Frühlingsanfang -Der Hofbauer und die Familie des Hausmanns

Frühlingsanfang -Der Hofbauer und die Familie des Hausmanns

6. Februar 2024 0 Von Hannah Miriam Jaag

Hieronymus Kapitel 3

“Sie ziehn di uf, und lehre di laufe, gen der n freudige Sinn u zeige der nüzlige Sache”
>Johann Peter Hebel

Frühlingsanfang – Der Hofbauer und die Familie des Hausmanns

Wenn, angehaucht von dem jugendlichen Atem des Frühlings, wieder frische Lebenskraft durch die Erde strömt, wenn die vielen Quellen und Bächlein aufgetaut, als flimmernde Streifen durch grünende Matten und Tal-gründe rinnen, wenn lichte sonnige Wölkchen hoch oben im reinen Himmels-blau über die Felsen und dunklen Wälder schweben und ein frischer Waldgeruch voll heilender Kräfte durch die milden Lüfte zieht, da vergißt wohl jede Brust der winterlichen Sorge, und in erneuter Jugendlust blickt der Mensch wieder vorwärts in die Zukunft und das Leben.

In unserem Tale haben Schwalben und Störche, die geflügelten Herolde, bereits wieder ihren Einzug gehalten. Der Bach, vor kurzem noch im Kampfe mit dem langen, starren Winter, fließt im alten Bette wieder friedlich und klar über glatte Kiesel und grünes Fischgras dahin.

Die vereinzelten Eisschollen, welche vor wenigen Tagen noch splitternd und triefend im Sonnenstrahl am Ufer hin und her gelegen, sind verschwun-den. Höchstens in den tiefsten Schluchten und an hohen Stellen des Waldes hat der frostige Alte, bei seinem Rüdkzug auf den Feldberg, noch etliche Fetzen seines Pudermantels zurückgelassen. Darum aber kümmert sich niemand mehr, am allerwenigsten die Kinderwelt, die teilweise schon barfuß geht wie die gelbwolligen jungen Gänschen, welche Hieronymus auf dem Grasplatz dort zu hüten übernommen. Selbst die kleine Florentina versucht im leichten Gewande der Jugend an der Hand der Wärterin ihren ersten Gang im Freien.

Noch herrschen die Tage der Sorglosigkeit auf den glückseligen Inseln der Kindheit, an deren blumigen Gestaden die schaukelnden Wellen des Zeiten-stromes nur schimmernde Perlen und Goldsand auswerfen; das Leben zieht noch so zwanglos und ungetrübt dahin wie das Bächlein dort, das an einzelnen Stellen Himmel und Erde lieblich abspiegelt.

Hieronymus scheint sein Amt mit Behaglichkeit zu verwalten, wenigstens macht er ein Gesicht, als ob er sich nicht im geringsten Sorge darüber mache, was es wohl morgen für Wetter geben werde. Romulus und Dionys, seine Kameraden, beschäftigen sich unterdessen angelegentlich mit dem Fange silberschuppiger Greßlinge und glatter Grundeln, während im Gärtlein des Laubhauserhofes die Hausfrau, ihr Söhnlein Peter an der Hand, umher-wandelt, um nachzusehen in den Beeten, ob sich auf die warmen Regenschauer noch nichts Grünes rege oder ein Veilchen sprosse hin und her am Gartenhag.

Alles, Menschen und Tiere, Luft und Landschaft verkünden den milden Frühlingstag, der allerdings in unserer Gegend häufiger erst in den Juni als in den Mai zu fallen pflegt. – Niemand will heut in Stube und Haus bleiben; selbst die Bienen machen einen Ausflug; während die einen vor dem Pförtchen ihres Strohpalastes sitzen und eilig sich den Winterstaub von den Flügeln streifen, kommen andere schon beladen mit der köstlichen Beute aus Flur und Wald zurück. – Auch Sänger fehlen nicht, den Tag zu preisen. – Über der braunen Ackerscholle dort oben am Waldsaum wirbelt die Lerche ihr hohes Lied, und vom Apfelbaum tönt Finkenschlag fröhlich dem zurückgekehrten Weibchen entgegen. Und auch im Wald herrscht Lust und Leben:

Schwarzamseln, Drosseln, Distelfinken und Meisen, die vor wenigen Wochen noch hungrig und heischend die Scheuern und Wohnungen umlagert oder von den einzeln aus der Schneedecke hervorschauenden Disteln und Stauden das letzte Samenkörnlein weggepickt, haben sich wieder in ihr grünes Lustrevier begeben, um in allen Tonarten das bekannte Konzert anzustimmen.

Längst verschwunden sind an unserm Hof die Merkmale des strengen Winters, die Strohbäusche um Brunnen und Stalltür, und auch der Holz-und der Bahnschlitten haben ihren gewöhnlichen Platz wieder eingenommen, neben der Einfahrt in die Scheuerntenn. – Die Feldgeschäfte beginnen. – Der Hofbauer macht zum erstenmal in Hemdärmeln einen Ausgang hinauf an die Halde, um mit Haue und Karst dem rieselnden Quell das Wässerungsgeschäft zu erleichtern. – Es ist dies eine Lieblingsarbeit von ihm, die er so leicht keinem Knecht überlassen mag. Im übrigen jedoch befaßt er sich wenig mit Verbesserungen. Wie seine Vorfahren, so treibt auch er das große geschlossene Hofgut in herkömmlicher Weise um.

