Bruder Martin in Jerusalem.

Bruder Martin in Jerusalem.

16. Mai 2023 0 Von Hannah Miriam Jaag

Ich möchte hier erwähnen, dass ich das alte Buch mit der sehr eigenwilligen Schreibweise in Frakturschrift vorgelesen habe, um den gesprochenen Text von einem Programm namens f4transkript in Buchstaben umzuwandeln. Den umgewandelten Text habe ich danach bearbeitet, da viele der Wörter dem Programm nicht bekannt waren. Aus diesen Gründen ist der Text ein Gemisch aus alter und neuer Schreibweise.

Was es in den verschiedenen Kapiteln des Buches gibt, ist diese vorgelesene Tonspur mit dem Transkript.

Während unseres Aufenthaltes in Jerusalem besuchten wir noch viele bedeutungsvolle Orte. Das in Trümmer gesunkene Haus des Pilatus, wo Christus gegeißelt und mit Dornen gekrönt und zum Tode verurteilt wurde. Das sogenannte Gerichtstor am Fuße des Marienberges, durch welches alle zum Tode bestimmten Verbrecher geführt wurden. Das Haus des Hohenpriesters Annas am Fuße des Berges Zion, und endlich den Ölberg auf der östlichen Seite der Stadt.

Das Thal Jofaphat, welches man nebst dem Bache Kridron durchschreiten muss, um zu dem Garten des Ölbergs zu gelangen, hat etwas äußerst Schwermütiges; die Berge sind kahl und kaum hie und da mit einer Gruppe wilder Ölbäume bepflanzt. Nicht weit vom Ölgarten sieht man das Dorf Gethfemane, so wie das Grabmal der heiligsten Jungfrau Maria, an dessen Stelle heut zu Tage eine reich verzierte unterirdische Kapelle ist.

Auch den Ort zeigte man uns, wo Christus über die zu seinen Füßen liegende Stadt Jerusalem weinte und ihre Zerstörung voraussagte. – Unwillkürlich gedachten wir des schrecklichen Ereignisses, welches 38 Jahre nach Christi Tod eintraf: hier an derselben Stelle, wo die Prophezeiung ausgesprochen worden, soll nach der Sage das Zelt des römischen Feldherrn Titus gestanden haben an jenen Tagen des Unheils, wo elfmalhunderttausend Juden den Tod erlitten, und Rauch und Flamme die Zinnen des Tempels Salomonis umwoben, so dass kein Stein mehr auf dem anderen blieb, und Juda’s Volk in alle Welt zerstreut ward. –

Unter wechselnden Mahnungen der Vergangenheit und Gegenwart verließen wir den Hügel, um ihm das Hospitium der Väter zurückzukehren. Über Jerusalem ruhten schon die Schatten des Abends. Nur um die hohe, gebrochene Burg Davids spielte noch der letzte Strahl des sinkenden Lichtes.

Drei glückselige Tage, begann der gute Altvater des anderen Tages seine Erzählung wieder, verweilten wir in der heiligen Stadt, als dann rüsteten wir uns zur Weiterreise.

In der Morgenstunde kam unser Führer, die heidnischen Herren, welche uns die guten Barfüßer-Mönche ausgemittelt hatten, vor das Kloster, damit sie uns auf der Fahrt nach Bethlehem beschirmten, denn es war kund geworden, dass Leute auf der Lauer wären, die uns Pilgern Schaden zufügen könnten.

Da Alles bereit war, bestiegen wir nicht ohne Besorgnis unsere Tiere und ritten den Berg Zion hinunter in das Tal Silon, immer der Königsstraße nach, den nämlichen Weg, den die Heiligen Drei Könige gemacht, als sie von Herodes nach Bethlehem geschickt wurden, um das Christkindlein aufzusuchen.

Fröhlichen Herzens ritten wir die heilige Straße fürbaß, zwischen anmutigen Gärten und Landsitzen voll köstlicher Früchte. Nach einiger Zeit kamen wir zu drei Zisternen mitten im Wege, von denen die Sage geht, dass hier den drei Weisen, der Stern wieder erschienen sei, den sie im Osten erschaut; die Zisternen seien an der Stelle gegraben worden, wo sie stillgestanden und freudig nach dem Sterne geblickt hätten, der seit ihrem Eintritt in die Stadt Jerusalem verschwunden war. – Nach ungefähr anderthalb Tagesreisen gelangten wir in eine steinige, öde Gegend, wo wir bei einer Wendung des Weges plötzlich Bethlehem, die Stadt Davids, erblickten. – Über alle Gebäude ragte die Kirche der seligsten Jungfrau Maria siegprangend empor.

