Vierspuriger Ausbau B27
Offener Brief von Markus Keller am 23. September 2022
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
vielen Dank für Ihr Schreiben am 05.10.2021 von Referatsleiter Peter Hahn in Sachen Betonrohr anstatt Naturwall beim Schallschutz. In Bezug auf Städtebau und Nachhaltigkeit ist das aus meiner Sicht als Bauingenieur ein Fiasko. Anscheinend wird das beim BMVI und der Kommune anders gesehen. Über die Vorgaben aus dem fernen Berlin/Bonn kann man sich nur wundern.
Der aktuelle Zeitungsbericht in unserer Lokalzeitung Südkurier vom 19.09.2022 veranlasst mich, Ihnen erneut zu schreiben. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass das gesamte Schallschutzkonzept neben dem allgemeinen Wohngebiet (WA) überarbeitet und neu überplant wird. Die Mängel sind aus meiner Sicht leider desaströs.
Seit dem Ausbau hat sich bei uns am Wohnhaus der Lärmpegel deutlich wahrnehmbar erhöht. Das bestätigen alle Anlieger in der Nachbarschaft die ich dazu befragt habe. Bisher war der Verkehr auf der B27 in der Ringstraße 50 c nicht störend. Seit dem Ausbau können wir Nachts die Fenster nicht mehr öffnen. Im Sommer ist das ein Problem. Eine einfache Messung in der Wohnung bestätigt 55 dBA morgens um 5.00 h. Vor dem Ausbau hatten wir selbst tagsüber unter der Woche selten über 50 dBA. Eine deutliche Verschlechterung der Wohn- und Lebensqualität.
Diese Verschlechterung liegt u. a. an folgenden Umständen:
- Der Schall kann sich über das freie Feld ohne Hügel und Bewuchs ungehindert ausbreiten.
- An dieser Stelle kommt außergewöhnlich häufig der Wind aus nördlichen Richtungen.
- Die zulässige Geschwindigkeit der LKW wurde von 60 km/h auf 80 km/h angehoben. Das ist typisch für den autobahnähnlichen Ausbau, führt aber dazu, dass fast alle LKW nun mit über 90 km/h vorbei fahren, statt wie vorher mit 70 km/h. Das sind zwar nur 20 km/h mehr, der Schallpegel nimmt aber nicht linear zu. Die Roll- und Reifengeräusche sind nun deutlich lauter, selbst Spanngurte surren manchmal im Fahrtwind wie Bomber im Kriegsfilm. Das kommt zwar selten vor, löst aber unterbewusst irgendwie Ängste aus. Gesund ist das sehr wahrscheinlich nicht.
Wir sind froh darüber, dass der Ausbau nach langer Verzögerung realisiert worden ist. Das möchte ich trotz des Ärgers betonen. Die Kreuzung Donaueschingen Süd war ein großes Problem, jetzt ist der Zugang zur B27 kreuzungsfrei. Der Verkehr steht nicht mehr und es gibt sicher weniger Unfälle.
Vermutlich ist es auf absehbare Zeit nicht möglich bis zur neuen Auffahrt Donaueschingen Süd adäquate Schallschutzeinrichtungen zu bauen, um die neuen Lärmemissionen an der ausgebauten B27 abzumindern.
Daher möchten wir Sie bitten, die Schallemissionen mittels Geschwindigkeitsbegrenzung zu reduzieren. Das ist die nachhaltigste Methode, um gesundheitsschädlichen Lärm zu minimieren. Geeignet sind die Geschwindigkeiten 60 km/h für LKW ́s und 100 km/h für PKW ́s. Auf 3 km Strecke liegt der Zeitunterschied gerade mal bei ca. 45s. Dazu ein Überholverbot für LKW, damit nur PKW überholen können und nicht wie inzwischen häufig zu beobachten durch überholende LKW ́s ausgebremst werden. Nur wenige Meter nach der ausgebauten Strecke hängen Autofahrer dann wieder hinter langsamen Fahrzeugen fest. Daher sind richtig genutzt die vier Fahrstreifen ein Segen für uns Anwohner und auch Reisende.