Zu einem solchen Hofgut gehört namentlich Wald, der eigentlich den Hauptreichtum des Anwesens ausmacht. Erst seit neuerer Zeit jedoch liefert dieser erwünschten Ertrag, seit überall zur Erleichterung der Abfuhr Wald-und Feldwege angelegt und mehrere Flüsse floßbar gemacht worden sind.

Auch ist das Scheiterholz erst seit Entstehung der Fabriken, Glashütten, Salinen und Ziegeleien zu entsprechendem Werte gelangt. Denn wenn auch das Kohlenbrennen auf dem Wald von Urzeiten her schon üblich war, so stand es doch in keinem Verhältnis zu dem unermeßlichen Holzvorrat, weil außer den wenigen Brettern, die jeder Bauer auf seiner einfachen Klopfsäge schneiden ließ, der Verbrauch ein zu geringer gewesen. Von alten Leuten konnte man oft sagen hören, daß früher über Wald das meiste Holz auf dem Stock verfault sei. Einigen Ersatz fand der Besitzer nur darin, daß der tausendjährige, von den Bergen herabgeschwemmte Waldhumus sein Wiesengelände naturgemäß verbesserte.

Die verhältnismäßig wenigen, nur zum Anbau von Hafer und Sommerroggen tauglichen Felder zwischen Matten und Wald (wechselwirtschaftlich betrieben – fünf bis sechs Jahre bebaut, dann wieder zu Wiesen und Wald liegengelassen) liefern indes dem Waldbewohner nicht hinlänglich Nahrung, weshalb er seinen Bedarf an Früchten aus der Baar zu beziehen genötigt ist; und gemahlen werden dieselben auf der jedem Wälderhof eigenen Mühle.

Dies im allgemeinen die landwirtschaftlichen Zustände unseres südöstlichen Schwarzwaldes. Bis auf den heutigen Tag sind sie in der Hauptsache dieselben geblieben, während die persönlichen Verhältnisse wesentliche Umgestaltungen erfahren haben. – Ehedem – vor anderthalb hundert Jahren – gab es in der Gegend als Besitzende nur Hofbauern, welche dann wiederum einigen armen Familien auf dem Gut zu bauen gestatteten, wodurch diese dem Eigentümer dienstbar wurden. Denn diese Familien waren gemeiniglich verpflichtet, dem Bauer zur Heu- und Erntezeit zu arbeiten, während sie für sich selbst nur wenige, und nicht die besten Felder zum Anbau gegen mäßigen Zins geliehen bekamen. Nebstdem durften sie auch noch ein paar Kühlein mit hinaus auf die Weiden treiben.

Wenn nun heutzutage dieses Abhängigkeitsverhältnis bei den meisten Höfen auch noch obwaltet, so haben doch Handel und Industrie die zwingende Schranke allenthalben so weit durchbrochen, daß jedem möglich ist, ein freies Eigentum zu erwerben; und nicht selten sieht sich der Hofbauer vom industriellen Sohn seines einstigen Hausmannes weit überflügelt und genötigt, seine Söhne ebenfalls die industrielle Bahn betreten zu lassen.

Unser Bildchen zeigt uns eines jener alten Wäldergebäude, deren äußere Bauart, durch klimatische und andere Verhältnisse bedingt, jahrhundertelang die gleiche geblieben ist. Auf massiv steinerner Unterlage ruhend, ist der durch Alter und Rauch braunrot gebeizte Holzbau mit seiner schmalen Seite dergestalt in den Bergabhang hineingebaut, daß man von hier bequem mit Roß und Wagen in das obere, zu Fruchtlege und Heustall benützte Geschoß einfahren kann. Alles, Wohnung, Scheuer und Stallung, deckt ein gemeinschaftliches, weit überhängendes Stroh- oder Schindeldach, welches allein schon den echten Wälderhof kennzeichnet. – Da bis zur höchsten Höhe des Feldberges überall frische Quellen hervorsprudeln, so fehlt auch unserm Hof das laufende Brünnlein nicht, dessen nieversiegender Strahl das Milchhäuslein durchströmt und die darin aufgestellte Milch vor dem Gerinnen sichert. Bekanntlich ist die, aus also aufbewahrter Süßmilch gewonnene Butter, der „Anken”, weit und breit gesucht; und ebenso verhält es sich mit dem Käse, der in einigen Höfen bereitet und unter besonderen Namen versendet wird.

Der Talboden, aus Granitgerölle angeschwemmt, gewährt dem Bauer ein vorzügliches Wiesengelände, welches mit den weitschichtigen, als Weidgang benützten Halden einer Viehherde von sechzig bis siebzig Stück hinreichend Futter liefert.

