Kerstin Ekman: Wolfslichter
Eine Buchbesprechung
Wie schafft das bloß jemand: mit knapp 90 Jahren noch einen Roman über Jagd und Wald zu schreiben und das ebenso sachkundig wie einfühlsam, aktuell wie spannend bis zur letzten Seite? Kerstin Ekman, der „Grande Dame der schwedischen Literatur“, ist das mit Wolfslichter glänzend gelungen. Der Umgang mit dem Wald, die Jagd und dabei speziell das Verhältnis zu den großen Beutegreifern waren spätestens seit ihrem 2008 erschienenen Roman Der Wald – eine literarische Wanderung zu ihrem Lebensthema geworden. „Ich habe die Wolfskralle im Herzen“, verriet sie dort schon im Vorwort – und rechnete mit der schwedischen Kahlschlagswirtschaft und den Monokulturen ab. Anfangs bekannt geworden durch ihre Kriminalromane, hatte sie sich immer häufiger mit Wald- und Wildthemen befasst, wobei ihr zugute kam, dass sie selbst sowohl Waldbesitzerin ist als auch Elchjägerin und Schafhalterin war. Trotz (oder wegen?) ihrer scharfen Klinge wurde ihr 2007 von der Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala die forstwissenschaftliche Ehrendoktorwürde verliehen.
Diesmal ist Protagonist und Icherzähler der langjährige Jagdleiter und pensionierte „Forstfunktionär“ Ulf (deutsch: Wolf) Norrstig, der frühmorgens am Neujahrstag, dem Tag vor seinem 70. Geburtstag, sein Schlüsselerlebnis hat: die Begegnung mit einem stolzen, hochbeinigen Wolfsrüden; dieser Anblick wird ihn verfolgen und seine Einstellung zum Töten grundlegend verändern. Er beschließt, das Ehrenamt des Jagdleiters aufzugeben, zumal er dabei doch auch die Schafrisse des Wolfs zu untersuchen und Schadensersatzfragen zu begutachten hat – womit er sich Feinde schafft. Nachdem er bei der Elchjagd eine Herzattacke erleidet, wird er von seiner Frau Inga bewusstlos auf dem Speicher aufgefunden; dort liegt er inmitten verstaubter Trophäen und Präparate seines Vaters, in denen er fortan seinen „Wald des Todes“ sieht. Die schlechte körperliche Verfassung nach einer Herzoperation bringt ihn nun erst recht zum kritischen Überdenken seiner beruflichen und jagdlichen Vergangenheit. Noch immer geschwächt, wird er an die verkohlten Überreste seines alten grünen Wohnwagens geführt, der ihm als jagdlicher Unterstand gedient und von wo aus er seinerzeit den Wolf erblickt hatte. Die Polizei hat in der Brandstätte Wolfsknochen gefunden, und so müssen Ulf und Inga schließlich auch noch dabei helfen, den Brandstifter zu ermitteln und den Jagdfrevel aufzuklären.
Hass und Ablehnung der großen Beutegreifer, hierzulande derzeit sogar ein Wahlkampfthema, beherrschen auch in Schweden die Stimmungslage in der ländlichen Bevölkerung, lernt der Leser. Und das bei immer heißeren Sommern und brennenden Wäldern. Vor diesem Hintergrund hat Kerstin Ekman eine brandaktuelle Lanze für den Wolf gebrochen.
Kerstin Ekman: Wolfslichter. Roman
Piper-Verlag München 2023
22,– Euro