Dankbar wären wir Ihnen, wenn der Bevölkerungsschutz schnell, unbürokratisch und kostengünstig ohne allzu viele Gutachten und Gegengutachten, Anwaltsbriefe und Prozesse effizient mit gesundem Menschverstand realisiert wird. Auf Grund der mir bestens bekannten strukturellen Verwaltungsprobleme von kommunaler Ebene bis ganz nach „oben“ wende ich mich direkt an den Ministerpräsidenten.
Vielen Dank für Ihren Einsatz bezüglich unseren kleinen Problemen vor der Haustür und ganz besonders für das Land Baden-Württemberg.
Sehr geehrter Herr Keller,
mit Verwunderung habe ich Ihren offenen Brief an Winfried Kretschmann gelesen.
Dass an dem Bauwerk, welches die Anwohner des Wohngebiets Hohen II vor Lärm schützen soll, einiges schief gelaufen ist, steht sicherlich außer Frage.
Auch meine Familie kann seit Jahrzehnten nachts die Fenster in den Schlafzimmern nicht öffnen. Vor dem Haus haben wir die L 181, im Osten die Hausener Straße, seit der Lärmschutzwand hören wir verstärkt auch die B 27 und hinter dem Haus befindet sich die B 31 auf einem hohen Straßendamm. Werkspendelverkehr der Firma Straub und Zulieferverkehr Lidl runden das Verkehrschaos ab. Auch ich kann ich Ihnen in Sachen mangelnder Belüftung nachts nachfühlen.
Ihre Argumentation in Sachen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Bundesstraße 27 werfen bei mir aber einige Fragen auf: Wie Sie vielleicht wissen, gibt es in Hüfingen die „Bürgerinitiative Hüfinger Außerstadt (Süden).“ Die Mitglieder kämpfen seit fast 20 Jahren unermüdlich, aber erfolglos für Verkehrsverbesserungen hinsichtlich Lärm, Abgase und sonstiger Widrigkeiten.
Seit geraumer Zeit läuft in Hüfingen der sogenannte Lärmaktionsplan. Die Stadtverwaltung hat ein Planungsbüro aus Freiburg beauftragt, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Am 5. Juli 2022 fand in der Festhalle eine Bürgeranhörung in Sachen Lärmaktionsplan statt, an der ich als Sprecher der BI und als Stadtrat anwesend war. Diese Veranstaltung wurde im Hüfinger Bote öffentlich gemacht. Warum haben Sie das von Ihnen beschriebene Problem nicht an diesem Abend bzw. schon im Vorfeld vorgebracht?
Am kommenden Donnerstag um 19:00 Uhr findet nun im Rahmen der Gemeinderatssitzung der vorläufige Abschluss des Lärmaktionsplanes statt.
Als Stadtrat habe ich im Namen meiner Fraktion „BFSO/DIE GRÜNEN-FRAKTION“ mehrfach auf die Problematik des Ausbaues der B 27 und vor allem auf die Nachteile der Schallschutzbaumaßnahmen auf Hohen II hingewiesen. Leider hat mich keine der anderen im Gemeinderat vertretenen Fraktion dabei unterstützt. Dass durch den vierspurigen Ausbau auch doppelt soviel Verkehr auf der B 27 möglich ist, könnte man auch als „Binsenwahrheit“ bezeichnen, oder?
Für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Bundesstraßen ist mit Sicherheit nicht der Ministerpräsident zuständig, oder sind Sie da anderer Meinung?
Lassen Sie mich am Schluss noch ein Wort über Geschwindigkeitsbegrenzungen generell sagen. Gerade die FDP als Koalitionspartner in Berlin verhindert wie schon Scheuer jegliche Versuche zu Temporeduzierungen in unserem Land. Ich habe diesbezüglich auch schon mehrfach Herrn Bundesminister Wissing (FDP) in Sachen Tempolimit auf Autobahnen angeschrieben. Dazu habe ich auch unseren Landtagsabgeordneten von der FDP in Cc gesetzt. Leider hat mir nie jemand vom Ministerium geantwortet.
