Luchskatze Finja ist ausgewildert
Jetzt ist es tatsächlich wahr geworden: Am 1. Dezember 2023 wurde im dick verschneiten Nordschwarzwald die erste Luchskatze freigelassen, und das in Anwesenheit von Forstminister Peter Hauk, der Presse und allerlei Prominenz. Tags darauf hat es Finja als Sympathieträgerin sogar auf die Titelseite des Schwarzwälder Boten geschafft – noch vor der Meldung „Problemwölfe im Visier“ und anderen heiklen Tagesthemen, dazu im Inneren dann ein ausführlicher Bericht unter der Rubrik Baden-Württemberg. Unerwähnt blieb nur der genaue Ort der Freilassung, um ja keinen Luchs-Tourismus auszulösen.
Nun soll sie, wenn alles zusammenpasst, Stammmutter einer baden-württembergischen Luchspopulation werden, im günstigsten Fall schon im kommenden Frühjahr durch Paarung mit Luchskuder Toni, der seit 2019 im Nordschwarzwald sein Revier gefunden hat, zugewandert wie vier weitere männliche Luchse und sodann besendert durch die Experten der Freiburger Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA). Auch Finja, gebürtig in einem Thüringer Wildgehege, aufgezogen und auf die Freiheit vorbereitet in einem Auswilderungsgehege im Pfälzerwald, trägt zu ihrem Schutz und zu ihrer Überwachung per Monitoring einen Halsbandsender. Weil weibliche Luchse sich als weniger wanderfreudig erwiesen haben als ihre männlichen Artgenossen, die seit 1987 immer wieder einmal diesseits des Rheins aufgetaucht sind, ist es bisher nie zu Nachwuchs gekommen. Wo das waldreiche Baden-Württemberg doch für die europäische Luchspopulation als unverzichtbarer Trittstein gilt.
Insgesamt 10 weibliche Luchse sollen deshalb bis 2027 zur Bestandesstützung ausgewildert werden, und dies bei einem Kostenumfang von 1,8 Millionen Euro, wie die Pressemitteilung 254/2023 des MLR verrät. In ihr wird der 1. Dezember als „historischer Tag für den Artenschutz“ gefeiert, zumal auch mit Spenden der Umweltverbände gerechnet werden darf. Das Auswilderungsprojekt dürfte den Agrarminister, der sich seit Jahren als Befürworter bekennt, dennoch viel Nerven gekostet und Stehvermögen abverlangt haben, auch wenn das Vorhaben ja bereits im grünschwarzen Koalitionsvertrag von 2021 festgeschrieben steht. Denn zeitgleich hat sich die Auseinandersetzung um den anderen großen Beutegreifer, um den Wolf, enorm verschärft, nachdem im Südschwarzwald – sehr zum Verdruss der Viehhalter – erstmals für Wolfnachwuchs nachgewiesen wurde und seine Rudelbildung absehbar geworden ist. Weidetiere statt Raubtiere, so lautet schon seit Jahren ein vielplakatierter Slogan der Schwarzwälder Höhenlandwirte.
So war es denn auch wenig verwunderlich, dass bis vor Kurzem noch der Luchs-Managementplans zu wackeln schien: Im Rahmen der 2004 vom Stuttgarter MLR eingesetzten AG Luchs und Wolf wurde noch einmal heftig diskutiert, wobei auch noch einmal Uraltargumente für und wider die Bestandesstützung aufgewärmt worden sind. Als Pressure-group gegen die Vorverurteilung Pinselohrs und für seine Wiederansiedlung war auch die Luchs-Initiative Baden-Württemberg e. V. wieder mit dabei, die seit – sage und schreibe – 37 (!) Jahren für den Luchs im Einsatz ist: Anno 1986, noch ganz unterm Eindruck des Kernkraft-GAUs in Tschernobyl und der Verstrahlung auch des Wilds, war erstmals die Idee aufgekommen, dessen natürliche Regulatoren, nebst dem Winter (nach schweizerischem und elsässischem Vorbild) auch den Fressfeind der Rehe, den Luchs, wieder ins Spiel zu bringen. Denn wegen des ausbleibenden Wildbretabsatzes hatten die Forstleute eine nachlassende Bejagung sowie zunehmende Verbissschäden im Wald befürchtet. Was in der Jägerschaft gar nicht gut angekommen war, von den Protesten der Landwirte ganz zu schweigen. Mochte der Agrarminister auch damals schon in seiner Pressemitteilung (vom 15. 11. 1986 Aktenzeichen 9/3640) darauf hinweisen, dass die Wiedereinbürgerung des Luchses „ein Beitrag zur Erhaltung einer in Europa vom Aussterben bedrohten Tierart“ sei und der Schwarzwald zu den dafür in Betracht kommenden Lebensräumen gerechnet werden könne.
Seit dem 1. Dezember 2023 sollte das alles Schnee von gestern sein – umso lebhafter möchten wir Finja ein langes Leben, dem Bestandesstützungsprojekt viel Erfolg wünschen!