Insel Mainau – Mersburg
Ich möchte hier erwähnen, dass ich das alte Buch mit der sehr eigenwilligen Schreibweise in Frakturschrift vorgelesen habe, um den gesprochenen Text von einem Programm namens f4transkript in Buchstaben umzuwandeln. Den umgewandelten Text habe ich danach bearbeitet, da viele der Wörter und Grammatik dem Programm nicht bekannt waren.
Man möge mir verzeihen: Ist mir das Deutsche vor 200 Jahren sehr fremd, so ist das oft Zitierte aus dem 18., 17. und sogar 16. Jahrhundert aus heutiger Sicht fast unverständlich. Dazu kommt die eigenwillige Rechtschreibung und eine fremde Denkweise. Da viele Worte der alten Sprache von mir gesprochen und vom Programm transkribiert wurde, sind viele Worte in moderner Schreibweise im Text. Ich habe dies meistens aus Bequemlichkeit und für den Leser so stehen lassen.
Was es in den verschiedenen Kapiteln des Buches hier gibt, ist diese vorgelesene Tonspur mit dem Transkript in schwarz.
In blau einige Fotos und Erklärungen.
Hier der das Kapitel Mersburg (ja, es steht Mersburg da! Da der Text vom Programm transkribiert wurde, ist er der neuen Schreibweise angepasst)
Mersburg
Wie in den vorigen Tagen, war auch bei meiner Abreise von Konstanz der See noch immer schäumender Bewegung. Aeolus blies ein altes Lied, die Aufforderung zum Tanz, so kräftig gegen den Hafen, dass selbst die hier liegende Dampfboote und schweren Segelschiffe in schaukelnde Bewegung gerieten. – Der „Friedrich“, der schnellste Fährmann des Bodensee’s, eröffnete trotz dem Aufruhr der Elemente den Reigen, um im Sturme die alte Meersburg zu gewinnen.
Sprühende Regenschauer verhüllten die fernen Gestade, und wie hinter einem wehenden Schleier erschien bald die seitwärts liegende, wellengeborene Königin des See’s, die liebliche Mainau. Mit ungehinderter Kraft durchschritt das Boot die wallende Flut, welcher bald groß und größer die Felswände Meersburgs und seine Bischofsschlösser erstiegen. – Welche Fortschritte, dachte ich, mögen nicht im Bereiche der Schifffahrt gemacht worden sein, seit den Tagen, wo unter König Dagobert der alte Turm dort oben zum Leuchtturm gedient, und später auf der grauen Meersburg die Gaugrafen von Nordorf saßen, um dem Namen des Kaisers die Überfahrt über den See zu schirmen.
Jene Zeiten mit ihren Sitten- und Kulturzuständen sind längst vorüber, aber ihr Bau, von einem guten Geiste beschützt und erhalten, grüßt noch heute wie vor 1000 Jahren den Ankömmling. Ein Geharnischten mit geschlossenem Visier, schaut er herab auf das alte Städtlein, und hinüber zu seinem jüngeren Nachbarn, der Bischofsresidenz im Gewande des Rokoko. – Ein Blick auf die Lage Meersburg gibt einigen Aufschluss über seine Entstehung. Offenbar entstand die untere Stadt unter dem Schutz der Burg, als Stapelplatz von Schiffern und Fischern, während der oberen jüngere Teil den Dienstmannen und Beamten der hier wohnenden Konstanzischen Bischöfe sein Emporkommen verdankt.
Wann aber die letzteren in den Besitz der alten Burg gekommen, davon geben uns die Chronisten keine ganz sichere Nachricht. Jedenfalls diente früher schon die Veste den geistlichen Herren zum Zufluchtsort, in jenem kampferfüllten Zeiten, wo die Kirchenoberen stets in ähnlichem Falle sich befanden, wie jener italienische Meister, der von Nebenbuhler bedroht, immer das gezogene Schwert neben sich an der Staffelei liegen hatte.
Ein solcher Schutz musste die Burg im Jahr 1354 ihrem Besitzer, dem Bischof von Konstanz leisten. Nach Bischof Rudolfs III Tode waren die Wahlstimmen zwiespältig, die einen auf Albrecht von Hohenberg, die anderen auf Nicolaus von Kenzingen gefallen. Der Letztere erhielt des Papstes Bestätigung; Albrechts Vater jedoch, der mächtige Graf von Hohenberg, zog das Schwert, um für seinen Sohn das Bistum, zu gewinnen. Sein Bundesgenosse war Kaiser Ludewig selbst, welcher aus Hass gegen den Papst ein zahlreiches Volk benachbarter Städte gegen Meersburg führte, wo Bischof Nikolaus mit den Seinen das alte Schloss besetzt hielt. Als der Bedrohte das Kriegswetter kommen gesehen, hatte er mehrere 100 Bergleute berufen, welche den Fels um das Schloss abschroten und durch eine tiefe Kluft von den übrigen Lande trennen mußten. Die Bischöflichen hatten kriegserfahrene Hauptleute, einen Grafen von Toggenburg, Kanonikus von Konstanz und den gedienten Feldobersten Jasso.
Während ersterer in blutigen Ausfällen die Feinde schlug, führte Jasso einen kühnen Seekrieg, nahm des Feindes Frachtschiffe weg, und machte mit seinen Pfeilschützen wilde Jagden auf die Nachen der Belagerer; die er, wie der Chronist sagt, mit Netzen fing wie Fische, und als ergrimmter Leu unter ihrer Bemannung wütete. Dieser Widerstand brachte den Feind zum Nachgeben, ohne dass der Graf von Hohenberg seinen Schwur erfüllen gesehen hätte: „nicht eher abzulassen, bis er der hl. Jungfrau Maria (Schutzpatronin des Hochstiftes) das Hemd vom Leib gezogen habe.“ – Noch bewahrt das städtische Archiv eiserne Bolzen aus dieser Fehde, die beim Abbruch eines Tores in eichenem Gebälk gefunden wurden.
