Mit de Draisine zum Herrgottstag

Mit de Draisine zum Herrgottstag

13. Juni 2023 0 Von Hubert Mauz

„So Gschichte muss man am Morgen aufschreiben, wenn die Träume noch wach sind“.

Thomas Hürlimann

Aufgenommen in Oelsnitz/Erzgebirge von Kora27

Fotos von Wikimedia

Eisenbahnfahrrad – Technisches Museum in Berlin von Piotr Tysarczyk
Handhebeldraisine im Bayerischen Eisenbahnmuseum zu Nördlingen von Flominator (talk)
Herrgottstag gesprochen von Maria Simon.

Wenn des de Freiherr von Drais no mitkriegt hett

Herrgottsdag- Morge Aafang 1920- er Johr: Am Untere Bahwartshiesli z Degginge sind Motter Sophie, de Wilhelm, d` Berte , s`Klärli und de Seppli mit em Sunntigshäs vor de Hieslitüre fertig zum Abfahre an Herrgottstag gi Hifinge. S Häergatter isch kontrolliert, dass jo kon Fuchs im Hennefang e Bluetbad aarichtet S. Mekker- Gäessli und grunzig s `Süehli isch gfuetteret und und de Duubeschlag speerangelwiit uffklappt. D Sophie isch e Ur- Hifingeri und sie hät en Hotz ghierote, de Lixx, de Felix Hilpert vu Hiesere bei St. Bläsi im Obere Hotzewald. Ihn häts gi Degginge ad Bah verschlage. S kursierend Familie Grüecht sait, dass er ebbis verbootzget heb, de bärestark, oerche Haumoeschter us de Urwaldähnliche Wälder um Hiesere rum. Dä, z Uurberg, Dachsberg, Blasiwald und Menzeschwand kennt er sich uus wie im oegene Hosesack. Dä hinne hond sie scho immer gern gwilderet. De Lochheiri, de muusarm Gietler mit eme Stall voll Kind häts mit em Lebe zahlt. De gnadelos Waldhieter hät ihn in Flagranti verwischt und mit de Flinte verschosse. S Opfer isch wege dere Gnadelosigkeit aber zum heimliche Held, zum „Ganghofer“, vum St. Bläsemer Land wore. Die Not vu dene ville Halbwaisle vum Lochheiri us em Mucheland hond die raue Hotze dem Förster und de Obrigkeit uff langeewig nit vergesse. Sogar e Wirtschaft „Zum Lochheiri“ i de Iisebrechi bi Schluechs gihts, ganz zum Aadenke an den Wilderer, der us Mundraub- Not gwilderet hät. Wege so ere ähnliche Kummedi isch also de Lixx wahrschienli entweder freiwillig vu dä vertloffe oder sie honds ihm nahegleit. Er soll doch lieber oehmets änni gau, wo`s weniger dichte Wälder und weniger Reh und Hase gäb. Zum Biispiel uff die offe Boor.

So soll also de Lixx gi Degginge kumme sii, a d Bah und is „Unter Bahwartshieli“. Dä wo jetzet de Thomas Esslinger huuset. Dä sind au alli vier Kind uff d Welt kumme. Dieselle Kind also vum Lixx und de Hiefingeri, de Sophie, geborene Kramer, d Schweschter vum letzte Städlibuur Beppi Kramer, us em Siesse Winkel, sind dä z Degginge uffgwahse.

Hai, Hai, hucket huff

Vor em Bahwartshiesli stoht e Gamp- Draisine nebem Gleis. Gamp Draisine sind die bei de Bahn normale Gschierer, die i de Mitti zwei Schwengel hond wie bei ere Gillepumpi zum uff- und abgampe. En Exzenter triebt denno d Achs aa. Im Gegensatz zu de neie, moderne Tourischte- Draisine mit Fahrradtreter und Ketteritzel. Mit e paar Flüech schindet de bomstark Lixx des Gschier uff s Gleis. De ältscht, de Wilhelm, au scho e gross Kamel, hilft ihm debii. Im Lixx sin legendäre Fluech, der sich bald i de ganze Familie iignischtet hät, war : „Mundidie“, nu den därf er i sim Hotzejähzorn uussiblose, wenns wieder mol klemmt. Dodruff aachet die gottesfüerchtig und volksfromm Sophie wie en Gendarm. Vu wege die booremer Universalflüech wie „Herrgottsackrament“, „Himmel Arsch und Wolkebruch“ oder „Gottverdammi“. So holose, gottsläschterliche Fluech usem Hotze- und Buurefluechrepertoir gihts bi de Sofie nit. Nit ummesuscht isch de ältscht, de Wilhelm, später au Pater und Missionar z Brasilie wore. Den zuelässige, nit biichtpflichtige Fluech, hät übrigens de Lixx us em 1. Weltkrieg us Lothringe mitbroocht, und denno verhotzewälderet. Er kunnt lammfromm und d Sophie äschtimiert nuu den Fluech. Er kunnt vum französiche „Mon Dieux“.

