Der Hexenprozeß gegen Mathias Tinctorius

Der Hexenprozeß gegen Mathias Tinctorius

2. Juni 2024 0 Von Hannah Miriam Jaag

Der Hexenprozeß gegen den Fürstenberischen Registrator Obervorteiverweser und Notar Mathias Tinctorius und Consorten zu Hüfingen.

Ein Sittenbild aus den 1630er Jahren
von
Archivrath Franck in Donaueschingen

1872

Über die Hexenprozesse ist eine umfangreiche Literatur vorhanden, welche nicht nur die Wirkungen der Prozedur auf die Angaben der Angeklagten, (zum Beispiel durch den malleus maleficarum* als Verhörsdirektorium und die Tortur als hier wenig beschränktes Überführungsmittel), sondern auch die davon ganz unabhängigen psychologischen und kulturgeschichtlichen Quellen des in fast allen seinen Details gleichmäßig überallhin verbreiteten Hexenglaubens gründlich erforscht hat. Gleichzeitig sind derselben auch alle Hebel, welche menschliche Verworfenheit zur Ausbeutung dieses Aberglaubens und der gegen ihn gekehrten gefährlichen Inquisitionswaffe für ihre Zwecke benutzte, nicht entgangen, so dass über die Sache im allgemeinen wenig Neues mehr zu sagen bleiben wird.

Dagegen werden immerhin die Vorgänge interessant sein, welche durch das Zusammentreffen eigentümlicher lokaler oder persönlicher Züge eine besondere Bedeutung erhalten. Und diese Art erscheint uns der in der Überschrift bezeichnete Fall, in welchem ein tüchtiger und einsichtsvoller Justizbeamter zu Hüfingen, der bis zu einer Emeute * anschwellenden, aber von langeher durch Einschüchterungen Einzelner aufgestachelten Feindschaft seiner untergebenen Bürgerschaft zum Opfer fiel. Traurig illustriert wird dieses Sittenbild durch die damals zu Hüfingen herrschende sittliche Verkommenheit und maßlose Stupidität, deren “Mißverständnisse” stündlich das Leben jeden Einwohners in Gefahr bringen konnten, sowie die Gleichgültigkeit und Zweideutigkeit, mit welcher die damaligen Beamten einen der ihrigen, der Wut des Pöbels preis gaben. Andere beiläufige Betrachtungen verschiedenster Art wird jeder Leser sich außerdem selbst bilden können.

§1.

Im Jahr 1631 war Matthias Färber von Kitzigen, genannt Tinctorius, zu Hüfingen in der Baar als gräflich fürstenbergischer Registrator und Obervogteiverweser sowie kaiserlicher öffentlicher Notar ansässig. Tinctorius war ein schon bejahrter Mann, der nach einem mühselig bewegtem Leben menschlicher Berechnung nach in seiner jetzigen Stellung ein ruhiges und geehrtes Alter als Preis seiner mit vielen Anstrengungen und Kämpfen erworbenen Kenntnisse und der damit seinen Herren geleisteten Dienste erwarten durfte. Er berichtete (1631) selbst von sich, dass er, in Kitzingen geboren und protestantisch erzogen, mit 16 Jahren nach Ansbach zu einem Dr. Auer gekommen und dort auch in der markgräflich brandenburgischen Kanzlei verwendet worden sei, wie sein auf Pergament erteilter Abschied auswies.

Dann habe er während drei Jahren bei den Lizentiaten Jakob Erhard zu Speyer sowie in der (Kammer) Gerichtsschreiberei sich Praxis erworben, bis ihn der Bruder seiner verstorbenen Mutter, Wolfgang Bomhardt, Notar des Geistlichen Gerichts zu Mainz, einige Zeit zu sich genommen. “Hernach” sei er zuerst zum katholischen Glauben übergetreten und habe dann 13 Jahre lang am kaiserlichen Hof (als notarius publius ?) praktiziert und in dieser Zeit geheiratet. Nun hätte aber ihn und seine Frau Jakobäa Schülin aus Zell-Harmersbach Missgeschick und Krankheiten dermaßen verfolgt, dass er mit ihr, (die noch in Hüfingen (“alhie”) für lepros* und mit der er (1631) nun 28 Jahre verheiratet war) nach Loretto und Rom gewallfahrt sei und dann für sich allein noch eine Pilgerschaft nach Santiago unternommen habe.*1

1) Bis hierher hat T. keine Jahreszahl angegeben, es ist aber ungewiss, wann und von wo die Wallfahrten stattfanden, auch wo seine Frau während seiner Pilgerschaft in St. Jago* war, sowie, wo er sie kennengelernt hatte? Für seine Verwandten in Mainz war die Heirat 1615 noch eine Neuigkeit, wahrscheinlich lebte die Notarin während der spanischen Pilgerreise ihres Mannes in Zell am Harmersbach.

Auf der Heimfahrt von diesem Gnadenort kann nun Tinctorius im Winter 1614 nach Heidenhofen in der Baar und übernahm dort auf Vorschlag des Dekans und weil er wohl von Mitteln ziemlich entblößt war, die Schule zu Atzheim (Haseu), die er auch in den Wintern 1615 bis 16 118 noch fort versah, nachdem ihm bereits im Frühjahr 1615 der Rentmeister zu Donaueschingen als Gehilfen beschäftigt und er nun Pfingsten 1618, dort sogar von den gesamten Grafen von Fürstenberg die Stelle eines Registrators und Landgerichtsschreiber erlangt hatte.

Im Jahr 1619 erhob er zu Mainz persönlich sein Erbteil von W. Bomhardt, das seine dortigen Verwandten sich angeeignet hatten, weil sie ihn angeblich für tot hielten. Zwei Jahre später dankt Tinctorius dem Grafen Bratislaus I. von Fürstenberg-Möhringen, Reichshofrathspräsidenten für einen Urlaub, den ihm derselbe ad recuperandam plenariam restaurationen pristinae sanitatis ad Thermas Piperinas (Pfeffers) gewährt habe, wofür er den Grafen mit seiner gleichzeitig nach Einsiedeln vorhabenen Wallfahrt fleißig im Gebet bedanken wollte.

Aber bald danach klagt er über Wohnungsnot und Mangel an Brennholz in Donaueschingen, und im Jahr 1622 finden wir ihn dann als Registrator und Notar in Hüfingen, auf dem Gebiet der Grafen Bratislaus I., wo ihm vom Oberamtmann Fringl zu Haslach eine Remuneration von 200 fl. als recompens des von ihm bisher in der Gemeinschaft, sowohl in der Registratur als auch anderen negotiis, gebrauchten Fleißes in Aussicht gestellt, und er der besonderen Gnade der Herrschaften versichert wird. Vor allem nahm sich seiner Graf Bratislaus I. an, in dessen Kanzlei er gerne anerkannte Vieles gelernte zu haben, und der ihn am 26. November 1628, auf Grund des kaiserlichen Palatinatsprivilegs, mit einem Wappenbrief, begnadigte, welcher Tinctorius, “in den Stand und Grad der Lehen- und Wappengenossen erhob.”

Übrigens war sein Verhältnis zu dem genannten gräflichen Hause Fürstenberg ein ziemlich verwickeltes, da er nicht nur der Möhringer Nebenlinie, sondern auch der ganzen Heiligenberger Hauptlinie und den Söhnen des Grafen Christoph II. und der. Kinzigthaler Hauptlinie verpflichtet war, welche letztere zeitweise wegen Teilung ihrer Lande mit Graf Bratislaus I. im Streit lagen. Aus diesem Grunde sah sich zum Beispiel Tinctorius im Dezember 1628 auf Verlangen des Grafen Bratislaus II. von Meßkirch genötigt, gerade seinen besonderen Gönner, dem von ihm als Geschäftsmann bewunderten Grafen Bratislaus I. den Dienst zu kündigen, wenn ihm nicht gestattet sei, seinem gesammten Herrn gleichmäßig zu dienen und das gemeinsame Archiv und die Landschreiberei, welche beide sich nicht separieren ließen, zugleich zu versehen. Diese Skrupel sollte dann wohl der Wappenbrief und jedenfalls am 19. Juli 1629 ein Rescript des Kaisers beschwichtigen, der Tinctorius ausdrücklich die Erlaubnis gab, nicht nur den Grafen insgesamt, sondern auch dem Grafen Bratislaus I. insbesondere wie seither in dem streitigen Geschäft zu dienen. Dass er fortwährend als ein bewährter und tüchtiger Mann bei diesen seinen Herren in großem Ansehen stand, werden auch für die Zeit der Katastrophe, die so unvermutet über ihn hereinbrach, unten zu erwähnende Dokumente beweisen.