Weniger glücklich war einer der nachfolgenden Bischöfe, Heinrich von Höwen. Die Bürger Mersburgs empörten sich wider ihn (1436), belagerten das Schloss und zwangen ihn zur Flucht. In die Reichsacht erklärt, mußten sie aber (1457) Stadt und Schloss ihrem Landesherrn wiederum zurückgeben.
Große Drangsale brachte auch der 30-jährige Krieg. Nach städtischen Schriften unternahmen 1647 die Schweden von der Mainau her einen Angriff auf das alte Schloss, wobei der Dachstuhl in Flammen aufging. Als drei Jahre später der Schaden ausgebessert wurde, ersuchte der Bischof seine getreuen Stadtbürger um Ehrenfuhren bei dem Bauwesen; sie wurden bereitwillig, aber mit dem Vorbehalt geleistet, dass dieser Dienst hierfür zu keiner Schuldigkeit ausgedehnt werden möge.
Auch Widerhold, der Peiniger des Volkes im Hegau und am See, suchte die Stadt vor seiner Veste Hohentwiel aus mit Erpressungen heim, wobei er mit „Schwert und Brand“ drohte.
Wie verarmt das städtische Wesen in jenen unseligen Kriegsläufen geworden, kann der Umstand dartun, dass im Jahr 1650, als die Stadt „wegen Armut und Mittellosigkeit“ ein Anlehen machte, der sämtliche Kirchenschatz einem Sohn Abraham’s in Versatz gegeben wurde.
Zu dieser Lebensnot kam bald noch eine Leibesplage, die Pest, welche so verheerend wirkte, dass kein einheimischer Priester mehr in der Stadt am Leben blieb. In diesen schrecklichen Tagen waren es die Franziskaner von Sulgau, welche täglich auf die Stätte des Todes kamen, um auf offener Straße Beichte zu hören und den Sterbenden den Trost der Religion zu bringen – ein Dienst, den die Stadt dadurch zu vergelten suchte, dass den frommen Vätern erlaubt wurde, hierfür alljährlich im Herbst in Meersburg ihr Almosen zu sammeln.
Von dem zerstörenden Wesen jener dreissigjährigen Kriegszeit überhaupt finden wir aller Orten noch schriftliche und mündliche Überlieferungen in Menge. In den Merseburger Rathsprotokollen ist unter Anderem erwähnt, wie anno 1653 im benachbarten Schwaben die Wölfe furchtbar überhand genommen und bereits 24 Kinder zerrissen hätten; weshalb auf Befehl des Erzherzogs Karl von Österreich zu Konstanz die Meersburger Büchsenschützen aufgeboten wurden zu allgemeiner Jagd auf die Bestien.
Alle diese Trübsal und Einbußen mochten jedoch bald verschmerzt sein, in einer Gemeinde wie Meersburg, die durch den fürstlichen Hofhalt der Bischöfe, durch ergiebigen Grundbesitz und lebhaften Getreidehandel über den See so vielfache Erwerbsquellen hatte. Auch gingen die nachfolgenden Zeiten ohne sonderliche Unfälle vorüber.
Im Kriegsjahr 1796 jedoch wäre der Ort durch eines jener, in neuerer Zeit berüchtigt gewordenen Mißverständnisse beinahe dem Brande und der Plünderung anheim gefallen. Die Ursache hiervon war ein französischer emigrierter Mönch, der sich einige Zeit als geistlicher Abenteurer in Meersburg und Umgebung herumtrieb. Dieser Mann kam eines Tages zum fürstlichen Präsidenten (der Hof war in Ulm auf der Flucht) und vertraute diesem, er habe erfahren, dass ein Trupp französischer Marodeurs vom Tareau’schen Corps die Stadt zu überfallen trachte. – Der erschreckte Beamte schickte nach dem Bürgermeister und Rat, und man kömmt überein, die Tore zu schließen, bis anderwärtig Hilfe käme, den eigenen Herd mit Glut und Blut zu verteidigen. Die wehrhaften Bürger schließen und besetzen also die Tore; und wirklich dauert es nicht lange, so erscheint eine starke Reiterschaar, die verwundert die Eingänge verrammelt und die Bürgerschaft in Waffen sieht. Erbittert über solche Feindseligkeit im bereits erworbenen Lande, schickt man sich an, den Eingang mit Gewalt zu erzwingen. – Indessen waren einige Bürger eiligst ins Schloss gelaufen, dem Präsidenten zu melden, dass keine Marodeurs, sondern reguläre französische Husaren vor den Toren hielten. Der gute Mann war jedoch längst über den See geflüchtet; die Bürger aber beeilten sich zu öffnen. Der Feind drohte mit Plünderung und Brand, und als man sich entschuldigte, der bischöfliche Präsident habe die Tore zu schließen befohlen, stürmten die erbitterten Soldaten in’s Schloss und ergriffen den bischöflichen Kanzler, welcher zufällig während des Handels von Ulm her in die Stadt gekommen war. Nur mit Mühe konnte der unschuldige Mann von einer Copulation mit der Seilers Tochter befreit werden. Ebenso schenkten die Republikaner, als das ganze Missverständnis aufgeklärt war, der Stadt Verzeihung, indem sie großmütig mit einer Summe Geldes sich begnügten.
Die größte Einbuße erlitt Meersburg nachmals freilich durch die Verlegung der bischöflichen Residenz. Wer die hinterlassenen großartigen Bauten und Anlagen derselben betrachtet, mag einen Schluss ziehen auf den prachtvollen Hofhalt, der hier geführt worden. Noch leben alte bischöfliche Diener in Meersburg, welche sich jener Tage mit Vorliebe erinnern.
