Gendern in der Forstpartie
Strobl will Gendern verbieten (Schlagzeile auf der Titelseite des Schwarzwälder Boten am 17. 1. 2024)
„Bin im Wald! – Mit einem Forstexperten durchs grüne Dickicht“, so lauten Titel und Untertitel 1 eines 2022 erschienenen Buches, verfasst von Bastian Kaiser, seines Zeichens Rektor der Forsthochschule Rottenburg. „Bin im Wald!“ basiert auf einer Erinnerung des Autors an seinen ersten Lehrherrn: an eine Zeit, in der es noch keine Mobiltelefone gab und der Forstberuf noch ausschließlich eine Männerdomäne war: Bei Reviergängen hing damals jeweils ein kleines Schild an der Forsthaustür mit dem Hinweis „Bin im Wald!“ Dass sich zwischenzeitlich im Forst und unter den Forstleuten einiges bewegt hat, dass Försterinnen erfreulicherweise längst keine Exotinnen mehr sind, schlägt sich im Buch in ebenso konsequenter wie gewöhnungsbedürftiger Verwendung der Gendersprache nieder, die im Plural anscheinend nur noch die weibliche Form kennt: Demnach ist der Wald neuerdings durchweg im Besitz von „Waldbesitzerinnen“ (S. 37), was freilich nicht ausschließt, dass die Forstleute „häufig keine Expertinnen für gute Kommunikation“ (S. 40) seien. Unter Lehrkräften und Studierenden an der Forsthochschule scheint sich das Gendern inzwischen eingebürgert zu haben, auch wenn der Leser von Bastian Kaisers Buch dabei noch so sehr ins Stolpern gerät.
Dessen Lektüre, so wendet sich der Autor gleich im Vorwort an seine Leserschaft, „macht Sie noch nicht zu Expertinnen, soll aber Ihre Emotionen um Fakten ergänzen“. Denn die früher verbreitete, naiv-romantische Försterverehrung scheine in eine „manchmal sehr allgemeine und besserwisserische Forstwirtschaftskritik umzuschlagen“. Was wiederum „den Nährboden für populistische Vereinfachungen und Verschwörungstheorien“ biete.
Dass Bastian Kaiser – von gelegentlich durchschimmernder Polemik abgesehen – klug zu erklären versteht, was er seinen Studierenden beibringt, um sie trotz der enormen Breite des Wissensstoffs zu tüchtigen „Försterinnen“ heranreifen zu lassen, versteht sich von selbst. Und so kommt denn auch für interessierte Laien (oder muss es nicht besser „Laiinnen“ heißen?) reichlich Licht ins „grüne Dickicht“ der Waldwirtschaft – spätestens mithilfe des Anhangs mit seinen 142 Anmerkungen.
Ungeklärt bleibt freilich, was Hochschulprofessoren wohl dazu treibt, im Plural nur noch die weibliche Form der Berufsbezeichnung zu verwenden. Sollte es sich dabei um eine subtile Form des Protests gegen Sternchen und Großbuchstaben, gegen Förster*innen und FörsterInnen oder das doch etwas umständliche Försterinnen und Förster handeln, wozu in Baden-Württemberg doch das Chancengleichheitsgesetz verpflichte. Schließlich sind mittlerweile ja 30 % der Absolventinnen (m/w/div) der forstlichen Universitäten und Hochschulen weiblichen Geschlechts. Ob man dort inzwischen im Plural generell auch von Forstwirtinnen schreibt, wo bislang nur von Forstwirten, Waldarbeitern und Holzhauern die Rede war – und dies, obwohl auf dieser Berufsebene derzeit begreiflicherweise nur ca. 1 % weiblichen Geschlechts ist?
Doch jetzt wird man an der Rottenburger Hochschule und der Freiburger Uni reagieren müssen. Seit nämlich durchgesickert ist, dass Landesinnenminister Thomas Strobl (wie auch in Bayern Markus Söder) das Gendern in der Amtssprache verbieten will? Wird man im exklusiven Hochschulbereich den Studierenden (falls Strobls Plan aufgehen sollte) weiterhin das Gendern erlauben bzw. zumuten, wiewohl sie sich hernach im Beruf der (genderfreien) Behördensprache zu befleißigen haben werden? Eher zu vermuten ist wohl, dass alsbald neue sprachliche Mischformen entstehen werden, um die Klippen der offiziellen Schreibweise zu umschiffen. Mag sein, dass Rektor Bastian Kaiser mit seinen Försterinnen ja den Stein der Weisen bereits gefunden hat.
1 Bastian Kaiser: Bin im Wald! – Mit einem Forstexperten durchs grüne Dickicht. Hirzel-Verlag Stuttgart 2022. 300 Seiten mit 24 farbigen Abbildungen.
Hardcover 22,00 €. ISBN 978-3-7776-3040-3
Ist doch cool!
Seit gefühlt ewigen Zeiten wurde lediglich die männliche Plural- Form genutzt und Frauen waren “mitgemeint”.So, und jetzt ist es mal andersherum: Männer sind da im Wortlaut mitgemeint, oder? “Försterinnen” – klingt doch super!
Wenn heute ein Mann ein Buch schreibt und nur die männliche Singular- und Pluralform verwendet, ist es nicht der Rede wert. Auch dieses Försterinnen -Buch wäre außer in Fachkreisen keiner Erwähnung wert gewesen.
Ich persönlich bin sowieso seit längerer Zeit dafür, ausschließlich die weibliche Singular und Pluralformen zu verwenden als ausgleichende Gerechtigkeit für die (hoffentlich) vergangene Ignoranz des Weiblichen.
Sprache verändert sich doch ständig. Wo kann das besser beobachtet werden als auf dem Hieronymus.
Frauen sind aber selbstverständlich nur mitgemeint. Das ist doch wirklich kein Thema. Sie sollen sich (wie so oft) nicht so anstellen (Ironie!).
Aber Männer kann das natürlich nicht zugemutet werden. Warum nicht?
Gendern ist wirklich eine Herausforderung. Deswegen praktizieren es so wenige. Aber daraus so ein Thema (wie die AFD oder CDU) zu machen, ist absurd. Willkommen im 21. Jahrhundert.
Im Sommer hatte sich ein AfD Abgeordneter bei Niko Reith auf Facebook mokiert, dass die FDP ihre Anträge “klaue”. Geschrieben hatte er: “Genau deswegen werden die Anträge immer wieder nach einer gewissen Wartezeit etwas umformuliert und von ihnen selbst eingebracht, um sie dann durchzuwinken?!”
Manuel Hagel (CDU) hatte am 16. September 2023 im Schwarzwälder Boten schreiben lassen: “Für die CDU im Land sei die Beschlusslage klar. Es gebe keinerlei Zusammenwirken mit der AfD. Dass er damit Ernst macht, hatte er Anfang Februar bewiesen. Er ließ seine Fraktion gegen einen Antrag der FDP zum Gendern stimmen, der inhaltlich der Beschlusslage der CDU entsprach.”
Anscheinend ist jetzt die Wartezeit in Stuttgart vorüber und die Zeit ist Reif für Sprachverbote. Als nächstes werden dann an den Universitäten AfD Regeln für die konservative Anwendung deutscher Sprache erlassen?
Ein Reinheitsgesetz für die Sprache?
Liberal war gestern. Bei so wichtigen Themen wie Exklusion, muss man schon den Hammer raus holen.