Wanderblühten- Der arme Konrad – Kindheit in Hüfingen

Wanderblühten- Der arme Konrad – Kindheit in Hüfingen

9. August 2024 0 Von Hannah Miriam Jaag

Die Wanderblühten sind seit Herbst 2022 auf dem Hieronymus-online und werden seit da immer mal wieder überarbeitet.
Unten wird das Jakobifest vor genau 200 Jahren beschrieben.

Ich möchte hier erwähnen, dass ich das alte Buch mit der sehr eigenwilligen Schreibweise in Frakturschrift vorgelesen habe, um den gesprochenen Text von einem Programm namens f4transkript in Buchstaben umzuwandeln. Den umgewandelten Text habe ich danach bearbeitet, da viele der Wörter dem Programm nicht bekannt waren. Aus diesen Gründen ist der Text ein Gemisch aus alter und neuer Schreibweise.

Was es in den verschiedenen Kapiteln des Buches gibt, ist diese vorgelesene Tonspur mit dem Transkript in schwarz.
In blau sind unten noch Erklärungen und Fotos dabei.

Jedermann kennt den Volksglauben, nach welchem es keinen Samstag im Jahre gibt, an dem nicht wenigstens ein Stücklein blauen Himmels zum Vorschein kommt. Man sagt, die himmlische Haushaltung sei zu Gunsten Marien’s ausdrücklich so eingerichtet worden, damit unsere liebe Frau den frischgewaschenen Schleier jeden Sonntag trocken habe, um in die Kirche oder über das Gebirge gehen zu können.

Den Verweis hierfür mögen Wetter- und andere Propheten führen. So viel ist entschieden gewiss, dass zu Anfang der 20er Jahre, am 24. Juli, dem Samstag vor dem Jakobifeste, das zufällig auf den Sonntag fiel, der klarste blauste Himmel sich über dem alten Städtlein Hüfingen wölbte. Damals war sein Aus- und Eingang noch jeglicher mit einem Tore gesegnet; und hing noch ein gutes Stück der verwitterten Stadtmauer umher. Die Sonne stand schon tief. Auf dem Gartenhängen waren da und dort weiße Kleidungsstücke von jener Gattung aufgehängt, die ein redliches Gemüt geradezu Hosen zu nennen wagt, sie sahen frisch gewaschen und appetitlich aus und hatten eine kriegerische Bedeckung von Säbelkuppeln und Fangschnüren. In der Ferne hörte man trommeln. Buben von zehn, zwölf Jahren marschierten einen entlegenen Feldweg hin und übten sich in dieser nützlichen Kunst. Auf den Lauben (Galerien) der Häuser wurden dunkelblaue Uniformen mit weißen Aufschlägen ausgeklopft. Wer im Felde zu tun hatte, der machte sich früher als gewöhnlich heim, um noch so Manches für morgen herzurichten. Der hatte sein Säbelgefäß und die Rockknöpfe noch mit Ziegelmehl abzureiben, dieser mußte sein Tschako noch lackieren, jener erwartete vom Schuhmacher die neuen Stiefel, die er morgen einweihen wollte. Alles sprach nur von morgen und freute sich des schönen Wetters.

„Wenn es nur auch so hält“, sagte der alte Hafnermeister, in den er seinen Sappeursbart, den er morgen anlegen wollte, wieder ein wenig heraus ausstaffierte.
Es bleibt gut“, bemerkte ein Nachbar, der sassianene Gerbermeister. „Mein Laubfrosch sitzt jetzt schon seit vorgestern früh hoch auf der Leiter, und das Männle am Rathausfähnle läßt gutes Wetter supponieren.“
Es wird einen merkwürdigen Zulauf von Fremden geben“, erwiderte der Andere.
Und was war denn das für ein Tag, auf welchen so ausgebreitete Zurüstungen gemacht wurden? Es galt nichts weniger, als das Fest des heiligen Jakobus, Kirchenpatrons von Hüfingen, das seit uralten Zeiten mit geziemender Würde begangen wird.

Zur Zeit unserer Erzählung war dieser Tag für die ganze Baar sozusagen ein Volksfest, zu welchem die Gäste von nah und fern zusammenströmten. Nicht wenig zum Glanz des Tages trug eine bürgerliche Miliz und ein Musikkorps bei, welche beide nach dem Muster anderer kleinen Städte auch hier errichtet worden waren. Die Musik, von ihrem unermüdlichen Kapellmeister aufs trefflichste eingeübt, hatte den Beifall aller Hörer und die wackeren Musketiere exerzierten und manövrierten, dass es eine Lust war, ihnen zuzusehen. Und weil dazumal noch nicht jeder alte Student und Gevatter Handschuhmacher sich einbildete, ein größerer Mann zu sein, der das Volk beglücken und Deutschland umgestalten müsse, so ginge alles im besten Contento, zur Freude für Jung und Alt.

Der damalige Major und Bürgermeister war ein Kriegsoberster, der trefflich Manneszucht zu halten wußte, und recht stattlich sah es aus, wenn er in der Uniform mit kurzen hirschledernen Beinkleidern und Suwarowstiefeln, ähnlich einem Erzherzog Karl oder Fürst Schwarzenberg, vor der Fronte stand.

