Insel Mainau – Kirchberg und Hagnau

Insel Mainau – Kirchberg und Hagnau

24. Februar 2023 0 Von Hannah Miriam Jaag

Ich möchte hier erwähnen, dass ich das alte Buch mit der sehr eigenwilligen Schreibweise in Frakturschrift vorgelesen habe, um den gesprochenen Text von einem Programm namens f4transkript in Buchstaben umzuwandeln. Den umgewandelten Text habe ich danach bearbeitet, da viele der Wörter und Grammatik dem Programm nicht bekannt waren.

Man möge mir verzeihen: Ist mir das Deutsche vor 200 Jahren sehr fremd, so ist das oft Zitierte aus dem 18., 17. und sogar 16. Jahrhundert aus heutiger Sicht fast unverständlich. Dazu kommt die eigenwillige Rechtschreibung und eine fremde Denkweise. Da viele Worte der alten Sprache von mir gesprochen und vom Programm transkribiert wurde, sind viele Worte in moderner Schreibweise im Text. Ich habe dies meistens aus Bequemlichkeit und für den Leser so stehen lassen.

Was es in den verschiedenen Kapiteln des Buches hier gibt, ist diese vorgelesene Tonspur mit dem Transkript in schwarz.
In blau einige Fotos und Erklärungen.

Hier der das Kapitel Kirchberg und Hagnau.

Kirchberg und Hagnau

Es war ein warmer Sonntagvormittag, den ich zu einem Ausfluge nach dem benachbarten großherzoglichen Schloss und Pachtgut Kirchberg benützte.

Der Frühling, jung und hold, hatte bereits die Wiesengelände und ihre Einhegungen mit zartem Grün geschmückt; aber die Obstbäume und Reben warteten noch auf ihren Ostertag. – Der Weg, die Straße nach Ludwigshafen und Lindau führt durch Hagnau, welches Dorf nach wechselndem weltlichem und geistlichem Besitze durch den Preßburger Frieden an das Haus Baden gekommen. Eine kleine halbe Stunde von diesem Orte, unmittelbar an der Straße auf mäßig erhöhtem Terrain liegt Kirchberg – einer der zierlichsten Edelsitze am See. Alte Obstbaum-Alleen führen rechts von der Straße ab, zum Tor und Hofraum, in dessen Mitte ein plätschernder, von Kastanien beschatteter Brunnen erfrischende Labe spendet. Südlich, gegen den See, erhebt sich der Hauptbau des Schlosses mit einem östlich gewendeten, später erbauten Seitenflügel und Tor, während dem Commenden zur Linken die mittelalterliche Pächterswohnung und das Wirtshaus den Hof gegen die Straße hin abschließen.

Die Aussicht aus den Fenstern des Schlosses, oder von dessen Altane, gibt uns jedoch erst den wahren Begriff von der herrlichen Lage dieses behaglichen Sitzes. – In unmittelbarer Nähe ein lieblicher Park und Blumengarten; an der Abdachung gegen die grünen Seeufer sonnige Weingelände, und links ein schattiges Lustrevier junger Büsche und schlanker Buchen mit einem in der See hinaus gebauten Sommerhause. Bei Betrachtung dieses reizenden Landschaftsbildes will es uns bedünken, als sei dieser Ort von Mutter Natur eigens zu einem jener Mußeplätze geschaffen, wo der Geist, von ermüdender Beschäftigung und vom Weltgetriebe ausruhend, neue Luft und Kräfte gewinnen soll.

So trugen Tag und Stunde meines Dortseins ganz den Charakter, solch ein Gefühl zu erwecken. Ein heißer Mittag lag in brütender, allein vom Geschrei schweifender Möwen und dem fernen Rauschen eines nicht sichtbaren Dampfbootes unterbrochene Stille über Land und See, in welch’ letztem sich strahlenden Glanzes die hochgetürmten Alpen bespiegelten. – Dieser Ruhe rings umher entsprachen die stillen Hausräume der nächsten Umgebung. Die älteren Bewohner Kirchbergs waren mit Ausnahme einiger Dienstboten nach Immenstad in die Kirche gegangen, während die Kinder in den nahen Wiesen nach Primeln und Veilchen suchten, welche die warmen Apriltage hin und wieder den blaßgrünen Teppich eingewoben hatten.