Freudig ergriffen fielen wir auf unsere Knie und riefen: Heil dir Ephrata, fruchtreiches Gefilde! Heil dir, o Bethlehem! du Haus des Brodes, welches vom Himmel kam; Heil dir o Stadt, von welcher der Prophet einst geweissagt hatte, dass sie nicht die geringste sei unter den Städten Judäas, das von da ausgehen werde, der Fürst und Heiland der Welt. Freue dich, Bethlehem! Im Morgen- und Abendlande bist du verherrlicht worden: denn wie einst voll Weisheit die Könige von Aufgang der Sonne zu dir hin zogen, so nahe dir jetzt in Andacht die Schar der Pilger vom Niedergange!

Unsere maurischen Führer, die Sarazenen, rührten sich nicht und hörten uns schweigend zu. Nachdem wir mit diesen und ähnlichen Ausrufungen die heilige Stadt begrüßt hatten, bestiegen wir unsere Tiere wieder und ritten unter dem Gesange freudiger Weihnachtslieder hinunter gegen Bethlehem.

In Mitte des tiefen Tales, welches zwischen uns und der Stadt lag, wurde uns die Stelle gezeigt, wo den Hirten in der Heiligen Nacht die Geburt des Erlösers verkündet worden. Wir hielten an, die hohen Wunder Gottes zu preisen und zogen dann wohlgemut weiter.

Allein in dieser Welt, liebe Kinder, gibt es keine Freude, und wäre es die aller reinste, auf welche nicht Widerwärtigkeit und Betrübnis folgte. Dies wurden wir auch jetzt inne. Denn wie wir der gesegneten Stadt nahe waren, siehe, da sprengte ein Haufe Araber aus Bethlehem uns entgegen. Es waren wohl vierzig reisiger Heiden, die uns drohend den Weg versperrten. Unsere Führer wurden über diesen Anblick bestürzt. Wir Pilger aber traten in einen Haufen zusammen, ließen die maurischen Begleiter eine Vorhut bilden und zogen mit Furcht fürbaß den Räubern entgegen.

Als wir bei ihnen angekommen, wollten unsere Hauptleute unterhandeln wegen des Durchzuges, und schrien und zankten sich gewaltig. Doch griff keiner zu den Waffen; länger als eine Stunde standen wir und konnten weder vor noch rückwärts. Die Verwegensten unter den Raubgesellen mischten sich zuletzt mit Hohn und Geschrei unter die Reihen der unbewaffneten Pilger. Rissen ihnen die Hüte vom Kopf, stießen und zerrten sie und trieben ihren rohen Mutwillen. – In diesem Getümmel geschah es, dass ein Araber, seine Lanze schwingend, gegen mich, der ich etwas zur Seite ritt, drohend heransprengte; – glücklich wehrte ich jedoch den Stoß, den er gegen meinen Kopf und Hut führte, durch eine rasche Wendung meines Pilgerstabes ab; ein zweiter, dieses sehend, folgte dem ersten und führte seine Waffe so geschickt, dass sie gerade meine Brust traf und ich, wie meine Kameraden glaubten mochten, wie tödlich getroffen von meinem Esel stürzte. – Jetzt entstand ein schreckliches Durcheinander. Schreiend hatte sich die Pilger rückwärts auf eine Erhöhung neben der Straße geflüchtet, und unsere heidnischen Leitsmänner griffen zu den Waffen, um Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Schon waren die vordersten der Wegelagerer unter Geschrei und Lärm über den Haufen gerannt, als ihre Hauptleute Ruhe gebietend, dazwischen traten.

Diesen Augenblick benützte ich, um mich von meinem Sturze aufzuraffen und zu meinem Mitbrüdern zu eilen, die mich verwundert und mit großer Freude empfingen. Der Stoß des Arabers hätte ungezweifelt mein Leben ein Ende gemacht, wenn nicht Gottes Vorsehung mich behütet hätte.

Das scharfe Eisen hatte nämlich das mit starken Eichenholz, Brettlein und Schweinsleder gebundene Gebetsbüchlein meines seligen Bruders getroffen, welches ich von dem Johanniter bekommen und unter meinem Pilgergewand auf der Brust sorgfältig verwahrt trug.

Nach diesen Worten hielt der Erzähler einen Augenblick inne, um von einem hölzernen Schafte an der Wand das Büchlein herabzulangen und seinen jungen Freunden zu zeigen. – Deutlich sah man noch den Riss in dem ledernen Deckel, welcher von der Lanzenspitze herrührte und sich in der Verzierung des Messingbeschläge gefangen und da kräftigen Widerstand gefunden hatte.

Die Kinder, nachdem sie das Wahrzeichen einige Zeit betrachtet hatten, drangen mit großer Ungeduld in den Erzähler, neugierig den Ausgang des räuberischen Überfalls zu vernehmen.

Die Araber, fuhr der Bruder Martin fort, als sie sahen, dass unsere Begleiter ernst machten, erklärten, dass sie nicht als Feinde gekommen seien, sondern, wie sie schon am Anfang gesagt hätten, um ein Lösegeld von den Christen zu verlangen und sich jetzt statt der einst geforderten 50 Dukaten mit 24 begnügen wollten; wären wir hierzu nicht geneigt, so sollte es uns freistehen, nach Jerusalem zurückzukehren.