Die Seele der Armada von Hüfingen aber, wenigstens wenn man ihn selbst hörte, war der alte Marte, der zu dieser Stunde noch auf der Stiege hinter seinem Hause stand und bedächtig das Wetter beobachtete, ob die Sonne kein Wasser ziehe oder ob der Wind sich nicht drehe. Wahrscheinlich wäre er noch lange so gestanden, wenn nicht ein kleiner Bub in der Eigenschaft eines Feldjägers atemlos und schwitzend daher gelaufen wäre mit der Meldung, alles sei versammelt, man warte nur noch auf ihn.

Gedachter Marte war der Feldwaibel beim Corpo, der die Rekruten einschulen mußte, und zu diesem Behufe hatte er auch das Exerzieren gründlich studiert bei den Österreichern. Unter vier Augen ließ er oft Winke fallen, dass selbst der Major „das Meiste von ihm habe“. „Gleich!“ sagte er, „gleich werd‘ ich erscheinen.“ Er rückte noch einmal seine Waffen zurecht, und eilte durch das Städtlein, wo vor allen Häusern gekehrt, an allen Brunnen gefegt und gewaschen wurde, hinaus auf den Anger vor dem Schützenhause. Sobald er anlangte, stellte sich das Bürgerkorps in Reih und Glied und begann sämtliche Schwenkungen und Manövers, welche das morgige Fest verherrlichen sollten, zur Vorübung auszuführen. Hinter her aber zog ein Haufen von Buben mit Bohnenstecken statt der Gewehr, und machten alle Exercitien glücklich nach.

Stellt euch“, sagt der Major und Bürgermeister, als diese beendet waren. „Stellt euch nur morgen auch Alle präzis ein und nehmt euch zusammen, besonders was das Feuern anbelangt, dass wir den alten Ruhm nicht einbüßen“.

Nach dieser öffentlichen Anrede zog er den Feldwebel Marte und den Korporal-Nachtwächter auf die Seite und flüsterte diesen seinen Vertrauen zu: „Ihr Leut‘, ich fürcht‘, dass uns die Zwei“ – hier winkte er verstohlen gegen zwei Rekruten hin – „morgen bei den Salven Confusion machen. Entweder schießen sie vor, oder, was noch schlimmer, sie laden unrichtig. Es wird gut sein, wenn sie morgen gar keine Patronen erhalten.!

„Herr Major“, warf der Feldwaibel mit wichtiger Miene ein: “ das wird’s nicht wohltun; wofür verzürnen die Leutele. Ich weiß ein besser Mittel, laßt mir mich machen. Morgen, bevor und dass wir einmarschieren, will ich tun, als visitiere ich ihre Musketen, und werde dann unvermerkt jedem einen tüchtigen Lichtstumpfen auf die Schwanzschraube hinunterstoßen; dann schießt keiner vor, es gibt kein Unglück, und die Leut‘ haben ihre Plaisir.“ – Der Major gab dieser Maßregel seine oberbefehlshaberliche Genehmigung und commandierte demnächst „Auseinander“, worauf sich die Buben schon längst gefreut hatten, weil sie jetzt ihren Alten die Musketen heimtragen durften.

Während alles dieses in der Stadt vorging, schritten zwei junge Burschen die staubige Straße von Bräunlingen her. Der eine, mit der Sense auf den Rücken, kam aus dem Felde. Der andere schien auf der Reise begriffen zu sein; er mochte etwa 24 Jahre zählen, ein stämmiger Bursche mit braunem Haar und rötlichem Backenbart. Die Reise konnte aber nicht allzu weit gehen, denn er hatte offenbar seine Sonntagskleider an: Über den neuen schwarzen Lederhosen, den neuen grünen Samtschoopen und das rote Leible. In der Hand trug eine schwanke Haselnussgerte, mit welcher er von Zeit zu Zeit durch den Schwarm Mücken hieb, der vor ihnen hertanzte. K

„Konrad“, sagte der mit der Sense, „das kann ich dir sagen, seit du auf dem Hofe bist, kennt man dich fast nicht mehr, du bist ein Weltkerle geworden“.
D’rum bin ich gesund, Gott Lob“, erwiderte der im Sonntagsstaat, „Essen und Trinken schmeckt mir, und überflüssige Sorgen mach‘ ich mir auch keine“.
Ja, wenn eine gewisse nicht wär!“
Du hast gehört läuten, und weißt nicht wo, Franzsepp“, meinte Konrad. „Was soll denn das für eine gewisse sein? – Vom Hörensagen lügt man gern“. –
Er suchte ablenkend das Gespräch auf eine andere Materie zu leiten, uls sie bald hernach gegen das Städtlein kamen, so dass man die vergoldeten Zeiger der Turmuhr sehen konnte, machte er ein Paar von den blanken runden Knöpfen an dem roten Leibe auf, zog eine Uhr an silberner Kette heraus, und nachdem er sie zuerst an das Ohr gehalten hatte, ob sie noch gehe, verglich er sie mit der Kirchturmuhr.-
„Sechs Uhr!“ , sagte er, „Die geht eine halbe Stund‘ früher als die Bräunlingerin. Sechse, Siebene – bis um Achte bin ich daheim.“
Ei was! kannst’s du auch Neune werden lassen“, rief der Franzsepp. „Jetzt müssen wir noch einen Schoppen Schweizer oder Markgräfler miteinander trinken in der Sonne, denn so jung kommen wir doch nicht mehr zusammen.“
Nichts da, sag Dank, ein andermal! für jetzt b’hüti Gott!“
„Aha, es zieht den Menschen eben heim; ei, das muss ja ein großmächtiges Zugpflaster sein, das so stark zieht. – Aber morgen kommst doch zum Fest?“
Ja, freili'“, rief Konrad zurück, der sich schon eilenden Fußes entfernte. Auf der steinernen Brücke, die vor dem Tore über die Bregach führt, machte er Halt und sah den eben zu Ende gehenden Evolutionen auf dem Anger drüben zu. Die Brücke ist ein Hauptschauplatz im Leben der Bürger dieser guten Stadt. Besonders am Sonntag nach dem Mittagessen wandern sie in aller Seelenruhe zum Tore hinaus und lassen sich auf der breiten steinernen Brustwehr um den heiligen Johann von Nepomuk nieder. Denn unter Gottes freiem Himmel spricht sich ja gar so gut von Allem, was die Woche über passiert, von Altem und Neuen, von Kriegs- und Friedenstagen. Diese Sonntagsfreude ist aber einem fleißigen Bürger wohl zu gönnen, sie kommt auch wohlfeiler, als die im Wirtshause.