Wie die meisten Wälderbauern, so trieb auch unser Laubhauser eine gewisse Hoffart mit schönen Kühen. Seine eigentlichen Erholungsstunden verbrachte er im Stall in Betrachtung seiner Lieblingstiere. – Gerne jedoch sah er auch den Schweinen zu, über die Bretterumzäunung ihres Zwingers gelehnt, wobei er im voraus schon bei jeder einzelnen das einstige Gewicht schätzte, obwohl es eines Zuwachses gar nicht bedurft hätte, um den Bedarf an Speck auf ein volles Jahr hinaus zu decken; denn droben in der Rauch-kammer hingen zweijährige Speckseiten und Schinken mit zolldickem Ruß bedeckt; es gehörten solche recht eigentlich zum Hofstaat.

Unsere Zeichnung läßt nun im Mittelgrund die kleine Mühle sehen, die Wohnung des Hausmanns Mathias. Und gewiß würden wir, wäre die Hütte von vorne sichtbar, auch einige Proben von der Kunstfertigkeit dieses Mannes aufgestellt erblicken: geschnitzte und bemalte Kleiderkästen, Tröge, Votivtafeln, Kirchhofkreuze und anderes. Um jedoch den Verfertiger vor dem Verdachte, als wäre er ein schiffbrüchiges Genie irgendeiner Kunst-schule, sicherzustellen, wollen wir eine kurze Lebensbeschreibung von ihm und seiner Familie hier einschalten.

Der Vater des Mathias war im Kirnachertal daheim, auf der Grenze zwischen dem Schwarzwald und der Baar. Das elterliche Gut war kein unbeträchtliches, aber der Vater des Mathias war der älteste Sohn, und nur der jüngste konnte dem „Recht” nach in den Besitz eintreten, während die älteren Brüder sozusagen leer ausgingen. So durfte der Mann noch von Glück sagen, daß er eine vermögliche Witwe im Dorfe Dürrheim kennenlernte, welche ihm ihre Hand reichte, wie er dann auch nach langem Warten dort das Ortsbürgerrecht erhielt. Unter mehreren Kindern aus dieser Ehe hatte unser Mathias ebenfalls das Unglück, ein Erstgeborener zu sein, weshalb er sehen konnte, wie und wo er sich durchbringen werde, wollte er nicht zeitlebens in Abhängigkeit vom jüngsten Bruder gleichsam als Knecht im Hause leben.

Dies wollte ihm nicht in den Kopf, lieber wollte er bei fremden Leuten dienen. Kaum sechzehnjährig, verdingte er sich in der Mühle zu Pfohren, dann in Unterbaldingen und später in der Mühle zu Donaueschingen, kehrte aber später wieder ins heimatliche Dorf zurück.

In weiter Ferne winkte ihm hier ein Ziel, das ihm jede, auch die beschwerlichste Arbeit leicht machte. Anastasia, die Tochter seines Nachbars, war in redlicher Liebe die treue Genossin seiner Hoffnungen und Wünsche, die Teilnehmerin seiner Arbeit und Mühsal.

Mathias hatte von der Gemeinde ein Feldstück gepachtet, das, an der äußersten Grenze der Gemarkung gelegen, weder zum Anbau noch als Weide benützt wurde. Nicht Nässe, nicht glühende Sonnenhitze, keine fast über seine Kräfte gehende Anstrengung scheute er in dem Gedanken, daß einst das gute Mädchen die Seinige werden könnte. – Doch sollte ihm das nicht so leicht werden. Nachdem er den Boden geschürft und den Rasen ge-brandelt hatte (dazumal dort noch eine ziemlich unbekannte Kulturart), verstauchte er sich beim Behacken des schweren, scholligen Feldes die rechte Hand dergestalt, daß von Zeit an eine Schwäche darin zurückblieb, die ihn zum schweren Bauerngeschäfte untauglich machte. Was nun anfangen? – Doch der junge Mann ließ den Mut nicht sinken. Schon als Kind war bei mancherlei Gelegenheit ein Funke innewohnenden Kunsttriebes in dem Knaben geweckt worden. Das heimatliche Dorf gehörte mit etlichen anderen Orten zur komturischen Ritterkommende Villingen, wohin der Kleine zuweilen mit seinem Vater kam, wenn dieser dort die Steuer entrichete oder Holzfuhren tat. Denn außer der jährlichen Steuer mit einem Gulden rauher Währung (zweiundfünfzig Kreuzer) hatten die zugehörigen Ortschaften noch einige Fronden der gnädigen Herrschaft zu leisten. Diese bestanden in leichten, aber teilweise eigentümlichen Obliegenheiten.

Auch hier ist die von Lucian Reich erweiterte zweite Auflage deutlich genauer und sie ist mit vielen Gegebenheiten aus Villingen erweitert.

Die Gemeinden Ober- und Niedereschach waren verpflichtet, den komturischen Beamten in Villingen das benötigte Brennholz in die Stadt zu führen, Weigheim hatte solches klein zu spalten, und Dürrheim mußte der Frau Amtmännin das Kraut aus dem Garten in Haus und Keller schaffen sowie auch das Hanffeld „lichen” oder lichten. – Die Zustände dieser Komturischen waren überhaupt ganz patriarchalischer Natur. So wurde zum Beispiel dem Holzfuhrmann nicht nur jedesmal ein guter Imbiß vorgesetzt, auch seine Pferde wurden unentgeltlich gefüttert.