Dass einen so geschätzten Mann eine von unten angezettelte Intrige nicht nur stürzen, sondern sogar dem Henker überliefern konnte, erscheint jedoch vielleicht nicht mehr so unerwartet, wenn man aus den Akten einige scheinbar unbedeutende Umstände zusammenhält, die bei den damaligen Sitten und Anschauungen allerdings eine geschickte Hand zu einer gefährlichen Waffe machen konnte.

Tinctorius hatte nämlich (wie er ausdrücklich bemerkt) zu Hüfingen nicht nur von vornherein die dem Baarer angeborene Missgunst gegen die Fremden gegen sich, sondern auch persönliche und örtliche Interessen in Menge verletzt. Schon im Jahr 1619 hatte ein Zufall auf der Mainzer Reise ihm eine Familienfeindschaft zu Geisingen geschaffen, die ihn bis Hüfingen verfolgte, dann wollte man 1626 zu Mundelfingen und anderwärts in der Baar ihn als Anstifter einer höheren Belastung der gildpflichtigen Erblehenbauern ansehen und auch für sonstige lästige Neuerungen ihn allein verantwortlich machen. Überall, wo er im Dienst Missbräuchen entgegentrat, schuf er sich natürlich ebenfalls Feinde, sei es in dem Meister Hans, Scharfrichter zu Donaueschingen, dem er die Zeche bei seiner blutigen Arbeit in Hüfingen beschnitt1*, sei es in dem herrschaftlichen Gefälleerheber2* Ribola zu Hüfingen, der sich mit des Tinctorius Geheiß bei den Steuerpflichtigen fälschlich entschuldigen wollte, welche er aus eigenem Antrieb mit Pfändungen verfolgte. Und endlich bedurfte es in Hüfingen nur sehr wenig, um die ganze Freundschaft eines dortigen Erbgesessenen 3* als Meute gegen sich aufzubringen, welche nur eine günstige Gelegenheit abwartete, um ihr Opfer zu hetzen und wo möglich zu zerreißen. Wir werden im Nachfolgenden überall Erscheinungen finden, welche das Gesagte bestätigen und uns bereits genannte Personen ins Gedächtnis zurückrufen werden.

§ 2.

Als am 5. Juni 1631 die Räte und Beamten der gemeinschaftlichen Regierung der Landgrafschaft Fürstenberg zufällig in Geschäften zu Hüfingen versammelt waren und gleichzeitig Schultheiß und Rat im Stadtgericht daselbst saßen, entstand plötzlich ein Auflauf, weil ein gewisser Hans Franz (Welsch-Hans genannt), sich in einem Anfall von Tobsucht vom Bett erhoben und im Hemd mit einem Prügel auf der Straße allerlei Drohungen und Unfug getrieben hatte, bis er glücklich bewältigt und verwahrt werden konnte. Bei dieser Gelegenheit schrie nun die Frau des Kranken, ihr Mann sei von dem Notar Tinctorius und dessen Frau durch einen Trunk vergiftet, was den zusammenlaufenden Haufen so sehr erhitzte, dass er zuerst den Notar und seine Frau in deren Haus überfiel und mit Tod und Mißhandlung bedrohte, dann aber in die Ratsstube drang und vom Rat eine Deputation an die Beamten verlangte, um obrigkeitliche Hilfe und Assistenz.

Diese wurde entsendet und bat zunächst um Verwahrung und Pflege des Rasenden, dann aber auch um Untersuchung gegen die Notarin, welche im Verdacht stehe, mit dem Trunk den Ausbruch eines Gefangenen befördert zu haben, denn Welschans zu bewachen hatte und “sonsten ohnedaß von den gemeinen Mann für eine Zauberin gehalten werde.” Sie sei besonders vom Nachrichter zu Donaueschingen, Meister Hans, öfter in nüchternem als trunkenen Zustand als eine Hexe ausgerufen worden, und die ganze Stadt Hüfingen stehe in der Umgegend im schlimmsten Ruf, als könne man dort gut stehlen und freveln, weil die Justiz nicht recht gehandhabt werde und die Hälfte der Einwohner nichts “werth sei”.

Dieser schlimme Ruf der Stadt werde nicht nachlassen, bis die Obrigkeit dermalen an bewußten, verdächtigen Orten einen Angriff tue, und die liebe Justitia besser als bisher administriert werde, denn ein Rat und ganze Bürgerschaft zu Hüfingen gebe ihrer starken Beschreiuung keine andere Ursache, als das liederliche, übel bestellte, gar zu langsame Prozessieren in peinlichen und Malefizsachen. Dadurch seien verschiedene Skandalosa, namentlich aber die Flucht des von Welschhans bewachten Verbrechers möglich geworden, und derjenigen, der in solcher Sache das Direktorium geführt, (Tinctorius) werde dies schwer vor Gott und der Herrschaft zu verantworten haben. Sie bäten um Abhilfe, stünden aber, wenn diese versagt würde, für nichts.

Inzwischen war jedoch auch Tinctorius in der Versammlung der Beamten erschienen und brachte durch seine Gegenvorstellung so viel fertig, dass der Rat von seiner zurzeit noch unbefugten Vorhaben und Intent abgemahnt und zur Ruhe verwiesen wurde. Dagegen wurde auf den anderen Tag eine große Gemeindeversammlung anberaumt, worin (auf Verlangen des Notars selbst), Erhebungen über den Ruf der Notarin gemacht und dann darüber, wie über die anderen Beschwerden der Gemeinde an Graf Bratislaus I. berichtet werden solle, der entsprechend verfügen werde.

Anderntags stand sich die Gemeinde wirklich auf dem Rathaus vor den Beamten ein erwählte in Job Groß und Mathäus Schaffbücher zwei Fürsprecher, um sich über dem Aufruhr zu rechtfertigen und ihren Verdacht gegen die Notarin zu begründen. Diese beriefen sich in letzter Beziehung auf die Angaben des Wälsch-Hans und seiner Frau und baten die am Zusammenlauf beteiligten Bürger einzeln zu vernehmen, was sofort geschah. Es ergab sich hierbei, dass die Notarin bei den Hüfingern allweil sie zu Hüfingen gewesen, für ein böses Weib gehalten worden, wegen ihrer seltsamen Zeremonien, Reden und Gebärde. Sonst aber keine wirkliche Tat gegen sie vorliege.1)

1) Sie kam, wie folglich gezeigt werden wird, schon einfach durch ihren ausländischen Sprachgebrauch in Verwicklung. Allein sie beging doch auch sonstige Extravaganzen. Christoph Groß beschuldigte sie wenigstens, sie habe. Sich mehrmals in sein Haus geschlichen und sei dort am Keller auf der Steige kniend, als ob sie beten wolle, befunden worden, ohne dass sie ihre Absicht genügend erklären konnte.