Wir öffneten also insgesamt unsere Börsen, zahlten jeder für seinen Teil das Geld und ritten fürder. Die Erpresser aber blieben zur Stelle und teilten ihre Beute.

Vor den Toren der Stadt Bethlehem liegt die Burg gleichen Namens. Wir gingen aber nicht hinein, sondern ließen sie zur Rechten und zogen durch viel verfallenes Mauerwerk bis zur Vorhalle der Kirche der Geburt Christi. Eilig stiegen wir ab und begaben uns in den heiligen Tempel, wo wir voll Ehrfurcht und den Liebenden im Andenken der Geburt des Herrn vor dem Altar der Heiligen Drei Könige unsere Andacht verrichteten. Unter diesem Altar aber befindet sich die Grotte, wo der Herr des Himmels und der Erde geboren wurde. Zwei Wendeltreppe, jede mit 15 Stufen, führen in die unterirdische Kapelle hinab.

Christliche Mönche, welche neben dem Tempel ihr Hospizium haben, gaben uns brennende Kerzen, bei deren Scheine wir in feierlicher Prozession unter Absingen des Liedes: Auf ! Christen ,singt feierliche Lieder x. die Stufen hinunter in die heilige Grotte zogen. Betend und mit dankendem Gemüte knieten wir alle um den von Wohlgerüchen duftenden Stein, wo nach der Überlieferung das Kripplein gestanden. Lange verweilten wir an derselben Stelle, wo einst schlichte Hirten und weise Könige das himmlische Knäblein begrüßten und wo immer bis auf den heutigen Tag Karawanen aus allen Ländern herbeiziehen; um an dem Orte zu beten, wo das Christkind allein arm zur Erde herabgekommen, um Frieden und Liebe unter den Menschen zu verbreiten.

Von der Grotte der Geburt stiegen wir zur Kapelle, wo nach der Sage die unschuldigen Kindlein ihre Gräber haben, und weiter ziehend, gelangten wir in die Zelle, in welcher der heilige Kirchenvater Hieronymus, dreihundert Jahre nach Christus, einen Teil seines Lebens zubrachte.

Man zeigte uns hier die Gräber dieses heiligen Mannes, und seiner Schülerinen der heiligen Paula und ihrer Tochter, der Heiligen euch Eustochium. Beide waren vornehme römische Damen aus den adligen Geschlechtern der Graechen und Scpione, welche der Welt und ihre vergänglichen Freunden entsagten, um hier in strenger Abgeschiedenheit den wahren Frieden der Seele zu finden.

Die Sonne war längst schon verschwunden und tausend funkelnde Sterne bestrahlten die schweigende Erde, als wir hinauszogen zum Turm Eder, wo, wie die Sage meldet, die Engel den Hirten die Geburt des Messias verkündeten. – Eine solche herrliche Nacht war es vielleicht, in welcher die frohe Botschaft erklang: Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Erden!

In einiger Entfernung glänzten die Lichter von Bethlehem. Durch das ganze Tal herrschte die tiefste Ruhe. Auf einsamen Fußwegen kehrten wir schweigend, ohne durch Worte unsere Gedanken zu stören, in das Kloster zurück.

Am dritten Tage verließen wir fröhlichen Mutes Bethlehem. Wir hatten unseren Rückweg wieder über Jerusalem genommen und suchten so bald wie möglich Joppe zu erreichen, wo wir uns unverweilt zu Schiffe begeben wollten. – Ehe wir jedoch die Hafenstadt zu Gesichte bekamen, geschah mir Folgendes

Eines Morgens, als wir längst einer spärlich bewachten Anhöhe entlang ritten, bemerkte ich oben auf den Felsen eine buschige Staude, welche scharlachrote Blüten von auffallender Schönheit trug. Von jeher ein Freund von Gewächsen und Pflanzen, kam mich die Lust an, das Ding in der Nähe zu besehen und womöglich einige Samen oder Früchte davon mitzunehmen.

Mit meinem Freunde, dem Schuster, war ich etwas hinter den übrigen zurückgeblieben und stieg ab, um die Anhöhe zu erklimmen, ohne in diesem Augenblicke der Warnung unserer Führer zu gedenken, welche uns ermahnten, nicht einzeln zurückzubleiben. Der beständig an den Küsten umherschweifenden Freibeuter wegen, welche sich oft weit ins Land hineinwagen, um wehrlose Reisende zu überfallen und als Sklaven auf ihre Schiffe zu schleppen.

Nicht ohne große Anstrengung hatte ich die jähe Halde erstiegen und näherte mich dem Orte, wo die Staude wuchs. Da hörte ich plötzlich meinen Freund, der unten bei meinem Esel geblieben war, laut rufen; – ich sehe mich um, er winkt mir eiligst umzukehren – ehe ich mich jedoch besinnen kann, stürzten zwei riesige Sarazenen über mich her, schleppen mich eine Strecke weiter längs der Felsschlucht und werfen mich auf ein bereit gehaltenes Pferd, welches der eine besteigt und mit Windeseile auf der entgegengesetzten Seite des Berges hinuntersprengt.

