leuchtturm gedient, und später auf der grauen Meersburg die Gaugrafen von Nordorf saßen, um dem Namen des Kaisers die Überfahrt über den See zu schirmen.

Jene Zeiten mit ihren Sitten- und Kulturzuständen sind längst vorüber, aber ihr Bau, von einem guten Geiste beschützt und erhalten, grüßt noch heute wie vor 1000 Jahren den Ankömmling. Ein Geharnischten mit geschlossenem Visier, schaut er herab auf das alte Städtlein, und hinüber zu seinem jüngeren Nachbarn, der Bischofsresidenz im Gewande des Rokoko. Ein Blick auf die Lage Meersburg gibt einigen Aufschluss über seine Entstehung. Offenbar entstand die untere Stadt unter dem Schutz der Burg, als Stapelplatz von Schiffern und Fischern, während der oberen jüngere Teil den Dienstmannen und Beamten der hier wohnenden Konstanzischen Bischöfe sein Emporkommen verdankt.

Wann aber die letzteren in den Besitz der alten Burg gekommen, davon geben uns die Chronisten keine ganz sichere Nachricht. Jedenfalls diente früher schon die Veste den geistlichen Herren zum Zufluchtsort, in jenem kampferfüllten Zeiten, wo die Kirchenoberen stets in ähnlichem Falle sich befanden, wie jener italienische Meister, der von Nebenbuhler bedroht, immer das gezogene Schwert neben sich an der Staffelei liegen hatte.

Ein solcher Schutz musste die Burg im Jahr 1354 ihrem Besitzer, dem Bischof von Konstanz leisten. Nach Bischof Rudolfs III Tode waren die Wahlstimmen zwiespältig, die einen auf Albrecht von Hohenberg, die anderen auf Nicolaus von Kenzingen gefallen. Der Letztere erhielt des Papstes Bestätigung; Albrechts Vater jedoch, der mächtige Graf von Hohenberg, zog das Schwert, um für seinen Sohn das Bistum, zu gewinnen. Sein Bundesgenosse war Kaiser Ludewig selbst, welcher aus Hass gegen den Papst ein zahlreiches Volk benachbarter Städte gegen Meersburg führte, wo Bischof Nikolaus mit den Seinen das alte Schloss besetzt hielt. Als der Bedrohte das Kriegswetter kommen gesehen, hatte er mehrere 100 Bergleute berufen, welche den Fels um das Schloss abschroten und durch eine tiefe Kluft von den übrigen Lande trennen mußten. Die Bischöflichen hatten kriegserfahrene Hauptleute, einen Grafen von Toggenburg, Kanonikus von Konstanz und den gedienten Feldobersten Jasso.

Während ersterer in blutigen Ausfällen die Feinde schlug, führte Jasso einen kühnen Seekrieg, nahm des Feindes Frachtschiffe weg, und machte mit seinen Pfeilschützen wilde Jagden auf die Nachen der Belagerer; die er, wie der Chronist sagt, mit Netzen fing wie Fische, und als ergrimmter Leu unter ihrer Bemannung wütete. Dieser Widerstand brachte den Feind zum Nachgeben, ohne dass der Graf von Hohenberg seinen Schwur erfüllen gesehen hätte: „nicht eher abzulassen, bis er der hl. Jungfrau Maria (Schutzpatronin des Hochstiftes) das Hemd vom Leib gezogen habe.“ Noch bewahrt das städtische Archiv eiserne Bolzen aus dieser Fehde, die beim Abbruch eines Tores in eichenem Gebälk gefunden wurden.

Weniger glücklich war einer der nachfolgenden Bischöfe, Heinrich von Höwen. Die Bürger Mersburgs empörten sich wider ihn (1436), belagerten das Schloss und zwangen ihn zur Flucht. In die Reichsacht erklärt, mußten sie aber (1457) Stadt und Schloss ihrem Landesherrn wiederum zurückgeben.

Große Drangsale brachte auch der 30-jährige Krieg. Nach städtischen Schriften unternahmen 1647 die Schweden von der Mainau her einen Angriff auf das alte Schloss, wobei der Dachstuhl in Flammen aufging. Als drei Jahre später der Schaden ausgebessert wurde, ersuchte der Bischof seine getreuen Stadtbürger um Ehrenfuhren bei dem Bauwesen; sie wurden bereitwillig, aber mit dem Vorbehalt geleistet, dass dieser Dienst hierfür zu keiner Schuldigkeit ausgedehnt werden möge.

Auch Widerhold, der Peiniger des Volkes im Hegau und am See, suchte die Stadt vor seiner Veste Hohentwiel aus mit Erpressungen heim, wobei er mit „Schwert und Brand“ drohte.

Wie verarmt das städtische Wesen in jenen unseligen Kriegsläufen geworden, kann der Umstand dartun, dass im Jahr 1650, als die Stadt „wegen Armut und Mittellosigkeit“ ein Anlehen machte, der sämtliche Kirchenschatz einem Sohn Abraham’s in Versatz gegeben wurde.

Zu dieser Lebensnot kam bald noch eine Leibesplage, die Pest, welche so verheerend wirkte, dass kein einheimischer Priester mehr in der Stadt am Leben blieb. In diesen schrecklichen Tagen waren es die Franziskaner von Sulgau, welche täglich auf die Stätte des Todes kamen, um auf offener Straße Beichte zu hören und den Sterbenden den Trost der Religion zu bringen – ein Dienst, den die Stadt dadurch zu vergelten suchte, dass den frommen Vätern erlaubt wurde, hierfür alljährlich im Herbst in Meersburg ihr Almosen zu sammeln.

Von dem zerstörenden Wesen jener dreissigjährigen Kriegszeit überhaupt finden wir aller Orten noch schriftliche und mündliche Überlieferungen in Menge. In den Merseburger Rathsprotokollen ist unter Anderem erwähnt, wie anno 1653 im benachbarten Schwaben die Wölfe furchtbar überhand genommen und bereits 24 Kinder zerrissen hätten; weshalb auf Befehl des Erzherzogs Karl von Österreich zu Konstanz die Meersburger Büchsenschützen aufgeboten wurden zu allgemeiner Jagd auf die Bestien.

Alle diese Trübsal und Einbußen mochten jedoch bald verschmerzt sein, in einer Gemeinde wie Meersburg, die durch den fürstlichen Hofhalt der Bischöfe, durch ergiebigen Grundbesitz und lebhaften Getreidehandel über den See so vielfache Erwerbsquellen hatte. Auch gingen die nachfolgenden Zeiten ohne sonderliche Unfälle vorüber.

Im Kriegsjahr 1796 jedoch wäre der Ort durch eines jener, in neuerer Zeit berüchtigt gewordenen Mißverständnisse beinahe dem Brande und der Plünderung anheim gefallen. Die Ursache hiervon war ein französischer emigrierter Mönch, der sich einige Zeit als geistlicher Abenteurer in Meersburg und Umgebung herumtrieb. Dieser Mann kam eines Tages zum fürstlichen Präsidenten (der Hof war in Ulm auf der Flucht) und vertraute diesem, er habe erfahren, dass ein Trupp französischer Marodeurs vom Tareau’schen Corps die Stadt zu überfallen trachte. – Der erschreckte Beamte schickte nach dem Bürgermeister und Rat, und man kömmt überein, die Tore zu schließen, bis anderwärtig Hilfe käme, den eigenen Herd mit Glut und Blut zu verteidigen. Die wehrhaften Bürger schließen und besetzen also die Tore; und wirklich dauert es nicht lange, so erscheint eine starke Reiterschaar, die verwundert die Eingänge verrammelt und die Bürgerschaft in Waffen sieht. Erbittert über solche Feindseligkeit im bereits erworbenen Lande, schickt man sich an, den Eingang mit Gewalt zu erzwingen. – Indessen waren einige Bürger eiligst ins Schloss gelaufen, dem Präsidenten zu melden, dass keine Marodeurs, sondern reguläre französische Husaren vor den Toren hielten. Der gute Mann war jedoch längst über den See geflüchtet; die Bürger aber beeilten sich zu öffnen. Der Feind drohte mit Plünderung und Brand, und als man sich entschuldigte, der bischöfliche Präsident habe die Tore zu schließen befohlen, stürmten die erbitterten Soldaten in’s Schloss und ergriffen den bischöflichen Kanzler, welcher zufällig während des Handels von Ulm her in die Stadt gekommen war. Nur mit Mühe konnte der unschuldige Mann von einer Copulation mit der Seilers Tochter befreit werden. Ebenso schenkten die Republikaner, als das ganze Missverständnis aufgeklärt war, der Stadt Verzeihung, indem sie großmütig mit einer Summe Geldes sich begnügten.

Die größte Einbuße erlitt Meersburg nachmals freilich durch die Verlegung der bischöflichen Residenz. Wer die hinterlassenen großartigen Bauten und Anlagen derselben betrachtet, mag einen Schluss ziehen auf den prachtvollen Hofhalt, der hier geführt worden. Noch leben alte bischöfliche Diener in Meersburg, welche sich jener Tage mit Vorliebe erinnern.

Ihr Gedenken geht bis zu Bischof und Kardinal Fr. Konrad Roth, dem drittletzten der hier regierenden Fürstbischöfe. Er war der Sohn des österreichischen Feldzeugmeisters Baron Johann von Roth und kam im Jahr 1750 auf den bischöflichen Stuhl. Sechs Jahre später wurde er in Gegenwart des Kaisers Franz vom Papst Benedikt dem Vierten in Wien zum Kardinalpriester erhoben. Als ein Mann von großer Energie und Willenskraft hatte er nicht wenig Einfluss auf die Wahl des Papstes Evanganelli, welchem Akte er als kaiserlicher Kardinal beiwohnte.

In seinem bischöflichen Haushalte liebte Roth Pracht und zahlreiche Dienerschaft, doch verstand er auch zu sparen, was seine hinterlassenen Baarvorräthe beweisen. Die bildende Kunst hatte an ihm einen Freund, auch soll er, worauf man dazumal vieles hielt, ein guter Lateiner gewesen sein. Zudem war er ein gewaltiger Nimrod und trefflicher Schütze, der stets einen großen Wildstand unterhielt und gegen Wilddiebe unerbitterliche Strenge handhabte. Alljährlich im Herbst wurden große Hauptjagden in der Höre, um den Schienerberg abgehalten, wo Edel- und Schwarzwild in Mengen hauste. Dieser robusten Beschäftigung entsprechend war der Körperbau des Kardinals. Kaiser Joseph soll von ihm gesagt haben, dass er bei seiner ganzen Garde keinen so kolossalen starken Mann habe, wie der Kardinal Bischof Roth.

Noch erzählt man die Begegnung der beiden im Jahr 1777, als der Kaiser bei seiner Rückkehr von Paris, wo er seine Schwester Maria Antonette besucht hatte, Meersburg berührte. Der Kardinal war dem kaiserlichen Reformator, dem er als Geistlicher nicht sonderlich gewogen sein mochte, ein Stück Weges entgegengegangen, um ihn einzuladen, in dem bischöflichen Schlosse sein Absteigequartier zu nehmen. Der Kaiser bedauerte, seine Einkehr im Gasthaus zum Löwen bereits anmelden lassen zu haben; worauf Roth beleidigt erwiderte: „Nun, so behüte Gott Eure Majestät.“ – und indem er mit der Hand gegen das Gasthaus wies – „Dahinauf führt der Weg zum Goldenen Löwen“ – sich umwendet und schweigend seiner Residenz zuschritt.

Der Kardinal, welcher in seinem Leben so viele hohe Ehrenstellen begleitet hatte (er war zugleich Protektor des hohen Johanniterordens zu Malta und Abt zu Sirard in Ungarn x.), verordnete, dass bei seiner Beerdigung kein Wort in der Leichenrede zu seinem Lobe, sondern nur über die Nichtigkeit des irdischen Lebens überhaupt gesprochen werden solle.

Auf Franz Konrad Roth folgte dessen Bruder Maximilian Christoph, zum Bischof erwählt im Jahr 1775. In seiner Jugend lebhaft und heftig, zeichnete den Mann gereiften Alters, Milde und Güte gegen das Volk und die Armen aus. Unzähligen jungen Leute seines Sprengels gab er das Lehrgeld zu irgendeinem Handwerk; auch liebte er die schönen Künste, weshalb strebende Musensöhne stets erwünschte Unterstützung bei ihm fanden. Als leidenschaftlicher Musikfreund sah der Bischof darauf, dass eine Anzahl seiner Diener zugleich geübte Tonkünstler sein mußten, welche ein ständiges Quartett bildeten. Bei größeren Aufführungen kamen die Domherren von Konstanz noch hinzu. Allen wandernden Spielleuten, Bergknappen, Harfnern und Sängern von Nah und Fern war der Zutritt in’s bischöfliche Schloss gestattet.

Auch die Wissenschaften fanden an diesem Hof ihre Pflege. Das Naturalienkabinet, welches unter Maximilian in Meersburg angelegt wurde, war seiner Zeit eines der bedeutendsten in Deutschland; so dass diese Sammlung noch heute einen wesentlichen Bestandteil des Großherzoglichen Naturalienkabinetts in Karlsruhe ausmacht.

Noch hatte sich damals manches von altershergekommenen Volksfesten und öffentlichen Spielen erhalten, den gegebenen Verhältnissen und Zuständen entsprossen. Wie überhaupt an den früheren geistlichen Höfen in vielen Dingen löbliche Toleranz herrschte, so ward auch der Fastnacht, welche von jeher im Oberland heimisch, in der bischöflichen Hofburg gerne Raum gestattet. Von 4 bis 5 Stunden Weges strömten die Umwohner herbei, um die Aufführungen zu sehen, welche während jener Tage in dem, mit frischem Sand überstreuten, Schloßhofe stattfanden. Da sah man den uralten Schwerdtertanz, von jungen Burschen mit der blanken Waffe in der Hand ausgeführt; das Reiffspringen, das Ringelrennen – eine Übung zu Pferd, von welcher städtische Schriften um’s Jahr 1597 schon Erwähnung tun, und anderes mehr. Nachmittags belebte dann allgemeines Narrenlaufen die Gassen des Stadtleins, wobei der ganzen hoch ansehnlichen Narrenzunft der Zutritt ins fürstliche Tafelzimmer gestattet war.

Herrschte während dieser Lusttage auch Freiheit und buntes Leben, so war nichtsdestoweniger dafür gesorgt, dass gewisse Schranken nicht ungestraft überschritten werden durften. So zum Beispiel war es nur Erwachsenen erlaubt, sich zu maskieren. Ließ sich ein naseweiser Bube verleiten, es den Alten gleichtun zu wollen, so ward er ergriffen und zur Abkühlung des allzu hitzigen Gemüts in den Brunnen getaucht. –

Eine Gelegenheit für das Landvolk, sich hervorzutun, gab das Pfingstfest, wo die Bauernburschen den üblichen Pfingstritt in der Stadt abhielten – ein Überrest der altdeutschen Maienfeier. – In wohlgeordnetem Zug, voran die Maienführer mit grünen Tannenbäumlein in der Hand, ritten sie ein, wo nach den herkömmlichen Sprüchen der in Rinde gehüllte „Pfingstputz“ (ursprünglich den Winter vorstellend) in ein fließendes Wasser geworfen wurde; die ganze Bande aber, vom fürstlichen Hofe und den Bürgern reichlich mit Gaben bedacht, den Tag im Wirtshause bei Schmaus und Tanze beschloss.

Das mögen dann freilich für die kleine Stadt Meersburg angenehme, der Erinnerung werthe der Zeiten gewesen sein, umso mehr, da sie dem Orte nicht wenig Wohlstand brachten, indem die Anwesenheit des Hofes stets zahlreichen Besuch von Hoch und Nieder in die Stadt zog.

Maximilian Christoph schied aus dieser Zeitlichkeit in dreu und achzigjährigem Alter (1800), nachdem er längere Zeit kränklich gewesen war. Er war der Letzte des freiherrlichen Geschlechts von Roth. – Sein sämtliches Mobiliar fiel dem Verkauf anheim. Und also reichlich war die Hinterlassenschaft, dass die Versteigerung im Ganzen über ein Vierteljahr dauerte und so viele Kinder Israels herbeigelockt hatte, dass ein eigener Schächter in Meersburg genug zu tun hatte, dem auserwählten Volke den Fleischbedarf zu liefern.

Bischof Max war von großer Gestalt aber hager, von einnehmender, Wohlwollen aussprechender Gesichtsbildung. Sein Bildnis ist noch in mancher Stube des ehemaligen Sprengels anzutreffen; so wie ich mich auch eines Festkalenders von riesenhaften Formate erinnere, welcher sein Bildnis trägt. Kalender und Porträt, kaum handgroß, sind umgeben von allegorischen Darstellungen, und es mißt der aus mehreren Platten bestehende Kupferstich im Ganzen nicht weniger als fünf Fuß in der Höhe und zweieinhalb Fuß in der Breite.

Mit dem Tode dieses Fürstbischofs schließt die alte Zeit, in dem sein Nachfolger, der edle Karl Theodor von Dalberg, an Bildung und Geistesrichtung schon ganz dem neu gestalteten 19. Jahrhundert angehört. Seit dem Jahr 1788 Coadjutor am Bistum Konstanz, kam er nach Roth’s Hintritt auf den bischöflichen Stuhl, von wo ihn, wie bekannt, das Schicksal nach zwei Jahren abberief, um ihm den erledigten Sitz eines Kurfürsten von Mainz und Erzkanzler des Reiches einzuräumen. Sein kaum zweijähriges bischöfliches Regiment bezeichnen viele vortreffliche Einrichtungen und Stiftungen; sein späteres Leben und Wirken, die Erhebung zum Fürstprimas von Deutschland und Frankfurt u.s.w., hat jedoch mehr weltgeschichtliches als specielles Interesse, und darf daher bei unserer Schilderung nur noch erwähnt werden, dass Dalberg, der 90. Bischof, den würdigen Schluss einer mehr als zwölfhundertjährigen Reihenfolge von Inhabern des bischöflichen Stuhles zu Konstanz machte.

Ein Boden, ein Bauwerk, woran bedeutende historische Erinnerungen haften, übt auf gegenwärtige stets eine anziehende Macht aus. Ein der Trauer verwandtes Gefühl möchte uns beschleichen beim Hinblick auf die schattenhafte Flüchtigkeit alles Irdischen, dessen sichtbare Spuren wir dann mit desto größerem Interesse betrachten.