Am meisten hatte sie Meister Hans der Scharfrichter seit einigen Wochen verschrien angeblich weil sie ihn geschimpft, indem sie ihn “Meister Hämmerlin” genannt. Er legte nämlich diesen Namen als gleichbedeutend mit Teufel aus, während die Notarin damit nur den im Kinzigtal geläufigen Ausdruck für Nachrichter gebraucht haben wolle. Meister Hans hatte dann zuerst zur Bedingung erklärt, solange sie den Ausdruck Hämmerlin (Teufel) gegen ihn nicht abbitte, erkläre er auch sie für eine Hexe; allmählich aber hatte er sich nicht entblödet, sie unbedingt dafür vor Vielen, an allen Orten zu erklären und beizufügen, wenn Ihr der Notar helfe, so sei der auch ein Hexenmeister. Das hatte in der Menge Wurzel gefasst, zumal das Gerücht ging, in ihrer Heimat sei die Notarin sechs Mal als Hexe angezeigt worden (und sich schließlich ergab, dass wenigstens eine ihrer Schwestern als solche dort verbrannt worden war).

Den größten Schaden jedoch hatte sich die arme Frau jedenfalls durch ihre Gutmütigkeit und ihren schlechten Wein zugezogen. Sowohl der Stadtknecht, dem sie einst zur Ermutigung bei einem gefährlichen Amtsgeschäft ein Glas gereicht, als auch Welschhans, der sich den von ihr für seinen Gefangenen bestimmten Wein angeeignet hatte, wollte davon die schlimmsten (wiewohl zum Teil höchst natürliche) Folgen gespürt haben, und diese hatten gerade den ganzen Auflauf veranlasst! Wie gedankenlos übrigens die Menge in ihrer Feindseligkeit war, ergibt sich schon daraus, dass mit dem für den Gefangenen bestimmten Wein doch wohl nichts gegen die Wächter beabsichtigt sein konnte und dass der toll gewordene Welschehans zwar den meisten Wein, neben ihm aber auch ein anderer Wächter und der Gefangene davon ohne Schaden getrunken hatten!

Mit der Weinzusendung an sich verhielt es sich höchst einfach. Der Gefangene war im Verdacht gewesen, dem Krämer Christoph Groß Waren gestohlen zu haben, leugnete aber und genoss bezüglich der Haft manche Vergünstigungen, weil seine Freundschaft, voran der Stabhalter Ribolla, ihn überhaupt nicht für genugsam graviert erklärte, nun in strengere Haft zu kommen und deshalb unter heftigen Angriffen gegen Tinctorius als Obervogteiverwalter, dessen Verwahrung auf dem Rathaus durchgesetzt hatte. Nachdem der Gefangene jedoch von da mehrmals nachts ausgegangen und ersichtlich Vorkehrungen zur Flucht mit seinem Barvermögen getroffen, war er der Aufsicht zweier Wächter im Schloss übergeben und im Eisen gelegt, auch endlich peinlich befragt (torquirt*) worden.

An den Tag nun (1. Juni), wo Letzteres geschehen, hatte ihm die Notarin (wohl aus Mitleid, vielleicht aber auch aus Rücksicht gegen seine Freundschaft) einen Stärkungstrunk nebst tröstlichem Zuspruch, dass seine Sache nicht gar so schlimm stehe, geschickt, und der Gefangene hatte ihn ohne Schaden gekostet, ebenso wie der zweite Wächter. Nur Welschhans, der dabei für zwei getrunken, klagte damals, dass der Wein ihm “das Eingeweide umgedreht” und die Wächter, die offenbar den Gefangenen auf Anstiften Ribolas und seiner Freundschaft in der Nacht entweichen ließen, suchten hernach dieses den Wirkungen eines magischen Trankes Schuld zu geben. Nicht nur der Pöbel schenkte ihnen Glauben, sondern Ribola’s und seiner Freundschaft in der Nacht entweichen ließen, suchten hernach dieses den Wirkungen eines magischen Trankes Schuld zu geben.

Nicht nur der Pöbel schenkte ihnen Glauben, sondern Ribola und Konsorten hatten auch noch die Keckheit, den Notar für die durch sie erzwungene, schlechte Bewachung vor der Herrschaft und Gemeinde verantwortlich und seine unglückliche Frau als Anstifterin der Flucht namhaft zu machen!

Das Alles legte Tinctorius klärlichst in einer an den Grafen Bratislaaus I. am 14. Juni 1631 gerichtlichen Relation über die Entweichung des Gefangenen mit siegreichen Gründen dar, während er gleichzeitig in einer weiteren Schrift die passiones ineulpabiles M. Tinctorii notarii ac conjugis tristissimae dem Grafen beweglich darstellte und um dessen Schutz bat. Es geht daraus zwar hervor, dass die Notarin vorläufig nicht weiter amtlich belästigt wurde, dass aber die Lage des Notars und seiner Frau darum doch eine sehr bedenkliche geworden war. Er sagt:

“Mein leidiger Kummer wird auch umb so viel gemehrt, daß meine blutdürftige Widersacher mich und mein Weib allhier in der ganzen Landgrafschaft also verschreit haben, daß man auf mein unschuldiges Weib, wenn sie aus dem Haus in die Kirchen oder Garten geht, gleichsam mit Fingern deutet und diejenigen Weiber, so uns gern schaffen, abstellig macht, auch da meine Magd die Wahrheit saget, man’s nicht glauben will. Halten ihre heimliche conspirationes und inquisitiones wider mich und mein Weib, damit sie ihre Müthlein genugsam an uns erkühlen, uns in Schand und Spott bringen und womöglich in einem Löffel ertränken können.”

Zum Schluss bittet Tinctorius um Einsicht, der über seine Frau zu Hüfingen und Zell am Hamersbach gemachten Erhebungen zur Widerlegung und um Zuziehung des Dr. Meerleins von Rottweil oder eines anderen Juristen bei ferneren Untersuchungsverhandlungen.

In dieser, wie in mehreren folgenden Vorstellungen bezeichnet Tinctorius den Stabhalter Ribola und den Krämer Groß ganz ausdrücklich als die Anstifter und Hetzer gegen ihn und schildert seinen Gesundheitszustand und den seiner Frau als durch die Angst und Sorgen im höchsten Grad angegriffen.

Da er keine Kenntnis von den erhobenen Protokollen erhielt, so wusste er nicht einmal, dass Ribola am 24. Juni sogar aus Geisingen den Ulrich Hockelmann herbeigeschafft hatte, um durch denselben selbst von der 1619er Mainzer Reise her gegen den Notar Verdachtsgründe wachzurufen. Groß und Ribula, früher Todfeinde, hatten sich in dem Hass gegen den Notar versöhnt. Infolgedessen war letzterer gewiss ein Zauberer.

Am 30. Juni bittet Tinctorius um Enthebung von dem Obervogt Dienst, zu dem er eigentlich nicht qualifiziert und den er auch nicht mehr versehen könne, weil ihm die Hüfinger den Gehorsam zu verweigern gedroht hätten.

Was die Beamten, nämlich der Oberjägermeister Junker Hans Ulrich von Ramswag zu Bräunlingen, der Landvogt Junker H.G. Egloff von Zell zu Immendingen und der Rentmeister Quirin Heitzmann, inzwischen an den Grafen Bratislaus I. nach Wien berichtet, findet sich in den Akten nicht. Nur so viel erhellt aus einer Vorstellung des Heizmann an den Grafen, dass eine regelrechte Prozedur gegen das (Hexen-) “Ungeziefer” beantragt war und dass Heitzmann die Anmutung, die Obervogtei zu übernehmen, zurückweist. “Kann und weiß in diesen also Weitläufigen ohne Ihre Excellenz nit zu dienen, in maßen mir zuletzt das Bad auszutragen und die Klett’ im Bart zu werden zugeeignet wird, dann es fallen Sachen, für die mir ohne Ihrere Landgräflichen Exzellenz gnädigsten Befehl zu verantworten nicht getraue.” “Man solle ihn bei seinen gewohnten Geschäften lassen, “darauf ich allbereits ins dritte Jahr die Wahrheit an den Tag zu bringen Ihrer Exzellenz Ankunft erwarte.”