Man hört es vielleicht, aber mit dem Wort Komtur oder auch komturisch, konnte ich reichlich wenig anfangen. Der Komtur ist eine Amtsbezeichnung der geistlichen Ritterorden, also der Verwalter einer Ordensniederlassung. Zur Geschichte der Villinger Johanniterkomture gibt es auf den Seiten des Villinger Geschichts- und Heimatverein von Winfried Hecht mehr.

Johanniterkomtur Dietrich Rollmann von Dattenberg

Über den Johanniterkomtur Dietrich Rollmann von Dattenberg gibt es auch auf den Seiten des Villinger Geschichts- und Heimatverein von Wilfried Steinhart mehr. Allerdings wird dort nichts von der Stiftung erwähnt.

Ebenso erhielten die Handfröner täglich eine gute Suppe mit Fleisch und wenn der Kastenknecht gerade guter Laune war, so holte er auch noch einige Flaschen Markgräfler aus dem von Heitersheim her stets wohlgefüllten Herrschaftskeller und trank dann mit den plaudernden “Hanflicherinnen” aufs Wohl der gnädigsten Herrschaft, spaßweise dabei bemerkend, sie möchten ja still dazu sein. – Machte sodann der mit Geschäften selten überhäufte komturische Amtmann mit seiner Gemahlin einen Spaziergang vor die Stadt zu den großen, außerhalb der Ringmauer liegenden Gärten, so fragte er die Weiber und Mädchen im Scherz, ob sie nicht etwa um Mittag auf seine Gesundheit getrunken, es sei ihm plötzlich so wohl geworden – und dergleichen mehr.

So lebten die komturischen Untertanen (die hohe Gerichtsbarkeit mit dem Jagdrecht war dem Haus Fürstenberg verblieben), die außer dem „Sitzgulden” weder Steuern noch Abgaben zu entrichten hatten, unter Verhältnissen, die uns heute fast unglaublich erscheinen.

Wenn nun der Mathisle mit seinem Vater, der jene Holzfuhren übernommen hatte, auf das Ritterhaus kam, wo ihnen der übliche Trunk verabreicht wurde, so hatte der Kleine hinreichend Zeit, sich in dem altertümlichen, mit Eichenholz getäfelten und geschnitzten Saal umzusehen; er wandelte schüchtern, aber mit heimlicher Freude zwischen den die Decke tragenden Holzsäulen herum und bewunderte die lebensgroßen Ritterbildnisse in ihrem prachtvollen Ornate. Mit gleicher Teilnahme konnte er sich später im Malersaale des Benediktinerklosters umsehen. Diese Erinnerungen belebten nun Mathias in seinem Unglück. Ging es nicht mehr mit schwerer, so hoffte er mit künstlicher Handarbeit sein Fortkommen zu sichern. Bald hatte er sich Geschirr verfertigt, um allerhand Gerätschaften zu drechseln und zu schnit-zen. Auch die Landwirtschaft setzte er nebenbei fort, indem er wieder hier durch geistige Kraft ersetzte, was ihm an körperlicher abging. – Mehrmals hatte er versucht, vor versammelter Gemeinde um das Bürgerrecht einzu-kommen, doch ohne Erfolg. Die Bürgerschaft war eine geschlossene, d. h. auf eine gewisse Zahl beschränkte, und von der Regel durfte nicht abgegangen werden.

Um diese Zeit besuchte der Kommandeur von Heitersheim die Kommende Villingen nebst den zugehörigen Ortschaften. Dies Ereignis schien dem Vogt eine vom Himmel gesendete Gelegenheit, seinem Schützling zu helfen. Er wählte Zeit und Ort, wann der Mathias vor dem gestrengen Herrn erscheinen und einen Fußfall tun könnte.

„Wie heißt dieser Mann? Wo ist er her?” herrschte der Kommandeur den zagenden Mann zu seinen Füßen an. Doch der Vogt trat sogleich vermittelnd ein: „Er heißt Mathias, gnädiger Herr, ist ein hiesiger Bürgerssohn und ein sehr fleißiger, braver Mann, der sich durch harte Feldarbeit ein Übel an der Hand zugezogen; aber trotzdem hat er ein großes Stück Feld auf so besondere Art angebaut und urbar gemacht, daß es schon bei einigen in der Gemeind Nachahmung g’funden hat. Er wär geneigt, sich zu verheiraten, allein weil er nit hiesiger Bürger ist, fehlt ihm der Consens. Seine Braut ist eine rechtschaffene, geschickte Näherin und Stickerin. – Gnädiger Herr! Ich als Vogt möcht wünschen, daß er als Gemeindebürger aufgenommen würde.” Mathias lag immer noch auf den Knien. Der Kommandeur sah ihn scharf an; – das treue, ehrliche Angesicht des Bittenden mochte seine Wirkung tun, denn auch des Kommandeurs Miene änderte sich, und nach einigen Augenblicken des Schweigens sagte er feierlich: „Mathias, steh er auf, ich ernenne ihn hiermit zum zweiundsiebzigsten Bürger der hiesigen Gemeinde. – Vogt! Nehmt einen Akt darüber auf, ich werde ihn unterzeichnen.”