Eine Dienerin erschloss mir die Zimmer, in welchen Seine Königliche Hoheit der Prinz und Regent im Herbst des Jahres 1853 einen längeren Aufenthalt zu nehmen geruhten. Es war mir bekannt, dass das eine dieser fürstlichen Gemächer, der Speisesaal, vorzügliche altdeutsche Gemälde bewahre noch aus den Zeiten, wo Kirchberg ein Besitztum des Reichsstifters Salem war.

Diese vortrefflichen Kunstwerke, vier an der Zahl, sind von der Hand Martin Schaffner’s, und haben die Versuchungen des heiligen Antonius zum Gegenstande. *Bereits im Jahrgang 1822 des Kunstblattes (8. August) von Brouillot erwähnt. Sie sind auf Holz und Kreidegrund gemalt, in gleicher Größe, etwa zwei Fuß breit und viereinhalb hoch.

Auf der ersten Tafel erblicken wir in einsiedlerischer Landschaft den heiligen Altvater, vertieft im Lesen eines Buches. Neben ihm die halbfertige Arbeit eines Korbes von Binsengeflecht, und im Mittelgrunde seine Klause, die er, nach der Legende, über einem verlassenen Grabe errichtet hatte. Die frommen Betrachtungen des Klausners abzulenken, hat sich ihm eine reizende Jungfrau in reichem Schmuck und prächtigem Gewande genähert, welche dem Heiligen ein Gefäße von kostbarer Arbeit, wahrscheinlich eine zweite Pandorabüchse darbietet, die der angefochtene Mann jedoch misstrauisch verwundert anzublicken scheint.

Eine zweite Versuchung versinnlicht die Scene im Mittelgrunde, wo der Böse, in Gestalt eines rotgekleideten Jägers mit Hunden und einem geflügelten Schweine dem Klausner ein netzartiges Jagdgeräte vorweiset, während aus dem nahen Walde mitleidflehende trügerische Gestalten Presshafter und Bedürftiger auf die beiden zukommen. Im oberen Raum Christus in Wolken, vor dessen Erscheinung die Dämonen die Flucht ergreifen.

Die Hauptgruppe des zweiten Gemäldes zeigt den Heiligen betend, bedrängt jedoch und verwirrt von den üppigen Gestalten dreier Mädchen, deren lange rote Gewänder und zierliche Haargeflechte nur unvollkommen Bocksfuß und sprossende Hörnlein verdecken. Die eine der Schönen faßt zudringlich des frommen Vaters Kapuze, während ihre Schwestern, neben einem reich verzierten Ruhebett stehend, mit arglistigem Lächeln die Verwirrung der Heiligen betrachten. Ein Teil des Mittelgrundes rechts füllt ein prächtiges Gebäude, an dessen Treppe Antonius, umgeben von Preßhaften und den drei rot gekleideten verführerischen Weibern. Links mehr in der Ferne gerückt, schließt das Bild mit einer Szene von anmutiger Erfindung und Ausführung. An sommerlichen Tagen sehen wir den Alten in sinnender Beschaulichkeit längs eines Waldrandes dahin wandeln. – Siehe, da tritt ihm der rot gekleidete Versucher wieder in den Weg, und zeigt gegen ein klares, ruhig fließendes Waldwasser, wo drei nixenartig gestaltete Jungfrauen den schönen Leib im Bade kühlen.

Das dritte Bild stellt, im Gegensatze zu den Anfechtungen sinnlicher Begier, den Heiligen dar unter den Händen wilder Dämonen, die im Begriffe stehen, ihrem Opfer äußerliche Körperbeschädigungen beizubringen. Die eine dieser diabolischen Gestalten packt das Gewand des Alten, der in abwendender Gegenwehr nach oben blickt, wo die Lichtgestalt des Heilandes im Wolkenschimmer schwebt.