D`Berte, d`Motter Sophie, de Josef, s`Klärle, de Felix und de Wilhelm vor em Bahwartshiesli z Degginge (dehindert s Fahrrad mit Karbidfunzel)
Getti Wilhel und Sigfried Kramer

Also stieget alli noch em letschte luute „Mundidie“ uff die verrusste, mit em Staubwedel, em Honefiefer, abgstaubte Sitzbänkli vu de Draisine. Vorher isch no en aalte Heardepfelsack uff d Dielebretter Sitzbänk gleit wore. De Vater Lixx und de Wilhelm gond an Gamp- Schwengel und die Draisine nimmt Fahrt uff gege Huuse und Hifingen. De Fahrplan vu de Hölletalbah hät de Bähnler natierli genau im Kopf und die uffzoge Sackuhr zoeget genau aa, wenn sie z Hiefinge ab em Gleis sii mond. Weils geg Hiefingen liicht bergab goht rennst wie de Deifel und i 20 Minute micket de Lix am Herregarte, D Maidli, de Josef und d Sofie stieget ab, sortieret s Feschtagshääs und de Wilhelm und de Lixx schindet die bolleschwer Draisine uffs Bankett. Jetzt kaa de Zug vu Eschingen gi Friiborg, oder de Bregtäler gi Fortwange dampfe und schnuufe.

Herrgottstag

Fascht jede Gmond hät sin hochheilige Fiirtig. Entweder s Patrozinium, oder, wie uff de Reichenau de Markustag, z Weingarte de Bluetritt, de Leonhardi Tag z Lenzkirch, z Appezell Fronleichnam oder ebe z Hiefinge de legendär und populär Herrgottstag. Die Däg zellet fascht meh wie die Hochfeschter Wihnächte, Oschtere oder Pfingschte.

No isch vor em Hochamt Ziit zum beim Getti, em Brueder und em Schwoger, bei Kramer Beppi und de Emme im Süesse Winkel uff en Zigorie Kaffe mit frisch bachenem Zopf vorbei z gucke. Die ganz Kramer Sippe füllt aaschliessend oe ganzi Bankreihe im Hochamt i St. Verena uus und innbrünschtig wered die Lieder, die an ere Schiebenummere Tafel unter de Kanzel hängt, im Magnifikat uffgschlage und mitgsunge. Noch em erhebende Te-Deum mit Orgelgebraus stellt mer sich zu de Prozession uff. De Pfarr mit de Monschtranz unterm Baldachim, unterm Himmel, voruus. Nuu er schriitet würdevoll mit em Allerheiligschte über de kunstvoll und hingebungsvoll uusgleit Hiefinger Bluemeteppich. Die farbefroh und aarührend Art de Natur und de Schöpfung z huldige, des hät de Xaver Reich vun ere Studiereis anne 1841 us Italie mitbroocht und dodemit Hiefinge und de Herrgottstag, Fronleichnam im ganze Südweschte berühmt gmacht. So könnts immer no sii, wenn nit die Wiesemonokulture, des Silofuetter und de Kunschtdünger die wunderbare booremer Bluemewiese fascht ganz uusgrottet hättet. Tausende Schauluschtige verfolget gerührt mit eme sanfte Gänsehautgfühl des Gesamtkunstwerk wenns stattfindet, den spirituelle Hifinger Kult: Die poesivoll, volksfromm Prozession über d Bluemeteppich, vorbei a de kunstvolle Bluemebilder- Altärli vor de Hieser.

Mir gond zum Herrgottstag

Noch dem erhebende Ritual gihts no bim Getti e gueti Nuddlesuppe, en Schunke im Brotdoeg mit Herdepfelsalot und en Zigorie Kaffe mit eme Käskueche und eme steife, fettige Buureschlagrohm. De Getti und de Lixx rauchet no en Burgerstumpe, d Wiiber verzellet und verkartet s Neischt us em Städtle , de Verwandschaft, vu Hiesere und vu Degginge.


Herrgottstag anne 2019 z Hifinge


Hoemfahrt

D Sackuhr vum Lixx zoeget aa, dass mer die Zugpause um Vieri nutze muess, zum mit de Draisne hoem, gegg Degginge z`Giege. D Draisine word wieder uffs Gleis gschunde und de Wilhelm und de Lixx mond jetzet aber draa. Mundidie. Es goht nämli berguff und do rennt des Monstrum nimme so gattig wie bei de Aafahrt zum Herrgottsdag.

Die Aareis vu dere Bagage mit ere Draisine düerft die kuriosescht Bsucherfahrt vum Hifinger Herrgottsdag zu dere Ziit gsii sii. Do kummet nit emol die Aafahrte vum Tal, vum Rande und de Westboor mit de kleine Bulldöggli aa, wo uff em ohne Radkaste Sitz d Grossmotter huckt, und uff em andere d Bierin. Und uff de Ackerschiene Kischte d Kind.

Und de Freiherr von Dreis het bestimmt die allergröscht Freid ghaa mit dere Reiseart mit sinere Bahgleis- Draisine , obwohl er wohrschienli evangelisch war.

Jo, so wars.

Fronleichnamsfilm von Ernst Kramer 1931