Die heilige Taufe – Einkehr und Taufschmaus

Die heilige Taufe – Einkehr und Taufschmaus

1. Februar 2024 1 Von Hannah Miriam Jaag

Hieronymus Kapitel 1

Die Szene spielt in den 1770er Jahren und wurde etwa 70 Jahre später von Lucian Reich geschrieben.

“geb dir Gott e glücklich Jahr und freudige Sinne!”
>Johann Peter Hebel

Die heilige Taufe – Einkehr und Taufschmaus

An einem jener lieblichen Tage, wo nach langem Winter der junge Frühling wieder neue Liebe, neue Lebensfreude über die Erde ergießt, wurde im einsamen Schwarzwäldertal ein Kind zur Taufe getragen. Es war noch vor dem französischen Revolutionskriege, einer Zeit, wo tiefe Ruhe und ungestörter Friede im deutschen Reiche herrschten.

Aus einem großen, einzeln stehenden Wälderhause traten die Gevattersleute mit ihrem Patenkinde. Es war der Laubhauser Hof, dessen Besitzer durch die Geburt eines Töchterleins beglückt worden war.

Die Gevattersleute aber waren der Felsenwirt, damals Stabhalter der kleinen aber weitläufigen Talgemeinde, und die Kaiserzollerin, eine Schwester der Wöchnerin. Beide, versteht sich von selbst, glänzten in ihrem ehrbarsten festtäglichen Staate; er mit dem breiten Hut und der hinten überhängenden Hutbinde, dem blauen, weiß abgenähten Tuchrock, worunter das rote „Wollhemd” an der Brust über dem scharlachroten Leible und dem grünen Hosenträger wie vorne an den Handgelenken noch ein wenig hervorschaute und mit dem Überrock die gelbledernen Beinkleider um eine gutes Teil bedeckte; sie in der gefältelten „Jüppe” mit roter und grüner „B’lege” und den enganliegenden schwarztuchenen „Ärmeln”, welche knapp genug waren, um noch einen Teil des reich eingebändelten „Latzes” sehen zu lassen, während das rote, den Hals umschließende „Goller” von dem flatternden Mailänder Halstuch halb und halb bedeckt war. Das junge, noch hübsche Weib hatte den gelben Strohhut auf, während die alte Barbara, die nachfolgende Hebamme, noch die altertümliche Pelzkappe trug.

Dame mit Strohhut im Kelnhofmuseum in Bräunlingen.

Als sie gegen das Kirchlein hinkamen, krachten drei Schüsse bald nacheinander aus dem Dachfenster der nahen Mühle, daß es lange in den Bergen widerhallte. Es war der alte Stoffel, welcher sich unter dem Dache der Mühle postiert und seine stark geladene Radschloßbüchse dreimal in die Luft abgefeuert hatte – zu Ehren des Kindes und der Gevattersleute.

Aber auch hinter dem Hag am engen Wege, welcher die Anhöhe hinauf zum Kirchlein führte, harrten schon seit einer Viertelstunde zwei kleine Buben mit Ungeduld auf den Taufzug. Der eine war Dionys, der Sohn des Gevatters Stabhalter, der andere, etwas jüngere, Hieronymus, der Sohn eines Dienstmannes vom Laubhauser Hofgut.

Als der stattliche Gevatter mit seiner Gevatterin herangekommen, sprangen die beiden Wegelagerer rasch hervor und spannten nach altem Brauch ein Band quer über den Weg, dem Taufzug den Paß verlegend. Der Stabhalter lächelte und zog den Geldbeutel, um sich mit einem Stücklein Münze loszukaufen; denn wo Geld vorangeht, stehen alle Wege offen, sagt das Sprichwort. Die beiden Junker vom Stegreif ließen den Paß nur fast und entfernten sich jubelnd über den erhaltenen Lösepfennig. Oben aber, bei dem Kirchlein, warten einzelne Kinder und Erwachsene begierig auf das kleine Taufgeleite, um einer kirchlichen Handlung beizuwohnen, welche für sie immer eine Sehenswürdigkeit bildete.

Die Frühlingssonne beschien mit ihren frischen wärmenden Strahlen den sommerig gelegenen Hügel, auf welchem das Kirchlein mit seinem kleinen Gottesacker still und friedlich ruhte, und in den hohen Linden, die es umgaben, zwitscherten die Vögel lustig in den freundlichen Tag hinein.