Ich war wie aus den Wolken gefallen; nur so viel war mir klar, dass ich mich in den Händen barbarischer Seeräuber befinde, die mit ihrer Beute so schnell wie möglich den Meeresstrand zueilten. Von meinen Begleitern, dem Pilgrimen, kam mir nichts mehr zu Gesichte.

Bei einem ärmlichen Dorfe am Meeresufer wurde Halt gemacht; in einer nahen Anfurth hielten zwei kleine Fahrzeuge, welche den Corsaren gehörten und bestimmt waren, mich mit noch mehreren Unglücksgenossen aufzunehmen und über die See zu entführen. Meine Baarschaft und alles, was ich bei mir trug, wurde mir abgenommen. Mein teuerstes Kleinod jedoch, das Gebetbüchlein warfen sie mir, nachdem sie es flüchtig betrachtet, verächtlich wieder zu, weil es für sie keinen Wert hatte.

Und so war mir doch wenigstens im Unglücke noch ein süßer Tröster geblieben, ein teurer Freund und geistlicher Ratgeber.

Mit etwa zwölf anderen Opfer teilte ich den unteren Raum des Schiffes, welches auf langer Fahrt nur einmal anhielt und bei einem kleinen Dorfe an der Küste Afrikas frisches Wasser einzunehmen.

Unweit einer großen, mit Basteien und Türmen wohl befestigten Stadt landeten wir endlich. – Es war Tunis, die Hauptstadt des Raubstaates gleichen Namens.

Ähnlich einer Handelsware wurden wir ausgeschifft und in brennender Sonnenhitze auf öffentlichem Markte lange feilgeboten. – Ich wurde das Eigentum eines vornehmen Mohammedaner’s, welcher mich nach geschehenem Handel zweien bewaffneten Schwarzen übergab, die mich außerhalb der Stadt verbrachten, wo die Reichen von Tunis ihre Landhäuser haben.

Bei einem der hohen Mauern umgeben Gute wurde halt gemacht; ein unansehnliches, einstöckiges Gebäude, die Wohnung der Sklaven und Feldarbeiter wurde mir zum Aufenthalte angewiesen. Unter den Sklaven, die größtenteils Schwarze waren, fand sich auch ein Europäer aus dem Piemontesischen gebürtig, der zu meinem großen Troste etwas deutsch sprach.

Unsere Geschäfte waren meist Feldarbeiten. Das Land umher ist ziemlich fruchtbar, und es wachsen Limonen, Datteln, Pommeranzen und türkischer Weizen, auch sagte man mir, dass es in dem Gebirge Straußen, Fasanen, wilde Ziegen und Löwen gebe .An gutem Quellwasser jedoch ist Mangel, weshalb überall Zisternen angebracht sind, in welchen sich das von den flachen Dächern ablaufende Regenwasser sammelt. Nur eine einzige Quelle nahe der Stadt liefert frisches Wasser, welches aber nichts anders als gegen Einrichtung eines Tributes und nur an Vornehme abgegeben wird.

Mein Genosse, der Italiener, wusste mir trotz seinem mangelhaften Deutsch das Loos eines Sklaven mit den abschreckenden Farben auszumalen; er verwünschte unseren Aufseher, den er als einen Unmensch und Barbaren schilderte, welcher, obwohl Christ und Europäer, nichtsdestoweniger ärger als der fühlloseste Heide sich zeige. Ich glaubte dem Menschen und faste im Voraus, ehe mir jener noch zu Gesichte kam eine herzliche Abneigung gegen den vermeintlichen Peiniger, welcher nach einigen Tagen von einem entlegenen Landgute seines Herrn zurückkehrte und seine Untergebenen musterte. Ich wurde ihm vorgestellt. Man mußte Name und Vaterland nennen, worauf er zwar in deutscher Sprache mir sagte, dass auch er am Rheine zu Hause sei. Er fragte mich noch verschiedenes über die Zustände des Deutschen Reiches. So kurz und bündig auch seine Äußerungen waren, so konnte ich doch daraus abnehmen, dass er schon sehr lange Zeit von Hause abwesend sein müsse. Seine Miene verriet etwas von Teilnahme, als er schließlich mich ermahnte, pünktlich und getreu meine Geschäfte zu verrichten. Die Sklavengesetze, fügte er bei, mit denen du vielleicht noch nicht bekannt bist, sind hart und strenge. Darum füge dich den Verhältnissen und sorge dafür, dass deine Vorgesetzten nie in die Lage kommen mögen, strafend gegenüberzutreten.