Gegenseitiges Misstrauen, Unsicherheit im Behandlung so schwere Delikte ohne die (im Fürstenbergischen übliche) Zuzuziehung von Rechtsgelehrten oder Erhebung rechtlicher Gutachten scheint die Beamten untätig gemacht zu haben, während Ribola und Konsorten in ihren Aufwiegelungen und Einschüchterungen (deren die Klageschriften des Tinctorius voll sind) immer kecker wurden. Alles erwartete unter solchen Umständen mit Spannung die Befehle des Grafen Bratislaus I. von Wien, statt dieser aber traf Ende Juli die Nachricht ein, dass der Graf am 10. Juli gestorben sei!

§3.

Bis zu dieser Zeit hatte sich die Wut der Hüfinger nicht zurückhalten lassen. Die Ehrenrettung der Stadt durch eine gründliche Hexenbrennerei, zu welcher am 6. Juni das Signal gegeben worden, hatte bereits am 2. Juli begonnen, und wenn sich die Prozedur auch nicht sofort am ersten Tag direkt gegen die Notarin wandte, so hatte man diese bei allen Schritten doch beständig im Auge. Am 2. Juli wurde eine alte, als Hexe verrufene Bettlerin Anna Beckin ihr Amt geführt, weil man sie, nach dem, neben der Notarin die anderen “Hexen” mit bedrohendem Auflauf (?) vom 6. Juni für fluchtverdächtig hielt, zuerst “gütlich und dann peinlich befragt” und dadurch noch an demselben und folgenden Tage zum Geständnis des Bündnisses und der Buhlschaft mit dem Teufel, der Teilnahme an Hexentänzen und vieler Schädigungen von Menschen und Tieren durch Zauberei gebracht. Durch die Frage nach Gespielinnen und denjenigen, die sie auf den Hexentänzen gesehen, wurde dann successiv Agathe Flammin, Anna Bennerin, genannt die Messerschmiedtin, und Anna die Sattlerin in die Untersuchung gezogen, und auch diese innerhalb drei Tagen und je in zwei Verhören (4. 5. und 7. Juli) zu ähnlichen Geständnissen wie des “Becken Weiblin” gebracht.

Am 10. Juli fand das Schlußverhör und die Konfrontation dieser vier Unglücklichen statt und waren diese damit zum Scheiterhaufen reif.

In ihren ebenso monotonen, wie unsinnigen Bekenntnissen hatten sie als Bekannte von den Hexentänzen her die Katharina Höfelin von Hausen vor Wald, die Anna Kressin (Mathäus Schaafbüchers, des oben genannten Volksvertreters Frau) den Notar, seine Frau und die Witwe Sabina von Schellenberg, geborene v. Freiberg, die Magdalena Löwin, geborene Hütlin und die Anna Stößlin, geborene Gebhard von Hüfingen genannt. Von diesen wurden die beiden Ersten am 11. und 15. Juli, die Notarin am 18. und 20. peinlich befragt und ebenfalls zum vollen Geständnis dessen, was man hören wollte, durch die Tortur gebracht. So waren dann innerhalb wenigen Tagen sieben Frauen zum Tode verfallen, und die Langsamkeit der Justiz in Hüfingen gründlich beseitigt.

Die Frage, wie es gelang, die “Hexen” zum Bekenntnis gerade der Schäden zu bringen, deren man sie angeklagt hatte, und gerade die Leute als “Gespielinnen” anzugeben, welche man suchte, kann aus den den Akten nicht gelöst werden, da die Verhörprotokolle sehr lakonisch und die Fragestücke nicht artikuliert sind. Wenn man jedoch bedenkt, dass die Angeklagten selbst vollständig über das, was man ihnen und anderen nachsagte, unterrichtet sein konnten und waren, zumal bei einer mehrere Tage sichtbar wachsenden Aufregung, so kann diese Beobachtung nicht erstaunen machen, wenn man noch die Nachhülfe der Suggestivfragen des malleus maleficarum und die Absicht hinzunimmt, durch Angabe Vornehmer sich eine, diesen gleiche, mildere Behandlung zu sichern. Daher denn auch das stete Verlangen der Verurteilten, nur mit den Vornehmen sterben zu sollen.

Aus den Angaben der Angeklagten heben wir, als einzig interessant, die Punkte hervor, die auf tieferliegende, alte Wurzeln des Hexenglaubens hindeuten, wie z.B. die Auswahl der Hexentanzplätze, die Gebräuche beim Sabbath, die Geistertiere, die Namen der Buhlteufel u.s.w.

Im Übrigen sind die Geständnisse auch hier ein Gemisch von unmöglich Geschehenem oder selbst nur Gewolltem, von schmutzigen Phantasien oder längst begangenen Ruchlosigkeiten, wie sie in allen Hexenprotokollen vorkommen, und höchstens das auffällig, dass hier beständig von Zechen und Betrunkensein der Frauen jeden Alters und Standes die Rede ist.

Neben verschiedenen bewohnten Räumen in Hüfingen, werden als Hexentanzplätze der Heuberg (auf der Alp, bekanntlich der schwäbische Blocksberg), der Schussen, Eschingerberg, der Wolfsgarten bei Villingen und der Negelsee (bei Pfohren ?) genannt und sagt dabei die Beckin ausdrücklich, der Heuberg sei der älteste, der Wolfsgarten der neuere und der Neglesee der neueste Tanzplatz (Letzterer zuerst seit 4-5 Jahren).

Als Transportmittel dahin werden außer Stöcken und Gabeln Katzen, Böcke, Schaaf, Hund, Hahn (“Guler”), Hase, Fuchs oder sonst ein rotes Tier genannt. Bei den Hexenfesten wird viel gegessen, getrunken, getanzt und schließlich gebuhlt. Die vornehmeren Gäste sondern sich von den geringeren, sitzen oben an und sind stattlich heraus geputzt, (Niemand nackt, wie sonst oft), die armen Hexen müssen beim Tanz das Licht halten, die Tische decken x.x. und befaßt man sich sonst nicht viel mit ihnen. Von ihren teuflischen Liebhabern bekommen sie bei dem geringsten Widerspruch Schläge, die von ihnen empfangenen Geldgeschenke verwandeln sich in Roßkot oder Scherben. Die Teufel selbst erscheinen als Bauern, Ackerknechte, Schmiedgesellen (nicht als Jäger wie sonst) und heißen Federlin, Gräslin, Meister Hämmerlin u.s.w.

Ihre Hexen trinken sich in deren Namen Gesundheiten zu. Die Speisen zum Hexensabbath, z.B. Wein, sind nicht bloss zauberische, sondern werden oft gestohlen, was jedoch zuweilen mißlingt, es fehlen darunter Brot und Salz. Der Zauberschaden wird an Tieren und Menschen mittelst Berührung in des Teufels Namen verübt, Wetter und Hagel werden entweder durch Ausschütten von Flüssigkeiten, die der Teufel bringt, oder durch von ihm verteilte Körner (Samen von Farrenkraut, ähnlich dem Kümmel, Erbsen xxx), welche handvollweise ausgestreut werden, gemacht. Schneckenschaden entsteht durch eine Handvoll Schnecken. Gegenmittel gegen Zauber sind nach den Zeugenaussagen Weihungen, oft heben die Unholdinnen ihren Zauber selbst dadurch auf, dass sie einen Sagen in den 3 höchsten Namen sprechen, überhaupt stehen sie in Augenblicken, wo ihnen der Teufel nicht direkt zusetzt, nach ihrer Meinung mit dem Himmel auf einem erträglichen Fuß. Anfälle von Reue läßt dieser jedoch, sogar trotzt Beichte und Kommunion, den Teufel wieder ungestört durch Schläge und Drohungen beseitigen. (Welche Begriffsverwirrung und welcher Mangel alles religiösen Bewusstseins!). Eine Hexe, welche einer Kuh die Milch genommen, wird dadurch gepeinigt und erkennt, dass man die noch vorhandene Milch siedet, mit einem Gärtlein aus den Palmen in den höchsten Namen schlägt und dann ins Feuer laufen läßt.

