Memento Laureta Thedy
2. April 2021
Me sott immer nuu über des schriebe, was om grad troomt oder wa om grad dorch de Kopf sorret
Frei noch Thomas Hürlimaa
Augschtal im Augsbord, im Lysthal im Herbscht 2020:
Wieso stand ich a me Samschtig im September 2020 um 11:00 uusgrechnet zwische villne Truuergäscht uff em Kirchplatz im Lysthal , z Gressoney- St. Jean ? Zwische „Bergetal“, wie d Walser saget, i me nördliche Siitetal vum Aostatal, vum Augstal dorch des die gwaltig Dora Baltea rauscht. Dere dunnderet acht wiietere wilde, bärige Bergbäche zu, ebe au die Lys. Die kunnt vum Lyskamm, dere hochgebirgs Bergkette zwischem Matterhorn und em Monte Rose, de höchste Berg i de Alpe. D Walser saget dene Täler , dem Hauptal vu de Dora Baltea „Augschtbord“, „ Über de Grenz zum Augscht“ zum Augustus. Denn dä hond d Römer, hauptsächlich de Kaiser Augustus, de Augscht, s zweit Rom, im gwaltige Alpeboge baut. Augusta Prätoria mit Stadtmuure, Torböge, Triumphböge und eme grosse Amphietheater. Vu dä uus sind sie über de Gross St. Bernhard is Wallis, an Genfer See und gi Alemanie wiiter zoge. Des Tal isch s onzig wo vu drei Siite vu de höchste Alpeberg umzinglet isch. Im Süde mit 4050, im Weste mit 4850, im Norde mit 4500 und 4600. Nu im Oste hät sich die kraftglade Dora Baltea en Uuschlupf gege s Piemont, gege de Po uusbohret.
Mir stond zwische em mit Arkade überdachte Kriitzweg, i die Nischeböge vu de Kirchemuur kunstvoll uusgmolte Leidenswegbilder, und em Haupportal vu dere grosse Bergkirche. S Isch d Abdankung, wie mer uff walsertütsch sait, vu de Laureta Thedy, mit 62 verstorbe im Spital z Aosta, Aotonome Regio Aosta, die kliescht Region z Italie. Früher hät s au mol zu Savoye ghört.
Eigentlich homer zerscht i die südliche Täler vum Aostatal welle. Gi Pont, is Val Savaranche, is Val Grisanche, is Val Rhemes und gi Cogne. Spontan us em Buuch simmer doch zerscht is Lystal. Wer über de Gross St. Bernhard in Süde, in Weste oder Oste fahrt und nit mindschtens en dreiviertel Tag z Aosta ummemuuset, dem kam er nimme helfe. Südliche Flair mitte i de Hochalpe, e römische Kultur, e Händler, Säumer- und e Savoyardische Metropole, des gihts nu do. Überall Umberto Uno, Garibaldi, Margeritha vu Savoye und de Rei di Caccia, de Herzog Vittorio- Emanuele vu Savoye. Natierli die römische Kaiser, die Bersaglierei, die Freiheitskämpfer und Widerstandskämpfer. E uugwöhnlich Bella Italia.