Nach dieser kurzen Audienz wurden wir angewiesen auf einem nahen Grundstücke, Datteln und eine Art wild wachsender Lotus, aus welchen die Einwohner einen beliebten Trank zu bereiten wissen, einzusammeln. Gefaßt hatte ich mich meinem Schicksal ergeben, ohne Hoffnung, je wieder erlöst zu werden, ehe dass der Tod, der treffliche, unfehlbare Arzt aller irdischen Leiden, auch meinem Elende ein Ende machen würde. Doch es war anders bestimmt.

Der Befreiungsmorgen sollte mir auf dieser Welt noch tragen, und zwar früher, als ich im günstigsten Falle für möglich gehalten hatte. Der nächstkommende Tag war ein mohammedanischer Festtag und auch für die Christen Sklaven ein Ruhetag. Frühe war ich von meinem Lager aufgestanden, um in dem Garten, der unsere und die übrigen Wohngebäude umgab, in Ungestörtheit die Morgenstunden zu genießen.

Eine milde, erfrischende Luft wehte durch die blühenden Limonen und Granatbäume, über süßduftende Beete voll Tulpen und Rosenbüsche.

Ich hatte mich auf eine Bank gesetzt und mein Büchlein hervorgezogen, um durch Gebete und Betrachtungen die Qualen der Hoffnungslosigkeit aus der leidenden Seele zu bannen.

Lange hatte ich schon gelesen und die Gegenwart und alles, was mich beschränkend umgab, beinahe gänzlich vergessen, als ein Geräusch in meiner Nähe mich weckte. Ich schaute auf. Der Aufseher stand vor mir. Anfänglich war ich erschrocken, denn ich glaubte seinen Unwillen erregt zu haben, weil ich eigenmächtig das Haus verlassen und mich in den Garten begeben hatte. Doch zu meinem Erstaunen wünschte mir der Mann nicht unfreundlich einen guten Morgen, und nachdem er einige Augenblicke mein Büchlein scharf ins Auge gefasst hatte, fragte er mit Lebhaftigkeit, wie ich zu dem Büchlein gekommen sei. Aus Furcht, es möchte mir abgenommen werden, weil nach dem Gesetze kein Sklave ein Eigentum besitzen darf, legte ich mich aufs Bitten: Verzeiht, sagte ich zaghaft, wenn ich etwas ungehöriges Unterfangen habe, ich bitte und beschwöre euch um unseres gemeinsamen Vaterlandes willen, entreißt mir dieses Kleinod nicht, mein Alles, was mir noch im Unglücke geblieben ist.

Sei ohne Furcht, ließ mich mein Vorgesetzter vernehmen, indem er mir das Büchlein aus der Hand nahm und ein wenig darin blätterte, aber sage mir ohne Rückhalt, wie das Buch in deine Hände gekommen ist.

Herr, versetzte ich, ich will Euch alles sagen: – Dieses Büchlein stammt ursprünglich von meinem Bruder selig, der im Kampfe mit den Ungläubigen vor Rhodos das Leben verlor. Bei meiner Einkehr auf jener Insel verehrte es mir ein treuer Freund und Waffenbruder des Verstorbenen, ein Johannitertitter. –

Der Mann schien überrascht; doch etwas misstrauisch versetzte er: Du redest unwahr, ich kannte den ersten Besitzer dieses Büchlein recht wohl. So viel ich aber weiß, hatte er keinen Bruder, er war der einzige Sohn seiner Eltern. – Du willst mich hintergehen und gibst dich für etwas aus, was du nicht bist.

Gott ist mein Zeuge, beteuerte ich feierlich, dass ich die Wahrheit spreche: die Mutter, deren Name ihr vorne auf dem Titelblatt sehen könnet, verheiratete sich nach des Vaters Tode zum Zweiten Mal, und dieser Ehe war mit einem Sohne gesegnet, den Ihr jetzt hier, als unglücklichen Sklaven vor Euch stehen sehet.

Der Mann schaute mich an – blickte gen Himmel und rief mit einer Stimme die mein Innerstes durchdrang: Gesegneter Tag! glückliche Stunde! – Grüßte dich der Himmel, Sohn meiner Mutter – mein Bruder!

Die Überraschung hatte mir die Zunge gelähmt. – Wir umfassten uns mit einer Heftigkeit und Inbrunst, als Sonne keine Macht der Erde uns je zu trennen vermögen.

Ihr könnt Euch denken, wie dieser Strahl plötzlicher Freude, ähnlich dem Blitz in dunkler Nacht, überraschend mich traf und alle zerknirschten Lebenshoffnungen in meinem Inneren wieder aufrischte.

Wir vergaßen in diesem Augenblicke beide, dass wir in barbarischem Lande, mitten unter Feinden unseres Glaubens uns befanden.

Nachdem der erste Sturm der Wonne und Ueberraschung vorüber war, mußte ich dem Bruder viel von den heimatlichen Zuständen, insbesondere von den Schicksalen unserer Familie, erzählen. Seit seinem Verschwinden beim Kampfe vor Rhodos hatte er nie das mindeste mehr von den Seinigen in Erfahrung gebracht. Es war natürlich, dass auch ich sehr neugierig war, zu hören, welchen Umständen er sein Leben und die Versetzung in dieses entfernte Land zu verdanken habe.