Die sechs mit der Notarin eingezogenen Weiber, rohe und dabei offenbar tiefgesunkene Naturen, hatten den Qualen der Folter nur wenige moralische Kraft entgegenzusetzten, es erstaunt daher bei ihnen weit weniger, als bei der Notarin, dass sie so schnell erlagen und die ekelhaftesten Bekenntnisse gegen sich selbst und andere ablegten. Dass die Notarin sogar sich im 2. Verhör verleiten ließ, auf ihren Mann auszusagen, ist jedenfalls eine höchstbedauerliche Erscheinung menschlicher Schwäche, welche dem Armen, der sich für seine Frau so wacker gewehrt hatte, den härtesten Schlag versetzte. Ob ihn ihrer größere Standhaftigkeit gerettet hätte, kann übrigens sehr in Frage gezogen werden, besonders da er, wiewohl nach langem Widerstand, sich doch endlich selbst aufgab!

Als Probe der übrigen Protokolle mag hier dasjenige der Notarin Platz finden, bei dem wohl Vieles zwischen den Zeilen zu suchen ist und auffällt, dass es so ganz und gar nicht auf die Dinge zurückkommt, wegen deren die Notarin eigentlich verfolgt wurde. Ihre Bekenntnisse sind im Ganzen ziemlich farblos nach der gewöhnlichen Verführungsschablone, doch fällt es auf, dass sie ihren angeblichen ersten Fall nicht mehr durch Überlistung und Drohung zu entschuldigen sucht, sondern sogar das gemeinste Motiv dafür angibt, während mehrere ihrer Gespielen darin eine Spur von Scham zeigten.

Das Protokoll lautet wörtlich, jedoch mit modernen Orthographie:

“Actum Hifingen, den 18. Juli anno 1634. Sub dato ist Frau Jacobe, Herrn Mathia Tinctorii, not. publ. zu H. Hausfrauen ab dem Rathaus in Thurn geführet und im Beisein der edel gestrengen, edel hochgelehrten, ehrenwerten und hochgeachten x.H.U. v. Rambschwag, Herrn Dr. Werlin, des kaiserl. Hofgerichts zu Rottweil Advokaten, D. Heitzmanns Rentmeisters zu H., Michael Rothen Schultheissen daselbst, durch den Schafrichter von Villingen an die Tortur geschlagen und examiniert worden. Sie hat bekannt, wie folgt:

Erstlich als sie von Donaueschingen allhero nach Hifingen gezogen, habe ihr Mann zu D. die Letzte getrunken, hernach uf H. zugegangen, ihr Mann hervorgeloffen und gesagt, er ihr das Thor aufhalten wolle. Interim der böse Geist in Gestalt als hätte er Zottelkleider an zu ihr kommen, sie um Beschlafung angeredet, mit Versprechung, er ihr Gelds genug geben wolle (!) habe ihm eingewilliget, die Vermischung mit ihm verbracht, auch hernach von ihm, als sie vermeint, Geld empfangen, es wären aber nur Hafenscherben gewesen. Mit Vermeldung, er über 3 Tage wieder zu ihr kommen wolle, müßte alsdann Gott und alle Heiligen verleugnen und sein werden, welches sie ihm versagt, dahero übel von ihm geschlagen worden.

Darnach sei selbiger böse Geist über 3 Tage zu ihr im Hof in das obere Schloß (zu H.) in voriger Gestalt kommen, ihren zugemuthet, Gott und alle Heilige verleugnen solle, zuvor aber sie beschlafen, der Verleugnung sie sich aber geweigert und die Mutter Gottes angerufen, darum sie abermal übel von dem bösen Geist geshlagen worden. Dies habe er solang mit ihren getrieben, bis sie endlich Gott und alle Heiligen verleugnet. Hernach hab’ er ihr viele unterschiedliche mal zugemuthet, die Früchte, Vieh und Anderes zu verderben.

Item es wäre 4 Jahre, habe der böse GEist, der sich “Gräslin” genannt, sie in Wolfsgarten zu einem Tanz auf einer Katze geführt, habe damalen Niemand gekannt; hab’ neben ihren banalen unbekannten Gespielen zu Brennlingen in einem Keller Wein holen sollen. Dieweil aber der Keller zu wohl gesegnet gewesen, haben sie daselbst kein Wein bekommen können, darum sie abermal übel geschlagen worden.
Item am nächst verschienenen Ostermarkt sei ihr Teufel abermals zu ihr kommen und zugemuthet, upp Schossen zu gehen, daselbst einen Hagel über die Früchte anzurichten, so alle in Grund verderben sollen. Seien daselbst ungefähr etlich fromme Leut vorübergegangen und da sie Wetter besorgt, gute Wort unser Herrgott wölle die Frücht behüten gesat, davon die Geblüht an den Bäumen verderbt worden.

Item bald hernach sei sie mit ihren der Gefangenen Gespielschaft nachts in die alte Ludergasse zu einem Tanz gefahren, habe zwar ihren Willen auf den Eschingerberg gehabt, aber sich endlich unter einander räthig geworden, ihren Muth in gemelter Ludergaß zu verbringen. Deßgleichen unlängst zuvor sei sie mit gemelter dr Gefangenen Gespielschaft in dem obern Schloß bei einem Tanz gewesen.

Actum 20. July Sonntags uf Margaretha. 1)

1) Wahrscheinlich hatte man die Deliquentin am 18. auf der Folter dermaßen zugerichtet, daß man ihr einen Tag Erholung gönnen mußte, dafür !arbeitete” man am Sonntag!

Bekennt die Notarissin, daß ihr Mann mit ihren Allzeit aller Orten, allda sie gewesen, zu den Hexentänzen gefahren, vermeint, er uf einem Geißbock gesessen sei und er, ihr Mann, das Hexenwerk vor ihr konten habe, sie es aber lange nicht gewußt. Item ihr teuflischer Buhl Gräslin hab ihr vielfältig zugemuthet, Leut und Vieh zu lähmen, habe sie es niemahlen thun wollen, sondern sich ehender selbst gelähmt. Derwegen jedesmal übel von ihme mit Streichen tractirt worden, hab ihr selbsten durch Baden wieder geholfen. Damit ihr Aussage thut sie bescließen!

Die Protokolle der 7 inhaftierten Frauen wurden sofort dem Dr. Johann Werlin, Syndicus zu Rottweil zugeschickt und dieser sprach am 22. Juli auf Grund “der so gut als peinlichen Bekenntnisse” (ungesäumt und ohne die mindeste Erörterung der Fehler und Lücken der Untersuchung, welche selbst einem Hexengläubigen, doch nur aufmerksamen Juristen in die Augen springen mußten) sein Gutachten dahin aus, dass dieselben mit dem Schwert zu richten und ihre Leichen zu Asche zu verbrennen seien. Über die damalige Praxis sagt Werlin, ar. 109 der Carolina verdamme zwar nur die Zauberer, welche Anderen (Personen oder Sachen) Schaden zugefügt, zum Tod durch’s Feuer, und wolle sonst die Zauberer nur nach “Gelegenheit der Sach” gestraft wissen, weshalb manche Gelehrten in letzterem Fall gar nicht auf Todesstrafe erkennten. 1)

1) Am Ende des Jahrhunderts hatte diese mildere Doctrin gesiegt und in solchen Fällen nur Auspeitschung erkannt. Dr. Werlin war, wie aus den Akten hervorgeht, ein junger Rigorist, der sich deer härteren Coctrin kurzweg anschloß und damit einer schärferen Unterscheidung der einzelnen Reate überhob!