Heute, an so einem geschäftigen Abend, war natürlich niemand auf der Brücke zu sehen als ihr Patron, der seit alten Zeiten in Stein gehauen, auf der Brustwehr steht. Zur Feier des kommenden Festes hatte man ihm bereits einen großen frischen Blumenstrauß statt des alten verwelkten in den Arm gegeben; er schien sich aber wenig daraus zu machen. Mit gesenktem Haupt und bedächtiger Miene sah er, wie immer, dem Lauf des Baches nach, der in einiger Entfernung die Stadtmühle treibt.

Der Wanderer verließ die Brücke und gegen den Fußweg hin, dadurch abgemähte Wiesen führte. Er achtete wenig auf die im Wege liegende, mit Kreuzen und Namen bezeichneten Bretter, die den Vorübergehenden zum Gebet für die Verstorbenen ermahnen, und doch hielt er mitten in seinem Geschwindschritte oft plötzlich ein, und bald ging es wie eine hoffnungsreiche Morgensonne in seinem frischen Gesichte auf, bald zog sich die gebräunten Züge wieder zusammen, als ob finstere Nacht und böses Unwetter im Anzug wäre. Solches Zögern verschaffte ihm noch einen Genuß, den kein echter Hüfinger diesen Abend entbehrt haben würde. Denn nachdem die Betglocken, welche in der Umgegend den kommenden Festtage verkündigten, ausgeklungen hatten, erfüllte die türkische Musik, nach langer gründlicher Probe auf der Rathaussstube, die Straßen mit ihrem Getöse, und in ihrer Gesellschaft rasselte der Zapfenstreich weit in die still gewordene abendliche Gegend hinaus. Er traf das Ohr des Wanderers, der aus der Zerstreuung auffuhr und plötzlich seine Schritte beflügelte.

Was trieb ihn denn so vorwärts, und hier sind immer wieder stille stehen? Dachte er an die Zeit, wo er noch mit seinem Ältern zu dem Hüfinger Feste gegangen war? oder an laue Sommerabende, wie dieser, wo er mit seinen Kameraden bis in die späte Nacht hinein auf der Bank vor dem Hause sang und schwatzte, und die Mädchen ihnen von oben zu den offenen Kammerfenstern heraus gute Nacht wünschen? Oder ging ihm die „Gewisse“, mit der ih der Franzsepp aufgezogen hatte, im Kopf herum? –

Hier ist nun der Ort, wo ihr mich meinetwegen unterbrechen mögt. Unser Freund hat seine zwei guten Stündlein von Hüfingen zu dem Dorfe zu gehen, wohin er trachtet. Wir können ihn jetzt verlassen und an einen anderen Weg einschlagen; wenn wir unsere Schritte fördern, so kommen wir immer noch zur gleichen Zeit mit ihm an.

Nun, da werden wir eben in die Gegend des russischen Feldzuges zurückgehen müssen.
Richtig. Der Marsch ist so weit nicht, als es den Anschein hat. Also, wie Konrad’s Eltern starben und sein und sein Xaver aus Russland, wo er im kühlen Schneebette schlief, nicht wiederkehrte, da hatte der 13-jährige Waisenknabe nur noch einen einzigen älteren Bruder. Der aber konnte sich selbst noch nicht helfen; er ging in den Dienst zu einem Vetter, der einen Hof oberhalb Mistelbrunn besaß. Durch Rührigkeit und Sparsamkeit hatte sich der Knecht bald so emporgeschwungen, dass er als Pächter des fürstlichen Meierhofes zu Waldhausen sich dauernd wieder niederlassen konnte. So blieb denn Konrad allein im heimatlichen Dorfe zurück. Dort nahm ihm ein Verwandter zu sich, der keine Kinder hatte, aber sehr für möglich war. Dieser Vatersbruder, den man den „Riedbauer“ nannte, war ein langer, hagerer Mann und sah fast dem hölzernen heiligen Antonius ähnlich, der auf dem Seitenaltar der Dorfkirche stand. Er sprach „wenig um einen Groschen“, wie man zu sagen pflegte; im Übrigen, wenn man ihn näher kannte, war er kein so übler Mann. Seine Frau war im Dorfe nicht sehr beliebt, auch stand sie keineswegs unverdient im Rufe des Geizes, denn sie wäre in der Tat im Stande gewesen, „die Laus und den Balg zu schinden“. Dieser trockene, einsilbige Vetter und dieses knickrische Weib war nun alles, was Konrad noch im Leben besaß, und kühle Tage kamen für ihn; denn was half es ihm, dass ihn sein Vetter im Stillen ganz gut leiden konnte? Der ließ sich nie darüber aus, und da ist der arme Konrad nicht merkte, so machte es ihm auch nicht warm. Arm aber war er wie eine Kirchenmaus; denn nach dem Verkauf seines elterlichen Gutes war über die Schulden hinaus so viel wie nichts übrig geblieben, und für ihn gab es keine Hoffnung, jemals ein freier Mann zu werden. Er wurde anfangs zum Hüten verwendet, um allmählich zu der Würde eines Oberknechts emporzurücken.