Er lud mich ein, weil der Morgen schon weit vorgerückt war, mit ihm in einer nahen, von Myrtenhecken angenehm beschatteten Laube Platz zu nehmen.

Meine Lebensgeschichte, fing er an, als wir uns dort niedergelassen, lässt sich in Wenigem zusammenfassen. – In jenem Treffen vor Rhodus, welches dir, wie du sagst, mein Freund, der Johanniter schilderte, fiel ich, von einem Pfeilschusse schwer verwundet, in die Hände der Feinde, welche mich bei ihrer Flucht auf die Schiffe schleppten. – Hier wäre mein Loos ohne Zweifel dasselbe gewesen, wie es fast sämtliche Mitgefangene getroffen, nämlich der Tod, wenn nicht Gott das Herz eines Feindes zu meinen Gunsten gerührt hätte. Der Herr des Schiffes, dessen Leute mich zum Gefangenen gemacht, entriß mich den Händen der mordlustigen Kriegsknechte, und befahl, mich, den Schwerverwundeten, zu verbinden. Der großmütige Beschützer hieß Amurath, und war kein anderer als mein jetziger Herr, der auch dein Gebieter ist. Der reiche Mann hatte auf seine Kosten ein Schiff ausgerüstet und sich freiwillig dem Zug gegen die christlichen Ritter angeschlossen.

Zurückgekehrt in sein Land, verbrachte er mich hierher, auf dieses Landgut, wo ich nach meiner vollständigen Heilung als gemeiner Sklave Dienste tun mußte. Mein Loos war erträglich, jedenfalls besser, als man es sich unter solchen Verhältnissen gewöhnlich denkt. Fleiß und Ausdauer erwarben mir die Gunst meines Herren, dem ich bald noch bei einer besonderen Gelegenheit meine Ergebenheit zeigen konnte. Es war während der Erntezeit, als eine Horde streitende Araber das Landgut überfiel, um es auszuplündern. Der Himmel wollte, dass ich die Gefahr noch zeitig entdeckte und unterstützt von einem Teil der Sklaven, die Bande so lange abhielt, bis Nachbars Hilfe kam. Mein Herr belohnte diesen Zug damit, dass er mich gemeinem Dienste enthob und mir die Aufsicht auf sämtliche Leibeigene anvertraute.

Dieses Amt bot mir nun Gelegenheit, manches Gute zu tun. Das Schicksal hatte nicht gewollt, dass ich dem Orden der Johanniter meine schwachen Kräfte widmen sollte. Dafür ward mir ein Posten gegeben, wo ich, statt christlicher Pilger mit dem Schwerte zu beschützen, arme Sklaven, gleichviel ob Christen oder Heiden ein menschliches Loos bereiten und ihr Schicksal mildern konnte: – ein Gedanke, der mir manch Bitteres meiner Stellung leichter ertragen ließ.

Überhaupt habe ich, wenn ich mein Leben überblicke, einsehen gelernt, dass man unter allen Umständen nach Kräften Gutes tun könne und dass nebst der höheren Führung, die über den Menschen schwebt, jeder doch zum Wohle und Wehe seiner und anderer gar vieles beitragen könne. Nur dass man nicht wie ein Schifflein ohne Ruder mut- und willenlos sich den Wellen des Lebens preisgeben dürfe.

Seit meinem Hiersein sind nur dreißig Jahre verflossen. Im Laufe dieser Woche kömmt Amurath, unser Herr auf diesen Landsitz, wo er alljährlich seinen Geburtstag zu feiern pflegt. Dieser Tag soll nach seinem längst verpfändeten Worte mir, seinem Diener, die Freiheit bringen. Und so wäre es gar wohl möglich, ja höchst wahrscheinlich gewesen, dass wir uns nie im Leben kennen gelernt hätten und fremd aneinander vorübergegangen wären, wenn nicht das Büchlein, auf welchem sichtbar der Segen meiner guten Mutter ruht, uns einander entdeckt und wie durch ein Wunder vereinigt hätte.

Mein Herr, fuhr er fort, stellte es meinem Entscheiden anheim, ob ich hier als Freigelassener in seinem Dienste bleiben oder in meine Heimat zurückkehren will. Längst aber war es mein Lieblingsgedanke, nach meiner einstigen Befreiung einzutreten in den Orden der Barfüßer zu Jerusalem oder Bethlehem, um dort in dem Vaterlande der Christen, abgewendet von weltlichen, den Rest meiner Erdentage zu beschließen. – Aber Gott hat es anders gewendet. – Deine Dazwischenkunft, geliebter Bruder, hat ihn mir, ich gestehe es, eine lange nicht mehr gefühlte Sehnsucht entzündet nach dem Lande, wo ich meine Jugend verlebt und wo ich irrtümlich wähnte, niemand mehr sei, der meiner gedenke. Ja, ich fühle ein Verlangen, so Gott will, die Heimat und das Vaterland noch einmal zu betreten, und zwar an deiner Hand, denn es wird mir ein Leichtes sein, auch deine Freilassung zu erwirken.