Das Kind erhielt in der heiligen Taufe den Namen Florentina, wie die Mutter hieß; denn so wünschten es Eltern und Verwandte, weil man nach altem Glauben dafürhielt, daß Kindern, welche den Namen der Mutter trügen, ein langes Leben beschieden sei.

Nach der Taufhandlung, welche der alte Pfarrer mit gebührender Würde verrichtet hatte, knieten die Gevattersleute an den Stufen des Altares nieder und erflehten von oben Segen und Gnade für den Täufling, der wie ein zartes Pflänzlein des himmlischen Taues bedürfe und der erwärmenden Kraft der Himmelssonne, um zu wachsen und zu gedeihen. Dabei hatte die „Gote” dem „Göte” das Kindlein auf die Arme gegeben und es ihm so lange gelassen, bis er sich, ermüdet von der kleinen, lieblichen Bürde, durch das Versprechen des „Gotegeschenkes” wieder von ihr losgekauft.

Im Wirtshause „Zum Felsen” aber war in der großen, hellen Stube der runde Tisch sauber und zierlich gedeckt, als nach vollendeter „Taufet” die Gevattersleute eintraten und hierauf auch der Pfarrer folgte. Denn bevor das kleine neue Christkindlein wieder in die Arme seiner Mutter gelegt werden sollte, mußte es sich nach dem Gebrauche des Tales eine Einkehr in der Schenke gefallen lassen, wo schon seit einigen Stunden alles, was Küche und Keller vermochten, auf die Ankunft der Gevattersleute hergerichtet worden war.

Nachdem die Gäste ihr Gebet gesprochen, begann der Schmaus; ein feuriger Roter, welchen der Stabhalter zuletzt noch in der dickbäuchigen grünlichen Budelle als „Sorgenbrecher” aufstellen ließ, erwärmte die Herzen und brachte die Unterhaltung in Gang. Der Stabhalter, in behaglicher Laune, sprach seinen Gästen eifrig zu und ließ die Gläser hell erklingen auf das Wohl der kleinen Patin und aller Anwesenden. Seine Frau, die als sorgsame Martha bisher ab und zu gegangen, mußte sich endlich auch zur Gesellschaft setzen, aber erst nachdem sie den ungeduldig harrenden Kindern in der Nebenkammer das Katzentischlein gedeckt hatte; denn auch den Kleinen sollte die Bedeutung des Tages durch gute Bissen und einen Schluck aus dem Glase fühlbar gemacht werden.

„Bei solchen Anlässen”, sagte der Pfarrer, indem er lächelnd eine Prise aus der glatten Buchsbaumdose nahm, „da merkt man erst recht, daß man alt wird, und vor allem wir Geistlichen, die wir gleichsam als die Torwächter am Ein- und Ausgang dieser Zeitlichkeit stehen. Kaum, dünkt es uns, haben wir das Kind getauft, so steht es schon wieder als Bräutigam oder Braut vor dem Altar, und ebenso bald sind wieder Kinder herangewachsen, die wir abermals in einen wichtigen Zeitabschnitt einzuführen berufen sind. – Ich mein, es sei erst gestern gewesen, wie Ihr, Frau Stabhalterin, als kleines Büschelkind beim Taufschmaus dort im Herrgottswinkel gelegen, wo jetzt die kleine Florentine liegt; so schnell sind die achtundzwanzig Jährlein verflossen, seit ich auf dem Wald hier aufgezogen bin.”

„Auch der Tag”, fuhr der gesprächige Herr zur Kaiserzollerin gewendet fort, „steht mir noch lebhaft im Gedächtnis, wo Ihr, Frau Zollerin, getauft worden seid. Es waren Kriegszeiten, und man mußte Euch sozusagen verstohlenerweis in die Kirche tragen, vonwegen der Franzosen, vor denen sich alles mit Hab und Gut in die Wälder geflüchtet hatte – es ist dazumal gewesen, als der Franzos gegen die Kaiserin Maria Theresia marschiert ist.