Dazumal war noch die Ross- und Nachtweiden im Gange, und mit ihnen bestand noch die alte Rossbubenverfassung, welche seitdem auch von dem raschen Lauf der Zeit umgestürzt worden ist. Da nämlich die jüngeren Hüter den ganzen Sommer über mehr draußen als daheim lebten, so war es kein Wunder, dass sich nach und nach ureigene Gesetze und Einrichtungen, die von den Alten respektiert wurden, unter ihnen gebildet hatten. So oft sie das erste Mal im neuen Jahre „ausfuhren“, das heißt die Rosse auf die Weide trieben, wurde ein allgemeinenes Turnier gehalten, worin sie einzeln mit einander kämpfen mussten. Die vier Stärksten, die in diesen Ringspielen Meister wurden, hießen die „Stillieger“ und waren die Oberhäupter der anderen. Sie lagen nämlich still, das heißt müßig und behaglich, auf dem grünen Rasen ausgestreckt, und während sie ein Spiel zusammen machten oder sich sonst belustigten, mußte ihre Unterthanen alle Arbeit für sie tun. Sie mußten ihnen die Pfeifen stopfen, anzünden, die Rosse auf- und abzäunen und, wenn sie sich verlaufen hatten, aus dem „Schaden“ holen. Mit einem Wort, die Viere waren die Herrscher und bei Streitsachen auch die Richter des kleinen Hirtenvolkes. Aber es galt auch etwas, um zu solchem königlichen Ansehen zu gelangen; denn der Ringkampf war kein Kinderspiel, und es mußte nicht weniger als Arm und Bein eingesetzt werden. So geschah es unserem Konrad, dass er am Wahltage im Zweikampf einen unglücklichen Fall tat und den Arm brach. Das Schicksal wollte nicht, dass er ein Stillleger werden sollte. Der Barbier des Orts, das sogenannte „Katzendoktor“, unterwarf ihn einer schmerzlichen und langwierigen Kur. Da hatte er nun, obgleich sein Vetter, der ihm gesetzte „Pfleger“, einen wirklicher Pfleger an ihm wurde, voller Muße, die Geduld zu lernen, zu der das Leben seine Insassen auf diese oder jene Weise erzieht.

Aber er hatte auch noch Muße, um anderen Stimmungen und Empfindungen in sich wachsen zu lassen. Konrad ging jetzt in sein 18. Jahr, und begann eben, wie es in diesem Alter zu geschehen pflegte, die Mädchen des Dorfes mit anderen Augen anzusehen, als sonst. Während er nun stille lag, nur freilich nicht auf so angenehme Art wie seine Kameraden draußen auf der Weide, konnte er seine Gedanken nach Herzenslust spazieren führen, und da mußte er bald die Erfahrung machen, dass dieselben eine Richtung nahmen, die er sich kaum vermutet hätte. Was er auch tun und wohin er sich wenden mochte, seine eigensinnigen Gedanken gingen immer denselben Weg. Zu wem spazierten sie aber? War es des Storchenfrieders Mareille mit den schönen roten Backen und den vielen Ringen an den Fingern? Oder des Tony’s „zumpferne“ Agnes? oder eine von des Müllers Töchtern? Keine von all diesen, so oft er sich auch ihre Tugenden und Vorzüge ausmalen mochte. Oder war es gar am Ende die, welche als Bub bei jeder Gelegenheit geneckt und ihr zu Leid gelebt hatte nach Leibeskräften, die um seinetwillen in Tränen zu sehen, ihm ein Genuss gewesen war? Ja die, die war’s, des alten, vermöglichen Vogts sein feines Mariannle, das er einst so gern in die Hölle geholt und gepeinigt hätte. Jetzt war sie groß und schön geworden, und mancher junge Bursche des Dorfes warf ein Auge auf sie oder auch zwei.

Freilich hätte er lieber auch jetzt wieder, wenn ihr liebliches Bild vor seinen Augen trat, ein böses Gesicht gemacht, nur damit sie ihm auf immer aus dem Sinne schwinden solle, denn er wusste wohl, welch Kluft sei, zwischen der reichen Tochter des Vogts und einem armen Bauernknecht. Er konnte aber nicht, denn immer und immer mußte er sich wieder an die freundlichen Augen erinnern, mit denen sie ihn letztlich angeschaut hatte, so dass es ihm dabei war, als sähe er in das Paradies hinein. Ihr roter Mund und ihre blauen Augen waren jedoch gegen alle Menschen freundlich, und er durfte sich das nicht zu sehr zu seinen Gunsten auslegen.

