Deckelung

Deckelung

14. August 2023 1 Von Wolf Hockenjos

Kürzlich brachte meine Frau zu meinem nicht geringen Erstaunen vom Lidl-Einkaufszentrum neben dem Üblichen an Nahrungsmitteln und Getränk eine sauber verpackte Klobrille samt Deckel mit nachhause. Es handle sich um ein Sonderangebot, der besondere Clou dabei, so verriet sie mir, sei ein selbstschließender Deckel. Sie machte sich auch sogleich an die Montage, nachdem sie sich zuvor intensiv mit der Lektüre der beiliegenden Gebrauchsanleitung befasst hatte. Diese schien freilich bei weitem nicht das gängige IKEA-Niveau erreicht zu haben: Die darin vorgeschriebenen Montageschritte waren für Laien nur schwer nachzuvollziehen, und die abgebildeten Schrauben und Stifte hatten nur wenig Ähnlichkeit mit dem beigefügten Material. Kein Wunder, dass nach viel Gestöhn schließlich – worst case aller Bastelei – eine Schraube übrig blieb, wodurch es dem neuen Aufsatz auf der Schüssel erheblich an Stabilität mangelte. Umso beeindruckender jedoch die Automatik des Deckels: Um ihn zu betätigen, braucht er jeweils nur leicht angetippt zu werden und schon beginnt er sich sachte zu schließen – gänzlich ohne Motor und Elektronik.

Brüssels Wahrzeichen: Manneken Pis
(Fotos: Wikimedia)


Der zivilisatorische Zugewinn bestand im Wesentlichen aus der neuen Geräuscharmut – wie oft war einem doch schon als Kind wie schlimmstenfalls auch als Senior der Deckel entglitten. Dabei erwies sich die Handhabung der Neuerung als doch etwas gewöhnungsbedürftig. Denn anders als der Deckel wollte die Brille nach männlichen Stehbesuchen durchaus herkömmlich behandelt sein, ehe sie sich (mitsamt oder ohne Deckel) schließen ließ. Immerhin hatte sich der neue Aufsatz im heimischen Badezimmer nach nochmaligem intensivem Schrauben (und Seufzen) dann doch noch hinlänglich fixieren lassen.

Der Reisesommer brachte uns dann einige Hotelübernachtungen ein. Und siehe da: Auch in dem funkelnagelneuen Potsdamer Hotelkomplex mit dem seltsamen Namen the niu Amity (der in the länd ersonnen worden sein könnte) fanden sich bereits die neuen Deckel installiert. Nicht anders als im Hotel Schulzens, einem gediegeneren Quartier samt Brauerei in der ehemaligen Hansestadt Tangermünde an der Elbe. Erst in den Wendezeller Stuben im niedersächsischen Wendeburg war auf den Toiletten alles wieder beim Alten. Also scheint es sich doch nicht, wie zunächst vermutet, um eine neue EU-Richtlinie zu handeln, nach welcher die Umrüstung der Toiletten künftig europaweit im Zuge der Transformation zu erfolgen habe. 

Wäre ja auch gelacht, wo doch die Brüsseler (m/w/div) dank ihres Wahrzeichens (m) sehr wohl einschätzen können, dass es auf Klos recht unterschiedliche Nutzungsformen gibt. Nächstens gilt es nun nur noch, unsere altbewährte, sodann abgeschraubte Brille samt Deckel auf dem hiesigen Wertstoffhof zu entsorgen.