Dasselbige Jahr, Anno vierundvierzig, gleich anfangs im Jänner, war auch der große Komet am Himmel mit seinem langen blutigen Schweif. Und bald darauf gab’s ein schreckliches Regenwetter und große Überschwemmungen, besonders im Breisgau unten. Und weil nie eins allein kommt, so zog sich auch der Krieg in unser Land herein.”

„Von diesen Zeiten wißt ihr freilich alle nichts mehr, der Stabhalter da ausgenommen. Ich aber erinnere mich noch so gut, als wär’s gestern gewesen, wie der französische General, der Bellisle, bei uns eingeritten ist. Ich stand mit dem Mesner und mehreren Leuten vor dem Pfarrhof und machte meine Reverenz; er aber auf seinem Apfelschimmel, die linke Hand am Degengriff, salutierte mit der rechten gar höflich. Denn das”, meinte der Pfarrer lächelnd ,,das muß man ihnen nachsagen, den Franzosen, höflich sind sie alle, wenn sie im Sack haben, was sie begehren. Und so hatte auch der Bellisle gut höflich sein, nachdem ihm Villingen, die feste Stadt, die langbewahrte Jungfrauschaft so leichten Kaufs hatte hingeben müssen. Denn was wollten die guten Villinger machen? Sie waren vom österreichischen Militär verlassen und konnten sich auf eigene Faust gegen einen so überlegenen Feind nicht mehr halten, wie es im Dreißigjährigen Krieg und Anno tausendsiebenhundertundvier so rühmlicherweis geschehen ist.”

„Ja, und nit nur Villingen, auch unser Geld, die grausamen Brandschatzungen und Kontributionen und viel anderes noch hat der Franzos im Sack gehabt”, warf der Stabhalter ärgerlich hin. „Ich bin selbigesmal ein Büble gewesen, wie mein Donyse da, wie einmal in der Nacht die Vögt und Bürger aus dem Vorderösterreichischen zu uns ins Fürstenbergische rüber kommen sind mit ihren vornehmsten Schriften und Freibriefen. Es gedenkt mir, als wär’s erst heute gewesen, wie ich meinem Vater die Latern hab halten müssen, als die Mannen bei Nacht und Nebel die Sachen drüben im Bruderkirchle hinter dem Muttergottesbild eingemauert haben, damit sie die Franzosen nit erwischen sollten. – Aber” ; setzte er lachend bei, „die guten Leutle sind dann bald g’nug zur Einsicht kommen, daß die Praktiken der Parlevous nicht auf Schriften und Freibrief, sondern allzeit nur auf den Geldbeutel gerichtet sind. – Und was die Höflichkeit betrifft, so weiß man’s auch, wie weit sie diese getrieben haben, vorab gegen unsere Weiber und Mädle. – Drum haben die Schwarzwälder- und Baaremerbauern auch jedesmal zu Wehr und Waffen ‘griffen, wenn’s zum Krieg mit ihnen kommen ist, um sich die ungebetenen Gäst vom Hals zu schaffen. So weiß ich noch von meinem Großvater selig, daß in früheren Kriegen schon der Landsturm gegen sie aufgebote worden ist. – Und wie es alsdann zug gangen ist, das kann man noch auf den paar alte Votivtafeln drüben im Bruderkirchle abgemalt sehen, wo Hirten, denen ihr Vieh weggetrieben wird, oder Männer, die ihre Weiber und Töchter verteidige wolle, von den Räubern und Mordbrennern tot schlagen oder mißhandelt werde. – Freilich, auch das muß man sagen”, schloß er, „hat uns der Krieg viel Übles bracht, so hat er auf der andern Seiten auch wieder das Gute g habt, daß er uns einsame Waldbewohner mit der Welt mehr vertraut und bekanntg’ macht hat. Vor dem Schwedenkrieg zum Beispiel, von dem noch in den Chroniken zu lesen ist, ist außer dem spärlichen Ackerbau und dem Handel mit Großholz blutwenig bei uns hantiert worden, und wenn einer von den alten Wäldern jetzt wieder in die irdische Heimat käm, so würd er sich höchlichst verwundern über so manches Gewerb und Unternehmen, von dem man früherer Zeit nix g’ wußt hat.