Den Schluss macht der Tod des viel Gepriesenen. – Auf einer Binsenmatte ausgestreckt findet ihn sein Mitbruder, ein benachbarter Einsiedel, während zwei Löwen, bisherige Gefährten seiner Einsamkeit, emsig bemüht sind, mit ihren Klauen ein Grab in die Erde zu scharren. Im Mittelgrunde deutet der Künstler sinnreich noch den letzten Lebensmoment des Dahingeschiedenen an. – Antonius kniet im Gebete, vor einem in tiefer Waldeinsamkeit stehenden Kruzifixe. In der Ferne wandelt sein Freund, der Waldbruder, auf steinigen Felspfade, um dem Heiligen seinen Besuch abzustatten, der ihn jedoch, wie wir gesehen haben, nicht mehr unter den Lebenden trifft. – Sämtliche Gemälde tragen das Monogramm des Künstlers und die Jahreszahl 1517.

Martin Schaffner’s Werke wurden vielfach irrtümlicher Weise mit denen des Martin Schön, aber, wie er zuverweilen auch genannt wird, Martin Schongauer, verwechselt, obwohl Letzterer früher als Schaffer lebte und bereits in den 80 er Jahren des 15. Jahrhunderts sein rühmliches Dasein in Colmar beschloß. Die Wirksamkeit Schaffner’s dagegen fällt in den Anfang des 16. Jahrhunderts, zu welcher Zeit der Meister in Ulm als Bürger und Mitglied der dortigen Malergilde lebte. Dieser Künstler hatte das sonderbare Schicksal, bis auf die neuere Zeit fast gänzlich im Dunkel geblieben zu sein, wo ihn dann erst sorgfältige Forschungen in das verdiente Licht gestellt haben. Obwohl Martin Schaffner, wie erwiesen, nie Italien gesehen, so tragen seine Werke doch noch den Stempel jener kurzen Blütezeit deutscher Kunst, in welcher die Bekanntschaft mit der italienischen Muse der strengen Charakteristik und der zwar innerlichen, aber in ihrem Äußeren allzu dürftigen Gemütlichkeit der Deutschen mehr künstlerische Freiheit und Schönheit einhauchte – ein Einfluss, der in seinem Verlaufe mißverstanden, später allerdings dem reinen Kunstelemente verderblich wurde, nicht desto weniger aber in seiner anfänglichen Reinheit das Vortrefflichste deutsch mittelalterlicher Kunst hervorbringen half.

Über die Geschichte des Schlosses Kirchberg (oder wie die frühere Schreibart “Killiberg”) berichtet Kolb, dass im Jahr 1288 das Besitztum von dem ehemals fürstlichen Stifte Kempten durch Kauf an das Gotteshaus Salem gekommen; wie denn auch der letzte Vorsteher dieses Klosters, der Reichsprälat Kaspar Öchsle, hier sein Leben beschloß. Das vorhandene Schloss ist teilweise aus späterer Zeit, zweistöckig und ganz im Sinne eines behaglichen Wohnsitzes angelegt und ausgeführt. Die Wirtschaftsgebäude dagegen tragen noch mittelalterlichen Charakter.

Nachdem dieser herrliche Sitz längere Zeit unbewohnt gestanden, würdigte ihn der höchstselige Großherzog Leopold, zu Anfang der 40er Jahre auf kurze Zeit seines Besuches. Einen zweiten Lichtpunkt in der Geschichte des Schlosses bildet das schon erwähnte Aufenthalt Seiner königlichen Hoheit des allverehrten Regenten im Herbst des Jahres 1853. Der Aufenthalt dauert über fünf Wochen und die meisten angehörigen Bodenseeorte hatten das Glück, von ihrem durchlautigsten Herrn und Regenten besucht zu werden.

An schöne Sonntagen ist die Wirtschaft zu Kirchberg ein besuchter Ausflugsort der Umgebung. Und wahrlich, es gibt wohl kaum ein einladenderes Plätzlein, die Muße, eines schönes Sommernachmittag so angenehm zu verbringen, als Kirchberg mit seinem Weinlauben, blumigen Wiesen und schattigen Gehölzen, angespült von den stillen Gewässern des mächtigen Bodan.