Als er aber das erste Mal wieder aufstehen und zu seinem Kammerfenster oben heraus sehen durfte, da konnte er noch nicht umhin, es für eine gute Vorbedeutung zu nehmen, dass es das erste Menschenkind, auf das seine Augen fielen, Niemand anderes war, als das Mariannele. Sie ging gerade unten vorbei, kehrte das Köpflein ein klein wenig herauf, erblickte ihn, rief ihm einen freundlichen Gruß zu und erkundigte sich nach dem kranken Arme. Durch diesen Arm aber rann es zur Stunde wie ein Strom von Genesung, denn es war derjenige, der zunächst am Herzen liegt.

Abermals kamen Tage, die nicht Jedem gefallen. Konrad machte sich mit denen, die seines Alters waren, auf nach der Amtsstadt zur „Ziehung“. Zu Fuß war sie ausgezogen, das ganze Dorf hatte ihnen Glück gewünscht. Abends kamen sie auf einem Leiterwagen, den sie mit der konscriptionspflichtigen Mannschaft des nächsten Dorfes zusammengenommen hatten, zurück. Schon in weiter Entfernung hörte man sie singen und johlen.

Als der Wagen in’s Dorf hineinfuhr und an dem Hause, an welchem die Bürger und Mädchen beisammen standen, vorbeifuhr, stimmten die lärmenden Rekruten ein Lied an. Und ein Buckliger, den der lustige Zufall Nummer Eins hatte ziehen lassen, brachte mit kreischende Stimme dem Soldatenstand ein lautes Vivat.

Die Mädchen lachten. Als ihnen aber Konrad den Hut, worauf eine gezogene Nummer steckte, mit den Worten: „Verspielt! Nummer 17!“ entgegenhielt, da wurden die gute Mariann‘ blass bis in den Hals hinunter, und wenn der Konrad nicht, wie jeder verliebte junge Mensch, blind gewesen wäre, so hätte ihm doch an seinem Rekrutentage ein Licht aufgehen müssen.

Ich bin eigentlich froh, sagte er zu sich, als er sich von der lärmenden Gesellschaft losgemacht hatte, ich bin froh, dass ich fort komm‘. Je weiter, je lieber, je eher, je besser. Auf die Mariann‘ kannst du dir keine Hoffnungen machen. Sie ist hübsch – dazu reicher Leute, Kind. Du hast nichts, und wo nichts ist, da hat der Kaiser ’s Recht verloren. Und zudem, setzte er hinzu, indem er sich selbst einen Nasenstüber beibrachte, wer sagt dir denn, dass sie dir hold ist, einfältiger Kerl? Also nur fort – Unglückskind – fort, fort!

Doch so schnell sollte es nicht gehen.
Hast du denn gar keine Fehler?“ Fragte ihn sein Vetter nach einiger Zeit, als er sich zur Visitation stellen mußte.
Zwanzig Jahre und kein Fehler!“, sagte die Riedbäuerin dazwischen. „das wär mir was! Jugend hat kein‘ Tugend.“
Von solchen Fehlern ist nicht die Red‘. Annekäther“, bemerkte der alte Rittbauer.
Keinen, dass ich weiß“, erwiderte Konrad. „Den linken Arm kann ich nicht mehr ganz biegen, seit ich ihn gebrochen habe.“
Das kannst du auf alle Fälle bei den Herren angeben“, sagte sein Pfleger. – „Ja“, dachte Conrad, „das werd‘ ich wohl bleiben lassen; Soldat sein, das ist’s ja eben, was ich will.“
Aber das Schicksal hatte ihn so wenig zum Helden als zum Stilllieger bestimmt.
Was ist’s denn mit dem Arm da?“ Fragte der Regimentsarzt bei der Visitation, jedoch in einem anderen Ton, als dass Mariannle einst gefragt hatte.
Ich hab‘ ihn vor zwei Jahren gebrochen“.
Untauglich!“ hieß es. Denn es war eben für selbiges Jahr ein besonderer kräftiger Schlag gewachsen, und die Herren wußten, dass noch ganz andere Kerle vor der Türe standen.

Nu, weit ist’s auch nicht gefehlt, dachte Konrad, als er aus dem Amzhause ging: das hab‘ ich schon gemerkt, dass der Soldatenstand just kein Schleckhafen ist. – Ich weiß nicht, woher er sich diesen Werks genommen hat. Aber als er in die Abstandsstube unter das Maß gestellt wurde und nicht gleich ganz aufrecht dastand, trat ihm der Unteroffizier auf die Zehen, und, ihm einen heimlichen Rippenstoß verabreichend, murmelte er in den Bart hinein, „Aufrecht, dummer Bauerntölpel!“ Wie aber der Konrad auf dieses mit einem grimmigen Blick seine ganze Länge entfaltete, ließ er ihm das Maß so derb auf den Kopf fallen, dass der arme Rekrut sich darüber verschütteln mußte.

So hat ihm also das Vorhaben, durch die Nötigung der Umstände aus seinem heimatlichen Dorfe zu entkommen, fehlgeschlagen, und es blieb mir nichts anderes übrig, als ein freiwilliges Losreißen. Denn aushalten konnte er es länger nicht. Mußte er nicht tagtäglich mit ansehen, wie sich die vermöglichsten Bursche um des Vogts Tochter bewarben?