„Was Ihr da vom alleinigen Betrieb des spärlichen Ackerbaus und Holzhandels sagt, Stabhalter”, entgegnete der Herr Pfarrer, „scheint mir nicht so ganz richtig zu sein; ich glaub vielmehr, daß auf dem Wald in früheren Zeiten auch sonst noch mancherlei hantiert und gehandelt worden ist. Vor mehreren hundert Jahren schon ist der Wäldner hinabgewandert ins Breisgau und Rheintal – nicht, um zu betteln – nein, mit seiner „Kreze auf dem Rücken, um selbstgefertigte War, Körb und Zainen oder Schapfen, Löffel, Brenten, Kübel und Gelten, die er geschnitzelt oder gedrechselt, in Dörfern und Städten oder auf den Märkten zu verkaufen. So hab ich, als ich Vikar in Todtmoos gewesen bin, den dortigen Pfarrakten entnommen, daß schon zur Zeit des Kaisers Rudolf von Habsburg Holzdrechsler in der Gegend dort gewohnt haben. Und einem Drechsler allda soll die Kirche in Todtmoos auch ihr Entstehen verdanken.”

„Mag sein, Herr Pfarrer”, versetzte der Stabhalter; „aus alldem ist zu entnehmen, daß der Waldbewohner von jeher lieber durch Arbeit sich sein Brot verdient – als gebettelt hat, was bei seiner unergiebigen rauhen Heimat wahrhaftig kein Wunder gewesen wär.” „Richtig ist”, sagte der Pfarrherr, „daß man dazumal von der Schwarzwälder Uhrenmacherei und auch vom Strohflechten hier noch soviel wie nichts gewußt hat.” „Ei ja”, fiel ihm der Stabhalter ins Wort, „mir gedenkt’s ja noch, daß man hier im Tal nit viel von den Wälderuhren g’wußt hat; und der Dürrjokele aus Gütenbach, den ich noch ganz gut gekannt hab, ist der erst g’ wese, der hier rum und später drunten im Breisgau damit hausiert hat. Von der neuen Sorte mit Perpendikeln hat man selbigmal noch gar nix g’wußt. Da hat man nur die hölzernen Waaguhre g habt, wie ich drinnen in der Kammer noch eine hänge hab. – Und wenn man bedenkt, wie seit der Zeit der Handel’ naus ins Land zugenomme hat, so muß man sich nur verwundern, was alles in einem Menschenalter möglich ist.”

„Und wie hat es dazumal”, nahm die Kaiserzollerin das Wort, „noch mit Weg und Stegen ausg sehen! Mein Vater ist nie mit dem Fuhrwerk fort, ohne die Wagewinde mitz’ nehmen; und selten ist er ohne e’ verbrochnes Rad von Doneschingen oder Neustadt heimkumme. Und ist einer nach Villingen ins Kaufhaus g’fahren oder nach Freiburg oder Zürich, so wär’s fast gar nötig g’wesen, er hätt vorher Reu und Leid und ‘s Testament g’macht.” „Freilich”, versetzte der Stabhalter darauf, „ist seitdem alles im Preis merkwürdig gestiege. Von mein’m Großvater selig, der Teilhaber an der Bubacher Glashütte g’wesen ist, hab ich oft g’hört, daß sie mit der Gemeind Bräunlingen en Akkord g’habt habe, wonach ihnen das Klafter Tanneholz auf dem Stock um zwanzig Kreuzer abgelasse worden ist; und ist das noch viel g’wesen, wenn man bedenkt, daß hundert Jahr früher die Gemeind dem Bergverwalter in Eisenbach das Klafter um sieben Kreuzer, sage sieben Kreuzer, abgelasse hat! – Und der alt Felsetälerbur hat mir oft verzählt, daß zu seiner Zeit viel, viel Holz im Wald zu Asche gebrannt worden sei, ‘s Viertel um drei Kreuzer.”

„So ändern sich die Zeiten”, sagte der Pfarrer; „mit der zunehmenden Bevölkerung und Industrie gehen eben die Holzpreise und viel anderes mit in die Höh. Vor hundert Jahren hat auf dem obern Bränd, wo jetzt ein Haus am andern steht, noch niemand gewohnt. Und auch das kleine Eisenbächle hat dazumal noch nichts als Wald und Himmel gesehen. Ja, man darf sagen, Industrie und Kommerz haben den Wald erst gelichtet und Häuser und Hütten talauf und -ab gebaut. – Unser Jahrhundert”, setzte er lächelnd bei, „ist eben die Zeit der Verbesserung und Neuerungen, wie keine andere noch gewesen ist.” „Wahrhaftig, Herr Pfarrer”, versetzte der Stabhalter, „ich möcht hundert Jahr noch leben, nur um zu sehn, wo das alles noch naus will und was alles noch verbessert und erfunde wird; am End gar noch das Fliegen – dann aber adje mit Schlagbäum, Zollstöck, Weg- und Bruckengelder!”