Ihr Gedenken geht bis zu Bischof und Kardinal Fr. Konrad Roth, dem drittletzten der hier regierenden Fürstbischöfe. Er war der Sohn des österreichischen Feldzeugmeisters Baron Johann von Roth und kam im Jahr 1750 auf den bischöflichen Stuhl. Sechs Jahre später wurde er in Gegenwart des Kaisers Franz vom Papst Benedikt dem Vierten in Wien zum Kardinalpriester erhoben. Als ein Mann von großer Energie und Willenskraft hatte er nicht wenig Einfluss auf die Wahl des Papstes Evanganelli, welchem Akte er als kaiserlicher Kardinal beiwohnte.
In seinem bischöflichen Haushalte liebte Roth Pracht und zahlreiche Dienerschaft, doch verstand er auch zu sparen, was seine hinterlassenen Baarvorräthe beweisen. Die bildende Kunst hatte an ihm einen Freund, auch soll er, worauf man dazumal vieles hielt, ein guter Lateiner gewesen sein. Zudem war er ein gewaltiger Nimrod und trefflicher Schütze, der stets einen großen Wildstand unterhielt und gegen Wilddiebe unerbitterliche Strenge handhabte. Alljährlich im Herbst wurden große Hauptjagden in der Höre, um den Schienerberg abgehalten, wo Edel- und Schwarzwild in Mengen hauste. Dieser robusten Beschäftigung entsprechend war der Körperbau des Kardinals. Kaiser Joseph soll von ihm gesagt haben, dass er bei seiner ganzen Garde keinen so kolossalen starken Mann habe, wie der Kardinal Bischof Roth.
Noch erzählt man die Begegnung der beiden im Jahr 1777, als der Kaiser bei seiner Rückkehr von Paris, wo er seine Schwester Maria Antonette besucht hatte, Meersburg berührte. Der Kardinal war dem kaiserlichen Reformator, dem er als Geistlicher nicht sonderlich gewogen sein mochte, ein Stück Weges entgegengegangen, um ihn einzuladen, in dem bischöflichen Schlosse sein Absteigequartier zu nehmen. Der Kaiser bedauerte, seine Einkehr im Gasthaus zum Löwen bereits anmelden lassen zu haben; worauf Roth beleidigt erwiderte: „Nun, so behüte Gott Eure Majestät.“ – und indem er mit der Hand gegen das Gasthaus wies – „Dahinauf führt der Weg zum Goldenen Löwen“ – sich umwendet und schweigend seiner Residenz zuschritt.
Der Kardinal, welcher in seinem Leben so viele hohe Ehrenstellen begleitet hatte (er war zugleich Protektor des hohen Johanniterordens zu Malta und Abt zu Sirard in Ungarn x.), verordnete, dass bei seiner Beerdigung kein Wort in der Leichenrede zu seinem Lobe, sondern nur über die Nichtigkeit des irdischen Lebens überhaupt gesprochen werden solle.
Auf Franz Konrad Roth folgte dessen Bruder Maximilian Christoph, zum Bischof erwählt im Jahr 1775. In seiner Jugend lebhaft und heftig, zeichnete den Mann gereiften Alters, Milde und Güte gegen das Volk und die Armen aus. Unzähligen jungen Leute seines Sprengels gab er das Lehrgeld zu irgendeinem Handwerk; auch liebte er die schönen Künste, weshalb strebende Musensöhne stets erwünschte Unterstützung bei ihm fanden. Als leidenschaftlicher Musikfreund sah der Bischof darauf, dass eine Anzahl seiner Diener zugleich geübte Tonkünstler sein mußten, welche ein ständiges Quartett bildeten. Bei größeren Aufführungen kamen die Domherren von Konstanz noch hinzu. Allen wandernden Spielleuten, Bergknappen, Harfnern und Sängern von Nah und Fern war der Zutritt in’s bischöfliche Schloss gestattet.
Auch die Wissenschaften fanden an diesem Hof ihre Pflege. Das Naturalienkabinet, welches unter Maximilian in Meersburg angelegt wurde, war seiner Zeit eines der bedeutendsten in Deutschland; so dass diese Sammlung noch heute einen wesentlichen Bestandteil des Großherzoglichen Naturalienkabinetts in Karlsruhe ausmacht.
Noch hatte sich damals manches von altershergekommenen Volksfesten und öffentlichen Spielen erhalten, den gegebenen Verhältnissen und Zuständen entsprossen. Wie überhaupt an den früheren geistlichen Höfen in vielen Dingen löbliche Toleranz herrschte, so ward auch der Fastnacht, welche von jeher im Oberland heimisch, in der bischöflichen Hofburg gerne Raum gestattet. Von 4 bis 5 Stunden Weges strömten die Umwohner herbei, um die Aufführungen zu sehen, welche während jener Tage in dem, mit frischem Sand überstreuten, Schloßhofe stattfanden. Da sah man den uralten Schwerdtertanz, von jungen Burschen mit der blanken Waffe in der Hand ausgeführt; das Reiffspringen, das Ringelrennen – eine Übung zu Pferd, von welcher städtische Schriften um’s Jahr 1597 schon Erwähnung tun, und anderes mehr. – Nachmittags belebte dann allgemeines Narrenlaufen die Gassen des Stadtleins, wobei der ganzen hoch ansehnlichen Narrenzunft der Zutritt ins fürstliche Tafelzimmer gestattet war.
Herrschte während dieser Lusttage auch Freiheit und buntes Leben, so war nichtsdestoweniger dafür gesorgt, dass gewisse Schranken nicht ungestraft überschritten werden durften. So zum Beispiel war es nur Erwachsenen erlaubt, sich zu maskieren. Ließ sich ein naseweiser Bube verleiten, es den Alten gleichtun zu wollen, so ward er ergriffen und zur Abkühlung des allzu hitzigen Gemüts in den Brunnen getaucht. –
Eine Gelegenheit für das Landvolk, sich hervorzutun, gab das Pfingstfest, wo die Bauernburschen den üblichen Pfingstritt in der Stadt abhielten – ein Überrest der altdeutschen Maienfeier. – In wohlgeordnetem Zug, voran die Maienführer mit grünen Tannenbäumlein in der Hand, ritten sie ein, wo nach den herkömmlichen Sprüchen der in Rinde gehüllte „Pfingstputz“ (ursprünglich den Winter vorstellend) in ein fließendes Wasser geworfen wurde; die ganze Bande aber, vom fürstlichen Hofe und den Bürgern reichlich mit Gaben bedacht, den Tag im Wirtshause bei Schmaus und Tanze beschloss.