Die gemeine Praxis erkenne auch hier auf den Tod, werwandele aber, außer bei besonders hartnäckigen unbußfertigen Sündern, die Feuerstrafe stets in eine mildere Todesart, indem sie die Zauberer, welche dem Teufelsbund absagten und reum+thig zu Gott zurückkehrten, entweder erdrosseln oder enthaupten, und denn nur ihre Körper verbrennen ließe. “Sintemal eine christliche und gottliebende Obrigkeit sich zu besorgen hat, es möchten etliche von solchen Malificanten, so sie alle lebendig verbrennt würden, aus Verbitterung oder Kleinmüthigkeit, in gröbere Sünd und Verzweiflung gerathen und von einem Feuer in das Andere (dafür der gütige Gott sein möge) wandern.”

So verschieden daher auch die bekannten Vergehen der 7 Personen seien, indem mehrere eigentlich keine Schädigung durch ihre Zaubereien gestanden, so erkenne er doch für Alle auf die gleiche Strafe!

Das Gutachten wurde noch am gleichen Tag nach Hüfingen geliefert, dort am 23. durch Junker Landvogt, Junker Ramswag, Rentmeister Heitzmann und den Schaffner von Möhringen am Morgen das Blutgericht gehalten, und dann alle 7 Hexen, nach Werlin’s Antrag, mit dem Schwert hingerichtet.

Vor Hegnung des Blutgerichts soll dem Notar und der Frau v. Schellenberg freigestellt worden sein, die Deliquentinnen, die auf sie ausgesagt, sich gegenüberzustellen, allein Beide sollen es abgelehnt haben, was übrigens mit den eigenen Erklärungen des Notars in seiner Beschwerde gegen die Untersuchung nicht zutrifft. Jene Weiber waren dann nochmals vor der Hinrichtung verwarnt worden, ihre Seelen mit falschen Angaben nicht zu belasten, allein Alle, (selbst die Notarin) hatten erklärt, sie blieben bei dem Gesagten, hätten darauf schon gebeichtet und comunieirt und wollten nun darauf sterben. Vermerkt wird im Bericht an den Grafen vom 26. Juli, dass die sechs anderen Hexen keine Rede und Antwort in das Recht hätten geben, auch nicht sterben wollen, die Notarin werden dann auch, wie sie, torquirt, worauf hin sich diese wohl accomodirt und begehrt, mit ihnen gerichtet zu werden. Die Notarin habe eine halbe Stunde lang gebeichtet und sei so christlich gestorben, “daß wenig gefehlt, sie den Priestern zugesprochen hätte.”

§4.

Tinctorius hatte sich ausbald nachem seine Frau eingezogen worden, und ehe er noch von deren Geständnissen wußte, in das gräfliche Hinterschloß geflüchtet und hatte dasselbe nicht wieder zu verlassen gewagt; wohl weniger weil ihn das “Gewissen drückte” wie D. Heitzmann im Bericht vom 26. Juli gutherzig meint, als weil er im Burgfrieden ein Asyl zu finden hoffte, bis zur allseitig erwarteten Verfügung oder Ankunft des Grafen.

Der Notar hatte sich in der Registratur eingerichtet und ließ sich in einem anderen Zimmer von seiner Magd kochen, auch alle seine Habseligkeiten ins Schloß bringen. D. Heitzmann berichtet von seinem schweren Kummer und fügt bei:

“Ich rede es ihm aus, so gut ich kann, will ihm zur Verhütung besorgenden Unheils meinen Bruder zugeben, der interim besser die Registratur im Kopf verfassen könnte, sonsten könne T. ausreißen oder aus Kleimuth ihm selbst den Tod, zuvor in den Schriften schrecklichen Schaden zufügen, oder das Schloß gar in Barnd stecken, dann man wohl sieht, der Teufel nichts Gutes anstiftet.”

Schon längst vor Einziehung der Notarin (am 18. Juli), hatte der Notar in einem von Ribola nachher unterschlagenen) Bericht an den Grafen weitere jämmerliche Schilderungen seiner Gemütsstimmung und der seiner Frau, ihrer Isolierung gleich Verpesteten gemacht und selbst die Befürchtung von Lebensnachstellungen ausgesprochen. Letzteres bestätigt so ziemich das Schreiben der Junker Egloff und Rambswag vom 10. Juli, worin sie den (gerade an diesem Tage verstorbenen) Grafen Bratislaus I. dringend um Befehl bitten, weil die längere Verzögerung des Angriffs gegen den Notar und sein Weib “starken Unwesen causire,*” indem dieselben zu sehr gravirt seien.

Als nun die Notarin am 23. Juli ihrem Schicksal verfallen und ihm von oben genannten Blutrichtern die Nachricht von ihrer Aussage zugleich mit der ihrer Hinrichtung gebracht worden, konnte auch er wohl an seiner Rettung verzweifeln. Er wandte sich daher in einem letzten Schreiben am 23. Juli nochmals um Gerechtigkeit an seinen, sonst so gnädigen, (jetzt leider, ohne daß er es wußte, für immer verstummten) Herrn, wie folgt:

“Dieser Stunden seind Junker Landvogt, Junker Ramschwag, Rentmeister und Schaffner in die Kanzlei, darin ich mich aufhalte, kommen und (Gott dem Allmächtigen, als dem wahren und gerechten Gott, Erkundigern aller Herzen, allen Gottesheiligen und Ew. Landgr. Excellenz sey es mit innigem Seufzer geklagt) mir com commiseratione angezeigt, daß ic nicht allein von den Eingezogenen, sondern auch von meinem eingenen Weib für ein Hexenmann angeben worden sei und weil man sie uf heut instificiren werde, müsse man vernehmen, ob sie mich wieder entschlagen werden. 1)

1) Es scheint das weiniger ein Erbieten der Confroniation als eine Hinweisung auf den oben erwähnten, einseitigen Schlußvorhalt gewesen zu sein.

Nun begehre ich nicht mehr danu der lieben Wahrheit und Gerechtigkeit, dabei will ich mich auch finden lassen, will auch Alles leiden, was Gottes gnädiger Will ist und bekenne rotunde, daß ich, solang ich meinem Weib cohabitiert, das Geringste von ihr nicht verspürt hab, ja sie so unschuldig gehalten, daß ich für sie hätte wollen in das Ferner gehen. Also wenig ich von ihr sagen kann, sowenig sie und die andern Weiber, welche ich außer der Messerschmiedin nicht kenne, mit Wahrheit das Geringste von mir sagen können. Ew. Landgr. Excellenz sein meine tägliche und nächtliche labores, und daß ich überflüssig mit der Feder zu tanzen hab, wohl bewußt!

Und kann wohl sein, maßen ich etliche historias erzählen hören, daß der böse Feind, in Gestalt eines Menschen die Leut arglistig zu verblenden practicirt, darauf dann auch mein und andere Weiber sterben können, daß sie vermeinen möchten, ich sei es gewesen. Doch weiß ich mich dieses Lasters (Gott Lob und Dank) unschuldig, denn wann ich dergleichen Gesell wäre, wollt ich mir zu leben nicht wünschen, wie ich dann meinem Weib dergleichen Lehr auch geben.

Ich befiehl die Sach Gott dem Allmächtigen, als dem wahren und gerechten Gott, und EW. Excellenz mich als einen alten, betragten Diener zu Landgräfl. Gnaden. – Hüfingen im Schreck, 23. Juli 1631″

Da er längst fühlen mochte, daß er mehr von der himmlischen als irdischen Barmherzigkeit zu hoffen habe, so errichtete er am 26. Juli sein Testament, worin er vrschiedenen Klöstern in der Nachbarschaft und den Kirchen, Kapellen und Stiftungen zu Hüfingen namhafte Vermächtnisse zu seinem, und seines Weibes Seelenheil aussetzte. Neben vielen Messen, wünschte er auch mehrere Wallfahrten, (womöglich nach St. Jago), für die er Summen aussetzte.