Als Bruder Martin hier einen Augenblick inne hielt, als besinne er sich des Folgenden, schaltete eines der Kinder die Frage ein: warum denn sein Bruder nicht sogleich die nahe Verwandtschaft entdeckt habe, als Martin seinen Familiennamen und den der Vaterstadt genannt habe?

Ihr habt vergessen, liebe Kinder, entgegnete der Erzähler, daß wir beide verschiedene Väter, also auch verschiedenen Namen hatten. Von der zweiten Ehe der Mutter und ihrem Wegzug vom Lande in die entfernte Stadt wusste aber mein Bruder nichts, weil er damals schon in den Händen der Ungläubigen sich befand, so dass ihn weder der Name der Familie noch der Stadt, die ich nannte, auf die Entdeckung geführt hätte, wenn es nicht durch das Wiedererkennen des Büchleins geschehen wäre.

Der Tag, berichtete Martin weiter, an dem unser Gebieter auf das Landgut kommen sollte, nahte heran. Die Gemächer des Herrenhauses wurden freilich hergerichtet und geschmückt. – Ich erstaunte ob der Pracht die im Inneren des sonst wenig versprechenden Gebäudes herrschte. Von kostbarer Mosaik und farbigem Marmor glänzten die Böden und Decken; kostbare Teppiche von künstlicher Seidenwirkerei, wie sie nur Tunis aufzuweisen vermag, zierten die Wände; alles was die Sonne des Morgenlandes an herrlichen Blumen und seinen Wohlgerüchen hervorbringt, war vereinigt, die Sinne zu ergötzen. Amurath kam wirklich an dem bezeichneten Tage mit einer seiner Favoritinnen. – Nach der Mahlzeit wurde mein Bruder vor den Herrn beschieden.

Es sind nun dreißig Jahre, sprach der Türke, daß du mir dienst in Treue und Redlichkeit. – Heute, am Gedächtnistage seiner Geburt, schenkt dir Amurath die längst versprochene Freiheit. Nütze sie nach deinem Wohlgefallen; doch bedenke, dass die Wohltaten, die dir dein Freund und ehemaliger Herr erwiesen, Bande sind, unauflöslich eher als die Fesseln der Sklaverei. – Siehe, Amurath ist großmütig; er bietet dir, dem freien Manne, als Beweise seiner fortgesetzten Gunst die fernere Verwaltung seiner sämtlichen Ländereien an. – Sei vernünftig und entschlage dich der thörichten Sehnsucht nach den öden Gefilden Palästina’s und der Gesellschaft deiner wortbrüchigen fränkischen Brüder. – Wähle das Bessere und bleibe!

Großmütiger Herr! begann nach einigem Zögern mein Bruder, wie beschämt bin ich durch deinen Edelmut. – Mein Leben, meine Freiheit danke ich dir. Doch – zeihe mich nicht der Undankbarkeit, wenn ich bitte: Du mögest deinen Diener in Frieden ziehen lassen. Betrachte, o Herr, diese grauen Haare; glaube mir, dieser müde, gealterte Körper würde wenig mehr im Stande sein, dir Vieles zu nützen. Und was das großmütige Geschenk deiner Freundschaft und Gunst anbelangt, so gönne mir das Glück, solche als wertvollste Perlen von hinnen nehmen zu dürfen.

Undankbarer Christ! murmelte unwillig mit einem Anflug von Zorn der Sarazenen. Täusche mich nicht durch leere Redensart und Ausflüchte – ziehe hin – Amurath wird nicht länger dich zurückhalten suchen. Bei dem Barte des Propheten! Du bist meines Wohlwollens unwürdig. –

Nichts schmerzt so sehr, erwiderte auf diesen Vorwurf mein Bruder, als wenn wir uns missachtet und verkannt sehen von denjenigen, die wir achten und lieben. – Laßt daher, edler Mann, nicht Unwille und Missgunst die edleren Triebe deines Herzens verdrängen. – Entziehe mir nicht den schönsten Gewinn des Lebens, die Freundschaft und Hochachtung eines edlen Menschen. Zerreiße nicht das Band, welches keine Entfernung zu schwächen vermag. Das freundliche Gedenken zwischen solchen, die sich im Leben kennen und schätzen gelernt. Höre mich an, dann lass Milde und Gerechtigkeit walten.

Der Sklave, den du jüngst der Zahl deiner Diener eingereiht, ist mein Bruder. Sein unvermutetes Erscheinen, seine Erzählung von manchem, was mir einst teuer war, ließen in mir den Wunsch entstehen, noch einmal vor meinem Tod das Vaterland zu betreten. Gewähre mir gütig eine Bitte, von deren Erfüllung das Glück zweier Menschen abhängt. – Siehe, hier diese Börse enthält die Ersparniß, von den Summen, mit welcher deine Großmut mich von Zeit zu Zeit überhäufte; gestattet mir, dass ich damit den Bruder loskaufe und dir ersetze, was du für ihn hingabst.