Die Brüder Wright wurden erst 1867, bzw. 1871 geboren und sind somit dem Verfasser absolut unbekannt.
Allerdings bauten 1784 die Franzosen Launoa und Bienvenue einen flugfähigen Modellhubschrauber mit Doppelrotor und 1816 konstruierte der Österreicher Jakob Degen eine Luftschraube mit Uhrwerkantrieb.
Ganz sicher spielt Lucian Reich in dem Abschnitt auf diese ersten Hubschrauber an und deutet sein Bedauern an, dies alles nicht mehr erleben zu dürfen.

„Könnt manches noch erleben, lieber Stabhalter”, meinte der geistliche Herr. „Im Vergleich zu unsereinem seid Ihr noch jung, und rüstig dazu!” „Bin auch kein heurigs Häslein mehr, Hochwürden”, entgegnete lachend der Stabhalter; „und wenn ich trotzdem immer noch e bißle jung ausseh, so hab ich’s lediglich meiner Alte da zu verdanke, die mich jeden Morgen so fein säuberlich strehlt und kammpelt und mir die grauen Härle sorgfältig ausrupft, auf daß sie sich nit zu schäme braucht neben ihrem alte Mann.” „Aha!” sagte die Stabhalterin zur Kaiserzollerin, „jetzt geht es über uns Weibsleut her.” „Es ist nur schad”, entgegnete die Kaiserzollerin, „daß meiner nit auch dabei ist, denn wenn’s auf das Kapitel kommt, so weiß er g’wiß immer den beste Trumpf auszuspiele.
„Wird er uns die Ehr nit auch noch antun?” fragte die Stabhalterin.
„Versproche hat er’s; doch wird’s jedenfalls spät werde”, meinte die Kaiserzollerin. „Denn wenn er droben ist beim Schwager in Urach, wo sie Abrechnung halte, so kommt er nie so bald los. – Denn ist ‘s G’schäft vorbei, so geht’s an de Markgräfler, den sie sich zum Schluß jedesmal weidlich schmecke lassen; es dunkt ja die Manne doch nie besser, als wenn ihre Weiber nit dabei sind, nit wahr, Stabhalter?”
„Bravo”, sagte dieser lachend, „jetzt kommt der Kehr an uns. Damit Ihr aber auch seht, Frau Zollerin, was für en große Respekt ich vor den Weibervölkern hab, so schlag ich vor, gleich emal die Kaiserin Maria Theresia lebe zu lassen, eine Frau, die ihr Land besser regiert als mancher Mann. – Sie soll leben, vivat hoch!” Alle ergriffen die Gläser und tranken auf das Wohl der großen Kaiserin.

So ging das Gespräch von alten und neuen Zeiten, und der Stabhalter würzte es nach seiner Art mit manchem Späßlein.
Während aber die Hebamme, die alte Barbara, von Zeit zu Zeit nach dem Kindlein sieht, welches als gar stiller Gast ein wenig abseits liegt, wollen auch wir hinzutreten und ein wenig unter das fein abgenähte Tauftuch lugen, wenn es die Alte vorsichtig lauschend in die Höhe hebt.

Das schlummernde Kind, liegt es nicht in seinem bauschigen Bettlein wie ein Samenkorn in der Furche? – Auf der Stirn über den geschlossenen Auglein und dem kleinen Stumpfnäschen ziehen einige leichte Fältchen hin, fast ein wenig trutzlich, als hätt es bis jetzt noch wenig Gefallen gehabt an den Dingen dieser Welt – um die schmalen Lippen zuckt es zuweilen, was mit dem schwebenden Atem fast allein das leicht verhüllte Leben kundgibt. – Ein solcher Lebensanfang, gleicht er nicht dem frühesten Morgen, wenn kaum die erste Dämmerung aus dem Schoße der Mitternacht sich loszuringen beginnt? Ob aber der Tag heiter oder trübe werde, müssen wir getrost einer höheren Macht überlassen, ohne welche es keinen Tag und keine Nacht gäbe.