Doch sollte er noch immer einige Zeit in seinem Asyl unangegriffen bleiben, weil selbst Werlin am 25. Juli geraten hatte, die Procedur mit ihm und der von Schellenberg bis auf den Befehl des (damals noch im Leben geglaubten) Landgrafen ausgesetzt zu lassen, obgleich juristisch ihre Inquisition und Inhaftnahme längst gerechtfertigt sei, “Gestalt aus vielen Ursachen Ihrer Excellenz an des Notarii Person hoch und viel gelegen.” Est mit der Nachricht von dem Tode des Grafen Bratislaus I. scheint man ihn im hinterem Schloß, wohin er sich geflüchtet, in förmliche, jedoch gelinde Haft gebracht zu haben. Wenigstens liegt ein Brief Heitzmanns an Tinctorius vom 16. August vor, worin auf eine Tags vorher gehabte Unterredung in Gegenwart der Wächter hingewiesen und die ungehinderte Einhändigung des Briefes, der Vertrauliches enthält, vorausgesetzt wurde. Heizmann sagt darin, er sei Sonntag (10. August) nach Immendingen beschieden gewesen, wo ihn und den Landvogt der Graf Bratislaus II. über die Sache des Notars mit Bedauern befragt und sie dem Grafen das Rechtfertigungs-Schreiben des Tinctorius übergeben, worauf jener den Notar zu trösten und ihm sein gnädiges Mitleiden anzuzeigen befohlen, auch daß er sich gedulden möge, bis der Graf nach Hüfingen komme. “Inerim aber soll Tinctorius, weil der Herr ohnedieß Langeweit, was Ihre Gnaden sich wegen allbereit tragender Vormundschaft zu versehen, ufs Papier bringen, was alles für Rechtfertigungen (Processe) an einem und andern Ort, auch worauf der Herr (T.) vermein dawider zu procediren und man dagegen am Besten fundirt sey, angeben x.”

Alles natürlich zur Abwehr der “Langweile” und zum Lob des falschen Biedermanns Heitzmann bei der neuen Herrschaft, für welche derselbe die Wissenschaft des Notars und Registrators noch schnell recht nutzbar machen wollte. – Seitdem wir oben gesehen, wie Heitzmann nur “tröstete”, um den Bedrohten sicher zu machen, “nicht ausreisen zu lassen”, und daß er für dessen Stelle bereits einen Bruder in petto hatte, kann über seine Falschheit kein Zweifel mehr sein, selbst wenn das Folgende nicht noch weitere Belege dafür lieferte!

Daß auch Tinctorius den Rentmeister so beurteilte, ergibt der weitere Inhalt des Briefes, worin auf eine Scene zwischen Beiden vom vorigen Tag hingewiesen wird und Heitzmann sich über Vorwürfe beklagt, die ihm Tinctorius trotz seiner “Freundschaft” (“vielleicht aus Bekümmerniß oder teils aus Weinfruchte”) gemacht. Der Schluß des Briefs verspricht dem Notar alles Gute, wenn er das Verlangte tue, wodurch er sich wieder eine so gnädige Herrschaft erwerben könne, wie er leider eine (in Graf Bratislaus I.) verloren.

Die auffallend rasche Hinrichtung der Notarin entschuldigt Heitzmann endlich damit, dass die Junker gerne damit gezögert, dass jene aber selbst ausdrücklich begehrt mit den Anderen “gerichtet” zu werden und man dies Begehren nicht abschlagen können, “sondern sie also in einem guten Eifer selig sterben lassen, nun ferner daraus folgender Kleinmütigkeit vorzukommen.”

Nach diesem süßen Schreiben würde es erstaunen machen, den Notar schon am 22. August ein Eisen geschlagen und aus dem Schloß in den Turm gebracht zu sehen, wenn wir die versteckten Absichten des Heitzmann nicht bereits aus dem Bericht vom 26. Juli erkannt hätten und wenn uns ferner nicht in einem Briefe des Chr. Gotz an seinen Bundesgenossen Ribola folgende Stelle begegnete:

“Für das Andere hat man Schreiben funden hinter dem Muckenfeistlin (Spitzinamen, dem eine Hexe dem Tinctorius gegeben), wie er die gräflichen Gemüter dieß löbl. Hauses Fürstenberg hinter einander gebracht.” Es war also auch bei der neuen Herrschaft direkt gegen den Gefangenen gearbeitet und dabei die oben berührte, vom Kaiser genehmigte Doppelstellung in gehässiger Weise ausgebeutet worden.

Am 23. Aufugs 1631 stand nun in Gegenwart des Junkers Ramschwag, des Dr. Werlin, des Rentmeisters Heitzmann (!) und des Schultheißen Roth von Hüfingen das erst peinliche Verhör mit Tinctorius statt. Zu diesem Zweck war ein Extract der gegen ihn von den 7 hingerichteten Weibspersonen abgelegten Geständnisse gemacht worden und als er darauf nicht sofort bekennen wollte, beschäftigte man sich an jenem Morgen damit, ihn siebenmal, “doch Alles eodem tempore et una quasi hora” an der Streckenfolter aufzuziehen. Tinctorius bekannte trotzdem Nichts, so oft er auch bat ihn herabzulassen, um sich zu besinnen, denn Jedsmal sagte er dann, daß er vor Schmerzen “weder Anfang, Mittel noch End wüßte” Das Siebentemal bar er um Ruhe bis Nachmittag, um sich besser zu “erinnern”, was ihm ex commiseratione zugelassen wurde.

Am Nachmittag bekennt der Notar dann im wesentlichen Folgendes:

Anno 1617, als er zu Astheim die Schule versehen, sei ihm auf dem Heimweg von dem Jahrmarkt zu Villingen, wo er sich mit Wein ziemlich angefüllt, ein junges Mensch in Gestalt einer schönen Jungfrau begegnet und habe ihn zu Buhlschaft eingeladen, er habe dem entsprochen und sei dann nach Hause. Dort sei ihm dasselbe Mädchen wieder erschienen, habe sich ihm als Teufel zu erkennen gegeben, Schmidlin genannt , und gedroht, ihm den Hals umzudrehen, wenn er nicht Gott abschwöre und sich ihm ergebe. Tinctoruis haben dem entsprochen, worauf die Erscheinung in ihrer wahren Gestalt von ihm gewichen, nachher aber vielmals ( auf Hexentänzen oder sonst) in Mädchengestalt mit ihm Buhlschaft getrieben habe. Auf den Hexentänzen erinnere er sich Niemand, als seine Frau, die Frau v. Schellenberg und Magdalene Hütlin (Daniel Löwes Frau) erkannt zu haben, da er als ein Ortsfremder weniger Leute persönlich kenne. So oft er zum Hexentanz habe fahren sollen, habe ihm seine Teufelsgeliebte ein Stecklein, darauf zu sitzen und mitzufahren, gegeben, es sei reichlich gegessen und getrunken worden, aber kein Brot und Salz dagewesen. Sein Buhlgeist habe oft und vielfach von ihm verlangt, Zauberschaden zu tun, allein er habe es nicht getan und sei dafür so sehr geschlagen worden, dass er an Gesischt und Gehör Schaden gelitten.

Nachdem der Notar an diesem Samstag Nachmittag Zeit zu Sammlung bis Montag bewilligt worden, bekannt er an diesem 25. August weiter:

Als der dem Welschhans entwichene Gefangene im Kerker gewesen, habe sein “Buhlschmidlin” ihm ein Pulver gegeben und verlangt, es solle dasselbe jenem in einem Trunk überschicken. Es sei dies geschehen, ohne dass ihm die beabsichtigte und dann an Welschhans eingetretene Wirkung vorher angegeben worden.

Auf der Maizer Reise 1619 habe er einen Mann aus Geisingen, zugenannt der Siebenfinger, mitgenommen, weil er ziemlich viel Geld in Maiz zu erheben gehabt. Unterwegs sei “sein Schmidlin” ihm erschienen und habe ihn geheißen, dem Manne ein weißes Pulver einzugeben, davon solle Siebenfinger von Sinnen kommen. Das sei Alles geschehen und “der Siebenfinger” ganz corrumpirt worden, bis ihm endlich zu Geisingen wieder geholfen worden.