Der Volksglaube lässt in dieser Gegend zuweilen Wanderer nächtlicher Weile irre gehen; auch sollen nicht selten Pferde, welche an Fuhrwerken die Straße passieren, scheu werden. Im nämlichen Sinne fährt auch mit sechsspännigem Zuge der Geist des Prälaten Anselm von Salem (gestorben 1778) von seinem Kloster nach Kirchberg. Dieser Abt lebte mit Kardinal Bischof Roth in beständigen Territorial- und Rangstreitigkeiten, infolgedessen der Kardinal dem Abte, als er einstens sechsspännig von Salem über Meersburg nach Kirchberg fahren wollte, zwei Pferde an dem Wagen ausspannen ließ.

In geringer Entfernung östlich von Kirchberg schaut das Schloss Herschberg stattlich von einem rebenbepflanzten Hügel über den See. Es ist der Sitz der fürstlichen Familie von Salem-Krautheim und liegt auf württembergischem, vom badischen Gebiete umschlossenen Grund und Boden. Ein letzter badischer Uferort in genannter Richtung bildet das große Pfarrdorf Immenstad, erstmals unter fürstenbergischer Landeshoheit, ist ein Bestandteil des großherzoglichen Bezirksamtes Meersburg.

Während ich auf dem Wiesenpfade längs des Seeufern von Kirchberg zurückkehrte, zog von Westen her ein Gewitter, welches bald heftige Regengüsse über Land und See schickte, und den Wanderer am Bodensee kaum noch ungenäßt den Ort Hagnau und das Wirtshaus zum Adler erreichen ließ.

In der Nähe des Gasthauses befindet sich ein mächtiger Steinblock, ein Denkmal des gefrorenen Bodensee’s im Februar des Jahres 1830. – Als die Eisdecke Nachts unter furchtbarem Krachen sich hob und bohrst, wurde dieser Stein (wahrscheinlich eingefroren) mit vielen mannshohen tafelförmigen Eisschichten, aus dem See an das Ufer bei Hagnau geschleudert und später von den Einwohnern mittels vier Pferden in’s Dorf geschleift, um vor dem Adler zum ewigen Gedächtnis aufgestellt zu werden. Ähnliche Erinnerungszeichen warf der wunderliche Alte im Jahr 1573 zwischen Lindau und Wasserburg an’s Land, sowie 1659 bei Arbon unweit der Stadtmauern einen Stein, der nicht weniger als hundert und fünfzig Zentner wog.

Das gänzliche Gefrieren des Sees ist übrigens etwas so Seltenes, dass der gemeine Mann am See, vor dem Jahr dreißig, durchaus die Möglichkeit desselben bezweifelte und alle Berichte aus früheren Jahrhunderten in diesem Betreffe für eitel Lug und Fabel hielt. *)

*Auch von außerordentlich gelinden Wintern, berichten die Chronisten. “Anno 1287 war ein sehr warmer Winter, in welchem zu Konstanz die Bäume und Rosenstöcke geblühet, auch Veielin und andere Frühlings- und Sommerblumen gepflückt worden; da denn am Weihnachtsfest die jungen Mägdlin mit Blumenkränzen geschmückt zur Kirche gingen, und die Knaben im Bodensee badeten.

Von jeher wurde das Phänomen, wenn es eintraf, mit allerlei Festlichkeiten und Unternehmungen von den Umwohnern gefeiert. – Als im Jahr 1573, am 22. Januar der See hart gefror und es mehrere Wochen lang blieb, transportierte man schwere Lasten über das Eis, und sogar ein sechsspänniger Güterzug fuhr von Fußach nach Lindau. Bei Rorschach wurden Fastnachtsspiele und andere Lustbarkeiten auf dem Eis gehalten, und zwischen Lindau und Meheran hielten 200 Bürger zu Fuß und zu Pferde die übliche Aschermittwochschlacht. (Die Sage von dem Reiter, der die beschneite Eisdecke für eine Wiese gehalten und darüber geritten, ist bekannt.)

Ebenso lustig ging es auf der Eisdecke im Februar 1830 zu. Güter wurden hin und hergeschafft, und zahllose Spaziergänge von einem Uferorte zum anderen gemacht. Die Küsterzunft von Konstanz verfertigte ein großes Weinfass auf dem Eis, und die Immenstader benutzten die Bahn, um den f.g. Hennenzins auf einem Schlitten von ihrem Dorfe nach Meersburg zu verbringen.