Die Einkehr im Felsen war zu Ende, und die Frau Gevatterin in Begleitung ihres Mannes, der sich wirklich ziemlich spät erst im Wirtshaus eingefunden, bereits über die Grenze geritten. Denn dazumal wurden alle groBen und kleinen Reisen meist zu Pferd gemacht, weil es – trotz des verbesserten Straßenbaues, wovon die Gesellschaft im Felsen gesprochen – an vielen Stellen lediglich noch über Felder und Wiesen weg ging oder durch enge Hohlgassen über holperige Karrenwege, wo kaum ein Pferd, oder nur eines vors andere gespannt, gehen konnte. Die Bauersfrau ritt im sogenannten Weibersattel, der als flacher Sitz mit niederer Lehne und Rückwand quer auf dem Gaul befestigt war.

Der Kaiserzoller versah im Vorderösterreichischen das Amt eines Steuer-und Zolleinnehmers, nebenbei ein nicht unbeträchtliches Bauerngut umtreibend. Sein Weib, wie die Laubhauserbäuerin, stammte aus dem Bregenbacherhof, der gleich dem Laubhauser zu den reichsten der Talgemeinde zählte.

Zu Ende neigte sich der Tag; der Abend zog bereits kühl mit langen Schatten aus den Wäldern und mahnte daran, daß es mit den milden Frühlingstagen auf dem Walde noch nicht ganz ernstlich gemeint sei.

Der Verlauf unserer Geschichte führt uns noch nach dem Laubhauserhof, aus dessen Dach ohne Schornstein dichter Rauch hervorqualmt; denn in der geräumigen Küche des alten Wäldergebäudes ging es diesmal besonders geschäftig her. – Der Laubhauserbauer hatte alle seine Ehhalten, d. h. Dienstboten, seine „G’husen” oder Dienstmannen nebst verschiedenen Nachbarsleuten zu Gast geladen, weil heute seinem Hause Heil widerfahren durch die Geburt eines Töchterleins. Anastasia, das Eheweib des Hausmannes Mathias, besorgte mit den Mägden die Küche, und Hieronymus, ihr Söhnlein, den wir heute bereits beim Kirchlein den Gevattersleuten vorspannen gesehen, leistete ihr Gesellschaft. Der Kleine spazierte mit selbstvergnüglicher Miene am Herde auf und ab, denn er war heut in seinem Leben zum erstenmal mit Höslein angetan, den sogenannten Gottehosen, die nach altem Herkommen die Patin ihrem Patenkind zu schenken pflegt, wenn es in ein Alter getreten, wo es sich, den Kinderrock ablegend, als männlicher Sproß der Gesellschaft präsentieren kann.

In der großen Stube waren indes versammelt und harrten der Dinge, die da kommen sollten: Bachweber, der Schulmeister und Schneider, Forbachklaus, der Köhler, Barbara, seine ledige Schwester, die wir bereits als Hebamme kennengelernt, Stoffel, der Fischer und Forstknecht, Mathias, der Hausmann und Müller, der Fohrlenbacherbauer mit seinem Weib, die alte Fahlenbacherin und noch einige andere. – Frau Anastas hatte heute ihrer Kochkunst Ehre gemacht: es wurde aufgestellt, was nur der mächtige Eichenholztisch zu tragen vermochte; und als nach dem „Hammenstotzen” noch eine große zinnerne Platte voll Küchle und Sträuble, die Nationalspeise, kam, rollten dem kleinen Hieronymus Tränen über die Backen herab, denn er hatte dem Vorhergehenden so weidlich zugesetzt, daß er vom Nachkommenden fast nichts mehr unterzubringen vermochte. – Dabei wanderte das Krüglein fleißig in den Keller hinab, und es wurde demselben so wacker zugesprochen, auf das Wohl des Hauses und seines einzigen Töchterleins, daß man den Kuckuck in der Uhr einmal über das anderemal überhörte – und endlich die Weiber allen Ernstes zum Aufbruch mahnen mußten.

Mehr zum Hieronymus gibt es hier: