Die Weisen aus dem Morgenlande.

Die Weisen aus dem Morgenlande.

12. Mai 2023 0 Von Hannah Miriam Jaag

Ich möchte hier erwähnen, dass ich das alte Buch mit der sehr eigenwilligen Schreibweise in Frakturschrift vorgelesen habe, um den gesprochenen Text von einem Programm namens f4transkript in Buchstaben umzuwandeln. Den umgewandelten Text habe ich danach bearbeitet, da viele der Wörter dem Programm nicht bekannt waren. Aus diesen Gründen ist der Text ein Gemisch aus alter und neuer Schreibweise.

Was es in den verschiedenen Kapiteln des Buches gibt, ist diese vorgelesene Tonspur mit dem Transkript.

Schwerlich gab es jemand auf dem ganzen Schwarzwalde, der sich mehr auf den heiligen Dreikönigstag gefreut hätte als die Kinder des Köhlers Christoph.

Sie wußten, dass an diesem Tage Bruder Martins Zelle wieder der Schauplatz eines neues Bildchen aus dem Leben Jesu sein werde. Als sie jedoch am heiligen Dreikönigstage frühmorgens erwachten und zum Fenster hinausschauten, – o, welch’ eine unangenehme Überraschung, – es hatte die Nacht über so geweht und geschneit, dass weit und breit weder Steg noch Weg zu sehen waren. So sehr die Kleinen zu jeder anderen Zeit sich über das endlose Flockenmeer gefreut haben würden, so groß war im jetzigen Augenblicke ihre Betrübniß.

Nun können wir nicht zu Bruder Martin! jammerte Wolfgang und Klärchen, und auch Christine zweifelte an der Möglichkeit eines Ausmarsches. Gotthard aber lachte und sprach ihnen Mut ein. Er und der Vater holten sogleich den Bahnschlitten aus dem Holzhause, spannten ein Paar Kühe davor, und die Kleinen mußten als Ballast sich oben auf das Fuhrwerk setzen, und so ging es langsam, aber mit großem Jubel vorwärts, durch das Tal bis zu der Halde, wo der Bruder wohnte.

Hier lag der Schnee etwas dünner, weil ihn der Sturm mehr weggefegt, und die Kleinen konnten bequem ihre Reise zu Fuß fortsetzen.

Der erfreute Alte, welcher ihnen eine Strecke Weges entgegengekommen war, führte sie in die Zelle, wo Wolfgang beim ersten Blick auf das Kripplein überrascht ausrief: Da sind sie ja schon! nämlich die Heiligen Drei Könige, meinte er, welche man im Stalle angekommen und das Christkindlein begrüßen sah. – Die Vorstellung war aber auch wirklich gar zu schön: Maria, die himmlische Mutter, hatte das Kindlein vor sich auf dem Schoße; ihr zu Füßen kniete einer der Weisen im Begriff, dem Kinde das zarte, segensreiche Händlein zu küssen, während die beiden anderen mit Geschenken nahten. Der heilige Josef, welcher neben Maria der jungfräulichen Mutter stand, schien mit abgezogener Mütze die vornehmen Gäste ehrfurchtsvoll begrüßen zu wollen. Im Hintergrunde sah man Gefolge und Dienerschaft der fremden Könige.

Bruder Martin mußte den kleinen Wolfgang auf eine Bank lüpfen, damit er alles Recht in der Nähe sehen und bewundern konnte. Am meisten entzückte den Kleinen der funkelnde Stern, der senkrecht über dem Stalle stand. Ebenso hatte auch Balthasar, der Mohrenkönig, mit seinem reich verzierten türkischen Säbel und Dolch, seinen unbedingten Beifall.

Während die Kinder das Bildlein betrachteten, erzählte ihnen Bruder Martin die Geschichte dazu:

Da Jesu geboren war, begann er, kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und fragten am Hofe des König Herodes: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.

Als Herodes dies hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. – Der stolze König befürchtete nämlich, seinen Thron zu verlieren, wenn ein neuer Herrscher ins Land kommen würde.

Eiligst ließ er daher alle Hohepriester und Wahrsager zu sich kommen und fragte sie: Wo denn Christus sollte geboren werden? Sie sagten ihm: zu Bethlehem im jüdischen Lande; denn es steht geschrieben durch den Propheten: Du Bethlehem im Lande Juda bist keineswegs die Geringste unter den Städten Judas, aus Dir wird der Herrscher kommen, der mein Volk regieren wird.

Herodes lief daraufhin heimlicher Weise die Könige aus dem Morgenlande wieder vor sich kommen und erkundigte sich genau, wann der Stern erschienen wäre, und riet ihnen, nach Bethlehem zu gehen: Ziehet dahin, sprach er und forschte fleißig nach dem Kinde, und wenn ihr es gefunden habt, so sagt ihr mir’s wieder, dass ich auch hinkomme und es anbete.

Nachdem Herodes ihnen dies gesagt hatte, zogen sie hin, und der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatte, zog wieder vor ihnen her, bis an den Ort, wo die heilige Familie sich befand, da stand er still.

Hocherfreut gegen die Könige in das Haus, und fanden das Kindlein mit Maria und Josef. Sie fielen auf ihre Knie und beteten es an, dann öffnete sie ihre Schatzkästlein und reichten ihm Geschenke, die in Gold, Weihrauch und Myrrhen bestanden.

In der Wahl dieser Geschenke aber lag eine hohe Deutung: – Gold brachten sie, um Ihn als König zu ehren, Weihrauch opferten sie dem wahren Gott, und die Myrrhe ist das Bild der Schwachheit und des Todes, welch’ Beidem der Heiland sich unterwerfen wollte, zur Erlösung des Menschengeschlechtes.

Die morgenländischen Weisen hatten sich zur Ruhe begeben und wollten des anderen Tages beizeiten ihre Reise zu Herodes antreten; da erschien ihnen Nachts im Traume der Engel des Herrn und befahl ihnen, nicht mehr zu Herodes zurückzukehren; denn der böse König hatte den finsteren Anschlag ausgebrütet, das Kindlein ermorden zu lassen.

Die Weisen gehorchten der göttlichen Eingebung und kehrten auf anderen Wegen wieder in ihr Land zurück.

Was sollen wir für Gaben
Dir Herr zum Opfer weih’n?
Ist, was wir sind und haben,
Nicht Alles, Alles Dein? –
Ein Herz, Dir ganze geben,
Von allen Sünden rein,
Ein liebevolles Leben
Soll unser Opfer sein.

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