Das mögen dann freilich für die kleine Stadt Meersburg angenehme, der Erinnerung werthe der Zeiten gewesen sein, umso mehr, da sie dem Orte nicht wenig Wohlstand brachten, indem die Anwesenheit des Hofes stets zahlreichen Besuch von Hoch und Nieder in die Stadt zog.
Maximilian Christoph schied aus dieser Zeitlichkeit in dreu und achzigjährigem Alter (1800), nachdem er längere Zeit kränklich gewesen war. Er war der Letzte des freiherrlichen Geschlechts von Roth. – Sein sämtliches Mobiliar fiel dem Verkauf anheim. Und also reichlich war die Hinterlassenschaft, dass die Versteigerung im Ganzen über ein Vierteljahr dauerte und so viele Kinder Israels herbeigelockt hatte, dass ein eigener Schächter in Meersburg genug zu tun hatte, dem auserwählten Volke den Fleischbedarf zu liefern.
Bischof Max war von großer Gestalt aber hager, von einnehmender, Wohlwollen aussprechender Gesichtsbildung. Sein Bildnis ist noch in mancher Stube des ehemaligen Sprengels anzutreffen; so wie ich mich auch eines Festkalenders von riesenhaften Formate erinnere, welcher sein Bildnis trägt. Kalender und Porträt, kaum handgroß, sind umgeben von allegorischen Darstellungen, und es mißt der aus mehreren Platten bestehende Kupferstich im Ganzen nicht weniger als fünf Fuß in der Höhe und zweieinhalb Fuß in der Breite.
Mit dem Tode dieses Fürstbischofs schließt die alte Zeit, in dem sein Nachfolger, der edle Karl Theodor von Dalberg, an Bildung und Geistesrichtung schon ganz dem neu gestalteten 19. Jahrhundert angehört. Seit dem Jahr 1788 Coadjutor am Bistum Konstanz, kam er nach Roth’s Hintritt auf den bischöflichen Stuhl, von wo ihn, wie bekannt, das Schicksal nach zwei Jahren abberief, um ihm den erledigten Sitz eines Kurfürsten von Mainz und Erzkanzler des Reiches einzuräumen. Sein kaum zweijähriges bischöfliches Regiment bezeichnen viele vortreffliche Einrichtungen und Stiftungen; sein späteres Leben und Wirken, die Erhebung zum Fürstprimas von Deutschland und Frankfurt u.s.w., hat jedoch mehr weltgeschichtliches als specielles Interesse, und darf daher bei unserer Schilderung nur noch erwähnt werden, dass Dalberg, der 90. Bischof, den würdigen Schluss einer mehr als zwölfhundertjährigen Reihenfolge von Inhabern des bischöflichen Stuhles zu Konstanz machte.
Ein Boden, ein Bauwerk, woran bedeutende historische Erinnerungen haften, übt auf gegenwärtige stets eine anziehende Macht aus. Ein der Trauer verwandtes Gefühl möchte uns beschleichen beim Hinblick auf die schattenhafte Flüchtigkeit alles Irdischen, dessen sichtbare Spuren wir dann mit desto größerem Interesse betrachten.
In solcher Stimmung betrat auch ich den Hof und die Anlagen der herrlichen, aber verlassenen Bischofswohnung, dem alten Schlosse gegenüber. – Ich stand auf der steinernen Terrasse, tief unter mir der See, über den ein heftiger Südwest daher brauste und langsam majestätisch die Wellen, gleich Sturmkolonnen, gegen den Hafen und das Gestade wälzte. Wie unwillig schreiend über die Störung, flatterten vom Winde aufgescheucht die Dohlen um die Dächer der alten Meersburg, welche im gebrochenen Lichte des trüben Tages finster zu meiner Rechten lag. – Die Dämmerung war allmählich hereingebrochen, und an einzelnen Fenstern jener mittelalterlichen Burg bewegten sich Lichter hin und her. Das neuere Schloss dagegen, in meiner unmittelbaren Nähe, stand ohne Zeichen innewohnenden Lebens; seit dem Wegzuge Karls von Dalberg ward es nicht mehr bewohnt.
Mit welchem Interesse, kam mir in den Sinn, mag nicht Bischof Anton von Sickingen aus dem alten Schlosse wegziehend, diesen Bau für ewige Zeiten geschaffen und herrlich für sich und seine Nachfolger eingerichtet haben. – Und jetzt, nach kaum 100 Jahren, steht er leer, ungewiss, ob je einmal wieder ein Besitzer sich darin häuslich niederlassen wird. – Ein glücklicheres Loos dagegen war seinem Nachbar, dem alten Schlosse, beschieden.
Nachdem es unter den Bischöfen nach Anton von Sickingen zu Kanzlei und Beamtenwohnung gedient, später aber, nach dem Anfalle an das Haus Baden und dem Wegzuge des Bischofssitz nach Freiburg, dem Hofgerichte seine Räume geliehen, erkaufte es nach längerer Verwaisung der edle Freiherr von Laßberg, um den alten Bau zum gastlichen Familiensitze und zum Horte herrlicher Sammlungen zu machen.
Doch auch dieser treffliche Mann ist seitdem heimgegangen. – Kurze Zeit vor meinem Hiersein ward er zur Erde bestattet auf dem Kirchhofe der Stadt, neben der Ruhestätte seiner Schwägerin, der zartsinnigen Dichterin Annette Droste von Hülshoff.