In solcher Stimmung betrat auch ich den Hof und die Anlagen der herrlichen, aber verlassenen Bischofswohnung, dem alten Schlosse gegenüber. – Ich stand auf der steinernen Terrasse, tief unter mir der See, über den ein heftiger Südwest daher brauste und langsam majestätisch die Wellen, gleich Sturmkolonnen, gegen den Hafen und das Gestade wälzte. Wie unwillig schreiend über die Störung, flatterten vom Winde aufgescheucht die Dohlen um die Dächer der alten Meersburg, welche im gebrochenen Lichte des trüben Tages finster zu meiner Rechten lag. – Die Dämmerung war allmählich hereingebrochen, und an einzelnen Fenstern jener mittelalterlichen Burg bewegten sich Lichter hin und her. Das neuere Schloss dagegen, in meiner unmittelbaren Nähe, stand ohne Zeichen innewohnenden Lebens; seit dem Wegzuge Karls von Dalberg ward es nicht mehr bewohnt.

Mit welchem Interesse, kam mir in den Sinn, mag nicht Bischof Anton von Sickingen aus dem alten Schlosse wegziehend, diesen Bau für ewige Zeiten geschaffen und herrlich für sich und seine Nachfolger eingerichtet haben. – Und jetzt, nach kaum 100 Jahren, steht er leer, ungewiss, ob je einmal wieder ein Besitzer sich darin häuslich niederlassen wird. – Ein glücklicheres Loos dagegen war seinem Nachbar, dem alten Schlosse, beschieden.

Nachdem es unter den Bischöfen nach Anton von Sickingen zu Kanzlei und Beamtenwohnung gedient, später aber, nach dem Anfalle an das Haus Baden und dem Wegzuge des Bischofssitz nach Freiburg, dem Hofgerichte seine Räume geliehen, erkaufte es nach längerer Verwaisung der edle Freiherr von Laßberg, um den alten Bau zum gastlichen Familiensitze und zum Horte herrlicher Sammlungen zu machen.

Doch auch dieser treffliche Mann ist seitdem heimgegangen. – Kurze Zeit vor meinem Hiersein ward er zur Erde bestattet auf dem Kirchhofe der Stadt, neben der Ruhestätte seiner Schwägerin, der zartsinnigen Dichterin Annette Droste von Hülshoff.

Der Abend, rau und unfreundlich, war unter meinen Betrachtungen weit vorgerückt, und ließ mich auf den Rückzug und ein Nachtquartier bedacht sein, welch letzteres ich in den Wirtshause fand, wo acht Jahrzehnte zuvor Kaiser Joseph, zum großen Verdruss des Kardinals Roth, ebenfalls seine Einkehr genommen.

Im Wetter war eine erwünschte Änderung eingetreten. Der Sturm hatte über Nacht das Gewölk vertrieben und den Himmel aufgeklärt. Ein sonniger Morgen folgte dem düsteren Ungestüme des vorigen Tages – und mit den Wolken war auch meine gestrige zur Beschaulichkeit geneigte Stimmung verschwunden. Die warme, frohe Gegenwart machte unbedingt ihr souveränes Recht geltend, und ich eilte, im Lichte des goldenen Morgens, die Gemächer des neuen Schlosses mit ihrer herrlichen Fernsicht in Augenschein zu nehmen.

Die Lage dieses Baues auf einer ansteigenden Terrasse ist wahrhaft imposant. Früher standen hier bürgerliche Gebäulichkeiten, die in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts abbrannten, worauf Bischof Anton das jetzige Schloss (1750) im opulenten Stile ausführen ließ, durch den komturischen Baudirector Bagnato, welcher nebst dem Schlosse Mainau auch das Kornhaus in Rorschach erbaute. Die innere Decorierung trägt vollkommen das Gepräge ihrer Entstehungszeit. – Griechenthum und Klassicität in Puder und Reifrock. – In Statuen und Gemälden, an der Treppe und den Plafonds sehen wir den ganzen Olymp versammelt, um den geistlichen Hausherrn galante Huldigungen darzubringen. Die Zimmerreihe im zweiten Geschosse ist wahrhaft fürstlich und äußerst geschmackvoll: das Getäfel von Eichenholz mit Gold, und an den Wänden große, aus dem alten Schlosse stammende Gobbelins mit Jagden und idyllischen Vorstellungen im Stile der Schule des Julius Romano. –

Und die Aussicht aus den Fenstern – in zauberischer Klarheit und Ruhe lag die noch vor kurzem unendlich aufgeregte Fläche vor meinem Blick – ein Gemälde, hingehaucht mit den zarten Luft- und Wasserfarben: vom westlichen Endpunkte, wo noch deutlich die hochgetürmte Kathedrale von Konstanz ragt, bis zu den dunklen Tannenwäldern um Bregenz; dazwischen in sanft ansteigenden Linien die Vorlande der Schweiz und ihre schneeigen Berghäupter, vom mächtigen Säntis und den Kurfürsten bis zu den blauen Hochwarten Tirols.

Dieselbe prachtvolle Aussicht haben das ehemalige bischöfliche Seminarum ad St. Carolum Boromaeum (in neuerer Zeit der Sitz eines katholischen Schullehrerseminars), die Wohnungen der großherzoglichen Beamten und anderer Teile der vielgebäudigen Hofburg.

Die großartigen Treibhäuser, welche zu Bischofszeiten den Hofgarten zierten, haben zu einem artigen Sprüchworte Veranlassung gegeben. Beim Sonnenschein nämlich strahlen die schräg liegenden Fensterflächen der Treibhäuser in so gewaltigem Glanze, dass ihr Leuchten bis weit ins Appenzeller Land hinein wahrgenommen wurde, daher dort das Sprichwort aufkam „es glänzt – wie Meersburg„.

Ein vorteilhaften Begriff von behäbigen städtischem Wesen gibt das alte Rathaus mit seinem hellen, geräumigen Saal. Obwohl Meersburg nie eine eigentlich freie Reichsstadt gewesen, so gewährte seine alte Verfassung doch große Rechte und Selbstständigkeit. Die städtische Gerichtsbarkeit reichte eine halbe Stunde außerhalb der Stadt, wo dann das heilenbergische Gebiet seinen Anfang nahm. Dem Stadtrat stand das Blut- und Malefizgericht zu, bei welchem der Regierende Bürgermeister als Reichsvogt oder Stabhalter prädierte, zu Handen das entblößte Schwert. – Außerdem bestand in Meersburg die „ehrbare Gesellschaft der Hundertundeinser.“

Diese unabhängige Korporation, welche ihre Stiftung und reichliche materielle Begabung einem Caspar Müller, in der Mitte des 16. Jahrhunderts, verdankt, hatte den Zweck, in schwierigen Fällen, bei Not und Teuerung, Krieg oder andern städtischen Angelegenheiten, bei gegenseitigen Streitigkeiten und Zerwürfnissen x. beratend und vermittelnd einzuschreiten, so wie das brüderliche Zusammenhalten der ganzen Bürgerschaft überhaupt zu hegen und zu pflegen. – Die Gesellschaft war im Besitz eines eigenen Beratungs- und Gelagehauses (das jetzige Gasthaus Zum Bären). Ihre oberste Leitung lag in der Hand eines Oberpflegers, dem einem Unterpfleger zur Seite stund, welcher das Gesellschaftsvermögen verwaltete, während ein Ober- und Unterordner die Gesellschaftsbestimmungen und die Ordnung bei Festen und Gelagen handhabten. Die ganze Verbrüderung zerfiel, hundert und ein Mitglied zählend, wiederum unter sich in Meister und Gesellen. Von dem ersprießlichen Wirken dieser Verbindung nur ein Beispiel.

Von alters her hatten die benachbarten Thurgauer (in commerzieller Beziehung stets verbunden mit der schwäbischen Bevölkerung) das Recht, in der Meersburger „Gred“ oder dem Kaufhause ihren Bedarf an Früchten vor den Einheimischen einzukaufen.

Als nun in den letztverflossenen 70er Jahren, in Folge mehrerer Mißjahre, große Teuerung, ja beinahe Hungersnot eingetreten, machten die Schweizer also ausgedehnten Gebrauch von ihrem Vorrechte, dass die zurückgesetzten Bürger Einsprache erhoben, welche bald in großen Tumult überging und damit endete, dass die zudringlichen Nachbarn mit Gewalt aus dem Kaufhaus verjagt wurden. Fürst Bischof Kardinal Roth, sehr aufgebracht über diesen Vorfall, und ohnehin nicht der Mann vieler Umschweife, ließ die schuldigen Bürger ergreifen und ohne weiteres in’s Gefängnis werfen. – Die Stadtverordneten hatten nicht den Mut, dem Landesherrn entgegenzutreten; da ließ der Oberpfleger die Hundertundeiser Gesellschaft zusammenrufen, und es ward beschlossen, in der Angelegenheit ein freimüthiges Wort zu sprechen. – Die Abgeordneten begaben sich in das Schloss, wo der Bischof in großer Aufregung sie fragte, in wessen Namen und Auftrag sie kämen? „Im Namen und Rechte der ehrbaren Gesellschaft der Hundertundeiser, lautete die Antwort. – Der Bischof mäßigte sich; die Sache wurde untersucht, und auf Grund der einsichtsvollen Auseinandersetzung der Gesellschaftsvorstände das Gesetz, welches die Schweizer beim Einkauf bevorrechtigte, für immer aufgehoben.

In neuerer Zeit besteht die Gesellschaft eigentlich nur noch dem Namen nach. Wenigstens wurden keine Beispiele ihrer Tätigkeit zu meiner Kenntnis gebracht, ausgenommen ein festliches Bankett, welches die Mitglieder jährlich in der alten Gelagestube zum Bären abzuhalten pflegen.

Von den Thoren, die Meersburg hatte, hieß einst Das Zwingtohr; der Bischof allein soll das Recht gehabt haben, durch dasselbe aus- und einzugehen. Seit Jahrhunderten aber war es zugemauert. Folgendes Begebniß soll die Schließung veranlasst haben. Ein fremder Cavalier, so berichtet die Sage, kam eines Tages gen Meersburg und wollte durch das Zwingtohr einreiten. Ein Bürger vertrat ihm den Weg mit dem Bedeuten, hier dürfe nur der Bischof durchpassieren. Der Fremde, beleidigt durch die Zurechtweisung, zieht das Schwert, der Bürger greift ebenfalls zur Wehr, und es entspinnt sich ein Kampf, in dem der Bürger getötet wird. Hierauf erhob sich ein Tumult in der Stadt; die herbeigelaufenen Bürger wollten ihren Genossen rächen, griffen zu den Waffen und verfolgten den Frevler. Dieser aber flüchtete in’s alte Schloss, wo er sich unter dem Schutz des Bischofs stellte. Vergeblich forderten die Bürger seine Auslieferung; der Bischof wollte das heilig gehaltene Gastrecht nicht verletzen. Es kam zu einer förmlichen Berennung des Schlosses und der Bischof mußte flüchten. – Die Bürger aber mauerten das Zwingtohr für ewige Zeiten zu.

Diese Sage scheint ihren Grund zu haben in den Streitigkeiten zwischen den Bischöfen und der Stadt (in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts), wo Mißverständnisse und Tumulte wegen Schließung det Tore, Verwahrung der Schlüssel, Ein- und Auslass bischöflicher Diener vorkamen, und die herrschsüchtigen Vögte der Bischöfe wiederholt zu Klagen und bewaffneten Widersetzlichkeiten von Seiten der Bürger Veranlassung gaben – worüber die Stadt einmal in die Acht geriet.

Mit einem Teil der Mauern und Tore fiel auch die alte Pfarrkirche und eine daneben stehende Kapelle dem Abbruch anheim. In letzterer befand sich altdeutsche Gemälde, die in jenen Zeiten, wo man das Gute nicht zu schätzen wußte, abhanden gekommen, und, wie versichert wird, nach Berlin in eine dortige Sammlung gewandert sind.

Ein schöner altdeutscher Altar befindet sich in der Nikolaus-Kapelle (alte Hofkapelle) der unteren Stadt, wo die Fischerzunft alljährlich einen Gottesdienst, zu Ehren ihres Schutzpatron, des heiligen Johannes von Nepomuk, abzuhalten pflegt.

Wenn der Besucher Meersburgs alle noch vorhandenen Zeugen der Vergangenheit zur Genüge betrachtet und in den Berggassen sich müde gelaufen hat, so mag er, der genussreicheren Gegenwart sich zuwendend, seine Schritte nach dem Gasthaus zum Schiffe lenken, wo das Zimmer auf den See hinaus einen herrlichen Blick über die weit ausgedehnte Wasserfläche darbietet. Sollte ihn aber an heißen Tagen etwa die Lust an wandeln, in der verlockenden Flut selbst erquickende Kühlung zu suchen, so ist ihm auch diesem Bedürfnisse Rechnung getragen, in einer erst neuerer Zeit errichteten Badeanstalt, welche ihr Entstehen zunächst der anregenden Tätigkeit des Herrn Amtmanns Speer in Meersburg verdankt.

Mir war vor meiner Abreise noch gegönnt, einen Teil der Laßberg’schen Sammlung zu sehen, welche, wahrscheinlich nur noch kurze Zeit, in den Gemächern der alten Dagobertsburg aufbewahrt sind. Durch die edle Gastfreundschaft der verwitweten Freifrau selbst wurden mir die Zimmer geöffnet, deren Wände eine Sammlung von Gemälden älterer Meister schmückt. Es war mir dies umso interessanter, da ich wusste, dass diese Kunstwerke in Bälde in meine Heimat wandern, das heißt in den Besitz Seiner Durchlaucht des Fürsten von Fürstenberg übergehen und einen ergänzenden Bestandteil der Sammlungen im Schlosse zu Hüfingen bilden würden.

Freiherr Joseph von Laßberg wurde geboren in Donaueschingen 1770. Seine Jugend fiel in eine Zeit, wo an dem kleinen fürstenbergischen Hofe alles Schöne und Veredelnde Pflege und Gunst fand. Die Anregungen, welche seine Kindheit von daher empfangen, mögen dem Jüngling und Mann wohl durch’s ganze Leben begleitet und seiner Neigung zu Literatur und bildender Kunst den Grund gelegt haben. Das Gymnasium zu Donaueschingen gab Gelegenheit zu ersten Studien, die in Straßburg und Freiburg fortgesetzt und vervollständigt wurden. Forstwissenschaft war das Fach, welchem, nach dem Beispiele des Vaters, der eines der ersten Hof-Forstämter in Donaueschingen begleitete, der Jüngling sich widmete. Bereits zu Anfang der 90er Jahre erhielt der junge Mann eine selbständige Stellung in dem Amte eines fürstlichen Oberforstmeisters zu Heiligenberg, und im Jahr 1804 wurde er zum Landesoberstforstmeister des Fürstenhauses ernannt.

Es waren die Zeiten, deren Stürmen das deutsche Reich erlag und mit dessen Auflösung Vieles im politischen Haushalte der Nation sich änderte. Die reichsfürstliche fürstenbergische Linie war mit Karl Joachim zu Grabe gegangen und das nunmehr standesherrliche Fürstentum dem erlauchten Sprössling böhmischer Linie Carl Egon zugefallen, während dessen Minderjährigkeit die Fürstin-Mutter Elisabeth, die vormundschaftliche Regierung führte. Laßberg war zum Geheimen Rat nach dem, Tode seines Vaters zum Oberjägermeister ernannt. Mit dem Aufhören der vormundschaftlichen Regierung suchte er jedoch Entlassung aus dem Dienstgeschäften, und widmete sich, in der Umgebung der hohen, durch die seltensten Herzens- und Geistesgaben ausgezeichneten Fürstin Elisabeth, ganz den Musen. Sein Mannesalter war in die Epoche gefallen, wo gleichzeitig mit dem Aufschwunge der neuen Literatur auch den Schätzen der früheren Zeit geschärfte Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Dies konnte jedoch nicht hindern, dass bei den in bewegten Zeiten vor sich gehenden Klosteraufhebung manches Wertvolle der Kunst und Wissenschaft verschleudert, verloren oder ganz vernichtet wurde. Freiherr von Laßberg, im Besitze gründlicher Kenntnisse und auch der nötigen materiellen Mittel, hatte sich’s schon früher zur eigentlichen Lebensaufgabe gemacht, Zerstreutes zu sammeln, Verlorenes aufzusuchen, und was sich in profanen Händen befand, an sich zu bringen. So entstand nach und nach eine herrliche Sammlung von seltener Handschriften, Incunabeln und alten Malereien, wie nicht leicht ein Privatmann eine ähnliche aufzuweisen haben mochte. Der Besitzer aber war keiner jener grillenhaften Liebhaber oder pedantischen Gelehrten, welche ihre Schätze misstrauisch verschließen und möglichst unzugänglich machen; das Erworbene sollte wieder dem Leben, der Kunst und Wissenschaft zurückfließen, weshalb er um altdeutsche Literatur und Geschichte so hochverdiente Herausgeber des „Liedersaales“ sein Bestes uneigennützig seinen Freunden zu Lust und Lieb an’s Licht stellte. In Verbindung und Freundschaftsverhältnissen mit vielen Gleichgesinnten und Ähnlichstrebenden sah der gastfreie Burgherr beständig werthe Besuche von Nah und Fern bei sich. Seine geistige wie körperlich ausdauernde Gesundheit ließ den trefflichen Mann all diese glücklichen Lebensverhältnisse bis in’s höchste Alter ungeschmälert genießen. Er starb im 85. Lebensjahr, wenige Monate nach dem vielbetrauerten Hingange seines hochherzigen Fürsten und Herren, Carl Egon von Fürstenberg.

Zahlreichen Freunden aber ist die schöne Erinnerung geblieben an einen genussreichen geistigen Verkehr und manche heitere Stunden im edlen Familienkreise auf der alten Meersburg. „Da finden Sie eben mich“, schrieb von Laßberg nach dem Tode seines Sohnes, seinem Vertrauten Freunde, geistlichen Rat und Professor Fr. Carl Grieshaber in Rastatt,

da finden Sie mich mit liebem Weib und Kindern, mit weißem, schneeweißem Haupte zwar, aber mit immer grünem, warmem und fröhlichem Herzen, der von sich sagen kann:

*Ich versteh es, dem Waidwerk Zierde zu sein und dem Speer, Netzen und fliegendem Rohr.

Ach ja, fuimus Troes! Und jetzt stehe ich da, wie ein alter Baum, dem der Blitz die Krone abgeschlagen hat; denn meine Krone und mein Stolz war dieser Sohn, den mir der Himmel diesem Sommer entführt hat. (*Friedrich von Laßberg, Sohn erster Ehe, war fürstlich sigmaringscher Regierungspräsident; er starb im Jahre 1838)
In eine bessere Welt, so pflegt man zu sagen; aber auch diese wäre ihm vielleicht für viele Jahre noch gut genug gewesen, denn sie konnte ihn wohl brauchen.

Ehe wir von Meersburg schreiben, sei ein anderen verdienten Mannes gedacht. Es ist der vaterländische Geschichtsforscher und Schriftsteller Johannes Baptist Kolb, geboren in Meersburg, 1774, wo sein Vater die Stelle eines fürstbischöflichen Archivars bekleidete. Das Wenige, was ich von den Lebensumständen dieses Mannes noch erhalten, gibt Dr. Josef Bader in seinem neuesten Werke: „Meine Fahrten und Wanderungen im Heimatlande.

Das Lexicon über das Großherzogtum Baden von Kolb ist ein rühmliches Zeugnis unermüdlichen Fleißes und uneigennütziger Liebe zum Heimischen, die ihren bescheidenen Lohn meistens allein nur in den Bewusstsein findet, der Allgemeinheit einen Dienst geleistet zu haben.

Indem ich noch des Grabmals gedenke, welches die naturforschende Gesellschaft in Berlin dem in Meersburg verstorbenen Magnetiseur Dr. Mesmer, in Gestalt einer abgestumpften Pyramide auf dem Gottesacker errichten ließ, kommt mir der Vorschlag von Göthe in den Sinn, Bildnisse verdienter Mitbürger, ausgezeichneter Künstler und Gelehrter, sowie von Großen, welche den Ort durch Wohlthaten oder persönliche Gegenwart ausgezeichnet x. malen oder modellieren zu lassen und nebst dem Porträte der Landesherren in den Rathssäälen für bleibend aufzustellen. Demnach würde Meersburg das Bild von Laßberg’s, Kolb’s, nebst dem bereits vorhandenen Porträt des Bischofs Max von Roth in seiner Rathsstube der Mit- und Nachwelt aufzubewahren haben.

Möchte doch in allen Städten des Landes in diesem Sinne etwas geschehen; der Nutzen (wenn ein solcher auch nicht in der Gemeinderechnung mit Zahlen ausgedrückt werden kann) wäre kein geringer. Denn das Andenken merkwürdiger Männer regt von Zeit zu Zeit den Geist zur Betrachtungen auf, stärkt das nationale Gefühl und ermutigt auf vorgewießener Bahn Ähnliches zu erstreben.



Die Freiherren von Rodt schrieben sich bei Lucian Reich Roth.

Burg Meersburg, Eigentum und Wohnsitz von Laßberg von 1838 bis zu seinem Tode

links: von Joseph Ignaz Appiani, um 1760 das Porträt Franz Konrad von Rodt, Deckengemälde im Neuen Schloss Meersburg. Franz Konrad Kasimir Ignaz von Rodt (* 17. März 1706 in Meersburg; † 16. Oktober 1775 ebenda) war Kardinal der Römischen Kirche, Reichsfreiherr und von 1750 bis 1775 Fürstbischof von Konstanz. Wikipedia

rechts: Maximilian Christoph von Rodt, Porträt von Stephan Bildstein (ca. 1775/1780) im Neuen Schloss Meersburg. Maximilian Augustinus Christoph von Rodt (* 10. Dezember 1717 in Kehl; † 17. Januar 1800 in Meersburg) war Fürstbischof von Konstanz. Wikipedia






Den Pfingstbutz und den Pfingstritt scheint es nur noch in Wurmlingen zu geben.


Die Liste der Bischöfe von Konstanz gibt es bei Wikipedia. Lucian Reich nennt Bischof Maximilian Christoph von Rodt, „Bischof Max„. Laut der Liste ist Karl Theodor von Dahlberg nicht der 90. sondern der 99. Bischof.

Joseph von Laßberg

Joseph Maria Christoph Freiherr von Laßberg, (geboren 10. April 1770 in Donaueschingen; gestorben 15. März 1855 in Meersburg) nannte sich selber der Meister Sepp von Eppishusen. Er war Gründer des Baarvereins und auch leidenschaftlicher Sammler. Über ihn gibt es sehr viele Geschichten und auch Kontroversen wegen seines Nachlasses.

Die Magische Säule von Peter Lenk in Meersburg

Burg Meersburg, Eigentum und Wohnsitz von Laßberg von 1838 bis zu seinem Tode

Laßberg von Peter Lenk in Meersburg

Joseph Maria Christoph Freiherr von Laßberg

Lucian Reich hatte Glück die Sammlung von Laßberg noch in Meersburg bewundern zu können. 1855 kam die Sammlung, aber meines Wissens nicht in das Hüfinger Schloss, sondern in die FF-Sammlung nach Donaueschingen. Die umfangreiche Büchersammlung von Joseph Maria Christoph Freiherrn von Laßberg kam in die Bibliothek des Baarvereins die damals mit der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek zusammen war. Ab Oktober 1999 wurden der Nachlass nachts über die Schweiz aus Donaueschingen verbracht und in verschiedenen Auktionshäusern versteigert.

Mehr dazu gibt es in den Schriften der Baar Band 48 aus dem Jahr 2005:
https://www.baarverein.de/band-48-jahrgang-2005/



Ehrbare Gesellschaft der 101 Bürger von Meersburg


Das Museumsgebäude am Karlsplatz in Donaueschingen wurde im Jahre 1865 von Fürst Karl Egon III. in Auftrag gegeben. Sein Architekt, Theodor Dibold, baute eine leerstehende ehemalige Zehntscheune am heutigen Karlsplatz für seine naturkundlichen, historischen und kunstgeschichtlichen Sammlungen um. Vermutlich stand dies in Zusammenhang mit dem Nachlaß von Laßberg.

Die F. F. Hofbibliothek Donaueschingen des Hauses Fürstenberg verfügte zusammen mit dem Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, (dessen Gründer u.a. Freiherr von Laßberg war) über bedeutende Bestände aus den Gebieten Recht, Theologie, Geologie, Regional- und Familiengeschichte und 7000 seltene Musikalien (darunter Mozarthandschriften). Dazu gehörten auch die ca. 11.000 Bände umfassende Sammlung des Gelehrten Joseph Maria Christoph Freiherrn von Laßberg. Seit Oktober 1999 wurden die Druckwerke der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen – etwa 130.000 Bände – über die Schweiz verbracht und in verschiedenen Auktionshäusern versteigert oder anderweitig auf dem Antiquariatsmarkt angeboten.

Fuimus Troes ist ein Jasper Fisher zugeschriebenes Versdrama über Julius Cäsars Einmarsch in Britannien im Jahr 55 v. Chr. Es wurde 1633 in Quarto in London veröffentlicht. Das Drama ist in Blankversen geschrieben, die mit Lyrik durchsetzt sind; Druiden, Dichter und ein Harfner werden eingeführt, und es endet mit einer Maske und einem Chor. (https://en.wikipedia.org/wiki/Fuimus_Troes)

Franz Anton Mesmer
Der große Magnetiseur

in Publikationen manchmal auch Friedrich Anton Mesmer – (* 23. Mai 1734 in Iznang; † 5. März 1815 in Meersburg) war zunächst Arzt in Wien, führte dann „magnetische“ Kuren durch und begründete den animalischen Magnetismus, auch Mesmerismus genannt. Wikipedia

Ein dreieckiger gerundeter weißer Marmorblock befindet sich auf drei Stufen aus weißem Sandstein, die sich nach oben hin verjüngen und in einem ebenfalls gerundeten, dreiseitigen Grundriss liegen. Das Grabmal wurde von der Gesellschaft der Naturforscher in Berlin gestiftet, von Bildhauer Sporer in Konstanz gestaltet, 1830 errichtet und 1902 renoviert.

Mesmer von Peter Lenk auf der Hafenmole von Meersburg

Insel Mainau – Konstanz 2.

Für die dunkle Jahreszeit empfehle ich die Insel Mainau und der Badische Bodensee von Lucian Reich aus 1856. Das Buch hatte ich im Winter 2022/2023 hier vorgestellt und möchte es jetzt aktualisieren.

Hier der 2. Teil vom Kapitel Konstanz

Einzelne Gewerke, wie zum Beispiel die Metzger und Gärtner, gaben den Ihrigen statt den gewöhnlichen Kundschaften große Pergamentbögen mit, auf welchen sich der wanderlustige Geselle, je nach seinem Vermögen, von einem Maler oder Schönschreiber etwas Hübsches malen ließ. Die Gärtner zum Beispiel wollten meistens den Garten ihres Lehrmeisters mit allen Gebäulichkeiten und Pflanzen darauf haben, während die Metzger schönes Vieh bestellten, nebst dem Lieblingshunde „Packan“ oder „Bläß“.

Nikolaus Hug erzählt, dass im Jahr 1797 in einer größeren Stadt des Mittelrheines ein Maler eine solche Bestellung von einem Metzger bekommen, und mit vielem Fleiß also ausgeführt habe, dass er zwischen den zierlichen Buchstaben und Worte „Wir Bürgermeister und Rath“, – Ochsen-, Kälber- und Schafsköpfe x. gemalt habe, was der Metzgerzunft ungemein, dem Rat hingegen so sehr missfallen habe, dass der arme Künstler zu einer Abbitte und Vernichtung des Lehrbriefes sich habe bequemen müssen.

Ein recht lustiges Leben führten auch die Studenten auf den Vakanzreisen. Mit ihren Zeugnissen und langen Degen an der Seite besuchten sie die Landpriester und wohlhabenden Bürger aller Orten. In jedem Kloster ward ihnen Herberge gegeben auf 6 bis 8 Tage und Essen und Trinken im Überfluss. Manche arme Schlucker brachte von einer vierwöchigen Vakanzreise 20 bis 30 Gulden bares Geld nach Hause. In der Stadt gab man armen Studenten bei Prozessionisten gerne Kostage, wofür sie dem Hausherrn, der im Schreiben und Rechnen entweder gar nicht oder schlecht unterrichtet war, die Hausbücher und Rechnungen in Ordnung halten mußten.

Eine eigentümliche Klasse von Menschen bildeten die Waldbrüder oder Eremiten, welche auf Kirchhöfen, bei Kapellen oder in Wäldern ihre Klausen hatten. Sie zeigten sich im Äußeren als sehr fromme Leute, welche in den Kirchen die Priester bedienten, dem Mesner bei Verzierung der Altäre halfen und mit dem Volke zu verschiedenen Zeiten in ihren Kirchlein Betstunde abhielten. Ein solcher Klausner befand sich noch zu Ende des vorigen Säkulums auf dem Schottenkirchhofe in Konstanz. Seine Zelle war mit passenden Symbolen und Versen geziert, zum Beispiel

Wahre Tränen, wahre Buß,
Waschen ab dem Sündenruß.“

Trotz solch frommer Äußerungen scheuten übrigens manche dieser wunderlichen Heiligen ein bisschen „Ruß“ nicht, wenn es darauf ankam, sich ein Bene zu tun.

Zu gleicher Zeit gab es auch Schwärme von Bettlern und abgedankten gardenden Soldaten mit Frauen, Kindern und kleinen Fuhrwerken. Sie zogen von einem Pfarrsprengel zum anderen und besuchten die Kirchweihen. In Konstanz hatten diese Bettler eine eigene Zunftordnung unter sich aufgeteilt. Starb ein alter Mann oder ein altes Weib, so rückte die jeweils ältere Person um einen Platz näher an die Kirchentüre, und durch die ganze Armee fand das gleiche Avancement statt.

An der Straße nach Kreuzlingen konnte man an schönen Sonntagen ganze Bettlerfamilien gelagert erblicken. Hier seufzte einer wegen Krankheit, dort schrie ein anderer seiner brennenden Wunden wegen, alle so erbärmlich wie möglich, um einen Almosen von den Vorübergehenden zu erhalten. Kam der Abend und die traurige Nacht, so hörten die Schmerzen auf; man zog in verschiedene Schenken und Herbergen und verzehrte erheiterten Gemüts, das erbettelte Geld.

Viele Bewohner des an der Straße nach Loretto gelegenen Siechenhauses, (errichtet vom Bischof Hermann III, aus dem Geschlechte von Breitenlandenberg), hatten das Recht, am Neujahrstag die Straßen der Stadt zu durchziehen. Sie sangen geistliche Lieder und führten einen Wagen mit sich zur Fortschaffung des reichen Almosens, was ihnen von mitleidigen Einwohnern gespendet wurde.

Ein anderer anmutiger Brauch war das öffentliche Singen vom Weihnachtsabend bis zur Feste der Heiligen Drei Könige. Am Weihnachtsabend setzten sich Banden alter und junger, oft seltsam verkleideter Leute in Bewegung, um vor denjenigen Häuser der Stadt zu singen, aus welchen sie bereitwillige Spenden erwarten durften. Man sang meist Lieder von der Geburt und dem Leben Jesu. Oft mit sehr schönen Klang reichen Stimmen. Hin und wieder hörte man aber auch ein Kriegs- oder Liebeslied.

War man den nächtlichen Sängern gewogen, so wickelte man die Geldspende in ein langes Papier, zündete es an und warf es zum Fenster hinaus der Bande zu. Ließ aber der flammende Dank allzulange auf sich warten, so rief man in geduldigen Tone:

Wenn ihr üs ge wend,
So gend ü’s bald,
Denn uf den Gaßen ist es kalt.“

Noch im Jahr 1792 war es in Augsburg Sitte, dass an jedem Samstag arme Studenten mit Mänteln angethan, vor jedem Hause, wo sie Wohltaten empfingen, ein deutsches Lied sangen oder ein Vaterunser beteten.

Am heiligen Dreikönigstage stand das bekannte Herumgehen der drei Könige mit dem Sterne statt. Unser Berichterstatter gibt in seinem Nachlass eine Probe von einem Liede, welches an diesem Tage in Konstanz von den verkleideten Weisen gewöhnlich gesungen wurde.

Die Heiligen Drei Könige mit ihrem Stern,
Sie suchten den Herrn und sähen ihn gern.
Sie kommen vor’s König’s Herodeßen Haus,
Herodes, der schaue zum Fenster heraus.
Herodes, der sprach mit. Falschem Verdacht:
Warum ist nur der Hintere so schwarz?“
Er ist nicht schwarz, er ist ganz weiß;
Wir suchen Ihn mit ganzem Fleiß.
Zu Nacht sind wir den Berg gegangen.
Dann ist der Stern wohl aufgestanden.
Der Sternen rückt fort, wir folgen ihm nach,
Bis wir zusammen nach Bethlehem kamen ;
Nach Bethlehem in die heilige Stadt,
Wo Jesus Christkindlein die Liegestatt hat.
Wir fallen ihm alle drei zu Füßen
Zum Opfer Ihm schenken wir Gold,
Weihrauch und Myrren.
Dies war das liebste Jesulein.“

Allgemein war auch in der Seegegend das Johannisfeuer. Vom Hafendamme aus konnte man am Abend des Johannistages weithin im Schwäbischen und benachbarten Schweizerlande die Feuer lodern sehen, und noch heute ist dieser Brauch nicht ganz erloschen. In Konstanz aber hört diese alte Sitte auf mit dem Jahre 1805, allwo ein junges Mädchen bei dem üblichen Sprung über das Feuer in die Flammen fiel und sich stark beschädigte. Die Stadtbehörde, welche das Feuermachen in den Gassen ohnehin ungerne sehen mochte, verbot die Abhaltung des Brauchs.

Zu jener Zeit hatte auch an jeder Bürger das altershergekommene Recht, seine selbst gepflanzten Wein öffentlich auszuschenken. Die Verkündigung solcher Schenkeröffnungen geschah durch einen alten Mann mit halb weißen, halb rotem Mantel. Am Sonntagmorgen, nach beendigten Gottesdienste, geschahen die Ausrufungen mittels der Schelle. Es konnte geschehen, dass 12 bis 14 Schankwirte und Weinsorten auf einmal ausgerufen wurden, was dem Aussteller ebenso viel Maßwein und Kreuzer eintrug.

Bei All‘ dem waren die öffentlichen Verkehrsanstalten, den in unserer Zeit fast übergroße Sorgfalt zugewendet wird, in sehr mangelhaften Zustande. Noch in den 80er Jahren des letzten verflossenen Jahrhunderts finden wir im ganzen Lande über kleinere Flüsse keine Brücken. Fuhrwerke und Reisende wurden auf kleinen Fähren übergesetzt. Förmliche Straßen bestanden nur zwischen den bedeutenden Orten, und da waren sie meist so schmal, dass die Pferde eines hinter dem anderen mußten eingespannt werden. Ganz besonders schwierig war das Fortkommen auf schweizerischem Boden. Bis zum Jahr 1776 zum Beispiel mussten die Reisenden auf der stark begangenen Straße zwischen Pfyn und Frauenfeld nach Frankreich, auf Flößen oder flachen Schiffen über den reißenden Thurfluss setzen. War dieser von Gewitterregen oder geschmolzenem Schnee hoch angeschwollen, so mussten die Wanderer eben Geduld haben, bis das Element sich etwas verlaufen hatte. Natürlich, dass auch das Post und Botenwesen dem Zustande der Wege entsprach.

In gedachter Zeit befand sich in Konstanz die Post auf dem oberen Markte, unter den Bögen des jetzigen Leo’schen Kaffeehauses. Ein alter Herr Namens Radergast besorgte gemächlich und ohne Gehilfen das Geschäft. Die Postkutsche fuhr etwa zweimal in der Woche nach Radolfzell. Nach der Schweiz aber gingen bis zum Jahr 1780 noch keine Fahrposten. Erst von da an wurden solche dort eingerichtet und mit der Reichspost in Verbindung gebracht. Die ersten Wagen hatten Raum für vier Personen. Die Kasten ruhten hinten auf hölzernen Eisen beschlagenen Federn und hingen in Ketten, während sie vorne unmittelbar auf der Achse auflagen. Da mochte, zumal auf dem holprigen Straßen, dem Fahrenden das einlullende Schläfchen wohl verscheucht worden sein.

Alle Postillone von der Reichsseite kamen zu Pferde. Die Briefe hatten sie in ledernen Beuteln rückwärts am Sattel festgeschnallt; die Postionen aber von Überlingen, Meersburg u.s.w. trugen kleinere lederne Brieffelleisen auf dem Rücken. Mit noch weniger Umständlichkeit betrieben die Eidgenossen das Geschäft. Von Luzern kam wöchentlich einmal ein Bote zu Fuß mit einem Tragkorb, worin die Korrespondenz sich befand. Von Weil aber brachte, patriarchalischer Sitte gemäß, eine Frau mit einem Esel, das ihr anvertraute, nach Konstanz und von da zurück.

Zwischen vielen schwäbischen und schweizer Orten und Konstanz bestand gar keine regelmässige Verbindung; man konnte von dort nichts erhalten und folglich auch nichts dahin versenden. Der Briefwechsel überhaupt ma damals ein sehr geringer gewesen sein. So genügte zum Beispiel vor 50 Jahren noch eine einzige Person, in Konstanz die Poststücke auszutragen. Es war eine alte Jungfer namens Sidonia, welche mit einem Körblein am Arme die Briefe in der Stadt umher trug; als sie alt und schwach geworden, überließ sie das Geschäft einer Base.

Regelmässige Botenfuhren für Frachtstücke kamen erst im Mitte des vorigen Jahrhunderts auf. Später verband man auch Fahrgelegenheiten für Reisende damit, jedoch nur für solche Passagiere, welche eine allzu große Eile hatten, indem die Reisewagen einfach hinten an den Güterwagen angehängt wurden.

Kutschen gab es dazumal noch wenige. Ums Jahr 1787 zählte man in Konstanz nicht mehr als zehn Kutschen, wovon zwei der Stadtgemeinde, eben so viele zweien vermöglichen Bürgern und die übrigen dem Bischof und dem Domherren gehörten.

Mustern wir Kleidung und Tracht unserer Altvorderen, so finden wir bei ihnen weniger Modewechsel, aber dafür mehr Solidität in den Stoffen. Sonntags (im Winter) ging der reichere Stadtbürger nie anders als im silberbordierten dunkelblauen Mantel; der Patrizier hatte solchen von Scharlach mit Goldborten auf dem Kragen, und als Auszeichnung den Degen, der übrigens auch dem Künstler, Beamten und wohlhabenden Kaufmanne zustand. Vermögliche Prozessionisten pflegten, ihres Handwerks goldenen Boden in massivem silbernen Rock- und Westenknöpfen zur Schau zu tragen, während vor nicht minder kostbarem Metalle die Schuh- und. Hosenschnallen, Uhrgehänge und Anderes sein mussten. Statt unseren leichten Modezeugen sah man an den Frauen fein tuchene, mit echten Silberborten besetzte Kleider, dazu die schmucke Goldhaube. Beim Kirchgang fehlte nicht das silber beschlagene Gebetbuch von kunstreicher Arbeit und der Rosenkranz von Bernstein oder Korallen mit Denk- und Schaumünzen behangen.

Die Erben bekamen damals wertvolle Hinterlassenschaften, während ihnen heute meist wertloser Modekram und verbrauchte Fetzen teil werden.

Manche, uns beinahe unentbehrliche Gerätschaften dagegen, waren dazumal noch selten oder gar nicht im bürgerlichen Hauswesen anzutreffen. Regenschirme zum Beispiel sah man nur bei Vermöglichen. Sie bestanden aus dunkelfarbiger, mit großen Blumen gezierter Wachsleinwand. Die gemeinen Bürger- und Bauernweiber aber behalfen sich bei regnerischer Witterung damit, dass sie einen Teil ihrer Obergewänder über das bedrohte Haupt zogen, wie in unseren Tagen noch auf dem Lande zu sehen.

Vom Gebrauche der Spiegel wußten unsere Landsleute ebenfalls noch wenig. Sie wendeten sich einfach an das bekannte Element, in welchem schon im frühesten Altertum Narciß seine jugendliches Bild erschaute. Samstagabends nämlich stellten die ländlichen Schönen eine Velte voll Wasser in ihre Kammer, worin sie, nach dem Ankleiden ehe sie nur zur Kirche gingen, noch einmal sich bespiegelten, ob Alles in gehöriger Ordnung sei. Also einfach waren die Sitten und Zustände der s. g. guten Zeit. Aus ihren Trümmern erwuchs in raschem Wechsel das Neue, welches zu beschreiben den Nachkömmlingen überlassen bleiben mag.

Nebst den mannigfachen Umgestaltungen der Josephinischen Zeit überhaupt, war unser Konstanz die Ansiedelung der genannten Genferkolonie von großem Einfluss. So wie alles kommende Neue Bewegung und Leben in das vorhandene Alte bringt, so wirkte auch dieses Ereignis anregend auf die Zustände der altbürgerlichen Stadt. In Folge der Ankunft so vieler tätigen und vermöglichen Fremden fing man an, die modernden Kehrichtwinkel in den Gassen zu säubern, die von Wurme zerfressenen Ingebäude der (zur Hälfte leerstehenden) Häuser auszubessern und bequemere Wohnungen darin einzurichten. Alle Handwerksleute, die gute Arbeit zu liefern vermochten, bekamen zu tun. Tagelöhner, welche früher von Almosen und Klostersuppen sich genährt, griffen ermutigt zur Arbeit. Zwischen den Neugekommenen und den ursprünglichen Bürgern bestand das freundlichste Verhältnis; die jüngeren Einheimischen lernten bald Französisch und die Genfer, wenn auch etwas langsamer, Deutsch. Mit jedem Jahr hob sich der Wohlstand.

Die Genferknaben, meist lustigen Blut, besuchten die Schule in Zofingen, so auch die Mädchen. In Religionssachen huldigte man einer gewissen Toleranz. Die Mädchen der protestantischen Genferfamilien nahmen am katholischen Religionsunterricht teil.; es hieß, sie könnten ja größer und urteilsfähiger geworden, selbst sich das Bessere wählen.

Erst nach mehreren Jahren kam ein Genfer protestantischer Geistlicher mit Familie nach Konstanz, und bereitwillig wurde ihm ein Lokal zur Abhandlung des Gottesdienstes eingeräumt.

Im ganzen bestand die Kolonie aus etwa 500 Köpfen. Dem Gewerbe- und Fabriktreibenden ward vom Kaiser 20-jährige Steuer und Militärfreiheit bewilligt. Wie schon bemerkt, bekam die Familie Macaire, zur Errichtung einer Indienne- und Cotonfabrik, die Dominikanerinsel unentgeltlich. Bei dem Einzuge hatte Jakob Macaire, wie Hug erzählt, ein sonderbares Mißgeschick. Als der erste schwer beladene Güterwagen über die Brücke zum Kloster fuhr, brach dieselbe unter der Last zusammen, und Pferde und Wagen stürzten stark beschädigt in den Wassergraben. Die vertriebenen Klostermönche und ihre Anhänger aber frohlockten und wollten eine höhere Fügung darin erkennen. So natürlich es auch war, dass die nur zu Brotfrüchten und Weinfuhren hergerichtete Brücke unter der ungewöhnlichen, übermäßigen Last einbrechen müßte. Bis auf den heutigen Tag wird dies Fabrikgeschäft mit gutem Erfolg betrieben.

Andere von den eingewanderten angefangenen Industriezweige, wie zum Beispiel die Sackuhren und Goldwarenfabrikation sind jedoch wiederum in Abgang gekommen. Um der ersteren aufzuhelfen, ward die zollfreie Einfuhr von 20 ,000 Stück Sackuhren während acht Jahren in die österreichischen Staaten gestattet. Da aber die Fabrik weit mehr zu liefern imstande war, so wurde der Überschuss im Orient verschlossen.

Am Schluss des genannten Jahrhunderts war Konstanz zum andern Mal Zeuge einer Einwanderung. Das große Ereignis der Französischen Revolution scheuchte, wie bekannt, eine Menge Priester und Mönche, welche der neuen gebietenden Macht den Eid nicht leisten wollten, über den Rhein. Unser Gewährsmann schildert sie der Mehrzahl nach als sehr unwissend. Nebst einer Menge der niederen Geistlichkeit waren auch sehr viele höhere Würdenträger der Kirche nach Konstanz gekommen. Die Fronleichnamsprozession 1793 gewährte daher das ungewöhnliche Schauspiel, dass 13 französische Bischöfe, darunter drei Erzbischöfe und nebst diesen der Malteserfürst von Heitersheim zu sehen waren.

Zu Betrachtungen entgegengesetzter Art gaben über rheinische Emigranten im Jahre 1814 Veranlassung. Es waren ehemalige Nationaldeputierte, welche zum Tode König Ludwigs des XIV.. gestimmt hatten und nach Wiederherstellung des Königsthrones aus Frankreich fliehen mussten. Der eine war, der Erdeputierte für Corrèze, Prival, welcher bei Erblickung des Blutgerüstes für den König, in der Voraussetzung, das Volk könne das Schauspiel nicht bequem genug sehen, ausgerufen haben soll. Es ist zu nieder! – Dieser Mann wurde später in Konstanz wahnsinnig, und wo er vor einem Hause eine Treppe erblickte, sprang er heftig hinauf und herunter. Die Stufen zum königlichen Blutgerüste standen immer noch vor seinen wirren Sinnen. Ein zweiter Monnel mit Namen (aus dem Departement Marne) stellte kurz vor seinem Tode in Konstanz eine öffentliche Urkunde aus, worin er seine Reue bezeugte, zum Tode des unglücklichen Königs gestimmt zu haben. – Der dritte Dübois Bellegarde, Deputierter für Charente, wird als roh und religionslos geschildert; er rühmte sich vieler Mordtaten, aß wie ein Schwein faules Fleisch und Fische, spottete über Gott und den Teufel – und fürchtete sich bei seinem Ende doch vor demselben. – Ein vierter, für das Departement Eher, La Brunerie, zeigte sich als ein braver Mann, der oft seinen Kummer aussprach, zum Tode seines Königs gestimmt zu haben. – Alle diese Männer starben während der 20er Jahre.

Bei der Wanderung durch die Stadt lenken wir billig unsere Blicke zuerst auf die altehrwürdige Domkirche. – Wie alte Berichte sagen, rührt ihre ursprüngliche Anlage vom Bischof Rumoald (1052) her. Nach anderen jedoch wäre schon früher, im Jahre 950, zurzeit Konrads des Heiligen, der Grundstein gelegt worden, und Rumoald habe nur die Einweihung des fertigen Baues vollzogen. Die 16 massiven steinernen Säulen im Inneren der Kirche sollen, nach einer Sage, unter Konrad, dem Heiligen gesetzt worden sein. Diese Säulen nebst den übrigen Bausteinen kamen aus einem Steinbruche beim Schlosse Bodman.

Die ursprüngliche Form des Ganzen ist die des Kreuzes, wozu spätere Jahrhunderte, bauend und verändernd, das Ihrige hierzu getan haben. – In früheren Zeiten hatte der Bau zwei Türme. Im Jahr 1497, am 18. April, wurde ein dritter, der „Mittel neue Münsterthurm“ zu bauen angefangen. Das Fundament dazu war drei Mann tief, weshalb etliche Steine von den anderen Türmen abrissen und beinahe fünf Knechte erschlagen hätten. Bischof Hugo (von Hohenladenberg) legte den ersten Stein durch seinen Hofmeister Walther von Hallweil. Zu gleicher Zeit waren die großen Glocken gegossen worden.

Aber die Herrlichkeit dauerte nur kurze Zeit; eine Feuersbrunst ruinierte im Jahr 1511 alle drei Türme samt den Glocken. – Zwei Dachdecker hatten am Kirchendach etwas auszubessern, dem einen entfiel der glühende Löthkolben und entzündete einen unter dem Gebälk liegenden Haufen Hobelspäne. Der Dachstuhl geriet in Flammen, welche bald riesig hoch die Türme umloderten, so zwar, dass die bleigedeckten Helme derselben mit den Glocken schmolzen, und das flüssige Metall herab träufelte wie ein Regen. Drei Tage schwebte dadurch die Stadt in Feuersgefahr, die beiden unseligen Dachdecker aber hatten ihr Heil in der Flucht gesucht.

Nach diesem Ruin ließ das Domkapitel die Werkmeister der benachbarten Städte Freiburg im Breisgau, Straßburg, Zürich, Überlingen, Neuhausen und Salmansweiler nach Konstanz berufen, um von ihnen zu hören, was zu tun sei. Die Meister gaben den Rat, das vom Brande ganz ruinierte Mauerwerk der Türme bis auf weniges abzutragen und mit verzierten Kuppeln oder Helmen zu versehen, in derselben Gestalt, wie das Bauwerk noch bis auf unsere Zeit gekommen ist.

Papst Pius III hatte allen Denen, die einen Beitrag. Zum Bau leisten, würden, einen Ablass verheißen. Nach Braunegger soll ein Amann von Rorschach unentgeltlich die Steine geliefert, und Kaiser Maximilian auf Bitte des Bischofs, Metall zum Gruße neuer Glocken, so wie zur Deckung der Türme gegeben haben.

Nachdem der ganze aus grünlichen Sandstein ausgeführte Bau im Laufe mehrerer Jahrhunderte sehr in Zerfall geraten war, wurde im Jahre 1847 unter Großherzog Leopolds landesväterlicher Regierung, zu einem großartigen Ausbau und einer Reparatur aller schadhaften Teile geschritten. Nach einem Plane von Herr Baudirektor Heinrich Hübsch, (ausgeführt von Architekt Leonhard und Bildhauer Lucas Ahorn), sehen wir jetzt die mittlere Pyramide 50 Fuß hoch den alten Dom überragen und bis in weite Ferne den See und seine herrlichen Ufer beherrschen. Von den drei Statuen, welche über das Hauptportal zu stehen kommen, ist die mittlere, die heilige Jungfrau mit dem Kinde als Kirchenheilige, gefertigt vom Bildhauer Xaver Reich, bereits aufgestellt. Die beiden Nebenfiguren, der heilige Pelagius Stadtpatron und der heilige Konrad, des Sprengels Schirmherr, werden von dem Konstanzer Bildhauer Bauer ausgeführt.

Beim Anblick der Vorhalle und des Inneren der Kirche wird der Mangel alter Skulpturen auffällig, zumal wenn wir bedenken, dass die alten Baumeister in wohlverstandenen Kunstinteresse nicht wohl ein öffentliches Gebäude herstellten, ohne Mitwirkung der Maler und Bildhauer. – Um diese Erscheinung vorliegenden Falles zu erklären, erinnern wir an die Zeiten der reformatorischen Umwälzungen, wo auch in Konstanz alle Bildnisse als anstößig entfernt oder zertrümmert wurden. Unser Gewährsmann erzählt, dass deshalb (sowie überhaupt wegen der Vorfälle zur Reformationszeit) Bischof Balthasar Mercklin sich beschwerend an den Kaiser gewendet und dieser die Bürgerschaft in eine Strafe von 100.000 fl. verfällt habe, wovon jedoch, nach längerem Unterhandeln, nur 20.000 fl. erlegt werden durften.

Trotz diesen Zerstörungen ist noch viel Herrliches von alter Kunst im Dome übrig geblieben. Gleich beim Eintritt erregen die in Eichenholz geschnitzten Türen des Portals unsere Aufmerksamkeit. Sie enthalten in 20 Feldern Reliefs, welche Momente aus dem Leben Christi darstellen. Die Inschrift nennt Simon Baider als den Fertiger (1470).

Von ungleich mehr künstlerischem Werthe sind jedoch die mittelalterlichen Domherren Stühle im Chor des Mittelschiffs. Es war die Aufgabe des Künstlers, drei übereinanderstehende Reihen von hölzernen Sitzen (72 an der Zahl) würdig und sinnreich zu schmücken. Wir sehen deshalb (sehr ähnlich der meist bild- und phantasievollen Gotik unserer Zeit) eine Menge Bildwerke der trefflichsten Erfindung, mit den architektonischen Teil organisch verbunden. Alles, was in der Seele des Künstlers von Gemüt, Phantasie und originellem Humor lebte und webte, erscheint darin wieder gegeben: Die Urängste des Menschengeschlechts, die Verheißung und Erlösungsgeschichte, Legenden, Allegorien und Gestalten aus dem wirklichen Leben.

Von ganz köstlicher Erfindung sind unter anderem die Consolchen auf der Kehrseite der beweglichen Spitzbretter. Gewiss würde es lohnend sein, diese zierlichen Kunstwerke abzuformen und zu vervielfältigen. Bedauerlich ist hierbei allerdings der Anstrich von dicker Ölfarbe, welcher wahrscheinlich im vorigen Jahrhundert dem Ganzen gegeben wurde. – Der Name des Meisters findet sich nirgends verzeichnet. Allem nach aber fällt die treffliche Arbeit in das letzte Viertel des 15. oder in den Anfang des folgenden Jahrhunderts.

Nicht minder schätzbare Skulpturen sind die Bischofsgrabmäler in einigen Seitenkapellen. Sämtliche Monumente sind nach gewohnter Darstellungsweise des Mittelalters auf Särgen liegend, Porträtgestalten, im Kostüm bis ins einzelne ein charakterisches Bild ihrer Zeit, aber groß in der Auffassung und durchaus edlen Stils.

Eigenschaften, welche diesen Denkmälern fern von allem akademisch römernden Pomp und Konventionellidealen, nebst großem Kunstwerk, wahrhaft historischen Gehalt geben. – Wenn da und dort noch schulweise Bedenken entstehen möchten, ob dem Plastiker erlaubt sei, bei Porträtgestalten der Neuzeit das herrschende Kostüm anzuwenden, so lehren uns die vernünftigen Alten ganz einfach das Rechte. Eines der interessantesten dieser Monumente ist das Grabmal des Bischofs Otto dem dritten eines badischen Markgrafen von Hachberg und Röteln, in der mit alten Glasmalereien gezierten, (von Otto erbauten) Margarethenkapelle. Über dem Grabmal erblicken wir in einer Nische ein gleichzeitiges, leider aber stark beschädigtes Freskobild, Christus am Kreuz mit den knienden Gestalten des Bischofs und eines Ritters, wahrscheinlich eines Bruders des ersteren. Otto’s III kirchliches Regiment fällt in die Zeit der großen Kirchenversammlungen; er war einer der gelehrten Männer seiner Zeit und äußerst kunstliebend, nach Schulthaiß besaß er eine ansehnliche Bibliothek und wohl für 3000 fl. silberne Heiligenfiguren, welche letzterere, nach seiner Abtretung des Bisthums an Heinrich von Zollern, das Domkapitel erkaufte und zwei Tafeln daraus machen ließ. Nach seiner Abdankung zog er nach Schaffhausen in das Kloster, kehrte aber bald wieder nach Konstanz zurück, wo er 1437 starb.

Aus dem Chor der linken Seite führen Stufen abwärts in die Kapelle des heiligen Konrad. Neben dem Altar befindet sich ein Sarg ohne Inschrift und auf dessen Deckel, wie angenommen wird, das Bild des Bischofs. – Diesem nach wäre Konrad der Heilige schlanken Wuchs gewesen; das längliche Gesicht ist von einem schwachen Barte eingefaßt, ein Zug von Wohlwollen und Humanität schwebt um das wohlgebildete Antlitz.

Von dieser Kapelle kommt man in die unterirdische Krypta, ohne Zweifel der älteste Teil der Kirche. Aus ihr zurückkehrend, beschreiten wir den Kreuzgang an der nördlichen Seite des Doms, wo sich in einer eigene Kapelle das Grabmal des im Jahre 1398 verstorbenen Bischofs Burckard von Höwen befindet. Weiter gegen Osten führt eine Pforte in die Kapelle des Heiligen Grabes. Bischof Konrad der Heilige, soll sie erbaut haben. Das steinerne Grabgebäude in Mitte der düsteren Kapelle wurde ehedem in der Karwoche abends von vielen 100 Lampen festlich erleuchtet. Die Figuren im Innern des Grabhauses sind sehr alt und geben uns wahrheitsgetreu Trachten der Johanniter oder Spitalbrüder aus den Zeiten der ersten Kreuzzüge.

Verzichtend jedoch auf eine Beschreibung aller Sehenswürdigkeiten, wollen wir noch einige Arbeiten älterer Konstanzer Meister erwähnen. Eine detaillierte Beschreibung des Doms gibt das Schriftchen: „Führer durch die Münsterkirche in Konstanz bei Stadler 1853.“ Ebenso das fragmentarische Werk von Josua Eifelein, „Geschichte der Stadt Konstanz und ihrer nächsten Umgebung. Konstanz, bei W.Meck“.

Im Langhause rückwärts um das große Portal befindet sich ein großes allegorisches Ölgemälde, ein Denkmal für den Canonicus Georg Müller. Es ist das nicht unverdienliche Werk Christoph Storer’s, welcher in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Konstanz lebte. – Bei seinem Vater Lucas erlernte er die Anfangsgründe der Kunst, und bildete sich in der Werkstätte des damals berühmten Malers Herkules Proccacini in Mailand weiter aus. Als praktischer Meister malte er mehrere Bilder für die Kirchen zu Mailand und die Kartause in Pavia. Der junge Mann liebte eine schöne Mailänder, Angelica Phamphora, welche im Jahr 1652 seine Gattin wurde, nachdem die Jungfrau seinem Wunsche gemäß in Konstanz als Bürgerin aufgenommen war. Kurze Zeit nachher ehrte ihn die Vaterstadt durch die Ernennung zum Mitgliede des inneren Rates. Sein Ende fällt in das Jahr 1671. Auf dem Schottenkirchhof in Konstanz ist sein Grab –

Von einem anderen Konstanzer, Ludwig Herrmann, sehen wir auf der linken Seite in zwei Kapellen Altarbilder, jedoch von untergeordneten Wert; das eine die für Marter des Apostels Bartholomä, das andere die Weisen aus dem Morgenland, (gemalt 1750)*
* Ein Sohn Herrmann’s verzierte unter Anderem die Narrenstube, worin die Konstanzer Fasnachtsgesellschaft ihre Versammlungen hielt, mit Arabesken und Masken komischen Genres, welche Arbeit viel Beifall fand.

Einheimische Bildhauer, die für den Dom arbeiten, werden außer dem erwähnten Simon Baider nur die Gebrüder Schenk mit gewiss angeben. Das zwölf hohe Kruzifix im linken Seitenchor soll von ihnen sein. Die beiden lebten zurzeit des 30-jährigen Krieges. – Ungleich besser, als die genannte Arbeit, ist ein steinernes Grabmal: die sterbende Maria von den Aposteln umgeben, im linken Seitenchor. Von besonderer Zartheit erscheint die Hauptfigur. Dieses Werk soll nach Braunecker, der Bildhauer Waldmann dem Andenken seiner geliebten, früh verstorbenen Tochter Sabina zum Gedächtnis errichtet haben.

Auf der südlichen Seite des Domes mit demselben verbunden, stand ehedem die bischöfliche Pfalz, erbaut von Bischof Salomo III im Jahr 891. Bischof Otto III ließ das Bauwerk, „das vorher ein altes, liebloses Ding war“, erneuern und zum würdigen Empfang des Papstes und des Kaisers, kurz vor dem Konzil herrlich restaurieren und ausschmücken. Der kunstsinnige Herr gab den Wänden des großen Saales ein eichenholzenes Getäfel von künstlichem Schnitzwerk mit dem Wappen der damaligen Domherren; an den Säulen, welche die Decke trugen, sah man die Wappen des Papstes und des Kaisers, sowie das des Hochstifts und des hachbergischen Geschlechts; der obere Stock enthielt Wandgemälde von demselben Meister, der den herrlichen alten Saal im alten Kloster zu Stein am Rhein gemalt hat.

Bis zur Reformation war die Pfalz von 52 Bischöfen bewohnt. Hugo von Landenberg, ums Jahr 1527 Bischof, verlegte die Residenz nach Meersburg, wo nach ihm alle Bischöfe residierten.

Im 19. Jahrhundert befanden sich in der verlassenen Pfalz nur noch wenige bewohnbare Zimmer. Alle übrigen waren ohne Fenster und Verschluss; das Ganze gewährte den Anblick einer halb zerfallenen Ruine. Im Jahre 1830 wurde der Bau niedergerissen – und ein f. g. Museum an dessen Stelle gebaut.

Ein schönes wohlerhaltenes Baudenkmal des Mittelalters ist die Pfarrkirche St Stephan. Bischof Salomo III aus dem alten Grafengeschlechte von Ramschwag wird als ihr Erbauer genannt. Vor dem Jahr 900 befand sich diese Kirche noch außerhalb der Stadtmauern und kam erst bei der dritten Erweiterung, um 919 innerhalb derselben zu stehen. Der mehrerwähnte Bischof Otto III renovierte den alten Bau von Grund aus und zierte seine Fenster mit herrlichen Glasgemälden, von welchen noch Reste vorhanden sind. Zur Zeit der Reformation hatte die Kirche, wie alle übrigen das traurige Loos durch Beschluss des übelberatenden Stadtrates (1529) all ihres Schmuckes an Bildsäulen, Grabmäler und Gemälde beraubt zu werden. – Erst nach 100 oder mehr Jahren konnte sie durch milde Beiträge wieder verschönert und zur Pfarrkirche erhoben werden.

Der Hochaltar enthält ein Gemälde, die Weisen aus dem Morgenlande, von dem Konstanzer Meister Philipp Memberger. Das Leben dieses Künstler fiel in die Zeit der vorerwähnten Bilderstürmerei. Als der gute Mann so viel Herrliches der Kunst, welcher sein ganzes Leben geweiht war, in Staub sinken sah, ergriff ihn Unwille und Schmerz, und er lieferte in heftigen Reden gegen den Stadtrat und die fanatischen Predikanten. Da ließen ihn die Stadtverordneten ins Gefängnis werfen, aus dem er erst nach langer Zeit, als die Spanier im Jahr 1548 die Stadt besetzten, wiederum befreit wurde. Nach diesem Umschwung der Dinge malte der misshandelte Künstler das oben genannte Bild.

Von einem anderen einheimischen Künstler des 17. Jahrhunderts, dem bekannten Bildhauer Hans Morink, sehen wir in der Kirche einige Reliefs; ebenso Altarbilder von den Malern Christoph Storer und Ludwig Herrmann.

Eine dritte Pfarrkirche ist die Spitalkirche in dem ehemaligen Augustinerkloster, ihr Hauptschmuck ist ein schönes Altargemälde von der rühmlich bekannten Konstanzer Malerin Maria Ellenrieder.

Ein sehr interessanter Bau ist die alte Stadtkanzlei; sie scheint von einem Italiener erbaut zu sein; der Charakter ihrer Fassade und des äußerst malerischen Hofes erinnern an venezianische Bauwerke.

Bereitwillig werden dem Fremden die wertvollen Dokumente alter Zeit gezeigt, welche das städtische Archiv enthält: darunter die bildreiche Chronik von Ulrich von Richenthal (aus der Zeit des Konzils), die handschriftlichen Sammlungen von Schulthaiß (aus dem 16. Jahrhundert), Zündele, Mangold und Braunecker. Auch einige Glasgemälde von lokalem Interesse sind (durch die Vorlage der Herren Dr. Stanz und Stadtrechner Molitor) dem Verderben früherer geringschätzender Zeiten entronnen. Die Kunst der Glasmalerei war von alters her in Konstanz heimisch. Beinahe alle öffentlichen Gebäude prangten in diesem herrlichen Schmucke. Namentlich reich ausgestattet war die Schießstazt, in welcher alle Gänge und Stuben mit den Wappen von vielen 100 der ältesten Schützen geziert waren. Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts jedoch finden sich Namen der Künstler angegeben. Die Glieder der Familie Sprengler übten diese Kunst über zwei Jahrhunderte lang in Konstanz. Das Altertumskabinett des Herrn Nikolaus Vincent in dem großen Saale auf dem Münster Kreuzgang enthält viele Arbeiten von ihnen.

Das Beste aber, was dem Freunde des Schönen in Konstanz werden kann, ist ein Besuch der vorzüglichen Sammlung von Kunstwerken im Hause des verehrten Freiherrn v. Wessenberg. Sowohl bei den Ölgemälden als Kupferstichen gibt sich der fein gediegene Sinn und Geschmack des edlen Besitzers kund. Eine außerordentliche bändereiche Bibliothek schließt sich würdig diesen bildlichen Schätzen an, die mit Liberalität jedem Fremden gezeigt werden.

Unter den Gebäuden, welche noch unverändert aus dem Mittelalter in die Neuzeit hereinragen, zeichnet sich vor allem das Haus zur Katze aus, der ehemalige Versammlungsort der adligen Geschlechter. Der wahrhaft ritterliche Bau enthält einen geräumigen, wohlerhaltenen Saal.

Ein anderes öffentliches Gebäude aus dem 15. Jahrhundert dagegen mußte sich eine Umwandlung ins fahle Moderne gefallen lassen: das Rathaus am Fischmarkt, im Besitze eines Privatmanns. Die schöne alte Portalverzierung ist ihm geblieben; sie ist eine Arbeit des Konstanzer Meisters Ulrich Preysenberg, „welcher den Schildstein anher verehrte“. Wir sehen in ihm die Wappen des Reichs und der Stadt, gehalten von dem Papste und dem Kaiser, mit der Jahreszahl 1479.

Besonderes Interesse hatte im Laufe der Zeit das Kaufhaus erlangt, in dem so genannte Konziliumssaal, (erbaut 1388) obwohl hier nie eine Sitzung des Konzils, wohl aber die Wahl des Papstes Martin V. stattgefunden. Das kolossale Haus mit seinem hölzernen Überbau und mächtigem Dache ist sozusagen das Wahrzeichen der Stadt, – ein Denkmal der großen Kirchenversammlung geworden. Kein Fremder wird Konstanz verlassen, ohne dem Bau und seinem Sehenswürdigkeiten ein paar Augenblicke geopfert zu haben.

Aus der Zeit des Konzils zeigt uns der alte Custos den Thronsessel Kaiser Sigismunds, den Altar auf dem der Papst eine heilige Messe gelesen, ein Stück von Hußens Kerker, den Angeklagten und seine Widersacher selbst, naturwahr fast bis zum Erschrecken; sodann einen städtischen, altväterlichen Galgenwagen, Schilde aus den Kreuzzügen, etwelche heidnische Götzenbilder und diverse Ölgemälde. Wahrlich, wir werden in diesem Umgebungen unwillkürlich in die Vorzeit zurückversetzt, zumal wenn, wie bei meiner Anwesenheit, der Sturm um den riesenhaften Dachstuhl saust und unheimlich mit den Windfahnen musiziert und ächzt, als lebten sie wieder auf die streitenden Geister der alten Tage.

Ich wandelte eine Weile im Gespräch mit dem Custos zwischen den massiven Eichenholzsäulen des weiten Saales auf und ab. Der Mann verbreitert sich gerne über die Zustände der früheren Zeit, deren Zeuge er noch gewesen. – „Gab es“ fragte ich, als der polternde Sturm einige Augenblicke schwieg, „gab es zu jener Zeit auch viele Geister und Gespenster in der Stadt?“ – „Ja wohl!“ erwiderte der launige Altvater, „zumal in guten Weinjahren. – Bei der Stadtmauer, vom Paradieserthor bis zum Pulverturm und Rheintor, beim Kaufhaus u.s.w. sah man bei Nacht Geister, feurige Geissböcke und Gespenster, die einem auf dem Weg standen, so dass man sich kaum getraute, bei Nacht auszugehen. – Nicht viel besser war es hinter dem Franziskanerkloster und bei den Dominikanern, wo einer, der keine Ortskenntnis hatte, nicht leicht ohne Büffe oder sonstige derbe Lektion davon kam. Dann gab es auch noch, das ich’s nicht vergesse, das wohlbekannte Stadtthier, – ein Gespenst, von dem alte Leute noch viel zu erzählen wissen.“ Hierauf kam er auf seine Jugend zu sprechen: wie damals so viel Geselligkeit und Harmonie unter den Bürgern geherrscht habe. Der Hauptspaziergang der alten Konstanzer sei gewesen zum „Schäpfle“ drüben in der Schweiz (wir hatten zufällig die Aussicht durch die hohen Fensteröffnungen dahin); weil der Schoppen groß und der Wein gut gewesen, so sei auch er vom 18. bis gegen sein siebzigstes Jahr regelmäßig dahin gewandelt, und so mäßig er stets im Trinken gewesen, so habe ihm neulich noch Einer ausgerechnet, dass er im Ganzen in selbigen Schäpfle vertilgt habe – „wie viel meinen Sie? – 16 Fuder, 20 Eimer und ungerade Schoppen“ referierte er mit großer Befriedigung.

Unter solchen Gesprächen war sein Stündlein gekommen, wo er gewöhnlich den „Conciliumssaal“ zu verlassen und sich in seine Wohnung zurückzuziehen pflegte. Mir aber gab der Rest des Tages noch Muße genug, am Hafen umher zu schlendern und einen Gang zu machen, um die alten Wälle, Stadtmauern und Tortürme, welche erhaltenswerte malerische Denkmäler der Ortsgeschichte sind.

Der See wälzte stürmisch seine weißgekrönten Wellen gegen den steinernen Damm und die Ufer und ließ erhöhtem Maaße die Wohlfahrt des schimmernden Hafens fühlen. Und wenn wir aus der Gegenwart in vergangene Zeiten zurückschauen, gewahren wir auch hier die mannigfachen Segnungen einer friedlichen Zeit. Denn wo ehedem nur eine einfache Reihe von Pfählen notdürftig den Landungsplatz schützte, sehen wir jetzt den stattlichen Hafenbau, zu welchem unter Großherzog Leopold’s väterlicher Regierung, im Jahre 1836, der Grund gelegt wurde. Mit vielen Freiheiten begabt, hob sich der Platz halb zu großer Bedeutung für das Verkehrsleben der herrlich gelegenen Stadt, welche den natürlichen Mittelpunkt der jetzigen Dampfschifffahrt bildet. Konstanz, der Sitz der großherzoglichen Kreisregierung, eines Hofgerichts, eines Lyzeums, und seit neuester Zeit einer Garnison, zählt, letzterer nicht gerechnet, beiläufig 6500 Einwohner, von denen etwa 350 protestantisch, die übrigen katholischer Konfession sind. Die Stadt besitzt mit ihren drei Vorstädten Kreuzlingen, Paradies und Petershausen einen Umfang von 4000 geometrischen Ruthen. Sie ist bei ziemlich mannigfachen Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, umgeben von einer paradiesischen Landschaft und vereinigt alles, was dem Fremden einen längeren Aufenthalt erfreulich machen kann.

Und sollte in je eine Sehnsucht anwandeln nach dem fernen blauen Seegestaden mit den riesigen Massen der Alpen im Hintergrunde, so gibt die tägliche Einkehr bequemer Dampfboote Gelegenheit, dem Zuge des Herzens zu folgen. Aber auch die Nähe bietet unzählige erquickende Luft- und Erholungsorte: die Wirtschaften zum Gütle, Fürstenberg, Käntle, die Insel Mainau und Reichenau, sowie die im obst- und weinreichen Garten des Thurgau’s liegende Orte Kreuzlingen, Emmishofen, Gottlieben, x. die genussreichen Ausflüge und Ruheplätze gewähren.

Liebt aber der Erholungssuchende fern von heiterer Lust Gewühl, mit sich und seinen Träumen allein zu sein, so vertraue er der leicht beweglichen Gondel sich an, dass sie ihn hinaus trage, in das weite, herrliche Element, in der Kühle des duftigen Morgens, zur sommerlich hellen Mittagsstunde, oder am Abend, wenn das Flammenauge des Tages hinabgezogen ist hinter die fernen glutumfangenen Bergschlösser des Hegaus, und eine milde, sternendurchlebte Nacht ihren Zauber ausbreitet über dem tiefen, geheimnisvoll ruhenden Gewässer.

Wir scheiden von Konstanz mit reich gelabter Seele, aber auch mit einem schmerzlichen Blicke voll jener Erinnerungen, welche das Bild einer ehemaligen alten Reichsstadt immer in uns hervorruft. Es erinnert an so manche schöne Blüte, die durch Ungunst der Veränderungen im großen politischen Lebens um ihre Entwicklung gekommen. – Nichts kann uns über diesen Verlust besser trösten, als die Wohlthat guter Fürsten, welche mit edler Liebe zu Land und Volk überall das Gute und Schöne großherzig zu fördern bestrebt sind, und uns so, im Strome der allgewaltigen Zeit, noch die Früchte eines befriedigenden Daseins gewinnen lassen.

Fortsetzung hier:

Insel Mainau – Mersburg

Ausflug an den Bodensee 1931 von Ernst Kramer.

Stadtteile von Konstanz (Quelle: Wikiwand)


Kundschaft des Zimmeramts Hannover handschriftlich datiert vom 15. September 1829 von den beiden Amtsvorstehern, dem Zimmermeister Heinrich Striehl und dem Ratszimmermeister Johann Ludwig Holekamp. Der wohl als Kupferstich geschaffene, nicht mit einer Künstlersignatur signierte Vordruck enthält folgenden Text: Hannover Wir Geschworne, Vor- und andere Meister.
Unterzeichner als Vorsteher des Zimmeramts Hannover: Zimmermeister Heinrich Striehl und Ratszimmermeister Johann Ludwig Holekamp – Freunde des Historischen Museums e.V. (Historisches Museum Hannover): https://ein-stueck-hannover.de/schatzkammer/objekt/handwerkskundschaft-zimmerer/ (Wikipedia)

Nikolaus Hug* (geboren 14. Juni 1771 in Konstanz; gestorben 2. Dezember 1852 ebenda) war ein badischer Maler, Kupferstecher und Radierer. https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Hug.

Ein Felleisen ist ein lederner Rucksack, der früher von Handwerksgesellen auf Wanderschaft getragen wurde.

Narciß – Narziss (griechisch Νάρκισσος Nárkissos, lateinisch Narcissus) ist in der griechischen Mythologie ein schöner Jüngling, der die Liebe anderer zurückwies und sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte.

Bereits am 30. Juni 1785, noch vor Schließung des Klosters, überließ Kaiser Joseph II. die Insel dem Genfer Fabrikanten und Bankier Jacques Louis (Jakob Ludwig) Macaire de L’Or (1740–1824), mit den Gebäuden, gegen Zahlung einer geringen jährlichen Pacht von 25 Gulden, zur Einrichtung einer Indienne-Fabrik mit Indigo-Färberei.

Prozess und Hinrichtung Ludwig XVI.

Am 14. Januar 1793 begannen die Beratungen über das Urteil. Die erste Frage, ob Ludwig sich „der Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und der Anschläge gegen die nationale Sicherheit“ («la conspiration contre la liberté publique et la sûreté générale de l’État») schuldig gemacht habe, beantwortete der Konvent in namentlicher Abstimmung einmütig mit Ja, nur elf Abgeordnete weigerten sich, mit abzustimmen. .. Die dritte Abstimmung über die Strafe zog sich vom 16. Januar vormittags bis zum 17. Januar 1793 am späten Abend hin, denn fast jeder Abgeordnete begründete sein Votum. Im Ergebnis stimmte eine knappe Mehrheit von 366 Abgeordneten für die Todesstrafe, mehrere Abgeordnete waren dem Votum des Girondisten Jean-Baptiste Mailhe gefolgt, der zwar für die Todesstrafe, aber für eine Aussetzung der Vollstreckung gestimmt hatte. Die Abstimmung wurde wiederholt, was eine Mehrheit von 387 : 334 ergab, doch zog man die 26 Stimmen von Mailhe und den Befürwortern seines Vorschlags ab. Somit ergab sich die knappestmögliche Mehrheit von 361 von 721 Abgeordneten für die Todesstrafe. Vom 19. bis zum 20. Januar wurde dann darüber abgestimmt, ob man das Urteil vollstrecken oder aussetzen solle. Bertrand Barère argumentierte, eine Aussetzung würde die inneren Auseinandersetzungen in Frankreich verlängern und somit nur den Invasionstruppen nutzen. Die Aussetzung wurde mit 380 : 310 Stimmen abgelehnt.

Am Vormittag des 21. Januar 1793 trat Ludwig zum Schafott auf der place de la Révolution, vormals place Louis XV. Die Guillotine war sinnfälligerweise direkt neben den Sockel des Reiterdenkmals Ludwigs XV. platziert worden, das beim Tuileriensturm im August 1792 entfernt worden war. 20.000 Menschen sahen zu, wie Ludwig sich kurz gegen den Henker Charles Henri Sanson wehrte, der ihm Handfesseln und Augenbinde anlegen wollte, und zu einer Ansprache ansetzte: «Peuple, je suis innocent! Je pardonne …». Der Kommandant der Garde nationale Antoine Joseph Santerre befahl seinen Trommlern zu spielen, um dessen weiteren Worte zu übertönen. Ludwig wurde unter die Guillotine gelegt und enthauptet, seinen Kopf zeigte der Henker der Menge, die in den Hochruf «Vive la nation!» ausbrach. (Wikipedia).

Über den „Erddputierten?“ Prival, der gerufen haben soll „Es ist zu nieder!“ findet sich heute gar nichts mehr. Auch die öffentliche Urkunde von Monnel (aus dem Departement Marne) worin er seine Reue bezeugte, zum Tode des unglücklichen Königs gestimmt zu haben, ist nicht auffindbar. Auch über Dubois Bellegarde, der Deputierter für Charente, und La Brunerie findet sich nichts.

Standbild des Konstanzer Bischofs Konrad von Xaver Reich.

Marienfigur von Xaver Reich in der Mitte über dem Hauptportal des Konstanzer Münster

Standbild des Konstanzer Bischofs GebhardII. von Xaver Reich.

„Von den drei Statuen, welche über das Hauptportal zu stehen kommen, ist die mittlere, die heilige Jungfrau mit dem Kinde als Kirchenheilige, gefertigt vom Bildhauer Xaver Reich, bereits aufgestellt. Die beiden Nebenfiguren, der heilige Pelagius Stadtpatron und der heilige Konrad, des Sprengels Schirmherr, werden von dem Konstanzer Bildhauer Bauer ausgeführt.“

Xaver Reich ist der Bruder von Lucian Reich.

Links Selbstbildnis der Marie Ellenrieders im Alter von 28 Jahren, 1819.

Rechts Informationstafel in Konstanz, Fischmarkt 2. am Wohnhaus von Marie Ellenrieder.

Wikipedia

Ignaz Heinrich Karl, Freiherr von Wessenberg (* 4. November 1774 in Dresden; † 9. August 1860 in Konstanz) war ein aufgeklärter römisch-katholischer Theologe aus schwäbischem Adel. https://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Heinrich_von_Wessenberg

Die Gesellschaft Zur Katz war eine Vereinigung einflussreicher Familien in Konstanz, die bald nach 1342 gegründet wurde; das genaue Gründungsdatum ist nicht bekannt, jedoch 1351 wurden die Mitglieder in den Steuerlisten der Stadt aufgeführt. Sie diente vordergründig der Geselligkeit, hatte jedoch in erster Linie politische und wirtschaftliche Funktionen und ähnelte darin den politischen Zünften des ausgehenden Mittelalters. Zunächst bestand sie als reine „Geschlechtergesellschaft“, als Vereinigung der Familien, die im Groß- und Fernhandel mit Leinwand zu Reichtum und Ansehen gelangt und bereits in den Stadtadel aufgestiegen waren. Die bürgerlichen Leinwandhändler gehörten hingegen der Krämerzunft an und waren Mitglieder der Gesellschaft Zum Rosgarten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Zur_Katz_(Konstanz)

Insel Mainau – Insel Mainau Teil 3.

Für die dunkle Jahreszeit empfehle ich die Insel Mainau und der Badische Bodensee von Lucian Reich aus 1856. Das Buch hatte ich im Winter 2022/2023 hier vorgestellt und möchte es jetzt aktualisieren.

Ich möchte hier erwähnen, dass ich das alte Buch mit der sehr eigenwilligen Schreibweise in Frakturschrift vorgelesen habe, um den gesprochenen Text von einem Programm namens f4transkript in Buchstaben umzuwandeln. Den umgewandelten Text habe ich danach bearbeitet, da viele der Wörter dem Programm nicht bekannt waren.

Man möge mir verzeihen: Ist mir das Deutsche vor 200 Jahren sehr fremd, so ist das oft Zitierte aus dem 18., 17. und sogar 16. Jahrhundert aus heutiger Sicht fast unverständlich. Dazu kommt die eigenwillige Rechtschreibung und eine fremde Denkweise. Da viele Worte der alten Sprache von mir gesprochen und vom Programm transkribiert wurde, sind einige Worte in moderner Schreibweise im Text. Ich habe dies meistens aus Bequemlichkeit und für den Leser so stehen lassen.

Was es in den verschiedenen Kapiteln des Buches hier gibt, ist diese vorgelesene Tonspur mit dem Transkript in schwarz.
In blau einige Fotos und Erklärungen.

Hier der 3. Teil vom Kapitel Mainau

Die folgenreichen Weltereignisse zu Anfang unseres Jahrhunderts nötigten auch den Deutschorden, mit vielen anderen abzutreten vom viel gestalteten Nationaltheater. Der Preßburger Frieden brachte ihn um seine Selbstständigkeit. Die Mainau samt dem zugewendeten Ordensgebiet kam an das Haus Baden.

Der letzte Contour zu Mainau war Konrad Joseph Siegmund Reich von Reichenstein-Brombach. Er starb im 72. Altersjahr, am 30. August 1817 und liegt nicht wie seine Vorgänger in der Mainauer Gruftkapelle begraben, sondern gemäß seines letzten Willens auf dem Kirchhofe zu Almansdorf. Ein einfacher Stein, außen an der Kirchmauer bezeichnet sein Grab.

In einem Zeitraum von 500 und 33 Jahren (1272 bis 1805) residierten auf der Insel 66 Komture, in nachfolgender Ordnung.

I. Frater Rudolf v. Schafhus, Komt. und Landkomt. v. J. 1264 – 1272 (zu Mainau).
II. Frater Ulrich v. D. Jestetten, Komt. v. J. 3. 1291 bis 1295.
III. Frater Joh. v. Klingenberg, Komt. – 1301.
IV. Frater Eberhard v. Steckborn, Komt. – 1307.
V. Frater Wolfram v. Nellenburg, Komt. – 1316.
VI. Arnold v. Langenstein, Komt. – 1319.
VII. Heinrich v. Dettingen, Komt. – 1327.
VIII. Ulrich v. Königsegg, Komt. – 1350.
IX. Rubolf v. Homburg, Komt. – 1357.
X. Gottfried v. Homburg, Hauskomt. – 1357.
XI. Eberhard v. Königsegg, Komt. – 1365.
XII. Joh. v. Rothenstein, Komt. – 1373
XIII. Wilh. v Seckendorf, Hauskomt,- 1387.
XIV. Rudolf v. Randegg, Komt. – 1394.
XV. Heirich v. Schletten, Land- und Komt. – 1401.
XVI. Stephan Strowin, Hauskomt. – 1402.
XVII. Jakob v. Blumberg, Hausfomt. – 1424.
XVIII. Kaspar v. Möckingen, Hausfomt. – 1428.
XIX. Marquard v. Königsegg, Landkomt. und Komt.- 1429.
XX. Rudolph v. Rechberg, Conventualis – 1432.
XXI. Otto D. Hörnlingen, Hauskomt. – 1433.
XXII Joh. v. Mülhausen, Haustomt. – 1436.
XXIII. Wilh. v. Helfingen, Komt. -1450.
XXIV. Hans v. Ischall, Hausfomt. – 1450.
XXV. Herm. v. Luternau, Haustomt. – 1452.
XXVI. Burkard v. Schellenberg, Land= und Hausfomt. – 1453.
XXVII. Georg v. Neuhaufen, Komt. – 1471.
XXVI. Georg v. Homberg, Hauskomt. – 1482.
XXIX. Wolfgang v. Klingenberg, Land – und Hauskomt. – 1484.
XXX. Bernard v. Helmsborf, Hauskomt, – 1494.
XXXI. Sebaftian v. Stetten, Komt. – 1518.
XXXII. Hans Heinr. Vogt v. Summerau, Komt. – 1537.
XXXIII. Sigmund v. Hornftein, Komt. – 1545.
XXXIV. Franz v. Fridingen, Komt. – 1553.
XXXV. Ludwig Walter v. Pleideck, Hofmeister – 1558.
XXXVI. Wolfgang v. Hohenegg, Komt. – 1562.
XXXVII. Sigmund v. Reinach, Hofm. – 1567.
XXXVIII. Joh. Jak. Rauch v. Minada, Hofm. – 1577.
XXXIX. Werner Schenck v. Staufenberg, Komt. – 1579.
XL. Joachim v. Bubenhofen, Hofm. – 1584.
XLI. Georg v. Hemmingen, Komt. – 1589.
XLII. Christoph Thumb v. Neuburg, Komth. – 1592.
XLIII. Jakob Gremblich v. Jungingen, Komt. – 1615.
XLIV. Hans Christoph v. Ramstein, Hofm. – 1619.
XLV. Kappar v. Stadion, Land = und Komt. – 1626.
XLVI. Philipp AIbrecht v. Berndorf, Komt. zu Mülhaufen und Statthalter zu Mainau – 1628.
XLVII. Joh. Werner Hundbiß v. Walbrams, Komt. – 1647.
XLVIII. Philipp Albrecht v. Berndorf, Land = und Komt. – 1660.
XLIX. Georg Christoph Rinck v. Baldenstein, Hauskomt., nachher Komt. – 1673-1688.
L. Joh. Hartmann v. Roggenbach, Land = und Komt. – 1674.
LI. Melchior Heinr. v. Grandmont, Komt. – 1689.
LII. Joh. Adam Speth, Freih. v. Silzburg, Hauskomt. – 1710.
LIll. Joh. Karl Freih. v. Schönau, Statthalter zu Mainau – 1712.
LIV. Georg Balthasar, Freih. v. Weitersheim, Komt. – 1717-1720.
LIV. Joh. Karl, Freih. v. Schönau, Statth. – 1720.
LVI. Franz Anton, Freih. v. Reinach, Komt. – 1721-1731.
LVII. Reinhard, Freih. v. Schönau, Komt. – 1736.
IVIII. Servat Ignaz, Freih. v. Roll zu Bernau, Komt. – 1737.
LIX. Friderich, Freih. v. Baden, Komt. – 1745 bis 1751.
LX. Jak. Joseph Ignaz, Freih. v. und zu Hagenbach – 1756.
LXI. Beat. Konr. Philipp Friedrich, Freih. Reuttner v. Reil, Landkomt. – 1785.
LXII. Franz. Nik. Fridolin, Freih. v. Schönau – 1792.
LXIII. Freih. v. Ramschwag – 1792.
IXIV. Franz Peter, Freih. v. Lerchenfeld – 1795.
LXV. Franz Fidel, Erbtruchseß, Reichsgraf v. Waldburg zu Zeil =Wurzach – 1802.
LXVI. Konrad Jos. Sigmund Reich v. Reichenstein-Brombach, Komt. – 1805.

Im Jahre 1827 kam die Insel durch Kauf an den Fürsten Esterhazy und nach dessen Ableben 1830 in den Besitz seines Sohnes Freiherr Nicolaus von Mainau; und als dieser 1839 das Zeitliche segnet, wurde laut Vertrag vom 18. August desselben Jahres die Frau Gräfin Katharina von Langenstein Besitzerin, welche (8. Juni 1850) das schöne Gut samt aller Zubehöre ihrer Tochter, der Frau Gräfin Louise von Douglas, käuflich überließ. – Nach diesem schnellen Wechsel des Besitzes fiel dem reizenden Eiland das Loos auf das Lieblichste: es wurde, nach Übereinkommen vom 12. Oktober 1853, Eigenthum Seiner königlichen Hoheit, des durchlauchtigsten Prinzen und Regenten Friderich von Baden.

Der Flächeninhalt des Insellandes beträgt 110 badische Morgen, wovon gegenwärtig etwa 80 Morgen an geblümt sind. Das Ganze bildet eine eigene Gemarkung zur Gemeinde Almansdorf, Bezirksamt Konstanz gehörig. Wenn der Wanderer am klaren Tage über den waldigen Rücken von Lützelstetten herkommt, liegt der wellenumspülte Lustgarten, ein grüner Smaragd, auf silberplänzigen Schilde in geringer Entfernung vor ihm zu seinen Füßen. Den Vordergrund bilden die Felder und Obstbäume der Lützlestädter Gemarkung. Links und rechts ziehen die vaterländischen Ufer hin, und im Hintergrunde schauen die schneereichen Alpen. Haupt an Haupt, riesig groß über die weitgedehnte Wasserfläche.

Ein hölzerner Steg über 500 Schritte lang, führt vom Ufer der Landzunge zur Insel. Der See hat in dieser Richtung eine Untiefe, so dass bei niedrigem Wasserstand der stete Grund zum Vorschein kommt. Links vom Steg erblicken wir die See, ein großes und zwei kleinere metallene Kreuze, an ersteren den Heiland, an den beiden anderen die Schächer; laut einer Inschrift im Jahr 1855 vom Komtur Schenck von Staufenberg „Jesu Christo geweiht“, nach einer Tradition wegen glücklich vollbrachte Meeresfahrt. Dieses Denkmal hat sich der Staat allein beim Verkaufe zum bleibenden Eigentum vorbehalten.

Nach einer Sage wollten die Schweden die drei Kreuze mitnehmen. Sie brachten sie aber mit sechs Rossen nicht weiter als bis an den Lützstetter Berg. Später schafften sie die Bauern mit zwei gewöhnlichen Ackergäulen mit leichter Mühe wieder an ihre alte Stelle. In dem Stege war früher eine Fallbrücke angebracht.

Am Ende des Weges, nahe am schilfigen Ufer, wohnt der Lauenführer (Fährmann), dessen Geschäftes ist, auf einem Lauen (Floß) ankommende Chaisen und Pferde, beim Hochwasser wohl auch Fußgänger überzusetzen. Zugleich ist der Lauenführer ein gelernter Fischer, dem die ringsum zur Insel gehörigen Fischereigerechtigkeit Gelegenheit zur Ausübung seines Handwerks gibt. Neben der Fährmannswohnung unter den alten Bäumen hält der Patron der Schiffsleute und Fischer, der heilige Johann von Nepomuk in Stein gehauen, Schildwache; einen verwitterten Wappen am Fußgestell deutet auf Kultur. Johann Hartmann von Roggenbach (1647).