Um 10:00 halte mer noch eme guete Freiluft- z Morge kurz vor Issime, z Eisschemme uff Wallisisch, am Ortschild. Aha: Eisschemme, mir sind richtig. Kurz denoch kunnt de Friedhof, dehinter d Kirch und s Wäschhiesli, d „Piasa da Weschi“, uff Tütsch. Devor en Kinderspielplatz, vill Holz, aber au vill Plaschtik. Ganz so guet wills nit zu dem spirituelle Ensamble passe. Aber iis vergrootet meischtens i dene Sache no vill meh. Dorch e gross , schees , zweiflueglichs Schmidetor betrete mer de Kirchplatz. Gegenüber vum Portal isch im Weste en Arkadegang mit eme überdachte, kunstvoll uusgmolet, plastische Kreuzweag. Vor em grosse, helzerne Kirchetor schaffet e ältere Frau, en junge Maa und e uugfähr 50-jährige Frau am Blumeschmuck ver d Sunntigskirch. Zaghaft guck emer zue. „Buon giorno, parlare Tedesco e Walser- Dütsch ?“ frog ich i die Gruppe. Die älter Frau verschwindet glii und diitlich abweisend dorch s Tor uff de Friedhof. De jung Maa verschwindet gruesslos i de Kirch und die Frau sait zögerlich, reserviert : Jo, sie dät Walserisch schwätze, könnt aber koe Schriftdietsch. Scusa. Mir verzellet ihre uff iiseri gemeinsame, alemannisch Mundart iiser Aalige. Daß zwische 1730 u. 1780 vill Uuswanderer und Händler us em Lystal zu iis uff d Boor uusgwanderet seiet und dä sesshaft wore seiet. Uugläubig und überrascht, allmählich ufftauend, sait sie, dass sie des no nie ghört het. Ich frog sie noch paar Näme, Eschinger Näme, wie Bury, linthy, Bastrenta, Lerch, Bieler, Lischgi und Thedy. Bei Thedy wird sie grührt, jo die Näme dät sie alli kenne. Do am Aaschlag nebem Kirchhofiigang dät e Plakat hänge: D Laureta Thedy wär grad mit erscht 62 Johr z Aoschta i de Oncologie gstorbe. Cancro, Brustkrebs. Wieder hät der uuheimlich Wuchersatan sie Ernte iigfahre und de Marito Roberto zum Witwer gmacht. Mir bedanket iis und gond uff de Kirchhof. Dä neschtlet die ander, die älter Frau uubholfe, betroffe, verängstigt, vergelschteret aber doch aadächtig am Plastik- Bluemeschmuk vor em Mahnmal vu de zahlriiche Weltkriegshelde vu dem kleine Eisschemme , de Widerstandskämpfer, de Bersaglierei und de Soldate rum. Vill Männer, vill z vill, us dere Walsergmeinschaft, wie sie dem Ort saget, sind dä vereewigt. Mir honds verstande, scuas cara Nonna. Mir Tedesci verdrucket uns still und demutsvoll is ander Eck vum Friedhof. Zu de Lerch, Bieler und Thedy.
Raimondo (7) e Ruggero (12)
Und nomol weremer bis is Mark erschütteret. Am Rand vu dem Spielplatz , vu dem „ d` Chinnumattu“ uff walisisch, vu de Kindermatte, stoht e Bronze- Kindersculptur. Sie stellt de Raimondo und de Rugero dar, 7 und 12 Johr alt, sind die zwei „Stelle“ , die zwei denkwürdige Stern vu Issime, vu Eisschemme. Uff de Bronzetafel kam er lese, dass sie am 7 Dezember 1943 z Issime gfange wore sind, als Jude entdeckt wore wäret, und vu do dorch halb Europa verschleppt im Vernichtungslager z Ausschwitz am 26.Februar 1944 umbroocht wore sind. De Vater war bei de Entsetzung vum Aventin und de Befreiung vu Issime, vu Eisschemme debei. De Schlusssatz sait, dass mer über den Fall guet nochdenke soll. Au des homer noch de uumissverstänliche Verhaltensweis vu de Nonna verstande und sind erschüttert und beschämt gi St. Jean is wild Tal unterhalb vum Monte Rosa hinderi gfahre.
Denkt homer: Wie unmenschlich, menscheverachtend, prall vu hässlichstem Rassehass und barbarisch muess mer sie, waret uuzählige Vorfahre vu iis, dass sie kleine Kinder bis i die hinterschte, abgschiedenschte Winkel vu Hochgebirgstäler verfolgt und i Vernichtungslager verschleppt und massehaft vernichtet hond. A de Gedenktafel und de Skulptur die im Februar 2009 uffgstellt wore sind, sieht mer, dass i so abgschiedene Täler mit so wildentschlossene Bewohner Wunde lang nit verheilet. Des sieht mer au im einsamste Bergland Europas, im Val Grande, wo a de Friedhofsmuure Näme vu de junge, uffgstöberte, ermordete Freischärler verewigt und verehrt wered. D klei Berg- Regio Aosta hät au en seltene Adelstitel.
Sie hät die Goldene Tapferkeitsmedaille vum Staat griegt, weil sie e Zentrum vu de Resistenza gsii isch. Jetzt verstoht mer des abweisend Verhalte vu de Senjora vor em Wiederstandsdenkmal no besser.
Memento Raimondo e Rugero, Scusa, wa für e Schand, wa fer e Barbarei.