Der Abend, rau und unfreundlich, war unter meinen Betrachtungen weit vorgerückt, und ließ mich auf den Rückzug und ein Nachtquartier bedacht sein, welch letzteres ich in den Wirtshause fand, wo acht Jahrzehnte zuvor Kaiser Joseph, zum großen Verdruss des Kardinals Roth, ebenfalls seine Einkehr genommen.
Im Wetter war eine erwünschte Änderung eingetreten. Der Sturm hatte über Nacht das Gewölk vertrieben und den Himmel aufgeklärt. Ein sonniger Morgen folgte dem düsteren Ungestüme des vorigen Tages – und mit den Wolken war auch meine gestrige zur Beschaulichkeit geneigte Stimmung verschwunden. Die warme, frohe Gegenwart machte unbedingt ihr souveränes Recht geltend, und ich eilte, im Lichte des goldenen Morgens, die Gemächer des neuen Schlosses mit ihrer herrlichen Fernsicht in Augenschein zu nehmen.
Die Lage dieses Baues auf einer ansteigenden Terrasse ist wahrhaft imposant. Früher standen hier bürgerliche Gebäulichkeiten, die in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts abbrannten, worauf Bischof Anton das jetzige Schloss (1750) im opulenten Stile ausführen ließ, durch den komturischen Baudirector Bagnato, welcher nebst dem Schlosse Mainau auch das Kornhaus in Rorschach erbaute. Die innere Decorierung trägt vollkommen das Gepräge ihrer Entstehungszeit. – Griechenthum und Klassicität in Puder und Reifrock. – In Statuen und Gemälden, an der Treppe und den Plafonds sehen wir den ganzen Olymp versammelt, um den geistlichen Hausherrn galante Huldigungen darzubringen. Die Zimmerreihe im zweiten Geschosse ist wahrhaft fürstlich und äußerst geschmackvoll: das Getäfel von Eichenholz mit Gold, und an den Wänden große, aus dem alten Schlosse stammende Gobbelins mit Jagden und idyllischen Vorstellungen im Stile der Schule des Julius Romano. –
Und die Aussicht aus den Fenstern – in zauberischer Klarheit und Ruhe lag die noch vor kurzem unendlich aufgeregte Fläche vor meinem Blick – ein Gemälde, hingehaucht mit den zarten Luft- und Wasserfarben: vom westlichen Endpunkte, wo noch deutlich die hochgetürmte Kathedrale von Konstanz ragt, bis zu den dunklen Tannenwäldern um Bregenz; dazwischen in sanft ansteigenden Linien die Vorlande der Schweiz und ihre schneeigen Berghäupter, vom mächtigen Säntis und den Kurfürsten bis zu den blauen Hochwarten Tirols.
Dieselbe prachtvolle Aussicht haben das ehemalige bischöfliche Seminarum ad St. Carolum Boromaeum (in neuerer Zeit der Sitz eines katholischen Schullehrerseminars), die Wohnungen der großherzoglichen Beamten und anderer Teile der vielgebäudigen Hofburg.
Die großartigen Treibhäuser, welche zu Bischofszeiten den Hofgarten zierten, haben zu einem artigen Sprüchworte Veranlassung gegeben. Beim Sonnenschein nämlich strahlen die schräg liegenden Fensterflächen der Treibhäuser in so gewaltigem Glanze, dass ihr Leuchten bis weit ins Appenzeller Land hinein wahrgenommen wurde, daher dort das Sprichwort aufkam „es glänzt – wie Meersburg„.
Ein vorteilhaften Begriff von behäbigen städtischem Wesen gibt das alte Rathaus mit seinem hellen, geräumigen Saal. Obwohl Meersburg nie eine eigentlich freie Reichsstadt gewesen, so gewährte seine alte Verfassung doch große Rechte und Selbstständigkeit. Die städtische Gerichtsbarkeit reichte eine halbe Stunde außerhalb der Stadt, wo dann das heilenbergische Gebiet seinen Anfang nahm. Dem Stadtrat stand das Blut- und Malefizgericht zu, bei welchem der Regierende Bürgermeister als Reichsvogt oder Stabhalter prädierte, zu Handen das entblößte Schwert. – Außerdem bestand in Meersburg die „ehrbare Gesellschaft der Hundertundeinser.“
Diese unabhängige Korporation, welche ihre Stiftung und reichliche materielle Begabung einem Caspar Müller, in der Mitte des 16. Jahrhunderts, verdankt, hatte den Zweck, in schwierigen Fällen, bei Not und Teuerung, Krieg oder andern städtischen Angelegenheiten, bei gegenseitigen Streitigkeiten und Zerwürfnissen x. beratend und vermittelnd einzuschreiten, so wie das brüderliche Zusammenhalten der ganzen Bürgerschaft überhaupt zu hegen und zu pflegen. – Die Gesellschaft war im Besitz eines eigenen Beratungs- und Gelagehauses (das jetzige Gasthaus Zum Bären). Ihre oberste Leitung lag in der Hand eines Oberpflegers, dem einem Unterpfleger zur Seite stund, welcher das Gesellschaftsvermögen verwaltete, während ein Ober- und Unterordner die Gesellschaftsbestimmungen und die Ordnung bei Festen und Gelagen handhabten. Die ganze Verbrüderung zerfiel, hundert und ein Mitglied zählend, wiederum unter sich in Meister und Gesellen. Von dem ersprießlichen Wirken dieser Verbindung nur ein Beispiel.
Von alters her hatten die benachbarten Thurgauer (in commerzieller Beziehung stets verbunden mit der schwäbischen Bevölkerung) das Recht, in der Meersburger „Gred“ oder dem Kaufhause ihren Bedarf an Früchten vor den Einheimischen einzukaufen.
