Hieronymus und der Wald-6

Hieronymus und der Wald-6

8. April 2024 0 Von Wolf Hockenjos

zwischen Dichtung und Wahrheit

Originalbeitrag vom 26. Februar 2017

Wie sich Lucian Reich im und „auf dem Walde“ auskannte

Vortrag aus Anlass des 200. Geburtstags von Lucian Reich am 26. Februar 2017 Teil 6.

XXV. Das Ende: Zu guter Letzt sitzt das liebende Ehepaar, sitzen Hieronymus und Helena  abends, nach den Mühen des Tages, an der Schwelle des eigenen Heimwesens und betrachten die Sterne, diese Kinder einer abgeschlossenen Zeit, deren Enkel kaum mehr wissen, wie es zu den Tagen der Großältern im Lande ausgesehen. Das Bedauern über das geschichtliche Desinteresse der Enkel, ja, über deren Ignoranz, kommt uns Heutigen doch sehr bekannt vor! Die Flucht des jungen Paars ins Idyll, in die private Gemütlichkeit, gilt indessen als Charakteristikum der Biedermeierzeit, der Stilepoche zwischen 1815 und 1848, der Zeit der Restauration. Insoweit ist Lucian Reich beim Abfassen seines Hieronymus (1853) noch ganz Biedermeier und keineswegs systemkritisch, angekränkelt von revolutionärem Gedankengut der neuen Zeit; dem Fürsten zu Fürstenberg Carl Egon, seiner Hochfürstlichen Durchlaucht, dem hochherzigen Beförderer und Beschützer vaterländischer Kunst und Wissenschaft, ist sein Werk gewidmet – in tiefster Ehrfurcht. 

Lucian Reich gezeichnet von seinem Schwager J. Nepomuk Heinemann

Umso heftiger sei (wie wir von Reichs einstigem Schüler Hansjakob erfahren) der inzwischen verarmte und verbitterte Hüfinger Volksschriftsteller vom Wunsch getrieben gewesen, die alten Trachten und Gebräuche festzuhalten, welche das moderne Leben zu vernichten drohte. So jedenfalls hat ihn in den Schriften der Baar Leonhard Nann in seinem Vortrag „Der Schwarzwald in der neueren Literatur“ anlässlich der Vereinssitzung am 15. Januar 1900 gewürdigt. Festhalten wollte Lucian Reich gewiss auch sein Bild vom Wald und vom Schwarzwald von einst, wie er ihn sich ausgemalt hat. Die Industrialisierung und das moderne Leben bedrohten ja nicht nur die alten Trachten und Gebräuche, sondern auch die Landschaft, die „vaterländischen Naturdenkmäler“. Insofern darf man in Lucian Reichs Bestreben, am Überkommenen festzuhalten, durchaus auch einen Anflug früher Heimat- und Naturschutzbemühung erkennen, wie sie sich ausgangs des 19. Jahrhunderts dann als breite Bewegung in der Industriegesellschaft etabliert hat.

In seinem Nachruf im nämlichen Heft der Schriften schreibt derselbe Leonhard Nann: Dieselben Eigenschaften, denen wir seine besten künstlerischen Leistungen verdanken, innige Heimatliebe und ein ausgeprägter lokaler Sinn, machten Reich zum Historiker. Es schmälert dessen Lebensleistung keineswegs, wenn wir ihm seine Waldbeschreibungen nicht durchweg als stimmig und historisch verbürgt durchgehen lassen. 

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