Mathias dankte stotternd dem gnädigen Herrn und küßte (denn darauf hatte ihn der Vogt besonders aufmerksam gemacht) sich verneigend den Saum seines Kleides. Dem Vogt wurde hierauf noch bedeutet, daß dem angehenden Bürger ein Anlehen von hundert Gulden aus der komturisch-dattenbergischen Stiftung gewährt sei, welches also geliehene Kapital, nach dem Willen des Stifters Dietrich Rollmann von Dattenberg, niemals aufgekündet werden konnte, solange nämlich der Schuldner richtig zinste.

„Apropos”, sagt der Ritter noch, als sich der beglückte Mathias entfernen will, „seine Braut will ich auch kennenlernen; schick’ er sie sogleich her.” Der Vogt winkt, und Mathias, voll unaussprechlicher Freude, eilt zu seiner geliebten Anastas, verkündet ihr das Glück, zugleich aber auch die Aufforde-derung, alsobald vor dem gnädigen Herrn zu erscheinen. Das aber hält schwer, bis Mathias zuletzt herausfährt: „Es muß sein, der Vogt hat mir noch besonders zugewinkt.” Die Anastas nimmt sich also zusammen und geht, nachdem sie ihr bestes Kleid angezogen. Der Ritter grüßt das Mädchen freundlich als Braut und künftige zweiundsiebzigste Bürgerin der Gemeinde. Sie dankt mit Tränen in den Augen und will ihm ebenfalls das Kleid küssen, aber der Ritter läßt es nicht zu, indem er sagt: „Nein! Nicht das Kleid, die Hand.” Er fragt sie hierauf noch mancherlei und entläßt sie mit der Mahnung: sich fleißig und rechtschaffen zu halten, er werde dem Paar später wieder nachfragen.

Oft erzählte Anastasia diese Geschichte, und fast jedesmal schloß sie mit nassen Augen und den Worten: „Gott vergelt’s dem edlen Ritter!” Unter Mühen und Tätigkeit, aber mit Gottes Beistand verlebte das Ehepaar die ersten Jahre. Während die Anastas für Kunden nähte und stickte, übte sich ihr Mathias immer mehr in seinem Kunstgewerbe. Von einem herumziehenden Bildschnitzer, welcher Kruzifixe und Heiligenbilder fertigte, die seine ihn stets begleitende Tochter faßte, d. h. farbig bemalte, lernte er die wesentlichsten Handgriffe und Vorteile im Farbenreiben und Anstreichen.

Aber sie hatten noch herbe Jahre zu bestehen; sei es, daß Mathias durch nebenbei rastlos fortgesetzte Feldarbeiten oder durch schädliche Mittel sein altes Handübel verschlimmerte, genug, es wollte mit dem Ackerbau nicht mehr recht gehen, und auch das Kunsthandwerk nährte seinen Mann nur kümmerlich. – Früher schon hatte ihm der Lange Hans, der zuweilen im Dorf hier übernachtete, den Rat gegeben, auf den Wald zu ziehen und seine Kunst allda auszuüben, indem es dort mehr zu verdienen geben würde; und jetzt machte ihm der Laubhauserbauer, der in Geschäften zu seinem Vetter, dem Vogt, ins Dorf gekommen und von diesem auf den fleißigen Mann aufmerksam gemacht worden war, den Vorschlag, zu ihm nach Laubhausen zu ziehen, dort könne er die kleine Mühle des Hofes besorgen und nebenbei noch mancherlei verdienen mit Schnitzen und Anstreichen.

Nach reiflicher Überlegung wurde das Anerbieten angenommen. Hatte doch Mathias lange genug in Mühlen gedient, um diesem Geschäft, namentlich in so kleinem Umfang, vorstehen zu können; und weil auf dem Wald der Müller zugleich Bäcker ist, so traf es sich auch in diesem Punkt ganz gut, denn Anastasia war die Tochter eines Bäckers und konnte also ihrem Mann erfolgreich an die Hand gehen. – Und so zogen die Leutchen mit ihrem einzigen Söhnlein auf den Wald, nach Laubhausen, wo sie ein leidliches Auskommen fanden.

Fast jedes Jahr kam Anastasia mit ihrem kleinen Hieronymus auf Besuch in das heimatliche Dorf, wo noch Eltern und Geschwister lebten. Einmal nahm sie den Weg, statt über Tannheim und Grüningen, durch das Kirnachertal, wo das väterliche Haus ihres Mannes stand. Längst schon wohnte aber niemand mehr von der Familie dort; gestorben und verdorben waren die männlichen Sippen, und ein Fremder hauste auf dem Gut. Anastasia erzählte dies alles ihrem Söhnlein auf dem langen Weg dahin, und zwar tat sie es mit einem Ernst und einer Ausführlichkeit, als vergesse sie ganz, daß sie zu einem Kinde spreche: wie sie und der Vater sich kennengelernt, der schwere Anfang ihres Hauswesens, Sorgen, Krankheiten, Glück und Unglück. – Alles wurde im einzelnen besprochen und kritisiert.