Als nun in den letztverflossenen 70er Jahren, in Folge mehrerer Mißjahre, große Teuerung, ja beinahe Hungersnot eingetreten, machten die Schweizer also ausgedehnten Gebrauch von ihrem Vorrechte, dass die zurückgesetzten Bürger Einsprache erhoben, welche bald in großen Tumult überging und damit endete, dass die zudringlichen Nachbarn mit Gewalt aus dem Kaufhaus verjagt wurden. Fürst Bischof Kardinal Roth, sehr aufgebracht über diesen Vorfall, und ohnehin nicht der Mann vieler Umschweife, ließ die schuldigen Bürger ergreifen und ohne weiteres in’s Gefängnis werfen. – Die Stadtverordneten hatten nicht den Mut, dem Landesherrn entgegenzutreten; da ließ der Oberpfleger die Hundertundeiser Gesellschaft zusammenrufen, und es ward beschlossen, in der Angelegenheit ein freimüthiges Wort zu sprechen. – Die Abgeordneten begaben sich in das Schloss, wo der Bischof in großer Aufregung sie fragte, in wessen Namen und Auftrag sie kämen? „Im Namen und Rechte der ehrbaren Gesellschaft der Hundertundeiser„, lautete die Antwort. – Der Bischof mäßigte sich; die Sache wurde untersucht, und auf Grund der einsichtsvollen Auseinandersetzung der Gesellschaftsvorstände das Gesetz, welches die Schweizer beim Einkauf bevorrechtigte, für immer aufgehoben.
In neuerer Zeit besteht die Gesellschaft eigentlich nur noch dem Namen nach. Wenigstens wurden keine Beispiele ihrer Tätigkeit zu meiner Kenntnis gebracht, ausgenommen ein festliches Bankett, welches die Mitglieder jährlich in der alten Gelagestube zum Bären abzuhalten pflegen.
Von den Thoren, die Meersburg hatte, hieß einst Das Zwingtohr; der Bischof allein soll das Recht gehabt haben, durch dasselbe aus- und einzugehen. Seit Jahrhunderten aber war es zugemauert. Folgendes Begebniß soll die Schließung veranlasst haben. Ein fremder Cavalier, so berichtet die Sage, kam eines Tages gen Meersburg und wollte durch das Zwingtohr einreiten. Ein Bürger vertrat ihm den Weg mit dem Bedeuten, hier dürfe nur der Bischof durchpassieren. Der Fremde, beleidigt durch die Zurechtweisung, zieht das Schwert, der Bürger greift ebenfalls zur Wehr, und es entspinnt sich ein Kampf, in dem der Bürger getötet wird. Hierauf erhob sich ein Tumult in der Stadt; die herbeigelaufenen Bürger wollten ihren Genossen rächen, griffen zu den Waffen und verfolgten den Frevler. Dieser aber flüchtete in’s alte Schloss, wo er sich unter dem Schutz des Bischofs stellte. Vergeblich forderten die Bürger seine Auslieferung; der Bischof wollte das heilig gehaltene Gastrecht nicht verletzen. Es kam zu einer förmlichen Berennung des Schlosses und der Bischof mußte flüchten. – Die Bürger aber mauerten das Zwingtohr für ewige Zeiten zu.
Diese Sage scheint ihren Grund zu haben in den Streitigkeiten zwischen den Bischöfen und der Stadt (in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts), wo Mißverständnisse und Tumulte wegen Schließung det Tore, Verwahrung der Schlüssel, Ein- und Auslass bischöflicher Diener vorkamen, und die herrschsüchtigen Vögte der Bischöfe wiederholt zu Klagen und bewaffneten Widersetzlichkeiten von Seiten der Bürger Veranlassung gaben – worüber die Stadt einmal in die Acht geriet.
Mit einem Teil der Mauern und Tore fiel auch die alte Pfarrkirche und eine daneben stehende Kapelle dem Abbruch anheim. In letzterer befand sich altdeutsche Gemälde, die in jenen Zeiten, wo man das Gute nicht zu schätzen wußte, abhanden gekommen, und, wie versichert wird, nach Berlin in eine dortige Sammlung gewandert sind.
Ein schöner altdeutscher Altar befindet sich in der Nikolaus-Kapelle (alte Hofkapelle) der unteren Stadt, wo die Fischerzunft alljährlich einen Gottesdienst, zu Ehren ihres Schutzpatron, des heiligen Johannes von Nepomuk, abzuhalten pflegt.
Wenn der Besucher Meersburgs alle noch vorhandenen Zeugen der Vergangenheit zur Genüge betrachtet und in den Berggassen sich müde gelaufen hat, so mag er, der genussreicheren Gegenwart sich zuwendend, seine Schritte nach dem Gasthaus zum Schiffe lenken, wo das Zimmer auf den See hinaus einen herrlichen Blick über die weit ausgedehnte Wasserfläche darbietet. Sollte ihn aber an heißen Tagen etwa die Lust an wandeln, in der verlockenden Flut selbst erquickende Kühlung zu suchen, so ist ihm auch diesem Bedürfnisse Rechnung getragen, in einer erst neuerer Zeit errichteten Badeanstalt, welche ihr Entstehen zunächst der anregenden Tätigkeit des Herrn Amtmanns Speer in Meersburg verdankt.
Mir war vor meiner Abreise noch gegönnt, einen Teil der Laßberg’schen Sammlung zu sehen, welche, wahrscheinlich nur noch kurze Zeit, in den Gemächern der alten Dagobertsburg aufbewahrt sind. Durch die edle Gastfreundschaft der verwitweten Freifrau selbst wurden mir die Zimmer geöffnet, deren Wände eine Sammlung von Gemälden älterer Meister schmückt. Es war mir dies umso interessanter, da ich wusste, dass diese Kunstwerke in Bälde in meine Heimat wandern, das heißt in den Besitz Seiner Durchlaucht des Fürsten von Fürstenberg übergehen und einen ergänzenden Bestandteil der Sammlungen im Schlosse zu Hüfingen bilden würden.
