Ich bin ein Bregtäler
(Ein Spruch aus dem Narrativen Gedächtnis der Nation)
Heimweh soll für Kinder, aber auch Hochbetagte, eine schwer ertragbare Sehnsucht sein, ein Seelenleiden. Bekanntermassen können sich aber historische Artefakte leider nicht mitteilen und ihren Schmerz nach außen tragen. Dazu braucht es dann doch sehr einfühlsame Menschen, die diese Gefühlslage der sprachlosen Relikte ahnen und aufspüren.
In einem Depot vom Eisenbahnvirus angesteckten Bähnlern liegen zwei derartig schwer Heimwehgeplagte Raritäten. Auf dem legendären “Bregtäler“, der aufgegebenen Eisenbahnlinie von Hüfingen nach Furtwangen durchs liebliche Bregtal, fuhren ab 1900 zwei Waggons, ein Personenwagen Typ Holzklasse, also 3. Klasse, und ein Post- und Güterwagen. Zahllose Fahrgäste, Werktätige, Schüler, Beerliwieber und Kinder mussten sich auf den harten Tannenholzbänken durchrütteln lassen bis sie ihr jeweiliges Ziel erreichten. Den Paketen, Kisten, Milchkannen und Postsäcken ging es ebenso. Nachdem diese Waggons durch moderneres Rollmaterial, so der Fachjargon, ersetzt wurden, rollten diese stählernen, einheimischen, eingesessenen Bregtäler Waggons nach Ottenhöfen und sollten dort als Zuroller, also Zuwanderer heimische Ortenauer werden. Wie war das mit dem verpflanzen von verwurzelten Bäumen?
Als nun in diesem rührigen Eisenbahnverein wieder mal eine Inventur anstand und der Staub der Jahrzehnte abgesaugt wurde, stiess man auf ein Torso, ein Puzzle, wie sie es nennen. Zwei Gerippe wie in der Archäologie. Aber halt in der Bahnwaggon- Archäologie. Und siehe da: Das sind ja “Bregtäler, “Ur- Bregtäler”, Ureinwohner des Bregtales.
Als sie dort keinen Ertrag mehr brachten, drohte ihnen das Verglühen in den zischenden Schweissbrenner-Flammen der Bahnbetriebs- Abwrackhallen. Im letzten Augenblick erbarmten sich warmherzige, gütige Eisenbahnfreunde dieser altgedienten Raritäten. Sie wurden im Fundus und dem witterungssicheren Depot dieser rührigen Traditionalisten eingelagert. Wer kennt sie nicht, die Scheunen, Speicher, Schöpfe, Hallen, wo Historisches zwar nicht dem totalen Verfall, aber dem Staub und den Spinnweben anheim fallen. Und vor allem meist schnell aus dem historischen Gedächtnis und Vermächtnis fallen.
Eisenbahnwagen haben aber fast unvergängliche Typenschilder, Prägestempel und Aufschriften. Also eindeutige genetische Fingerabdrücke. Und sie sind in einem akribisch geführten, sicherem Bahn- Technik Archiv gelistet. Darin können dann diese begeisterten Bähnler die Herkunft dieser Relikte mit Kennerblick und Spürsinn auslesen und ablauschen.
Die Kunde kam auch ins Bregtal und verblüffte deren Bewohner. In deren Gedächtnis jedoch ist der Erinnerungsschwund an dieses Bähnle und diese Zeit derzeit galoppierend. Nur noch wenige realen Relikte, einige Literatur, verschieden Artikel, Reliefs und bezeichnende Hinweise wie “Bregtäler Loipe” oder ” Zindelsteiner Bahhöfle” und “Bahnhof Hammereisenbach” erinnern ideell an die “Bregtäler” Zeit.
Darum gibt es jetzt Überlegungen, ob es durch diesen Fund jetzt nicht an der Zeit wäre, auch real mit einer Heimholung den Erinnerungsschwund, die Demenz zu behandeln, abzuschwächen und sogar zu stoppen.