Der Kleine hörte dies nicht zum erstenmal – nur hatte er bisher geglaubt, es verstehe sich ja ganz von selbst, daß alles so und nicht anders gekommen sei. – Als ihm endlich die Mutter das schwiegerelterliche Haus am Wege zeigte mit den großen Stallungen, eingezäunten Wiesen und Gärten – so konnte das Büble doch nicht umhin, zu fragen: warum denn der Vater das Gut nicht bekommen habe, wenn doch der Großvater und alle gestorben seien? „Da wäret mer jetzt au so reich wie der Laubhauserbur”, meinte er, „und Ihr und der Vater dürftet euch nit mehr so plagen und schinde.’ „Hab dir ja schon oft g’sagt, warum er ‘s nit hat bekomme könne!” erklärte ihm die Mutter. „Nach dem Recht hat ja nur der jüngste Sohn das Haus und das Vermögen bekomme könne, und die andern sind mit etliche hundert Gulde – wenn’s hoch kommen ist – abg’ speist worde.” Dieses Recht aber kam dem Kleinen sehr unrecht vor. Die Mutter mochte sagen was sie wollte, er blieb dabei. „Da hättet Ihr jetzt au Küh im Stall, Mutter”, fing er wieder an, „und der Vater hätt eigene Frucht und könnt für sich schaffe.”

So ganz unrecht konnte die gute Frau ihrem Kinde nicht geben. Hatte sie doch selbst schon ähnliche Betrachtungen häufig angestellt! – Etwas weiter hin am Wege ging sie dann mit ihm hinüber auf den alten Kirchhof, um dem Enkel die Gräber seiner Voreltern zu zeigen. Sie fanden aber wenig mehr.

Nur auf einem halbversunkenen eisernen Kreuz glaubte sie den Namen der Familie entziffern zu können. – Nachdem sie das mit hohem Gras bewachsene Grab mit Weihwasser, das der letzte Regen in einem Schüsselein nebenan zurückgelassen, besprengt hatten, gingen sie in die Kapelle, um dort für das Heil der Abgestorbenen ein kurzes Gebet zu verrichten.

Im Fortgehen konnte Hieronymus nicht umhin, mehrmals noch zurückzuschauen nach dem schönen Anwesen – bis dieses bei einer Krümmung des Weges hinter den Bäumen verschwunden war. – „Jetzt kommen wir bald nach Villingen“, sagte die Mutter, ein anderes Gespräch anfangend. „Da bist du noch nie gewese, mein’, da sind viel Kinder, viel mehr als bei uns auf’m Wald.” – Hieronymus freute sich, die schöne Stadt mit ihren Kirch-türmen, hohen Toren und Ringmauern, von welchen ihm die Eltern so manches erzählt, einmal sehen zu können. – Und als sie bald nachher zum Tal hinauskamen und im fernen Riedfeld die städtische Kuhherde weiden sahen, schlug der Kleine vor Verwunderung die Hände zusammen: „Ein’ so große Herd”, rief er aus, „hat ja nit emal der Laubhauserbur! Die ist ja hundertmal größer als die vom Laubhauser- und die vom Fischerbur.” _ Und als ihm die Mutter sagte, dies sei noch lange nicht alles, ebenso groß sei die Kälber- und Geißenherd, und nicht viel geringer die Gäns- und die Sauherde, so wollte es ihm fast unglaublich vorkommen.

Noch größer aber war sein Erstaunen, als sie der Stadt sich näherten und zum Tor kamen, wo sie den allmächtig großen Mann in seiner prächtigen Landsknechtstracht an der Wand abgemalt erblickten. – Die Mutter sagte ihm, dies sei der Romeias, der Wundermann, von dem ihm der Vater kürzlich erzählt und gesagt hab, daß er früher so, wie er da abgemalt sei, in Villingen gelebt habe. Hieronymus hätte gern wissen mögen, was denn neben der Figur dort angeschrieben stehe? Aber die Mutter konnte aus der halberloschenen altfränkischen Schnörkelschrift soviel wie nichts heraus-buchstabieren. – Da kam wie gerufen ein altes Männchen vom „Rampart” hergehumpelt, der wußte gründlich Bescheid als geborener Villinger. Der Romeias, so erzählte er dem aufmerksam losenden Wälderbüble, sei ein Kriegsmann gewesen, und in Villingen auf dem Käferberg gebürtig.

So ist auch die Geschichte vom Romäus (Romesia genannt von Lucian Reich), und die Schwedenbelagerung in Villingen nur in der von Lucian Reich überarbeiteten Ausgabe zu finden . Die genaue Geschichte des Romesia Manns und auch das Bild auf das sich Lucian Reich bezieht kann auf den Seiten des Geschichts- und Heimatvereins Villingen, nachgelesen werden. Ebenso die Geschichte mit den Schweden und dem Quecksilber.