Die Familie des Mädchens gehörte zu den wohlhabendsten der Baar. Seit mehr als einem Jahrhundert war das Vogtamt beständig bei diesem Hause verblieben. Der älteste Besitzer des Stammgutes hatte unter anderem das Recht, mit eigenem Wappen zu siegeln, und selbst die regierenden Fürsten beliebten früher Zeit während der Jagd öfters ihre Einkehr in dem wohlgelegenen Bauernhause zu nehmen.

Kein Wunder also, dass der Vogt einen gewissen angeerbten Stolz und behäbige Selbstgefühl zur Schau trug. Zudem war er der Mann, der noch viel auf alte Sitten und Bräuche hielt. So herrschte zum Beispiel in dem Dorf noch die Sitte, die Gemeindeversammlungen im Freien unter der alten Linde bei der Kirche abzuhalten. Am Sonntag, wenn Wichtiges verhandelt werden sollte, postierte sich der Bannwart jedes Mal an die Kirchtür und entbot dem herauskommen den Bürger mit den Worten: „Ihr Mannen, ’s ist G’meind, Ihr sollet warten unter der Linden!“

Als einige Neurer später darauf drangen, die Versammlung, wie bereits anderwärts, im neuen Schulhause abzuhalten, stand sich der Vogt, der bei dieser Gelegenheit in eigensinnigen Widerspruch und Wortwechsel gerathen war, bewogen, das Vogtamt abzugeben, und vom Gemeindewesen gänzlich sich zurückzuziehen.

Um diese Zeit waren namentlich Zwei, der Sohn des Krämermichels und der Sternenwirtssohn: die waren nach anderthalb jähriger Abwesenheit wieder in’s Dorf zurückgekommen, trugen städtische Kleider und konnten etwas französisch. Diese „Modebuben“, wie sie von den Bauern genannt werden, fanden natürlich das Heimatleben gar nicht mehr nach ihrem Sinn. Anfangs taten sie, als ob sie gleich wieder umkehren wollten; der eine wollte sich in Straßburg oder Lyon, der andere in Bern oder Lausanne ein Geschäft gründen. Nur ihren Eltern zu gefallen, entschlossen sie sich endlich zu bleiben. So sagten sie wenigstens. Für diese Aufopferung aber machten sie sich durch stehende Redensarten bezahlt. „In Frankreich ist es so und so“ pflegte der Eine, der ein halbes Jahr im Elsass gewesen war, bei jeder Gelegenheit zu sagen. Der Andere hatte die Parole umgekehrt: „So ist’s in der welschen Schweiz nicht“, warf er hin, so oft ihm etwas mißfiel.

Leider aber stieß er erste, der Franzos‘, auf etwas, das er in Frankreich nicht so gefunden zu haben schien; denn er begann auf einmal der Mariann‘ auf’s Angelegentlichste den Hof zu machen. Als Konrad das gewahrte, so litt es ihn nicht mehr im Dorfe.

Sein Bruder hatte ihm schon früher den Antrag gemacht, zu ihm auf dem Maierhof zu kommen, um den Dienst eines Oberknechts bei ihm zu versehen. Ein Antrag, der unserem Konrad eben recht kam.

Am „Bündelstage“ nach Weihnachten, wo das Gesinde wechselt, schnürte auch er sein Bündel. Sein wortkarger Vetter machte ihm den Abschied nicht sonderlich sauer. Seine Kleider hatte er einem Krämer aufgeladen, und eines Morgens, von dem ich nicht weiß, ob er schön war, verließ er das Dorf mit seinem Bündeleien, das er in ein rotes Taschentuch eingewickelt trug. Es war ein eigener Zufall, dass das Mariannele just unter der Hausthür stehen mußte, als er vorüberkam. Sie wünschte ihm Glück auf den Weg und sah ihm eifrig nach. Seines Vetters großer Hofhund aber begleitet ihn noch eine Strecke vor das Dorf hinaus; dann trollte er sich wieder heim.

Auf der Höhe blieb Konrad stehen und sah sich um. Einen Schritt und noch einen, da war sein Dorf hinter dem Walde verschwunden. Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn.

Der Pachthof, zu dem wir den jungen Landwirt begleiten, liegt auf einem stillen, waldbegrenzten Tal hinter dem Städtlein Bräunlingen, auf der Grenze zwischen der Baar und dem Schwarzwald. Auf kahler Anhöhe schauen die Überreste einer Burg. Das Wiesengelände, in dessen Mitte der Maierhof, ein weitläufiges steinernes Gebäude mit zackigen Giebeln sich erhebt.

Wenn es wahr ist, dass Tätigkeit und Unmuße am Besten geeignet sind, von Fällen von selbstquälerischen Sinnen und Grillenfangen abzulenken, so hätte es hier unzweifelhaft unserem Konrad gelingen müssen, seine Gedanken loszuwerden. Denn da galt es tüchtig Hand anzulegen von morgens früh bis abends spät. So sehr der Oberknecht und Gehilfe aber auch mit Arbeit überladen war, fand er dennoch Zeit genug, sich wachend und schlafend an die Heimat zurück zu träumen. –

Wenn die Schneestürme durch die winterliche Gegend wehten oder in kalten, hellstirnigen Nächten das Eis im nahe Teiche krachte, und Abends das Gesinde um den warmen Ofen sich gelagert hatte, führten ihn seine Gedanken nach Hause. – Jetzt, dachte er, werden sie beim Pfleger um den runden Tisch sitzen, und die Weiber spinnen, dass der Ofen zittert, und die Männer liegen auf der Ofenbank. Jetzt wird der alte Kasper hereinkommen, er reibt die Hände, klagt über die Grindskälte und setzt sich in den Herrgottswinkel, wo er zu erzählen anhebt.