Mal sehen ob die beiden schrulligen Alten Bregtäler den Mythos des “Jägermeister Express”, so nannte man den Bregtäler zu Diesel-Triebwagenzeiten wegen dieser Aufschrift, die Erinnerung erneuert und wiederbelebt.
Mundartversion :
Ich bi en Bregtäler
Hoemweh soll für Kinder und alti Liit en schwere Breschte sii. Historische Überrescht kennet aber derlei Kummer nit verzelle und iis mitteile, weil sie nit schwetze kinnet und ihren Kummer nit uussiblose kinnet. Do dezue bruuchts halt doch gfühlvolle Liit, di wo die gspürte Gfühlslage erlausche kinnet.
I me Depot vu verruckte Iisebähnler lieget derziit zwei so Hoemwehplogti, so Raritäte. Uff em Bregtäler, sellere legendäre, uffgäbene Nebebahlinie vu Eschinge gi Furtwange dorchs lieblich , still Bregtal sind sit 1900 zwei Bahwägge grottlet. Typ Holzklasse , also 3. Klasse, mit herte Tanneholzbänk. De ander war en Post- und Güeterwage. Ganzi Generatione vu Arbeiter, Schaffer, Schueler, Berliwieber und Kind sind uff dere Bah dorchgschittlet wore. Dene Paket, Kischte, Milchkante und Postsäck isches genau so gange. Nochdem die Wäge dorch neus, moderns “Rollmaterial” uustauscht wore sind, sind die beide Wäge, die Bregtäler Uriiwohner, gi Ottehofe grollt und hetet dert genauso bodeständige Ortenauer Zuewanderer oder Zueroller were solle, wie sie sellmol im Bregtal einheimisch waret. Den Spruch mit dem versetzte , alte Bomm, den kennet ihr jo. Wo sie denno dä im Unnerland kon Ertrag me broocht hond, hete sie i me Demolier- Iisebahdepot vu de Bahn mit zischende Schneidbrenner verschnepflet were solle. Im letzschte Augeblick hond aber so aagfressene, warmherzige Iisbahfreund sich dene Raritäte verbarmet. Die hond sie in ihren Sammlerschopf gholt und troche und sicher iiglageret.
Wer kennt sie nit die Schiere, Schöpf, Halle und Gräch mit so iigstaubte Gschierer. Dä sind sie also verstaubt und i Spinnehuddle iigwobe glege. Bis erscht jetzt wieder mol bei ere Inventur die beide Knochegrüster hinneverri kumme sind und abgstaubt wore sind. Es muesstet nit DB- Wäge sii, wenn sie nit Typeschilder, Iiprägunge und Uffschrifte, halt Fingerabdrück, hättet, wo mer i Iisbaharchiv genau nochsueche khaa, wo die her sind und wo sie grollt sind und dient hond. Die begeisterte Bähnler hond schnell uussigfunde , dass des “Bregtäler” sind , also Uriwohner vum Bregtal, “Ur- Bregtäler” also.
Die Bähnler- Archäologe hond die Kunde und die Erkenntnis au is Bregtal treit und dene verblüffte Bregtalbewohner den Storiax mit wunderscheene Bilder und Skizze unterleit, uusführlich verzellt. Villiecht grad no rechtziitig. Denn dä isch die Erinnerung a des herzig Entekoepfer Bähnle grad am Versickere und am Verlösche. Wieslosigkeit sait mer dä zu so holose Zueständ. Usser paar wenige Bahnzuebehorsache, Bücher, Artikel, Relief und wenige Bezeichnungen wie “Bregtal Loipe”, “Zindelstoener Bahhöfle”, “Hammricher Bahhof” , “Schliefisteg” erinnert kaum no ebbis a die Ziit und die herzig Bahlinie.
Drum gihts Überlegunge, ob mit dem Fund nit doch des Erinnere aagregt und aagscherret were khaa und die Demenz e weng uffgahlte, uussigschobe oder sogar aaghalte were khaa. Mol gucke ob die beide schrullige “Alte Bregtäler” de Geist vum “Jägermeister Express”, so de Übername wege dere Triebwage- Uffschrift , die Erinnerung erneueret und wiederbelebt.