Mit diesen Worten, berichtete Martin, hatte mein Bruder dem Herrn einen Beutel voll Zechinen zu Füßen gelegt; ehe dieser jedoch etwas auf den Antrag erwidern konnte, wirkte seine neben ihm sitzende Gemahlin einer ihrer Dienerinnen, den Beutel aufzunehmen und zu sich zu nehmen.

Amurath ist großmütig, sprach mit Grazie die schöne Dame, welche nebst großen Vorzügen des Geistes und Herzens auch eine unverkennbare Liebe zum edlen Metalle in sich hegte und vielleicht fürchten mochte, ihr Gemahl möge in einer Anwandlung übelberechneter Großmut das Geld ausschlagen; deine Bitte ist dir gewährt, sprach sie zu meinem Bruder, Japha, die Geliebte deines Herrn ist deine Fürsprecherin, und Amurath unser Gebieter will heute nur Glückliche um sich sehen. – Nicht wahr, mein Bester? Dabei streichelte sie mit schalkhaften Lächeln die Wange ihres Herrn, welcher etwas verblüfft, nicht anders konnte, als der Schönen Beifall zu nicken.

Alles dieses, berichtete Martin, erzählte mir nachher meinem Bruder, der eiligst und voller Freude kam, mir meine Freilassung zu verkünden. So hatte jetzt mein Schicksal unverhofft eine Wendung genommen, die ich wenige Tage zuvor für kaum möglich gehalten hätte. Was mir anfänglich ein großes Unglück geschienen, meine Gefangennehmung, hatte nur dazu dienen müssen, mich dem Bruder zuzuführen.

Und wenn ich des Vorurteils, ja ich kann sagen des Hasses gedachte, den ich, angeregt durch die Einflüsterungen meines Kameraden, gegen ihn, den wortkargen Mann, im Herzen getragen, so fielen mir die Worte des heiligen Augustinus ein: Gewöhnlich, spricht er, wenn man glaubt, man hasse einen Feind, hasset man unwissend einen Bruder! – Mein Kamerad aber, der Italiener, der so Übles von seinem Vorgesetzten gesprochen, weil dieser ihn oft wegen Trägheit und Meuterei, die er unter den Sklaven anstiftete, bestrafen mußte, hatte sich die Unruhe im Hause während Amorath’s Anwesenheit zunutze gemacht und flüchtete, wahrscheinlich auf ein fremdes Handelsschiff, welches zu jener Zeit den Hafen verließ.

Unter den aufrichtigen Dankesbezeugungen verabschiedeten wir uns von unserem ehemaligen Herren, welcher, nachdem sich bei ihm der erste Unwillen über die Entfernung meines Bruders gelegt hatte, wieder seine angeborene Gemütlichkeit gegen uns walten ließ.

Wir begaben uns an Bord eines genuesischen Schiffes, welches nach rascher Fahrt ohne besondere Unfälle glücklich die Küsten Italiens erreichte. In Neapel stiegen wir ans Land, um von da nach Rom zu pilgern, von dessen Herrlichkeiten ich euch, liebe Kinder, ein andermal erzählen will.

Unvergesslich wird mir stets der Tag sein, wo wir zum Ersten Mal wieder deutsches Land für uns erblickten. Die Städte und Burgen, die Dörfer im Grün der Bäume, die gelben Weizenfelder und sonnigen Rebhügel und dazwischen der alte Vater Rhein! – Laut priesen wir die Macht und Hilfe des Höchsten, der unsere Schritte sicher hierher gelenkt und uns errettet aus Not und Gefahr.

Wohlbehalten langten wir in der Heimat an, in der sich mein Bruder fast als ein Fremder fühlte; wenige seiner Jugendgenossen fand er noch am Leben, – zerstreut die anderen in die weite Welt.

In eines Klosters Abgeschiedenheit wollte er des Lebens kurze Pilgerertage beschließen. – Die Hoffnung, uns dereinst wiederzusehen, linderte die Bitterkeit einer herben, irdischen Trennung. – Kehre zurück in das Leben, sprach mein Bruder beim Abschiede, schaffe, wirke, vollendet redlich dein Tagewerk, und es tröste dich der Gedanke: dass dort einst dem müden Abende ein neuer, ewiger Morgen tagt. – Lebe wohl!

So erzählte Bruder Martin, und die Kinder ergriffen, nachdem er geendet, seine Hand und dankten ihm.

“Gott! In Freuden und in Schmerzen.
Herrsche Du Aller Herzen;
Sey ihr Trost bei schwerem Leide,
Ihre Kraft im letzten Streite.
Nimm an ihres Lebens Ende
Ihren Geist in deine Hände;
Laß in deiner Sel’gen Reihen
Sie sich ewig Dein erfreuen.

Ende

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