Villinger Windkraftpläne

Villinger Windkraftpläne

26. März 2024 0 Von Wolf Hockenjos

Windenergie ja, aber bitteschön möglichst tief im Wald, so stellt sich der Diskussionsstand derzeit im Stadtrat dar. Jedenfalls nicht so, wie es der Regionalverband vorsieht, denn dessen Version findet bei den Bürgern keine Akzeptanz: Viel zu nah an der Stadt, heißt es – für die Bewohner von Hammerhalde, Volkerts-, Herzogen- und Pfaffenweiler ganz und gar unzumutbar!

Nur schade: wo die 15 Betontürme mit ihren Rotoren, mehr als doppelt so hoch wie der Freiburger Münsterturm, stattdessen hin sollen ist leider ein Vogelschutzgebiet ausgewiesen, da droht die „Blockade des unsichtbaren Auerhuhns“, wie der Schwarzwälder Bote am 14. März 2024 titelte. Und das, nachdem die städtischen Forstfachleute um Forstamtsleiter Tobias Kühn keine Spur mehr von ihm gefunden hätten, weder Losung noch Federn. Wenn doch wenigstens jemand dem Gasthaus Zum Auerhahn noch ein ausgestopftes Exemplar zukommen lassen könnte, wie man sie in manchen  Schwarzwälder Gaststuben und Forstamtsbüros noch als Wandschmuck bewundern kann, damit sich die Ausflügler ein realistischeres Bild als an der Hauswand vom „Stein des Anstoßes“ machen könnten. Als ob nicht auch Ornithologen, Jäger und Förster insgeheim noch immer die Hoffnung hegten, dass das Auerhuhn doch noch zu retten sei – trotz all der zeitbedingten Lebensraumveränderungen und Störungen. Nicht anders hatte es ja auch der 2008 regierungsamtlich verkündete Aktionsplan Auerhuhn vorgesehen. Weshalb halt auch  potenziell geeignete Auerhuhnhabitate, selbst wenn sie gegenwärtig nicht mehr besiedelt sein sollten, vorgehalten werden müssen für den Fall, dass all die Bemühungen am Ende vielleicht doch erfolgreich sein würden.

Erinnerung an einen vom Aussterben bedrohten Waldbewohner im Villinger Neuhäuslewald

Eigentlich hätte sich doch auch im Stadtrat längst herumgesprochen haben müssen, wie hochnotpolitisch sich das Thema Windenergie und Auerhuhn (Klimaschutz vs. Artenschutz) inzwischen aufgeschaukelt hat: Am 11. Mai 2022 hatte sogar der Stuttgarter Landtag eine knappe Stunde lang über das Auerhuhn debattiert. Wo doch der grün geführten Landesregierung nichts ungelegener käme, als wenn ausgerechnet sie mit ihrem durch Gasmangel und Ukrainekrieg neu entfesselten Windkraft-Elan für das Aussterben des „Schwarzwälder Charaktervogels“ verantwortlich gemacht würde. So wurde mitten in den Sommerferien, am 17. August 2022, der in der Debatte bereits angekündigte Maßnahmenplan dann auch offiziell vorgestellt (in Pressemitteilung Nr. 122/2022) als Neue Planungsgrundlage Windenergie und Auerhuhn. Umwelt- und Energieministerin Thekla Walker und Forstminister Peter Hauk erklären darin gemeinsam: „Die neuen Hinweise ermöglichen einen beschleunigten Ausbau der Windenergie im Schwarzwald und sie schützen zugleich das vom Aussterben bedrohte Auerhuhn.“ Dass dieses Versprechen der Quadratur des Kreises gleichkommt, hatte bereits das je zur Hälfte vom Land Baden-Württemberg und aus Drittmitteln des Bundesverbands WindEnergie e. V. sowie einiger heimischer Energieversorgungsunternehmen finanzierte internationale Forschungsprojekt Windenergie & Auerhuhn angedeutet; es kommt auch im Schwarzwald zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass Auerhühner Windenergieanlagen weiträumig meiden und dass sie daher auch kaum vom Lärm, von Drehbewegung und Schlagschatten der Rotoren gestresst, geschweige denn geschreddert werden oder in panischer Flucht gegen die Türme prallen. Ganz so neu ist diese Erkenntnis freilich nicht, wie schon ein Bericht des einstigen Fürstlich-Fürstenbergischen Forstamts Lenzkirch aus dem Jahr 1924 nahelegt: „Wo Ruhe und Waldfrieden gestört sind, ist für das scheue Auerwild keine Bleibe mehr. Nachhaltige Störungen auf seinen Balz- und Wintereinständen erträgt es nicht: hierfür haben wir leider traurige, sprechende Belege. 