Von den „alten Zeiten“ kommt er auf sein Lieblingsthema, die Geister, um so lieber, wenn der Wind gerade recht schauerlich um Kamin und um die Dächer rumort und die „Nachtfrau“, wie er sagt, um die Häuser schleicht. – So hörte ihn Konrad alle die alten Geschichten wieder vorbringen: vom „Berchenappele“ und anderen gespenstischen Weiblein, die in den Wäldern zwischen Hüfingen und seinem Heimatorte ihr so neckisches Wesen treiben sollen. – „Der Krieg“, schloss der Alte gewöhnlich, „hat die Geister alle vertrieben, d’rum hört man auch so wenig mehr davon“.

Solche und ähnliche Szenen malte sich in ungestörten Augenblicken der Träumer gerne aus. Aber der Besuch in der Stube seines Pflegers war gleichsam nur Vorwand, denn von da begaben sich seine Gedanken alsbald um ein Haus weiter zu kehrten in das Vogtes Heimwesen ein, obgleich sie daselbst eigentlich ein kein Hausrecht hatten. – Doch wir dürfen uns nicht zu lange aufhalten, wenn wir heute noch, da er sich leiblich der Heimat nähert, gleichen Schritt mit ihm halten wolle, denn seht, er ist auf einmal bedeutend in der Marsch geraten, und wenn ihm das „Appele“ unterwegs keinen Streich spielt, so kann er noch zeitig genug kommen, um den alten Kaspar von ihm erzählen zu hören.

An einem hellen Februartag ging Konrad, vor der Sonntagskirche, auf einen der nächsten Berge, die „Windstelle“ genannt, und erstieg hier die höchste Tanne, um nur wieder einmal den Kirchturm seines Dorfes zu erblicken. Er hatte eine weite, weite Aussicht da oben, über all die dunklen Tannenwälder hinaus, in die Baar, bis an den blauen Osterberg und den hohen Randen. Da saß er denn, während ringsum die vielen Morgenglocken zusammen klangen, und sah und suchte; aber er konnte den wohlbekannten Turm nicht finden. Da, sagte er, indem er mit der Hand gegen den Fürstenberg wies, da muss er liegen. Eine ganze Stunde saß er auf dem Baum, bis sich die Ferne in bläulich weißen Duft gehüllt hatte; dann stieg er ein wenig mißmutig herunter doch war es dabei wunderlich zu Sinne, just als schon der Frühling anbrechen wollte.

Als er auf dem Hofe zurückkam, grüßte ihn ein Landsmann und richtete ihm aus, dass seine Base, die Riederbäuerin, gestorben sei. Der gute Vetter dauerte ihn herzlich, denn er wusste wohl, dass ihm seine Frau trotz ihres unfreundlichen Wesens unentbehrliche geworden war. Die Ehe hatte unter manchen wunderbaren Geheimnissen auch das, dass sie selbst widersprechende Charaktere mit einem unauflöslichen Bande umschlingt, und es gibt Beispiele, dass zwei Leute selbst durch Zanken und Keifen, das einzige Produkt ihres Ehevereins, so aneinander gewöhnt und gefesselt waren, dass der überlebende Teil bald seinen losgelassenen Widerpart nachwelken musste.

Am Donnerstag, sagte, der Bote, sei das erste „Opfer“. Dann überbrachte er dem Konrad noch verschiedene Grüße, darunter aber auch einen ganz besonderen vom – Mariannele.

Letzterer traf ihn wie ein Blitzstrahl. Und es schien kein kalter Streich gewesen zu sein; denn am folgenden Morgen ging Konrad mit entschlossenen Schritten im Hause umher, wie wenn ihm der schwarzwäldische Unternehmergeist in den Kopf gestiegen wäre. Ich wag’s! , sagte er endlich und ging auf seine Kammer. Was er aber wagen wollte, sagte er nicht. Nur war er den übrigen Teil des Tages das Gegenteil von dem, was er Morgen gewesen. Es schien ihn etwas zu gereuen, was er nicht wieder rückgängig machen konnte; er schlicht betreten umher und fast schüchtern, so dass der alte Veitle, der Karrenknecht, vermutete, es sei ihm der Geist begegnet, der in dem Hofe zu weilen sich hören lasse, wenn er mit seinem Viergespann rassend durch das Haus fahre. – So viel ist übrigens gewiss, dass der junge Mensch so zerstreut war, dass er den Pferden den Wasserkübel statt des Heu’s in die Krippe schüttete.

Was hatte er denn gewagt? Es gab Jemanden, dem dies nicht lange ein Geheimnis bleiben sollte. Denn wie das Mariannele den nächsten Abend aus der Vesper kommt, steht ein Schneidergeselle, der früher im Ort gearbeitet hatte, ihr auf dem Weg, richtet er viele hundert Grüße aus vom Konrad, – der sei nämlich bei ihm gewesen auf dem Waldhauserhof – und praktizierte ihr dabei ein Brieflein in die Hand.