Freiherr Joseph von Laßberg wurde geboren in Donaueschingen 1770. Seine Jugend fiel in eine Zeit, wo an dem kleinen fürstenbergischen Hofe alles Schöne und Veredelnde Pflege und Gunst fand. Die Anregungen, welche seine Kindheit von daher empfangen, mögen dem Jüngling und Mann wohl durch’s ganze Leben begleitet und seiner Neigung zu Literatur und bildender Kunst den Grund gelegt haben. Das Gymnasium zu Donaueschingen gab Gelegenheit zu ersten Studien, die in Straßburg und Freiburg fortgesetzt und vervollständigt wurden. Forstwissenschaft war das Fach, welchem, nach dem Beispiele des Vaters, der eines der ersten Hof-Forstämter in Donaueschingen begleitete, der Jüngling sich widmete. Bereits zu Anfang der 90er Jahre erhielt der junge Mann eine selbständige Stellung in dem Amte eines fürstlichen Oberforstmeisters zu Heiligenberg, und im Jahr 1804 wurde er zum Landesoberstforstmeister des Fürstenhauses ernannt.
Es waren die Zeiten, deren Stürmen das deutsche Reich erlag und mit dessen Auflösung Vieles im politischen Haushalte der Nation sich änderte. Die reichsfürstliche fürstenbergische Linie war mit Karl Joachim zu Grabe gegangen und das nunmehr standesherrliche Fürstentum dem erlauchten Sprössling böhmischer Linie Carl Egon zugefallen, während dessen Minderjährigkeit die Fürstin-Mutter Elisabeth, die vormundschaftliche Regierung führte. Laßberg war zum Geheimen Rat nach dem, Tode seines Vaters zum Oberjägermeister ernannt. Mit dem Aufhören der vormundschaftlichen Regierung suchte er jedoch Entlassung aus dem Dienstgeschäften, und widmete sich, in der Umgebung der hohen, durch die seltensten Herzens- und Geistesgaben ausgezeichneten Fürstin Elisabeth, ganz den Musen. Sein Mannesalter war in die Epoche gefallen, wo gleichzeitig mit dem Aufschwunge der neuen Literatur auch den Schätzen der früheren Zeit geschärfte Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Dies konnte jedoch nicht hindern, dass bei den in bewegten Zeiten vor sich gehenden Klosteraufhebung manches Wertvolle der Kunst und Wissenschaft verschleudert, verloren oder ganz vernichtet wurde. Freiherr von Laßberg, im Besitze gründlicher Kenntnisse und auch der nötigen materiellen Mittel, hatte sich’s schon früher zur eigentlichen Lebensaufgabe gemacht, Zerstreutes zu sammeln, Verlorenes aufzusuchen, und was sich in profanen Händen befand, an sich zu bringen. So entstand nach und nach eine herrliche Sammlung von seltener Handschriften, Incunabeln und alten Malereien, wie nicht leicht ein Privatmann eine ähnliche aufzuweisen haben mochte. Der Besitzer aber war keiner jener grillenhaften Liebhaber oder pedantischen Gelehrten, welche ihre Schätze misstrauisch verschließen und möglichst unzugänglich machen; das Erworbene sollte wieder dem Leben, der Kunst und Wissenschaft zurückfließen, weshalb er um altdeutsche Literatur und Geschichte so hochverdiente Herausgeber des „Liedersaales“ sein Bestes uneigennützig seinen Freunden zu Lust und Lieb an’s Licht stellte. In Verbindung und Freundschaftsverhältnissen mit vielen Gleichgesinnten und Ähnlichstrebenden sah der gastfreie Burgherr beständig werthe Besuche von Nah und Fern bei sich. Seine geistige wie körperlich ausdauernde Gesundheit ließ den trefflichen Mann all diese glücklichen Lebensverhältnisse bis in’s höchste Alter ungeschmälert genießen. Er starb im 85. Lebensjahr, wenige Monate nach dem vielbetrauerten Hingange seines hochherzigen Fürsten und Herren, Carl Egon von Fürstenberg.
Zahlreichen Freunden aber ist die schöne Erinnerung geblieben an einen genussreichen geistigen Verkehr und manche heitere Stunden im edlen Familienkreise auf der alten Meersburg. „Da finden Sie eben mich“, schrieb von Laßberg nach dem Tode seines Sohnes, seinem Vertrauten Freunde, geistlichen Rat und Professor Fr. Carl Grieshaber in Rastatt,
da finden Sie mich mit liebem Weib und Kindern, mit weißem, schneeweißem Haupte zwar, aber mit immer grünem, warmem und fröhlichem Herzen, der von sich sagen kann:
Ach ja, fuimus Troes! Und jetzt stehe ich da, wie ein alter Baum, dem der Blitz die Krone abgeschlagen hat; denn meine Krone und mein Stolz war dieser Sohn, den mir der Himmel diesem Sommer entführt hat. (*Friedrich von Laßberg, Sohn erster Ehe, war fürstlich sigmaringscher Regierungspräsident; er starb im Jahre 1838)
In eine bessere Welt, so pflegt man zu sagen; aber auch diese wäre ihm vielleicht für viele Jahre noch gut genug gewesen, denn sie konnte ihn wohl brauchen.
Ehe wir von Meersburg schreiben, sei ein anderen verdienten Mannes gedacht. Es ist der vaterländische Geschichtsforscher und Schriftsteller Johannes Baptist Kolb, geboren in Meersburg, 1774, wo sein Vater die Stelle eines fürstbischöflichen Archivars bekleidete. Das Wenige, was ich von den Lebensumständen dieses Mannes noch erhalten, gibt Dr. Josef Bader in seinem neuesten Werke: „Meine Fahrten und Wanderungen im Heimatlande“ .
Das Lexicon über das Großherzogtum Baden von Kolb ist ein rühmliches Zeugnis unermüdlichen Fleißes und uneigennütziger Liebe zum Heimischen, die ihren bescheidenen Lohn meistens allein nur in den Bewusstsein findet, der Allgemeinheit einen Dienst geleistet zu haben.