Meister Sepp von Eppishusen aber hatte Laune genug, eine Schlittenpartie von seinem Schlosse (er wohnte damals in Eppishausen) über den See nach Immenstad zu machen. – Manche Wanderer, die sich zu weit in das nebelige Schneegebilde wagten, irrten lange umher und durften froh sein, mit heiler Haut das Land wieder zu erreichen. Doch sind keine eigentlichen Unglücksfälle bekannt geworden, mit Ausnahme eines badischen Soldaten, der von der Garnison zu Konstanz, welcher in eine Eisspalte fiel und nicht mehr zum Vorschein kam.

Ein ganz besonderer Brauch jedoch findet bei dem jedesmaligen Gefrieren des Sees zwischen den Bewohnern von Hagnau und dem schweizerischen Orte Münsterlingen statt. In feierlicher Prozession wird nämlich ein Heiligenbild von einer Pfarrei in die andere gebracht, wo es so lange verbleibt, bis der See wiederum Gelegenheit zu ähnlicher Transferierung darbietet. Dieses Bildnis befindet sich gegenwärtig in Hagnau, wohin es im Winter 1830 mit Kreuz und Fahnen in Begleitung der Schuljugend von Münsterlingen verbracht worden ist.

Mein kurzer Aufenthalt in Hagnau gab mir Gelegenheit, aus dem Munde eines alten Mannes noch von einem anderen ehemaligen Brauche des Dorfes Kenntnis zu erhalten. Es bestand nämlich hier die Gesellschaft der “Käseträger” – eine Verbrüderung von 24 ledigen Burschen, mit eigenen Sittengesetzen. Von Alters her war es üblich, dass diese Gesellschaft nach verflossenen sieben Jahre jedes Mal am Neujahrstag ein besonderes Fest beging. Mit Unter- und Obergewehr bewaffnet, unter der Führung eines Oberen, den eine Hellebarde auszeichnete, rückte man früh morgens vor den Pfarrhof und die Wohnungen des Amann und der Gemeinderäte, um hier die übliche Gratulation abzustatten. Nach dem Gottesdienste begab sich die Mannschaft nochmals zum Herrn Pfarrer, um einen Käselaib dort in Empfang zu nehmen, welcher auf einer Stange, die oben ein rundes Brett hatte, im Dorf herum vor jedes Haus getragen wurde, wo man, nach Glückwunsch und Gesang, um eine Gabe bat. Wurde die Spende gereicht, so drückte der Geber oder die Geberin die hierzu bestimmte Münze in einen Apfel, steckte diesen an eine Spindel und diese wiederum in den am Fenster empor gehaltenen Käselaib. – Später ließ man wohl noch Gaben an Fleisch, Mehl, Brot und Butter folgen, was alles zusammen bei einem großen Gastmahl, woran alle Ledigen des Ortes teilnahmen, unter Gesang und Tanz verzehrt wurde. Die Beiträge fielen meist so reichlich aus, dass auch der Armen und sämmtlicher Schuljugend auf’s Freigebigste gedacht werden konnte. 3 bis 4 Zentner Fleisch und ein Dutzend saftige Schinken war keine Seltenheit gespendet zu sehen. –

Ein zweiter “Zechttag” mit Tanz und allerlei Spielen fand an Fasnacht, ein dritter am 1. Mai u.s.w. statt. Jedes Mal durften sämtliche ledige Welt teilnehmen, mußte sich jedoch den bestehenden Gesetzen der Vierundzwanzig unterwerfen. Es war zum Beispiel Sitte, dass beim Ende der Tanzbelustigung der Obere seine Sackuhr auf den Tisch legte und die Minute bestimmte, wo die Burschen, welche Tänzerinnen nach Hause zu begleiten hatten, wieder im Saale erscheinen mußten. Versäumte einer die gegebene Zeit, so wurde er zur Buße von den nächsten Zechtagen ausgeschlossen.

Traf es sich, dass der Genosse heiratete, so “stand die ganze Mannschaft in’s Gewehr”, um unter Trommel- und Pfeifenschall dem Ausscheidenden gebührende Ehre zu erweisen. Wie das Brautpaar aus der Kirche kam, traten zwei Kameraden vor mit einem farbigen Bande, dessen Enden die Beiden, an ihre gezogenen Degen geknüpft, aus einander hielten, während der übliche Glückwunsch gesprochen, und von der Mannschaft eine feierliche Gewehrsalve gegeben wurde.

Im Jahr 1798“, schloss mein Berichterstatter, das letzte lebende Mitglied der ehemaligen Käseträgergesellschaft, “wurde das Neujahrsfest zum letzten Male von uns gehalten. – Es waren vergnügte Zeiten, lieber Herr; unter dem jetzigen Geschlecht ist nicht halb so viel Harmonie und Lustbarkeit.”

So erzählte der Alte, und es wollte mir scheinen, als liege in seiner Schlussbemerkung etwas Wahres. – Lebt die jetzige Generation, fragte ich bei mir selbst, lebt sie mit all’ ihrem Raffinements und weltbeglückenden Ideen glücklicher als die Vorältern? – Wir sollen uns in einer Übergangs- und Entwicklungsperiode befinden, hört man vielfach behaupten. – Ist aber nicht jede Zeit eine solche? Gewiß. Keine bringt jedoch, halte ich dafür, so Wunders viel Neues, dass es sich der Mühe lohnte, entbehrend lange darauf zu warten. –

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.”

Allerdings ist viel Poesie, oder was dasselbe ist, Gemüth, aus dem Volksleben geschwunden, vorzugsweise seit der Zeit, wo alles cosmopolitische Zwecke, sociale Ideen und Zukunft gepflegt werden wollte; worüber nothwendig die Freude am Herkömmlichen, das Behagen an der Gegenwart, verloren gehen mußte.

Mit solchen Raisonnements beschäftigt, wanderte ich Meersburg zu. – Das Gewitter war vorüber und die Luft herrlich erfrischt und klar. – In erneuter Pracht lag die noch eben von Regenschauer verhüllte Gegend vor mir, und die uralten Häupter der Alpen schauten in unwandelbarer Ruhe, verklärt durch Apollos scheidendes das Flammengespann, in’s glühende Abendroth.

In Meersburgs Hallen aber herrschte Freude. – Ein Teil der in Konstanz gastierenden Schauspielerbande war mit dem Dampfschiffe herüber gekommen, um auf dem Theater, welches noch aus Bischofszeiten im oberen Saale des Rathauses vorhanden ist, Vorstellungen zu geben. Auch ich ließ mich verlocken. Das Stück war ein wenig erbauliches modernes Lustspiel, dessen Name ich vergessen habe; doch ist mir noch so viel erinnerlich, dass es mich von Neuem in dem Verdacht bestärkte, als schwinde alle ächte Poesie aus dem Leben und der Kunst.

Fortsetzung:

Joseph von Laßberg

Joseph Maria Christoph Freiherr von Laßberg, (geboren 10. April 1770 in Donaueschingen; gestorben 15. März 1855 in Meersburg) nannte sich selber der Meister Sepp von Eppishusen.




Badhaus von Schloss Kirchberg

Schloss Kirchberg

1829 wurde die barocke Schlosskapelle abgetragen. Kurz nach 1850 und ab 1880 wurden die Schlossgebäude jeweils einer tief greifenden Umgestaltung unterzogen. Durch Prinz Wilhelm von Baden wurde ab 1880 der Südflügel in seiner äußeren Gestalt soweit verändert, dass die im Bau vorhandene ältere Bausubstanz nicht mehr zu erkennen war. Das Gebäude wurde um ein Geschoß erhöht und erhielt eine neue Dachkonstruktion.

Martin Schaffner (* um 1478; † nach 1546 in Ulm). Seine Unterschrift findet sich auf dem von Stocker geschaffenen Ennetacher Altar. Schaffner wechselt später zu einer anderen Ulmer Werkstatt, um schließlich in Augsburg mit Hans Holbein dem Älteren zusammenzuarbeiten. Vom Stil des letzteren ist seine eigene Arbeit ebenso beeinflusst wie durch Albrecht Dürer und Hans Burgkmair. Wikipedia

Die von Lucian Reich erwähnten Tafeln aus dem Schloss Kirchberg befinden sich heute als “Salemer Altar Tafeln” in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Vermutlich waren sie 1829 aus der Schlosskapelle in das Schloss Kirchberg, und dann 1880 nach Salem gewandert. Die heutig Beschreibung ist eine ziemlich andere als die unten eingefügte von Lucian Reich aus dem Jahr 1855.