Abdankung:
Uff em Parkplatz vu St. Jean im Lystal gihts fascht konn Platz. Wa word au do los sie ? Wo mer i paar Schritt an Dorfplatz und an Kirchplatz und an Kirchhof kummet stoht alls voll vu aadächtige Gresoneyer. I de Kirch isch konn Platz meh und e Trauerfeier word über Lautsprecher uff de Platz vor em Kirchportal und dem ähnliche Kreuzweg- Arkadegang wie z Issime übertrait. Glii zwei leere Liicheauto, en VW – Bus wie e Kapelle uusgstattet und en stromlinie Jaguar Nobelliichewage stond uff dem Platz. ́De Sarg stoht i de Kirch im Mittelgang. Jetzet erscht entdeck ich die gliiche Traueplakat wie z Issime mit de Todesaazeig vu de Laureta Thedy. Mir sind uusgrechnet a d Beerdigung vun ere Thedy im ferne, versteckte Lystal groote. Genau am reachte Tag , zu de reachte Stund und am reachte Ort.
E selli entfernt Verwandte vu iiserm Eschinger Thedy Clan, vor wahrscheinlich 250 Johr, also 10 Generatione, vum Lystal im Augstbord uff d Boor uusgwanderet, vollendet ihre irdische Wanderung und wandert uus, so isch a de fromme Aaschläg abzlausche, in e neue, andere Welt. Eweng kummer iis vor wie die heimliche Abgsandte vu de regional und genetisch kaum no Verwandte us Eschinge. Au des berührt. Wie fascht alles i dem Tal: Die gwaltig Bergwelt, die Wassergwaalt, de Überlebenswille vu de Liit, de Uuswanderermut, die Wanderkrämer Uusdauer und die körperlich und geistig Zähigkeit und Frömmigkeit vu dene Walser, mit ihrem Nationalheilige, em Theodul, em Thedy. Und Theodulpass hoesst au der schneebedeckt Hochgebirgspass zwischem Mattertal und em Augsbord, em Lystal, der scho vill Drame erlebt hät.
Au uff dem Kirchhof begegnet mer dene Eschinger Iiwanderernäme us em französiche Savoyen, em italienisch- romanische – ladinische Augstal und de alemannische Walsergmeinschaft.
Finale am Talend:
Natierli momer no gi La Trinite, as Talend vu dem Lystal. Dä wo s Tal gege Norde vum moolerische, scharfkantige, schneeüberwächtete Lyskamm abgschlosse und verbarikadiert word und im Nord- Oste vum no sperrigere Monte Rose. Des Walserdörfle liit uff eme Schwemmkegel vu de Lys und dä stoht e andere, e künstliche Muur. E breitgstreckt Hotel versperrt de Talgrund. S “Hotel Busca Thedy“. Grau, verbliche, e Abbild vum Thomas Mann sienem Zauberberg Sanatorium. Es muess mol e grosse Vergangeheit ghet haa, des Nobelkurhotel. Tempora mutandur. Dass des so isch, des erfahremer wieder uff em Kirchhof. Bestimmt oe Viertel vu de Gräber hond Thedy Näme. Appolonia, Fritz, Clothilde, Bruno, Antonia und Eugenio und ville anderi Näme. Familiegräber a de Muur und Mitte drin e hoffährtig Thedy- Mausoleum. Dä muess en ganz bsundere Thedy, nebem Hotelie- Patron, verewigt sie. En Fritz Thedy der z Biella hochaagsehne gsi sii muess. Es sieht noch eme Dichter oder eme Glehrte uus, verrotet e Brozene Schrifttafel.
Noch dem Tag war de erneut Bsuech i de gwaltige, wilde Gran Paradiso Täler zwar au no paradiesisch, aber die emotionale Iidrück usem Lystal waret oefach nit zum übertrumpfe. Wa fer e Woch.
Als Wunderfitz- Reis war die Fahrt scho aagleit, aber dass sie so uuglaublich iidrückliche, gheimnisvolle Erlebnis broocht hät, war nit zum erwarte. Und dass Eschinger Eschinger so berührend troffe hond, macht des alls no uuvergessener aber au verzehlenswert us de verschiedenste, erwänhte Gründ.
Jo so wars , Und: loset halt emol zue, bevor is doch no vergiss