Unzentrierte Jahresringe

Unzentrierte Jahresringe

8. November 2023 0 Von Dr. Franz Maus

Liebe Bürgerpostleser, 

mir ist vor Jahren aufgefallen, wie bei einem waagrechten Kiefernast die Jahresringe sehr unzentriert verliefen. Dann entdeckte ich diesen Herbst das Phänomen an einer gefällten dürren Kiefer. Vom Ring 0 sind es nach außen an der dünnsten Stelle nur 9,5 cm und nach gegenüber 16 cm. Also ganz beachtlich unterschiedlich. 

Ist Ihnen so etwas auch schon aufgefallen und haben Sie sich gefragt, womit das zusammenhängt? 


Ich stellte dieses Foto in den Whatsapp-Status und viele meinten, dass es mit der Sonnenseite zu tun habe und dass dort die größeren Ringabstände seien. Das stimmt nicht, Sonnen- und Schattenseite haben keinen Einfluß auf den Abstand. Das bestätigte Reinhold Mayer, mein Ex-Dezernent, dessen Hilfe in Anspruch nehmen durfte. Es ist etwas, was den Baum zwingt, gerade zu bleiben. Was könnte das sein? Zum einen, wenn ein Baum konstant stark einer Windrichtung ausgesetzt ist. Bei uns sind das im Regelfall Westwinde. Zum anderen bei Traufbäumen, bei denen die Äste auf der Taufseite viel zahlreicher und stärker entwickelt sind als die zum Wald hin. Und zum dritten, wenn ein Baum an einem Hang wächst und er schauen muss, dass er gerade nach oben kommt. Das war bei meiner Kiefer der Fall. Jetzt noch die Frage, auf welcher Seite sind die Ringe weiter auseinander? Was denken Sie? Auf der Seite, wo der Baum sich „wehren“ muß, also auf der Wind abgewandten Seite, gegenüber der Traufseite und auf der Hangabwärtsseite. Nur so kann er ein gerades Wachstum erreichen. Das ist doch interessant. Reinhold Mayer schrieb, dass man das Holz mit den breiteren Ringen Reduktionsholz nennt und das mit den schmaleren Ringen Zugholz. Interessant war für mich, dass diese unzentrierten Bäume als „Holzfehler“ gelten, die höherwertigen Verwendungen entgegenstehen. „Als Schwarzwaldförster bekam ich das hin und wieder bei Preisverhandlungen zu spüren. Vor allem beim Export nach Österreich reagierten die Abnehmer stark auf diesen Holzfehler“. Martin Tritschler aus T.-N.- Schwärzenbach, ein großer Waldbesitzer und Sägewerker berichtete, dass sich dieses Holz beim Sägen in alle Richtungen krümmen und drehen kann. „Balken zu sägen ist normaler Weise kein Problem, aber Latten sind eher schwierig zu sägen“. Hätten Sie das gedacht? Zwei Aspekte noch, der Baum hat an der Stelle 75 Jahresringe, die letzten 25 waren sehr dürftig. Kiefern besitzen ein stabiles Kernkolz und ein instabiles, Pilz- und Insektenbefall anfälliges Splintholz. Der Übergang ist nicht ganz klar, weil Bläuepilze das Äußere befallen hat. Im Kernholz finden sie aber keine Nahrung.  


Das Bild oben ist beim Veredeln unseres Apfelbaumes entstanden, Ende April 2023 im Garten durch den Spezialisten Hans Hasenfratz aus Mundelfingen. Sie sehen die vier Anschnitte für die Veredlungszweige, die erfreulicher Weise alle angewachsen sind. Sehen Sie, wie unzentriert die Jahresringe an diesem ziemlich waagrechten Ast sind? Hammerhart würde ich sagen, nach unten doppelt so breit wie nach oben. Sogar die Rindendicke ist beeinflußt, wobei eine dickere Rinde vermutlich auch einen dickeren Jahresring ergibt. 

Nur so kann sich der Ast gegen die Gravitationskraft senkrecht halten. Was es nicht alles gibt.

Herzliche Grüße
Franz Maus