Was sagen Sie dazu?
Meine Frau und ich kommen gerade aus dem Urlaub aus der Provence zurück. Wir haben ein weiteres Mal das entspannte Fahren auf den Nationalstraßen und den Autobahnen
genießen dürfen. Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem noch fast uneingeschränkt „gerast“ werden darf. Gerade unsere Schweizer Nachbarn machen gerne regen Gebrauch davon; auch auf der B 27.
Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Ich freue mich auf Ihre Antworten.
Peter Albert
Sehr geehrter Herr Albert,
es macht keinen Sinn, wenn Sie mich auf der Plattform angreifen. Darauf gehe ich des Friedens Willen nicht ein.
In der Sache sind wir nicht weit auseinander. Ich habe Herrn Minsterpräsident Kretschmann schon im September 2021 angeschrieben und am 05.10.2021 gute Informationen direkt über das STM bekommen. Die Verwaltungsstruktur funktioniert von oben nach unten. Sofern es Ermessensspielraum gibt, können Minister auch mal untere Verwaltungsbehörden in eine bestimmte Richtung navigieren. Das habe ich in meiner Praxis bereits erlebt. Mit dieser Hoffnung verbinde ich auch meine Korrespondenz nach Stuttgart.
Ich bin kein Mitglied des Gemeinderates. Bei Lärmaktionsplänen muss ich dem gewählten Gremium vertrauen im Sinne der Bürger zu handeln.
Bezüglich Tempolimit auf Bundesautobahnen sehe ich auch, dass das in Deutschland längst überfällig ist. SPD und Grüne hatten es im Wahlprogramm stehen. Die FDP hat es im Koalitionsvertrag verhindert. Das kritisiere ich, es ist ein Fehler gewesen. Diesbezüglich habe ich auch schon an entsprechende Funktionsträger geschrieben. Ich erwarte gar keine Antworten mehr…
Wie viel ein kommunaler Lärmaktionsplan wert ist, sehen Sie aktuell in Mönchweiler (Anlage). Gemeinde und Bürgermeister sind gegen die untere Verwaltung machtlos. Die fehlende Bürgernähe ist für unsere Demokratie ein Problem. Viele Länder machen das besser, u. a. die Schweiz.
Die FDP setzt sich z. B. für mehr direkte Demokratie ein. Ein Volksentscheid zum Tempolimit und die 130 km/h müssten eingeführt werden (min. 60% der Deutschen sind dafür, ich auch).
So bitter das für viele Menschen mit normalem Einkommen ist: Seit der Kraftstoff so teuer ist, rasen deutlich weniger und drängeln mit 200 km/h plus. Auch wir fahren verstärkt Bahn seit die Fahrt mit dem ICE günstiger ist als das Auto. Leider hilft nur den Kraftstoff zu verteuern. Das ist aber unpopulär. Auch das sah mit dem Tankrabatt meine FDP anders. Den SUV und Sportwagen brauche ich nicht zu subventionieren.
Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre persönlichen Interessen nicht mit denen “auf Hohen” in den Wettbewerb setzen würden, sondern Gemeinsamkeiten betonen.
Viele Grüße
Markus Keller
SK-Lärmaktionsplan Mönchweiler_20221022
Vielen Dank an Markus Keller hier mal nachzuhaken!
Es würde mich an dieser Stelle auch sehr interessieren, warum nun ein Betonrohr – wir nennen es “Halfpipe” – anstatt einem Naturwall gebaut wurde. Bzw. versucht wurde zu bauen.
Was waren die Argumente gegen einen Naturwall?
Auch würde es uns sehr freuen, wenn wir hier die Antwort des Ministerpräsidenten lesen dürfen.