Dass Waldgebiete wie der Villinger Neuhäuslewald auch von etlichen weiteren windkraftsensiblen Vogelarten (z. B. Spechten und Käuzen) mitsamt Fledermäusen und Fluginsekten bewohnt werden, bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung, wo doch der Wald sowohl gegen den weltweiten Artenschwund wie fürs Klima Leistungen zu erbringen hat. Umso erstaunlicher ist die Vorliebe (oder ist es eher Verzweiflung?) des Regionalverbands SBH, mit welcher er vorzugsweise Waldstandorte als Vorrangflächen für die Windenergienutzung ausweisen möchte. Als ob die Fragmentierung und Erschließung von Wäldern für den Bau und die Unterhaltung von Windenergieanlagen nicht auch erhebliche ökologische Nachteile brächte: Nicht zuletzt Rand- und Folgeschäden durch Sturmereignisse, aber eben auch Bodenversiegelung und Ausfall der CO2-Bindung, von der Beeinträchtigung der Walderholungsfunktion durch die großflächig nicht mehr zu übersehende und unüberhörbare Industrialisierung ganz zu schweigen.

„Der Wald: eine Stätte der Ruhe und Erholung“, so lautet die Bildunterschrift unter einem idyllischen Schwarzweißfoto in dem 1962 von der Stadt Villingen/Schwarzwald in ihrer Schriftenreihe herausgegebenen Buch Der Villinger Stadtwald von Ulrich Rodenwaldt. Über ihren stolzen und vorbildlich naturnah bewirtschafteten Waldbesitz hat man in Villingen, schließlich auch in der Doppelstadt nie etwas kommen lassen. Was waren das alle Jahre wieder für  gutbesuchte und informative Waldbegänge des Stadtrats! „Möge die Stadt Villingen“, so liest es sich denn auch in der Widmung am Buchende, „den Schatz, den ihr die Herzöge von Zähringen für ihren Lebensweg vor 800 Jahren in die Wiege gelegt haben, stets zu würdigen wissen und ihm Schutz und Fürsorge angedeihen lassen. Möge aber auch der Forstmann, dem dieser Wald zur forstlichen Bewirtschaftung anvertraut wird, sich der hohen Aufgabe und Verantwortung für dieses Gut stets bewusst sein!“

Wie wichtig die Stadt diese Aufgabe seither genommen hat, beweist allein schon die Existenz eines eigenen kommunalen Forstamts – einer Rarität in Baden-Württemberg. Die städtischen Forstamtsleiter erfreuten sich bei den Bürgern zuallermeist großer Wertschätzung, ob sie nun Hubbauer, Ganter, Rodenwaldt oder Härle hießen. Doch mit der so überaus lukrativen Verpachtung von Windkraftstandorten scheint es mit „Schutz und Fürsorge“ nicht mehr weit her zu sein: Hat sich für Waldeigentümer neuerdings doch ein wahrhaft verführerisches Geschäftsmodell aufgetan, egal ob im Staats- Kommunal- oder Privatwald. So ist es auch kaum mehr verwunderlich, wenn das Land unterm Vorzeichen der Energiewende allein im Staatswald 500 Windkraftanlagen zu errichten verspricht, oder wenn auch das Donaueschinger Fürstenhaus 50 Windradstandorte in seinem ca. 18.000 ha großen Wald zu verpachten beabsichtigt – vier bis fünf Anlagen, bitteschön, auch gleich angrenzend an den Villinger Neuhäuslewald zusammen mit den dortigen Windparkplänen. Kein Wunder auch, dass seitens des F.F. Forstchefs zugleich vehement über den (nach seinem Dafürhalten) heillos überzogenen Artenschutz geklagt wird als dem „größten Windkraftverhinderer“: Auf der Baar sei es der Rotmilan, im Schwarzwald seien es die letzten Auerhühner, deretwegen weite Teile nicht verplant werden dürfen, wiewohl doch diese Art, bei globaler Betrachtung, gar nicht bedroht sei. „Funkt der Auerhahn noch dazwischen?“, so fragt auch der Schwarzwälder Bote (v. 27. Januar 2024). Der wird uns doch hoffentlich nicht die Transformation der Energiegewinnung zur Rettung des Planeten durchkreuzen, gar die in den Forstbetrieben ausgebrochene Goldgräberstimmung wieder abflauen lassen.