Von hier führt der Weg zwischen Obstbäumen zuerst über ein flaches, wohl angebautes Vorland, dann mittels Treppen aufwärts, wo ein einfaches Häuslein der Vogelherd (noch aus der Zeit des Ordens), von der Höhe schaut. Hier auf der Bank unter schattigen Kastanien, mag der Wanderer eine kurze Rast sich gönnen. Zur ersten Überschau das nahe Horn bei Lützelstetten zur Linken öffnet sich gegen Nordwesten die Bucht des schönen Überlinger Sees, dessen Einfahrt die Mainau majestätisch überwacht.

Vom Punkt zu Punkt, von einem zierlichen Bilde zum anderen schweift der Blick bald mit dem weißglänzenden Segel des Schiffleins über die ruhig ausgebreitete Fläche, bald mit dem einsamen Fluge des Reihers in hoher Luft über dem Berg und Wald zu den grauen Felsen um Sipplingen und Goldbach, über die gelben Kornfelder bei Überlingen und Seefelden zu den stillen Waldhöhen des Linzgaus, dem luftigen Gipfel des heiligen Bergs, und zu dem Turm von Hochbodman oder wo tief am sonnigen Gestade Maurach ruht mit seinen friedlichen Nachbardörfern. Dann zurück zur nächsten Umgebung, zu Füssen das geräumige Vorland der Insel, seine blumigen Wiesen, Gehölze und gesegneten Weizenfelder über den Steg nach dem langgedehnten grünen Buchwald von Sankt Katharina und wo auf vorspringendem Horn das friedliche, Lützelstetten sich darstellt.

Doch so gerne wir lange betrachtend hier verweilen möchten, es zieht uns weiter, wo aus dem Grün der Büsche und Bäume alte Mauern und Türme hervorschauen zu dem festen Haus und dem pläsierlichen Schloss.

Über den Rücken der Anhöhe führt der Weg dahin vor dem Tore, welches in dem rings abgeschlossenen Hof führt. Zur Linken liegt die Pächterwohnung mit ihren Nebengebäuden und einem Brunnen. Das jetzige Wohnhaus hieß zu Ordenszeiten der Einsatz und diente zur Überwinterung der Topfpflanzen.

Eine feste Brücke führte sodann über den malerisch bewachsenen Wallgraben, wo als Torwächter ein massiver Rundturm sich erhebt, aus dessen zwölf Fuß dicken Mauern und weit klaffenden Schießscharten, der einst dem Feinde eine unhöfliche eurer Gruß entgegendonnern mochte. Das geräumige Torgebäude beherbergte früher das ordentlsche Oberamt und die Beamten. In dem südlichen Theile wohnte der Hofrat. Unter dem Torbogen links wurde vom Torwart eine Wirtschaft betrieben. Er erhielt von der Herrschaft, für welche er in der holzgetäfelten Wirtsstube Wein ausschenkte, den sogenannten Maßpfennig. Abends wurden die Tore geschlossen. Innerhalb des Schlosses, etwa 15 Schritte vom Torgebäude, stand ein zweiter Turm, ebenfalls verschließbar mittels eines Tores.

Gegenwärtig dient das ganze Gebäude zum Gasthaus zur „Insel Mainau“, in dem der Ankömmling alles wünschenswerte, Bequemlichkeit und die beste Bedienung findet. Der älteste Teil des Hauses gehört dem Ende des 15. Jahrhunderts an. Das Ganze scheint im Jahre 1626 unter Komtur Caspar von Stadion repariert und durch Anbau erweitert worden sein.

Eingetreten in den Schlosshof überwachen uns die lieblichen, größtenteils unter dem jetzigen durchlauchtigsten Besitzer angelegten Gartenanlagen. Hier, wo früher weitläufige Gebäulichkeiten, zwei Bauernhäuser, Stallungen, Weintrotten (unter Fürst Esterhazy 1828 abgetragen), alle Aussicht hemmten, sehen wir einen kleinen Feengarten mit dem anmutigsten fernsichten. Wir wandeln in einer Galerie der zierlichsten Landschaftsbilder und Seestücke, welche durch die Lichtung der Gesträuche und eingefaßt von ihren grünen Rahmen, im Zauber einer wechselnden Beleuchtung uns entgegen schimmern. In der Mitte von Blumenbeeten und Rosenbüschen umgeben, plätschert ein Springquell und füllt ein steinernes Bassin. Sein Ursprung liegt außerhalb der Insel im benachbarten Walde von Sankt Katharina.

Nachdem wir hier eine Weile auf das angenehmste verträumt, wendet sich unsere Aufmerksamkeit dem stolzen Schlosse zu, welches in großen Dimensionen die Stirne der Insel bekrönt. Mit der Hauptfassade nach Osten schließt es mittels zwei westlich laufender Flügel einen weiteren Hof von drei Seiten rechtwinklig ein. Es ist aus rotem Sandstein im Stile des vorigen Jahrhunderts, erbaut nach dem Plane des komturischen Baudirektors Johann Caspar Bagnato zu Altshausen. Nach der Jahreszahl, dem östlichen Giebel der Hauptfassade, wurde es vollendet im Jahre 1746. Das westliche Giebelfeld enthält die Wappen der Bauherren. Das erste links, dem Komtur Servat Ignaz von Roll zu Bernau gehörig, bedeutet, dass unter diesem Komtur der Bau angefangen worden; das zweite überrascht uns durch ein bedeutungsvolles Zusammentreffen. Es weist auf den Komtur, unter dem das Schloss seine Vollendung erhalten – Friderich von Baden – , zugleich der Name des jetzigen durchlauchtigsten Herren und Besitzers. Über beiden Wappenschildern ist ein drittes, dem damaligen Deutschmeisters August Clemens, Prinzen von Baiern repräsentierend.

Wenn der mainauische Komtur Friedrich von Baden, auch seiner Blutsverwandtschaft mit dem berühmten Ahnen unseres erlauchten Fürstenhaus sich rühmen konnte, so standen seine Vorfahren doch in enger Beziehung zu ihnen. Er stammt nämlich aus dem breisgau’schen Adelsgeschlecht von Baden, welches ein weiß und schwarz gewürfelten Schild im Wappen führte. Es verdankte seinen Ursprung einem Dienstmann der Herzoge von Zähringen, mit dessen Beneficium der Wachdienst auf der Burg Baden bei Weiler, (daher Badenweiler) verbunden sein mochte. Denn diese Burg gehörte zu den ältesten Besitzungen des zähringerischen Hauses und die Familie von Baden zu dem ältesten Dienstadel desselben, wie die von Rockenbach. Schon unter Herzog Konrad (von 1122 bis 1152) erschienen ex hominibus ducis als Urkundenzeugen die ministeriales Heinricus de Badin et Wernherus de Roggenbach, und 1260 nannte sich Ulrich von Baden bereits miles (Ritter).

Nach dem Erlöschen der Zähringer war die Baden’sche Familie mit der Herrschaft Badenweiler an die Grafen von Freiburg geerbt und erwarb sich nun im oberem Breisgau verschiedene Lehen, zum Ziel aber ihren bleibenden Sitz. Unter diesen Lehen befand sich namentlich auch hachbergische, und als die Herrschaft Badenweiler mit dem hachbergischen Erbe an das markgräfliche Haus Baden fiel, erschienen die Herren von Baden sofort als badische Dienst und Lehnmänner.

Schon 1413 befand sich Albert von Baden im Gefolge der Markgrafen Bernhard auf dem Konzil zu Konstanz, während ein anderer, Albert von Baden 1439 als Statthalter des Markgrafen Wilhelm von Hachberg und Rudolf von Baden, welcher Johanniter-Komtur zu Heitersheim war, 1474 als Statthalter des Markgrafen Karl von Baden, den Interessen des badischen Hauses dienten. Im übrigen gehörte die Familie von Baden zum breisgauischen Ritterstande, dessen Directorium wiederholt an ihre Glieder gelangte, wovon der letzte 1830 zu Freiburg verstarb.

Um nun in den Bau des Komturs Friedrich zu gelangen, melden wir uns beim herrschaftlichen Verwalter, der seine Wohnung im unteren Geschosse des nördlichen Flügels hat. Die Stiegenhäuser befinden sich in den beiden Seiten Gebäuden. Im ganzen enthält das Schloss zwei Säle, 57 Zimmer mit elf sonstigen Räumlichkeiten an Küchen und Kammern und vieles mehr. Das zweite Stockwerk enthält die fürstlichen Wohngemächer, deren eine Reihe im nördlichen Flügel für den zweiten Aufenthalt Seiner Königlichen Hoheit des Regenten auf das Geschmacksvollste neu eingerichtet ist.

Die Fenster dieser Zimmer haben die herrliche Aussicht auf den Ueberlingersee und seine Ufer. – Dort am fernsten Punkte gegen Norden, Sipplingen und seine Molaßwände, von welchen der weit sichtbare Haldenhof niederschaut, und die gebrochene Burg Hohenfels, die Heimat des Minnesänger Burkhard von Hohenfels; herwärts, hart der See, das weiß schimmernde Felshorn mit seinen rätselhaften Heidenlöchern, die Mauern und Türme der alten Reichsstadt Überlingen, das Dörflein Nußdorf, Schloss Maurach und auf dem freien Hügel die stattliche Kirche Neubirnau.

Im Hintergrund der hohe Waldkopf bei Pfaffenhofen mit den Türmen der Burg Kabpellinz, deren Stelle fernhin drei große Fohren bezeichnen, die bei Durchholzung des alten Dorfes auf Befehl seiner großherzoglichen Hoheit des Markgrafen Wilhelm stehengeblieben; rechts einsam in die Luft ragend, der runde Turm von Hochbodman, wo einst ein Zweig des Geschlechts von Bodman hauste, und oberhalb Frickingen, zwischen Heiligenholz und Heiligenberg, ein erhabener Waldgipfel, die Schanze genannt, wohin, nach einer Tradition, ehemals bei Feindesgefahr die umliegenden Bewohner durch Feuersignale berufen wurden; sodann im Verlauf Bergrückens Allerheiligenberg, die zerfallene Veste, und ein weiß glänzender Punkt auf dunklem Grunde Heiligenberg, das herrliche, an Erinnerungen reiche Fürstenschloss; endlich weiter östlich das Höchste auf demselben Höhenzuge, welchen Platz (mit prachtvoller Fernsicht) eine, vom höchstseligen Fürsten Karl Egon von Fürstenberg errichtete Pyramide krönt. Oberhalb erblicken wir noch den Hof Lichteneck, den höchsten Punkt im Seekreis.

Von den Zimmern, die wir durchschreiten, enthält das eine, das Eckzimmer, noch Reste ehemaliger Dekorierung. Es findet in Öl gemalte Tapeten, in idyllischen Darstellungen mit Geschmack der Zeiten Ludwigs XIV. Die meisten Zimmer aber hatten Sommertapeten von verschiedenen Lokalfarben, oft mit Gold und Silber durchwirkt. Die Vorhänge waren schwere Seidenstoffe, die Möbel massiv, von Mahagoni und Nussbaum. Etwas sehr Schönes, was noch aus alten Tagen vorhanden, sind eigene gute erhaltene Öfen in den eigentlichen Wohngemächern Seiner Königlichen Hoheit des Regenten. Sie sind wahrhafte Kunstwerke und um so höher zu schätzen, als sie eine, in unserer Zeit gänzlich vernachlässigte künstlerische Technik im Fache der Töpferei repräsentieren. Auf weißglassierten Kacheln sehen wir in meisterhaft gezeichneten blauen Umrissen und Schraffierungen Szenen aus dem Kriegs- und Jagdleben, dazwischen Figuren aus der älteren und mittleren Geschichte. Der Verfertigung ist ein Hafner, (der wohl mit mehreren Gliedern einer Künstlerfamilie) zu Ende des 17. oder Anfang des folgenden Jahrhunderts in Steckborn lebte.

Ähnliche Öfen fanden sich vor kurzem noch in demhauensteinischen Schlosse Gurtweil, se wie an manche anderen Orten der oberen Gegend. Es wäre von Interesse, Näheres von diesem Meister zu erfahren.

Bei diesen trefflichen Werken von der Hand eines Schöpfers drängt sich unwillkürlich ein Vergleich auf zwischen den kunstfähigen Gewerken des Mittelalters, der Renaissance und denen der Neuzeit.
Zu wessen Gunsten wird wohl das Urteil ausfallen?
Sicherlich nicht zum Vorteil der Letzteren. Die gemeine Routine, das fabrikmäßige Raffinement, ist allerdings heut zu Tage ungleich mehr, fast bis zum Äußersten, ausgebildet, aber im eigentlichen Kunst- und Geschmackselemente waren uns die wackeren Altmeister durchaus überlegen.
Doch kehren wir zurück zu unserer Mainau.

Eine steinerne Treppe führt uns in die dritte Etage der Hauptfacade, wo ein großer Saal, der ehemalige Ordenssaal, uns aufnimmt. Wände Decken sind in Rocco leicht verziert, links und rechts an den Seitenwänden befinden sich zwei Altanen, welche dem hohen Raume etwas Festliches geben; wir denken ihn belebt durch die Anwesenheit edler Herren und Gäste, durch ein fröhliches Bankett, bei dessen Trinksprüchen lustig von oben die Instrumente schallen.

Durch eine große Flügeltüre treten wir hinaus auf den luftigen Balkon. – welch ein Gemälde entrollt sich hier! In seiner ganzen Länge und Breite liegt der herrliche Obersee von den letzten badischen Uferorten Meersburg und Kirchberg und dem württembergischen Friedrichshafen, bis wo, von Sonnenschein und Duft umworben, die Fürsten des Hochlandes am Horizonte stehen – über Lindau und dem Waldgebirge und Bregenz die schneelosen Kalkfelsen der Vorarlberger Alpen und der Vorgebirge Tyrols, der Grindelkopf, das Rangiswangerhorn; weiter rechts der Hirschberg und der Künzlesspiz, höher ragend sodann der Hochlichtspitz, der Löffelspitz, die Kalkwände des Montafun, der Rauchberg, der Schenakopf und andere. Über diesen meist doppelt übereinander gereihten Bergkolossen zeigen sich bei einem Himmel noch in scharfen Konturen die beeisten Zacken der höchsten Tyroler- und Bündner-Alpen, der Chapoltspitz, der Hundskopf und manche ungenannte, bis zum weißglänzenden Brandjoch, den Zimpaffspiz und den Seekopf.

Über dem weit ansteigenden Schweizer-Ufer bei Arbon und Romanshorn beginnen die Appenzeller Berge, deren höchster der hohe Säntis, wie ein gewaltiges Bollwerk die übrigen kühn beherrscht, unter ihnen der Altmann und der Ehrenspiz, zur Linken bei niedrigeren Knochen des Föneren und des Kamor, des Hohenkarpfen und Anderer, zur Rechten die Schwägalp, und weiter die Berge des Toggenburgs und die kahlen Zinnen der lieben Kurfürsten, hinter ihnen der beschneiter Spitzweiler, der Ischingen und der Osen bis wo die glänzenden Eisberge des Glarus sich in die Luft erheben.

Wie hier das Großartigste überrascht und fesselt, so ziehen die nahen vaterländischen Ufer, vom südlichen Flügel aus gesehen, durch ihre traute Heimlichkeit und Ruhe an das prächtige Grün der Buchenwälder, gehoben durch den Ernst der eingemengten Tannen, von Bäumen halb verdeckt der Dörflein Eck mit seinem weiland komtur’schen Schlösslein, Staad der Stappelort harmlos ab- und zugehender Segelschifflein und Fischernachen, weiter hin die sonnigen Schweizerufer und über ihnen die in stiller Größe wiederum die Alpen. – Wahrlich, du empfindest, warum die Gegend um den Bodensee die Heimat so vieler Minnesänger ist und warum die treuherzigen Alten das Blüteneiland, auf dem du stehst, die Mainau genannt haben – enn Mai und Freude und Lust waren im sinnigen Mittelalter gleich bedeutende Worte.

Nach diesem Schweifen in die Ferne haftet unser Interesse gern wieder an der nächsten Umgebung. Eine heraldische Stammtafel, im Stiegenhaus des Mittelbaus aufgehängt, erinnert an das hohe Alter und die Geschichte des Ritterhauses. Sie enthält die „Schild und Wappen deren hochwürdigen Herren Commandeurs und Statthalters, Hauscommandeurs und Hofmeisters der Reichskommende Mainau“, von Frater Rudolf von Schafus, (1264) bis zu Komtur Georg Christoph Rinck von Waldenstein (1678); oben thront die Heilige Jungfrau mit dem Kinde, als Beschützerin und Fürbitte des Ordens, ihr zur Seite Als Vorbilder der Ordenspflicht stehen, der heilige Georg, der Ritter und Verfechter des christlichen Glaubens, und die heilige Margaretha, die Mildtätige und Pflegerin der Kranken und Preßthaften.

Ein zweites späteres Tableau führt die Reihenfolge der Komture weiter bis zum Letzten, Karl Reich von Reichenstein Brombach.

Um diese Erinnerung einer sich abgeschlossenen Vergangenheit schlingen sich überall die frischen grünen Ranken der Gegenwart. Mit einem reichen, geschmackvollen Hausrat sehen wir bereits manch wertvollen Schmuck der bildenden Kunst durch den kunstliebenden, durch lautichsten Besitzer hierher verpflanzt. Als von speziell vaterländischem Interesse heben wir hervor: die Cartons von Hofmalerin Fräulein Maria Ellenrieder, ein Enclus von Ansichten badischer Städte und Gegenden von Landschaftsmaler Moosbrugger in Konstanz und von einem älteren Meister die Ahnenbilder Friedrich Magnus Markgrafen von Baden und seine Gemahlin.

Außerhalb des Schlosses, aber doch in seinem Umfange liegt die Ordenskirche zu unserer lieben Frauen. Sie ist in gleichem Stile wie das Schloss. Ihr Turm bekrönt ein zierliches Zwiebeltuch, auf dessen Spitze das goldene Ordenskreuz blinkt. Das Innere des freundlichen Tempels schmücken drei von Ordensheiligen geweihte Altäre. Rechts mit einem Seitenanbau des Chores befindet sich die Gruft der Ritter und im Langhause die Beamtengruft, in welcher auch der Baumeister des Schlosses und der Kirche Johann Caspar Bagnato, gestorben 1757, einer fröhlichen Urstände harrt.