Sie wurde blass und rot vor Schrecken und hätte beinahe das schwarz im Goldschnitt eingebundene Gebetsbuch und den Rosenkranz mit den blanken silbernen „Gottesregeln“ (Pathengulden) aus der Hand fallen lassen. Nichts desto weniger flog sie, nachdem sie den Schneider mit halber Stimme gedankt hatte, auf ihr Kämmerlein, wo sie das stark verklebte Brieflein öffnete und unter Herzklopfen las. Von diesem aber liegt das Original bei den Alten und lautet folgendermaßen:


Das Jokobifest war in Hüfingen sehr wichtig und wird auch schon im Hieronymus behandelt.

In Hüfingen ist schon seit dem Mittelalter ein Abzweig zum Jakobusweg. In früheren Zeiten gab es in Hüfingen viele Pilger. Ein Pilger auf dem Weg war deshalb ein Jakobsbruder. Deshalb bemerkt der Hafnermeister (Ofenbauer) mit dem Sappeursbart (sapeur=Steinhauer): „Es wird einen merkwürdigen Zulauf von Fremden geben„.

Eine etwa 300 Jahre alte Fahne der Jakobuspilgerbruderschaft erinnert noch heute an diese Pilgerwanderungen. Die Jakobusfahne wird an Fronleichnam bei Prozessionen mitgeführt und wurde vom FF Hofmaler Franz Joseph Weiß (*15.02.1735 Hüfingen – 14.06.1790 Donaueschingen) gefertigt (siehe im Hieronymus Kapitel 17). Ebenfalls erinnert der Jakobusbrunnen vor dem Hüfinger Stadtmuseum und der Jakobusaltar in der Hüfinger Stadtkirche St. Verena und Gallus an die Jakobusverehrung.

Bildstock zu Ehren des Stadtpatrons St. Jakobus von Bernhard Wintermantel 1987

Im Jahre 1824 fiel der Samstag auf den 24. Juli, also war das Jakobifest auf das sich Hüfingen vorbereitet am Sonntag den 25. Juli 1824.

Lucian Reich beschreibt hier genau die Vorbereitungen in Hüfingen auf das Fest, an dem er selber 7 Jahre alt gewesen ist.

Schützenhaus

Das Schützenhaus stand bis 1839 auf dem Anger beim Farrenstall und die Breg wird in jener Gegend noch immer Schützenbach genannt. 1848 wurde dann im “unteren Angel” ein neues Schützenhaus errichtet. Nach der Schützenordnung des Fürsten Karl Friedrich vom 8. Juni 1744 wurde das “Ordinarii- Wochen- und Gesellenschießen” mit “Bürstenbüchsen” zur Pflicht gemacht. (1)

Das Schießen begann nach dieser Ordnung alljährlich am Sonntag nach Georgi (23. April).

Der Schützenmeister Franz Xaver Reich (der Bruder von Lucian Reich) schrieb am 2. April 1859, dass der Fürst zu Fürstenberg der Gesellschaft das Abbruchmaterial des Kegelhauses im Schloßgarten zum Bau eines neuen Schützenhauses als Geschenk überlassen habe. (1)

Postkarte von 1929 aus der Sammlung Dieter Friedt. 

Das Fürstenbergische Kontigent Schwäbischen Kreises (1)

Mit dem „Bündelstag“ ist sicher Mariä Lichtmess gemeint.
Dies war einer der wichtigsten Tage im Bauernjahr, da am 2. Februar Knechten und Mägden in der Landwirtschaft erlaubt war, ihren Dienstherrn zu wechseln.

Heiliger Nepomuk in Hüfingen

Ölbild von Martin Menradt 1682 mit der alten Bregbrücke
Foto aus der Chronik von August Vetter 1984 

Der Hüfinger Kirchturm hatte es damals den Menschen wohl sehr angetan. Hierzu fällt mir der Ferienbummler von Josef Schelble aus dem Jahre 1899 ein. Hier kann man auch dem Mühlenbach und dem damaligen Stadtmüller begegnen:

Nach der lieben Vaterstadt
Die den grünen Kirchturm hat

Der Maierhof und die Schafweide Waldhausen gehörte damals dem Kloster Bebenhausen, einer Zisterzienserabtei, wobei Lucian Reich schrieb „fürstlicher Maierhof zu Waldhausen“. Waldhausen gehörte tatsächlich den Fürsten zu Fürstenberg und war bis zur Eingemeindung nach Bräunlingen selbstständig.

Über das Leben der „Roßbuben“ und auch die „Stilllieger“ hat Lucian Reich auch schon im Hieronymus berichtet. Auch die Roßbubenverfassung macht er hier wieder zum Thema.
Am Ende des Kapitels wird der Pfingstritt der Knechte und Roßbuben beschrieben, an dessen Ende der Pfingsthagen in den Brunnen geworfen wurde.

Die „Riedbauern“ lebten vermutlich Richtung Rieböhringen bei Hausen vor Wald, da er ein bis zwei Stunden von Hüfingen unterwegs war, den Fürstenberg sehen konnte und der Vogt gerne im Adler einkehrt.

(1) Aus den Schriften der Baar 17 (1928), Georg Tumbült: Das Fürstenbergische Kontigent Schwäbischen Kreises.

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