Auf der ersten Tafel erblicken wir in einsiedlerischer Landschaft den heiligen Altvater, vertieft im Lesen eines Buches. Neben ihm die halbfertige Arbeit eines Korbes von Binsengeflecht, und im Mittelgrunde seine Klause, die er, nach der Legende, über einem verlassenen Grabe errichtet hatte. Die frommen Betrachtungen des Klausners abzulenken, hat sich ihm eine reizende Jungfrau in reichem Schmuck und prächtigem Gewande genähert, welche dem Heiligen ein Gefäße von kostbarer Arbeit, wahrscheinlich eine zweite Pandorabüchse darbietet, die der angefochtene Mann jedoch misstrauisch verwundert anzublicken scheint. Eine zweite Versuchung versinnlicht die Scene im Mittelgrunde, wo der Böse, in Gestalt eines rotgekleideten Jägers mit Hunden und einem geflügelten Schweine dem Klausner ein netzartiges Jagdgeräte vorweiset, während aus dem nahen Walde mitleidflehende trügerische Gestalten Presshafter und Bedürftiger auf die beiden zukommen. Im oberen Raum Christus in Wolken, vor dessen Erscheinung die Dämonen die Flucht ergreifen.
Die Hauptgruppe des zweiten Gemäldes zeigt den Heiligen betend, bedrängt jedoch und verwirrt von den üppigen Gestalten dreier Mädchen, deren lange rote Gewänder und zierliche Haargeflechte nur unvollkommen Bocksfuß und sprossende Hörnlein verdecken. Die eine der Schönen faßt zudringlich des frommen Vaters Kapuze, während ihre Schwestern, neben einem reich verzierten Ruhebett stehend, mit arglistigem Lächeln die Verwirrung der Heiligen betrachten. Ein Teil des Mittelgrundes rechts füllt ein prächtiges Gebäude, an dessen Treppe Antonius, umgeben von Preßhaften und den drei rot gekleideten verführerischen Weibern. Links mehr in der Ferne gerückt, schließt das Bild mit einer Szene von anmutiger Erfindung und Ausführung. An sommerlichen Tagen sehen wir den Alten in sinnender Beschaulichkeit längs eines Waldrandes dahin wandeln. – Siehe, da tritt ihm der rot gekleidete Versucher wieder in den Weg, und zeigt gegen ein klares, ruhig fließendes Waldwasser, wo drei nixenartig gestaltete Jungfrauen den schönen Leib im Bade kühlen.
Das dritte Bild stellt, im Gegensatze zu den Anfechtungen sinnlicher Begier, den Heiligen dar unter den Händen wilder Dämonen, die im Begriffe stehen, ihrem Opfer äußerliche Körperbeschädigungen beizubringen. Die eine dieser diabolischen Gestalten packt das Gewand des Alten, der in abwendender Gegenwehr nach oben blickt, wo die Lichtgestalt des Heilandes im Wolkenschimmer schwebt.
Den Schluss macht der Tod des viel Gepriesenen. – Auf einer Binsenmatte ausgestreckt findet ihn sein Mitbruder, ein benachbarter Einsiedel, während zwei Löwen, bisherige Gefährten seiner Einsamkeit, emsig bemüht sind, mit ihren Klauen ein Grab in die Erde zu scharren. Im Mittelgrunde deutet der Künstler sinnreich noch den letzten Lebensmoment des Dahingeschiedenen an. – Antonius kniet im Gebete, vor einem in tiefer Waldeinsamkeit stehenden Kruzifixe. In der Ferne wandelt sein Freund, der Waldbruder, auf steinigen Felspfade, um dem Heiligen seinen Besuch abzustatten, der ihn jedoch, wie wir gesehen haben, nicht mehr unter den Lebenden trifft. – Sämtliche Gemälde tragen das Monogramm des Künstlers und die Jahreszahl 1517.

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