altes Romäusbild in Villingen am Turm

Obwohl von kleinen Eltern stammend, sei er doch so groß geworden, daß er mit seinen Pfauenfedern auf dem Hut weit über das zweite Stockwerk der Häuser in der Hauptstraß’ hinaufgereicht hab. Aber nicht nur groß – auch stark sei er gewesen. Auf einen mit zwei schweren Baumstämmen beladenen Wagen, den zwei Stiere nicht fortbringen konnten, hab er die Tiere auch noch aufgeladen, und die ganze Last allein fortgezogen. Den Rottweilern hab er zum Possen einen schweren eichenen Stadttorflügel aus den Angeln gehoben und sei damit fortgesprungen und erst auf dem Guckebühl einmal stehengeblieben, um sich nach seinen Verfolgern umzusehen. Seine große Leibskraft aber hab ihn bald so übermütig gemacht, daß er nach keiner Obrigkeit mehr etwas gefragt und sogar über den Villinger Schultheiß und Stadtrat räsoniert hab. „Da haben ihn die Herren in Prison tun lassen”, erklärte das Männchen, „dort in den hohen St.-Michels-Turm, und wurde erkannt, daß er, wie die Chronik berichtet, sein Leben mit einem Stück Brot und Wasser beschließen soll. Der Romeias aber hat viel Freund und Gönner gehabt unter dem gemeinen Volk, und der Rat hat nit verhindern können, daß sie ihm Speis und Trank bracht haben. Und soll er bei so gutem Appetit gewesen sein, daß er jeden Tag ein ganzes Kalb verspeist hab. Die Knochen aber hat er in die Mauer seines tiefen Turmes gesteckt und ist daran aufgestiegen und aus dem Arrest entwichen -‘nüber in die Freistatt der Johanniter. Hier haben ihm die Stadtknecht aufgepaßt; er ist ihnen aber doch auskommen bei Nacht und schwerem Gewitter und hat sich in die Schweiz begeben, wo er im Krieg auf dem festen Schloß Küssaberg so unerhört rühmliche Taten verricht’ hat, daß ihn der Stadtrat allhier wieder in Gnaden auf-und angenommen und ihm bis an sein selig End die Herrenpfründ im Spittel bewilligt hat.”

„Ist es schon lang”, fragte Hieronymus, „daß der Romeias g’lebt hat?” „Oh – das ist lang vor dem Schwedenkrieg gewesen”, sagte der gesprächige Alte. „Im Schwedenkrieg aber, mußt du wissen, ist es in Villingen noch viel bunter zugangen als zu Romeias Zeiten. Man kann den Damm heutigentags noch sehen, draus bei der Ölmühle, den sie aufgeworfen haben, um die Villinger mit Kind und Kegel zu versäufen wie die Mäus; ist ihnen aber ein kurioser Strich durch die Rechnung gemacht worden”, setzte er schmunzelnd bei, „denn als die Not am größten und das Wasser schon bis auf den Marktplatz gestiegen ist, haben die herinn einen bei Nacht und Nebel mit einem Schiffle und einem Fäßle voll Quecksilber ausgeschickt; es ist ein Malefikant gewesen, dem der Rat die Freiheit und das Bürgerrecht angeboten hat, wenn er den Anschlag glücklich zu End brächt – und hat’s auch wirklich vollführt und das Fäßle in den Damm praktiziert, den das Quecksilber heimlich durchfressen und unterminiert hat. – Und der Schwed hat abziehen müssen mit langer Nasen.”

Vielen Dank an Dominik R. Schaaf

Als man zählt 1498 Jahr
Hat hier gelebt, glaubt fürwahr,
Ein Wundermann, Romeyas genannt,
Im ganzen Land gar wohl bekannt.
Nach mancher ritterlichen That,
Sein Stärke in verführet hat,
Fing an seine Obrigkeit zu schelten,
Das musst er hier im Turm entgelten.
Brach wunderlich mit List daraus
Und floh in Johanniter Haus,
Doch bald bei Nacht und grausam Gewitter
Entschlüpft er dem Asyl der Johanniter
Und zeigt im Schweizer Krieg sich groß
Auf Küssaburg, dem festen Schloß.
Mannlich Tat führt stets zum Frommen
Weshalb er wiederum Gnad bekommen,
Daß im Spital ihm bis in Grab
Die Herren-Pfründ gegeben ward,
Und endigt so sein Ruhm und Leben,
Gott wolle uns allen den Frieden geben!
Amen

»Ja”, bemerkte Hieronymus, „habe denn die Schwede nit in die Stadt reinschieße könne?”
„Und wie haben sie ‘reing’schossen!” versetzte lachend der Alte; „du kannst die Müsterle noch sehen, drinn im Münster an Ketten aufgehenkt, groß und kleine Bohnen, die sie uns reinspediert haben auf den Markt und ins Kaufhaus. – Aber die Villinger haben’s nit fehlen lassen an Krachtorten, mit der Zugab von spanischem Pfeffer und Muskatnuß, die sie ihnen von der Bastei aus nausg’ schickt haben ins Lager. Und es soll mehr als einer von ihne drauße ‘s Krümmen und ‘s Gliederreiße davon bekomme haben. – Wär überhaupt noch viel zu sagen von den alte Zeiten!” meinte der Altbürger, indem er, auf seinen Stock gestützt, mit ihnen durch das Tor schritt.