Indem ich noch des Grabmals gedenke, welches die naturforschende Gesellschaft in Berlin dem in Meersburg verstorbenen Magnetiseur Dr. Mesmer, in Gestalt einer abgestumpften Pyramide auf dem Gottesacker errichten ließ, kommt mir der Vorschlag von Göthe in den Sinn, Bildnisse verdienter Mitbürger, ausgezeichneter Künstler und Gelehrter, sowie von Großen, welche den Ort durch Wohlthaten oder persönliche Gegenwart ausgezeichnet x. malen oder modellieren zu lassen und nebst dem Porträte der Landesherren in den Rathssäälen für bleibend aufzustellen. Demnach würde Meersburg das Bild von Laßberg’s, Kolb’s, nebst dem bereits vorhandenen Porträt des Bischofs Max von Roth in seiner Rathsstube der Mit- und Nachwelt aufzubewahren haben.
Möchte doch in allen Städten des Landes in diesem Sinne etwas geschehen; der Nutzen (wenn ein solcher auch nicht in der Gemeinderechnung mit Zahlen ausgedrückt werden kann) wäre kein geringer. Denn das Andenken merkwürdiger Männer regt von Zeit zu Zeit den Geist zur Betrachtungen auf, stärkt das nationale Gefühl und ermutigt auf vorgewießener Bahn Ähnliches zu erstreben.
Fortsetzung hier
Die Freiherren von Rodt schrieben sich bei Lucian Reich Roth.
links: von Joseph Ignaz Appiani, um 1760 das Porträt Franz Konrad von Rodt, Deckengemälde im Neuen Schloss Meersburg. Franz Konrad Kasimir Ignaz von Rodt (* 17. März 1706 in Meersburg; † 16. Oktober 1775 ebenda) war Kardinal der Römischen Kirche, Reichsfreiherr und von 1750 bis 1775 Fürstbischof von Konstanz. Wikipedia
rechts: Maximilian Christoph von Rodt, Porträt von Stephan Bildstein (ca. 1775/1780) im Neuen Schloss Meersburg. Maximilian Augustinus Christoph von Rodt (* 10. Dezember 1717 in Kehl; † 17. Januar 1800 in Meersburg) war Fürstbischof von Konstanz. Wikipedia
Den Pfingstbutz und den Pfingstritt scheint es nur noch in Wurmlingen zu geben.
Die Liste der Bischöfe von Konstanz gibt es bei Wikipedia. Lucian Reich nennt Bischof Maximilian Christoph von Rodt, „Bischof Max„. Laut der Liste ist Karl Theodor von Dahlberg nicht der 90. sondern der 99. Bischof.
Joseph von Laßberg
Joseph Maria Christoph Freiherr von Laßberg, (geboren 10. April 1770 in Donaueschingen; gestorben 15. März 1855 in Meersburg) nannte sich selber der Meister Sepp von Eppishusen. Er war Gründer des Baarvereins und auch leidenschaftlicher Sammler. Über ihn gibt es sehr viele Geschichten und auch Kontroversen wegen seines Nachlasses.
Lucian Reich hatte Glück die Sammlung von Laßberg noch in Meersburg bewundern zu können. 1855 kam die Sammlung, aber meines Wissens nicht in das Hüfinger Schloss, sondern in die FF-Sammlung nach Donaueschingen. Die umfangreiche Büchersammlung von Joseph Maria Christoph Freiherrn von Laßberg kam in die Bibliothek des Baarvereins die damals mit der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek zusammen war. Ab Oktober 1999 wurden der Nachlass nachts über die Schweiz aus Donaueschingen verbracht und in verschiedenen Auktionshäusern versteigert.
Mehr dazu gibt es in den Schriften der Baar Band 48 aus dem Jahr 2005:
https://www.baarverein.de/band-48-jahrgang-2005/
Das Museumsgebäude am Karlsplatz in Donaueschingen wurde im Jahre 1865 von Fürst Karl Egon III. in Auftrag gegeben. Sein Architekt, Theodor Dibold, baute eine leerstehende ehemalige Zehntscheune am heutigen Karlsplatz für seine naturkundlichen, historischen und kunstgeschichtlichen Sammlungen um. Vermutlich stand dies in Zusammenhang mit dem Nachlaß von Laßberg.
Die F. F. Hofbibliothek Donaueschingen des Hauses Fürstenberg verfügte zusammen mit dem Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, (dessen Gründer u.a. Freiherr von Laßberg war) über bedeutende Bestände aus den Gebieten Recht, Theologie, Geologie, Regional- und Familiengeschichte und 7000 seltene Musikalien (darunter Mozarthandschriften). Dazu gehörten auch die ca. 11.000 Bände umfassende Sammlung des Gelehrten Joseph Maria Christoph Freiherrn von Laßberg. Seit Oktober 1999 wurden die Druckwerke der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen – etwa 130.000 Bände – über die Schweiz verbracht und in verschiedenen Auktionshäusern versteigert oder anderweitig auf dem Antiquariatsmarkt angeboten.
Fuimus Troes ist ein Jasper Fisher zugeschriebenes Versdrama über Julius Cäsars Einmarsch in Britannien im Jahr 55 v. Chr. Es wurde 1633 in Quarto in London veröffentlicht. Das Drama ist in Blankversen geschrieben, die mit Lyrik durchsetzt sind; Druiden, Dichter und ein Harfner werden eingeführt, und es endet mit einer Maske und einem Chor. (https://en.wikipedia.org/wiki/Fuimus_Troes)
Franz Anton Mesmer
Der große Magnetiseur
in Publikationen manchmal auch Friedrich Anton Mesmer – (* 23. Mai 1734 in Iznang; † 5. März 1815 in Meersburg) war zunächst Arzt in Wien, führte dann „magnetische“ Kuren durch und begründete den animalischen Magnetismus, auch Mesmerismus genannt. Wikipedia