Früher bestand hier eine Bruderschaft zu Ehren des Märtyrers und Ritters Sacet Sebastian, errichtet mit päpstlicher Bestätigung von Komtur Georg von Emmingen anno 1587, „damit Gott durch die Verdienste und Fürbitte des Heiligen abwende alle Pestilenz und ansteckende Krankheiten, nicht allein von dem Haus Mainau, sondern vom ganzen Land.“ Die einverleibten Brüder und Schwestern waren vorzugsweise zur Ausübung der Werke der Barmherzigkeit verpflichtet. Am Sebastianstag, (20. Jänner) wurde im Ritterhause ein allgemeines, außergewöhnliches Almosen gespendet. –

Gegenwärtig findet alle Samstag ein Gottesdienst darin statt, den der Geistliche von Lützelstetten zu besorgen hat. Es ist dies eine Stiftung des Engländers Darby, welcher unter Esterhazy längere Zeit zur Miete im Schlosse gewohnt, Orgel und Messparamente verdanken ihr Dasein der Freigebigkeit dieses Fürsten.

Nahe der Kirche stand ehedem das Zeughaus. Die Franzosen sollen sechs Kanonen und 20 gute Panzer daraus entführt haben. Das Haus selbst wurde unter Langensteinscher Verwaltung abgebrochen. In dem nämlichen Richtung, (gegen Südosten) ragte früher ein Turm, der zum Gefängnis diente und die Katze hieß. Gegenwärtig finden wir in dieser Gegend das Treibhaus, eine Schöpfung des Grafen Douglas, ferner einen schönen Blumengarten, über einem Teile der abgebrochenen Fortifikationen angelegt.

Ein wohl erhaltenes Gebäude innerhalb des Burgfriedens ist der Reitstall. Er soll späteren Ursprungs sein als das Schloss und seine Lage vor dem Schloßhof die Laune eines Komturs sein, der, leidend am Podagra (Gicht) und Liebhaber von Pferden, von seinem Fenster aus die Reitübungen überwachte und leitete.

Hinter diesem Gebäude stand früher eine Schmiedewerkstätte und ein großes Waschhaus, in welchem zugleich eine Obstdörre angebracht war, und mehr gegen die Kirche zu fanden sich die Bäckerei und eine Schreinerwerkstatt. Bei Musterung der noch vorhandenen Befestigungswerken müssen wir den viereckigen Turm an der Schloßhalde, das höchste Alter, zu erkennen. Sein Dach wurde unter dem vorigen Besitzer abgetragen und zur Plattform hergerichtet. Es mochte der massive Bau mit der einst um 20 Fuß höheren Ringmauer dem alten Schlosse zur Verteidigung gedient haben. Von den übrigen Türmen haben sich außer dem bereits genannten Torturm nur zwei vollständig erhalten. Der Gärtnerturm am Wallgraben und ein runder Wartthurm im Rebberge gegen Süden. Ein dritter Rundturm, der Jägerturm, stand im südlichen Verlaufe des Grabens, etwa 50 Schritte vom Gärtnerturm, während nordwestlich ein ähnliches, noch als Fragment vorhandenes Rondell gegen den See hinschaute.

Unten am Ufer gegenüber heißt jetzt noch ein Platz, die Schwedenschanze, ein etwas kleinerer „das Schwedenschänzle“, findet sich hinter dem Haus des Pächters im nordwestlichen Teile der Insel. Beide wurden, wie oben gehört beim Herannahen der Gefahr, gegen die Schweden errichtet.

Eine der wichtigsten Einrichtungen der Insel ist der Hafen. Er leistet nicht nur den Inselbewohnern gute Dienste, auch für die Schifffahrt überhaupt ist er von Bedeutung, teils als gelegentlicher Ruhepunkt zwischen dem Ober und Überlinger See, teils als sicherer Hort bei Stürmen, die ja besonders verderblich werden können.

Wenn nämlich die Föhn weht und große Wassermassen in die Bucht des Überlinger Sees schwellt, der Gegendruck aber, das Gleichgewicht mit dem oberen Wasserstand herzustellen kämpft, wird der See vom Grund aus bewegt – Der Schiffer nennt es das Grundgewelle, was besonders in der Gegend der Mainau fürchterlich und höchst gefahrvoll werden kann. Wie alte Schiffsleute behaupten, wäre schon manches Unglück geschehen, wenn der Mainauerhafen nicht ein schimmerndes Asyl gewährt hätte.

Die ganze Anlage ist eine sehr solide, und es scheint ihre gegenwärtige Beschaffenheit wie ein erneutes Wappen schließen läßt, aus der Zeit des Komturs von Stadion (1626) herzurühren. Den Eingang bewacht das über der Mauer angebrachte Bildnis der heiligen Jungfrau, während am Ufer ein kleines Wohnhaus wie zur Aufsicht herniederschaut. Unterhalb diesem Häuslein war an der östlichen Hafenmauer eine leichte Bedachung angebracht für die herrschaftlichen Schiffe, unter denen sich ein großer Segler befand, in welchen der Komtur, begleitet von sechs Matrosen, seine Spazierfahrten zu machen pflegte. Das Schiff beschattete ein weißes Baldachin mit schwarzer Einfassung, Troddeln und Glöcklein von eben denselben Farben. Auch der Segelbaum war also gefärbt, weil schwarz und weiß die Farben des Ordens im Frieden waren.

Zwischen dem Hafen und dem viereckigen Turme an letzteren angebaut, stand in der Richtung, gegen das Häuslein an Hafen der große Landeskomturkeller, dessen oberer Teil zur Fruchtschütte diente. Ein zweiter, der sogenannte Seekeller, fand sich etwas entfernt nördlich vom Thurme. Er war viel geräumiger als der Landeskomturkeller und erhielt das größte Faß der Commende mit 60 alten Seefudern, (das Fuder zu 30 Eimer, der Eimer zu 32 Maaß). Außerdem hatte er noch Fässer von 40, 50, 60 Fudern und obenauf ebenfalls Getreidespeicher. Weiter nördlich, hart am Ufer und zum Teil über dasselbe hinaus gebaut, hatten die Kiefer ihre Werkstatt, sie hieß das Bindhaus. Und daß Nichts fehlte, was zu einem wohlgeordneten Gemeinhaushalt gehört, war am südlichen flachen Ufer unten am Rebberge ein Platz und großer Schopf für die Zimmerleute.

Das anmutige Wäldchen am nordöstlichen Ufer beherbergte ehedem jenes „hohe Obrigkeits- Signum“ von dem vorne Seite 46 gesagt wird, dass es ein solches ums Jahr 1671 noch nicht auf der Insel vorhanden gewesen. Der Platz hat noch heutzutage den artigen Namen das „Galgentöbele“.

Wenn wir längs der Ufermauer durch die Ahorn und Nußbaumallee, dem südlichen Ende der Insel zuwandern, kommen wir zum Badplatz, der noch aus alten Zeiten mit steinernen Treppen und Platten zum Baden im Freien hergerichtet ist.

Weiterhin gelangen wir in denjenigen Teil des Eilandes, der ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken gewidmet ist. Terrassenförmig steigen üppige Wiesen an, fruchtbares Ackerland und sonnige Rebhallen. So klein die Gemarkung am Umfang ist, so fruchtbar und reich ist sie an Produkten aller Art Getreide, vorzüglichem Wein, feines Obst, Gemüse, gewürzige Fruchtfutterkräuter, Hanföl, Holz, kurz alles, was ein vollkommener Landwirt sich nur wünschen mag.

Das nutzbare Feld der Insel ist, mit Ausnahme der Reben, teils an den Pächter, teils an den Gastwirt zu Mainau verpachtet. Die hiesige Ernte fällt in die Zeit um Jakobi.

Was nebst einer üppigen abwechselnden Vegetation das Landschaftliche, Angenehme belebt, sind die vielen gefiederten Gäfte, die von „Luftes-wegen“ in dem grünen Eilande ihren Aus- und Einflug haben. Von den bedächtigen Weih, der lauernd über den Feldern schwebt, bis zum zierlichen kleinen Sänger, sind beinahe alle heimischen Gattung vertreten. Auch die Nachtigall fehlt nicht. Ihre süß lockende Weise ertönt während mehreren Frühlingswochen regelmäßig im Park an der Schloßhalde. Ein eigentliches Heimatrecht aber scheint die Schwalbe auf dem Eilande zu beanspruchen. Die offene Vorhalle des Schlosses dient ihr zu familiären Ansiedelungen. Ebenso häufig hält sich auch die Wildente in der Nähe der Insel auf. Ihr Luftrevier ist das schilfreiche Ufer gegen den Lützelstetter Berg.

Ein wenig gern gesehener Gast ist ein Insekt, die wilde Biene; sie verklebt mit ihrem Gehäuse von feinem Sand alle Türen und Fenstergesellstelle des Schlosses.

Zur Zeit des humoristischen Wirthes Schnettz, der noch aus der Verlassenschaft des Ordens bis vor kurzem auf der Insel lebte, waren die Gehölze und Anlage mit einer zahlreichen Familie von Kanarienvögeln bevölkert, die, sobald der Winter heranrückte, freiwillig sich wiederum zu ihrem Herrn in Kost und Logis zu begeben pflegte. Unter dem letzten Komtor war stets auch ein kleiner Wildstand von Hirschen und Rehen unter Aufsicht des Jägers im Wallgraben unterhalten, ebenso ein Fasanenhaus.

Zu jener Zeit erstreckte sich ein Zier- und Lustgarten, vom Gärtnerthurm bis gegen den Vogelherd. Alte komturische Unterthanen wissen noch viel von seiner „himmlischen Schönheit“ zu erzählen.

Oft ist das liebliche Eiland auch von jeher einer der reizendsten Punkte des südlichen Deutschland gewesen, so wird ihm doch jetzt erst durch die Munificenz seines hohen Besitzers die gebührende Rücksicht und Pflege. Sehr Vieles ist bereits im Laufe dieses Sommers geschehen. das regste Leben in allen Richtungen herrschte auf dem freundlichen Insellande. Gärtner, Bauleute, Dichter und Maler zogen herbei zur Verschönerung und Verherrlichung des würdigen Fürstensitzes .

Eine der größeren neueren Unternehmungen ist die Anlage eines Reit- und Fahrweges längs den Ufern rund um die Insel. (Der schönen Gartenanlagen im Schlosshofe haben wir bereits gedacht.) Wichtig ist auch die erst kürzlich getroffene Einrichtung des regelmäßigen hierortigen Landons der Dampfschiffe und ihrer Tour von Konstanz nach Meersburg und Überlingen; so wie zuweilen noch extra Fahrten stattfinden, unternommen von größeren Gesellschaften, die unter Sang und Klang einziehen und fröhliche Gelage auf dem grünen Plane halten.

Aber auch in höherer Beziehung ist der Übergang des Besitztums an den jetzigen durchlauchtigsten Herren von Bedeutung. Der Bewohner des Seekreises glaubt nämlich darin, die Gewähr eines längst gehegten Lieblingswunsches zu finden, seinen allverehrten, ritterlichen Landesfürsten – wohl bald an der Seite einer hohen minniglichen Gemahlin, höchstderen Stammburg eine dem See benachbarte ist – einen Teil der schönen Jahreszeit in den oberen Gauen zubringen zu sehen.

Sicherlich aber wird die Auszeichnung, welche der Seegegend durch die Erwerbung der Mainau geworden, nicht verfehlen, auf den fremden Besuch überhaupt Einfluss zu üben. Es sind ja doch namentlich die schönen, an Abwechslung so reichen badischen Ufer noch viel zu wenig besucht und gekannt. Denn nicht nur dem flüchtigen Durchstreifen gewähren sie hohen Genuss, auch der länger Verweilende wird alles finden, was ihm den Aufenthalt lieb und wert machen kann.

Ein paar Wochen zum Beispiel auf unserem grünen Eilande Mainau – welch ein Herz und Sinn erquickend der Aufenthalt! Das geräumige Gasthaus, wenn auch nicht ein Hotel ersten Ranges, läßt billigem Verlangen gewiss nichts zu wünschen übrig. Die edle Liberalität, durch welche dem Fremden die ganze Insel mit ihren Einrichtungen zur Verfügung gestellt ist, gewährt dem Gaste Annehmlichkeiten, die er anderwärts für schweres Geld nicht haben kann, und ist das Wohnen umgeben von solch Anmut, Heiterkeit und Güte der Natur nicht an sich schon ein Hochgenuss?

Wenn ein goldener Morgen glänzend über den Wellen erwacht, über der einen von Tau befeuchteten Luftbezirke früh schon das hohe Lied der Lerche klingt und um die Berge Morgennebel ringen mit dem Strahl der Sonne -wie fühlt sich da der Geist gehoben und zu neuen Lebenslust erregt. Und in der stillen Mittagsstunde – wo verträumte sich ein Stündlein besser, als unter dem Blütenbüschen, neben dem geschwätzigen Springquell im Schlosshof, in den luftigen Saal mit den grünen Fenstern und ihren lieblichen Fernsichten!

Zwischen den Häuptern, dunkel belaubten Nussbäume und alten Tannen, die wie verwundert über die Ringmauer hereinschauen, der Blick der Sonne, die Silberwellen des Sees und die lichtblauen Gebirge des schwäbischen Ufers.

Über Dir tänzelndes Gelispel der Silberpappel, der Atem süßer Maienlüfte und das luftige Zwischenspiel schnell hinschießender Schwalben. Dazu das Gefühl, rings von Wasser umschlossen, unnahbar alles, was dich stören könnte.- Eine selige Einsamkeit. – Am langen Sommernachmittag ein Gang durch das Inselfeld, wo im grünen Wiesenplan geschäftige Gruppen um duftende Holzschober sich mühen, oder Schnitter und Schnitterin gelben Weizenfelde, während dort schon wieder im frühherbstlichen Stoppelfelde der Pflug seine braunen Furchen zieht.

Oder du steigst hinab durch die kühlen Schatten der Ahorn- und Nussbäume zum Hafen, um eine Luftfahrt zu machen, auf weiter ungemessener Wellenbahn – in zierlicher Gondel allein, umrudernd das stille Inselland, das hohe Schloss am Meere und seinen schattigen Park, widergespiegelt im feuchten, tiefen Grüne der kristallenen Flut, wankend und schwebend, in ungewissen Umrissen; hinaus in den offenen See, der von sonnigen Dünsten zum Meer erweitert scheint oder blau bis zu den Alpen, deren Bild lieblich im Gewässer badet. Wieder zurück am Abend, wenn rosiger Schein der Wellen säumt und Geläute deutlich, nah, von den Ufern hallt; beim Sinken des Tages, in der Dämmerstunde, wenn Ruhe, sanfte, süße Schwermut sich zum Herzen drängt – wenn Dunkelheit dem Mantel bereitet, Nebel aus der Tiefe steigen und über dem Gebirge leise Glut dem auftauchenden Vollmond verkündet.

Ja selbst Sturm und Gewitter, der trüb umdüsterte Tag, die Schauer der Nacht haben, hier erlebt, ihr Bedeutendes und Schöne. Wenn das bekannte Sturmsignal, der weißegraue Nebel – Brähme nennt ihn der Schiffsmann – aufsteigt und zuletzt zur finsteren Wolke gestaltet heranzieht, so sucht jeder Fährmann so rasch wie möglich das tückische Element zu verlassen.

Mit welcher Teilnahme verfolgst du dann den Segler, der mit Getreide von Überlingen oder mit Ziegelwaaren vom Bodman kömmt, – wie er auf und nieder schwankt in dem mehr als Klafterhohen Gewoge, wie er rudert und ringt, den Hafen der Mainau zu gewinnen, der hilfreich seine starken Arme in den gefahrenbringenden Wellenkampf hinausstreckt.

Welch ein Anblick, wenn ein plötzlicher, ein hereingebrochener Gewittersturm mannshoch die Wogen aufregt, dann in rasendem Gewirbel die Spitzen der Wellen zum sprühenden Nebel zerstiebt, der im Nu weit umher den See verhüllt.

Du stehst am Ufer – ein gewaltiger Ost oder Nord durchströmt den herbstlichen fahlen Tag; in Schlangensprüngen, weit, unabsehbar, tobt die weißbeschäumte Woge – und die Brandung am alten Gemäuer führt zur Musik des Sturmes einen wilden, dämonischen Tanz auf, hochspritzend, zischend, lärmend, wie in toller verzweiflungsvoller Lust.

In mitternächtlicher Stunde, wenn es über den See, um die alten Mauern und Türme tobt und schnaubt, als er klängen im Winde wallende Geisterstimmen aus den Tagen Wrangels und des Komturs von Hundbiß.

Oder Du wandelst in lauer Frühlingsnacht um dein träumerisch stilles Blüteneiland; aus halbverschleiertem Himmel blinken einzelne Sterne, am Horizont zuckt es wie Wetterleuchten; um die jungen Wipfel flüstert der Nachtwind, am Bord leis andrängender Wellen Gemurmel – verstohlen wie Geplauder der Liebe, und dazwischen, entlang gehaltenen Pausen, der süße Schlag der Nachtigall in verschwiegenen Park des hehren Schlosses, – wie klagend um das verlorene Glück der treuen Maid vom Bodman und des Ritters Hug von Langenstein.

Fortsetzung hier:

Im 30-jährigen Krieg gelangte die Insel Mainau im Bodensee 1647 nach einer verheerenden Niederlage gegen die Schweden für einige Monate in deren Besitz. Unter Mitnahme alles Wertvollen – nur das sogenannte Schwedenkreuz blieb zurück – zogen die Schweden 1649 wieder ab. Foto: Böhringer Friedrich (Wikipedia)

Schwedenkreuz. Aufnahme von 1887 (Quelle: Wikiwand)

Johann Nepomuk auf der Mainau von Gerhard Eichinger: eichinger.ch

Stadtteile von Konstanz (Quelle: Wikiwand)

St. Marien auf Mainau (Quelle: Wikiwand)

Gärtnerturm auf Mainau (Quelle: Wikiwand)

Selbstbildnis Marie Ellenrieders im Alter von 28 Jahren, 1819. Foto: Wikipedia