Gern wär Hieronymus nun auch in die Münsterkirche gegangen, um die verschiedenen Sorten Bohnen, von welchen der altertumskundige Mann ge-sprochen, und die schönen Altäre dort in Augenschein zu nehmen, aber die Mutter meinte, für heute sei es zu spät, und vertröstete ihn auf ein ander-mal, und so hatte er nichts dagegen, als sie – weiter in die Stadt hinein-gekommen, wo es in den Straßen, an Kaufläden, Wirtshausschildern, hübschen Erkern und steinernen Brunnen, genug für ihn zu gaffen und zu bewundern gab – die Schritte statt zum Münster – zu einem Wirtshaus lenkten.

Gefühl der Ermüdung, mit Hunger und Durst vermischt, hatte sich bei dem kleinen Wanderer eingestellt. Das merkte er erst recht, nachdem sie am Wirtstisch sich niedergelassen. – Und als ihm die Mutter nebst dem gemeinschaftlichen Schoppen extra noch einen saftigen „Schiebling” mit Weißbrot hatte bringen lassen, schmeckten ihm diese Dinge so vortrefflich, daß er nicht umhin konnte, mehrmals während des Essens mit dankbarem Lächeln die blauen Augen zu ihr zu erheben.

Es dämmerte bereits, als sie das heimatliche Dorf erreichten. Der vorjährige Besuch war in den Frühling, in die österliche Zeit gefallen, jetzt war es Herbst; und wenn damals die farbigen Ostereier im Hausgarten den Enkel glücklich machten, so waren es diesmal die reifen Zwetschgen, Pflaumen und Birnen, die nicht minder gut schmeckten. Und hatte er im Grase dann sich genug herumgetummelt und mit den Nachbarskindern gespielt, so erwartete ihn droben im freundlichen Leibgedingstüblein der Großeltern wieder eine andere Unterhaltung: denn da zeigte ihm die Großmutter ihre Schätze im Kleiderkasten, das schöne „Nister” mit den vergoldeten Gotte-geldern, das silberne Balsambüchsle, die Rose von Jericho und vor allem die große, glänzende Muschel, bei welcher sie nie unterließ, zu erzählen, wie solche ihr Großvater mitgebracht vom fernen Meeresstrand, als er mit sieben anderen Gemeindebürgern nach Malta geschickt worden sei, beim Großmeister des Ordens sich zu beschweren über die Willkür eines Beamten in Sachen der Einkaufsgelder auswärtiger Eheweiber.

Und wenn ihm dann die Großmutter zu verstehen gab, daß dereinst, nach ihrem Tod, alle diese Schätze im Kasten ihm gehören sollten, so dünkte sich der Kleine im voraus schon reicher als Salomon in all seiner Pracht und Herrlichkeit. Der Rückweg wurde diesmal über Hüfingen genommen. Ein Nachbar, der mit Gerste ins Hofbräuhaus nach Donaueschingen fuhr, ließ die beiden aufsitzen.

Im Städtchen Hüfingen wollte Anastasia noch eine Base besuchen, die an einen dort stationierten Feldwaibel verheiratet war. Es lag zur Zeit eine fürstenbergische Grenadier-Kompanie dort in Garnison. – Dieser Besuch sollte nur ein ganz kurzer sein; aber die Base und der Vetter taten’s nicht anders, die beiden mußten warten, bis doch wenigstens ein Kaffee gemacht und in den hübsch bemalten Porzellantassen serviert worden war – eine Begebenheit, die unserm Hieronymus deshalb in langer Erinnerung blieb, weil es das erstemal war, daß ihm dieses damals auf dem Lande noch seltene Getränk über die Lippen kam.

Nach solchen Ausflügen und Besuchen kehrte die gute Anastas immer wieder gerne zum eigenen Hauswesen zurück, denn dieses ist der Zwing und Bann, innerhalb welchem das Familienleben, gleich der Pflanze im Topf, wurzelt und sich entfaltet.

Wenn alsdann Anastasia wieder mit ihrem Nähzeug im traulichen Stüblein saß am Fenster, mit der Aussicht das Tal entlang bis zur Stelle, wo das Sträßchen sich im Wald verliert, und wenn ihr Blick, wie in Erwartung von Ankömmlingen aus der Heimat, zuweilen hinausschweifte – und die schmeichlerischen Lüfte in leisen Wellen all die Wohlgerüche der Blumen aus dem Gärtlein in die Stube trugen, wenn die Schläge der Holzaxt und das Krachen gefällter Bäume in den Wäldern und der Ruf der Waldvögel, vermischt mit fernen Kinderstimmen, kaum stärker an ihr Ohr drangen als der einförmige Schlag der Wanduhr, so mußte sie sich sinnend selbst gestehen, daß es doch auch schön sei in dieser Einsamkeit wie überall auf der weiten Gotteserde.

Und ihrem Hieronymus, der als Wickelkind auf den Wald gekommen, gefiel es natürlich nirgends besser als hier in den Bergen – mochten die Ostereier und das Obst bei den Großeltern auch noch so wünschenswerte Dinge sein.

In dem Kapitel wird deutlich, dass die Mutter von Hieronymus, Anastasia, aus einer Bäckersfamilie in Villingen stammt. Am Ende des Kapitels besucht Anastasia das erst Mal mit Hieronymus die Base und den Vetter in Hüfingen. In Hüfingen ist eine Garnison der fürstenbergischen Grenadier-Kompanie und der Vetter ist “Feldwaibel” dort.

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