Mit “seinem Schmidlin” habe er unzähligemal Buhlerei getrieben, aber nur das Erstemal sei es mit natürlichen Dinen zugegangen 1).

Auf die Tänze wäre er “aus Geheiß seines Buhlen” sehr oft mit seinem Weibe gefahren (sic!); wie er vermeine, er auf einem schwarzen, sie auf einem weißen Bock. Im oberen Schloß erinnere er sich zweimal mit der v. Schellenberg und Magdalena Löwin (Hütlin) getanzt zu haben.

Schließlich bittet der Delinquent um Gottes Willen ihm ferner nichts “anzumassen” (zuzumuten) und ihm noch einige Zeit zur Besinnung zu lassen. Auch nach dieser Bedenkzeit beteuert er höchlich, nichts mehr zu wissen.-

Der Inhalt des Protokolls erklärt sich, nach demjenigen was wir bereits wissen auf den ersten Blick von selbst, wenn wir darüber sogar keinerlei Erklärung des Gefolterten selbst hätten und zeigt namentlich, dass die Furcht vor ferneren Folterqualen Tinctorius am Nachmittag bewogen hatte, sich lieber selbst, als Anderen zu widersprechen.

Nach dem gewöhnlichen Verlauf der Hexenprozesse war mit obigen Geständnissen nun der Zweck der Inquisition erreicht und Tinctorius hätte, nach Hegung des Blutgerichts, sofort hingerichtet werden können. Letzeres gscha wenigstens schon am 30. August mit der Magdalena Löwin und Anna Stötzlin, welche sei dem 25. August ebenfalls auf Grund der Aussagen der hingerichteten Weiber, die Tinctorius hinsichtlich der Löwin allerdings bestätigt hatte, eingezogen und, nachdem sie fürchterlich torquirt worden 1), geständig geworden waren.

1) Die bezeichneten Aufzeichnungen in den Akten sind grauenhaft naiv und beweisen, dass besonders gegen die Löwin förmlich mit der Folter gewütet wurde, wenn sie nur dem geringsten Detail, das man bestätigt sehen wollte, widersprach.

Es scheint nach mehreren Aktenstücken, dass der dem Notar gewordenen Aufschub zunächst darin seinen Grund hatte, dass er begonnen, die ihm von Heitzmann angesonnenen Geschäftsauskünfte und Gutachten abzugeben. Dann aber auch, dass unter seinen Richtern Meinungsverschiedenheiten über die ihm zuzuerkennende Strafe bestanden, wobei die rechtsungelehrten Junker von Ramswag und v. Egloff die mildere Ansicht gegen Werlin vertreten zu haben scheinen.

§ 5.

Vom 25. August 1631 bis 10. Mai 1632 lebte Tinctorius fortan noch unter dem Schwert des Gesetzes in steter Todesangst und gerade diese so lange fortgesetzte, schreckliche Lage ist es, die unsere (durch seine Angaben gegen Unschuldige etwas verringerte) Teilnahme wieder mächtig in Anspruch nimmt, weil er nach einger Zeit Fassung genug errang, nun seine “Geständnisse” zu widerrufen und die Gründe für diesen Widerruf eigenhändig in die Akten niederzulegen.

Am 3. Dezember 1631 nämlich wurden durch den Landvogt Johann Georg von Egloff dem Gericht zwei eigenhändige Schriften des Notar, den Widerruf seine Geständnisse und dessen Motivierung enthaltend, sowie ein Begleitschreiben an Egloff überreicht, worin dieselben quasi als eine Beichte dem alten, “nunmehr gleichkam täglich einen Tritt in seine Ruhestätte thuenden” Landvort übergeben werden und um Intercession bei der gräflichen Familie gebeten wird.

Der Wiederruf enthält, neben einer allgemeinen Negation des früher Gesagten, die Erklärung, Tinctorius wolle sich der damit auf sein Gewissen geladenen Lügen entledigen, bevor er eichte und vommunicire. Dann fährt er fort:

“Hab’ ich das Leben verwirkt, begehr ich nicht länger zu leben, will gern sterben (ohnaugesehen, daß ich dem Landgräfl. Haus um ettlich tausend Gulden hätte noch Nutz sein können). Scheue weder die weltliche Schand, noch den Tod, weil ich verhoffe, der Seelen Seligkeit zu erlangen.

Wollen aber Ihre Gn. ad dies vitae mich in ein Stüblein verschaffen und mein noch geringes Leben mit wahrer Reu und Leid büßen lassen, so erkenne ich’s für eine große Gnade.”

Die Motivierung des Widerrufs mag hier wörtlich ihren Platz finden, da sie über das Ganze ein schreckliches Licht verbreitet, welches selbst in das Dunkel der Bekanntnisse der dem Notar voran in den Tod gejagten Weiber hinabschauen läßt. Dem Juristen war es hier glücklicher Weise noch ermöglicht auszusprechen, was Tausende, die nach den Akten stumpf und stumm in den Sod gingen, nur nicht zu unserem Gehör bringen konnten und gerade als ein solches, mit tausend Zungen redendes Blutzeugnis eines Gemarterten ist das Schriftstück für die Kulturgeschichte so wichtig!

Ursachen meiner wider mein gewißen gethanen laidigen bekhantnuß

Erstlich ist mir per Hr. Tr. Werlein vorgehalten worden; ich hette dem Gefangenen und außgerißenn Leonhard Stahelen einen Trunckh geschickt, so mir als einem Ambtman nicht gebührl hette, von welchem Trnunckh der eine Wächter, genant Welschhans, unbesint worden were, daher es mit sochem Trnuckh nicht rech zugehn könte, und müßt was zauberisch darein gethan worden sein, so ich bekennen soll.

Am andern, so were auch einer, genant der Sibenfingerer von Geisingen, vor Jahren mit mir zu Meinz gewesen und ein erb helfen hollen, welcher ebenmäßig unbesint heimgeführt worden wäre.

Drittens hetten etliche justificierte Weiber, und sondelich mein eigen Weib, mich für ein Hexenmann angegeben massen er mir deren Aussag vorgelesen und vermeldet, daß sie außertügkenlich gesagt, sie hetten mich nicht aus Feindschaft angeben, hetten auch darauf gebeicht, communiciert, und wären darauff gestorben.

Ob und wiewol ich mich darauff mit Warheit verantwort und entschuldigt, und daß so viel erstens des Wächters Trunk belangt, seie es damit also hergegangen, demnach Leonhard Stahleten, als er an einem Sambstag wegen eines im Schloß gestolenen Tuchs zimlich scharpf torquiert worden, nicht bekennen wollen, und gesagt, daß er mir und dem Rentenmeister sagen wolle, auch gesagt, er müsse bethenen, der Mann, der im das Tuch gebracht, hette gesagt, er hette das Tuch nicht recht her, daran man aber nicht haben, sonder weiters torquiert worden, Hr. Dr. Pascha aber sein Rathschlag dahin gegen, daß man modum torquendie gebrauchen soll, habe ich (weillen er dazumahl zimlich torquiert worden) gerathen, mit der Tortur bis uff den Montag inzuhalten. Sontags habe ich ime ein Trnuck, so wenig mehr dann ein vier Mäßlin aus meiner Kanten, darauf ich getruncken, ex commiseratione geschickt und sagen lassen, daß er sich nicht also martern, sondern die Wahrheith bekannen solle. Dafs nur er, Leonhard, aufsgerissen und der Wächter, dem der Trunckh nicht vermeint, unbesinnt worden sein soll, ist selzam zu vernehmen. Hierbei, und soviel den Wächter belangt, zumercken, daß als er dem Gefangenen Leonhard Stahlelen zu einem Wächter ertens verordnet, ihm ausdrücklich verboten worden, niemand zu ihm zu lassen, diesem aber zu entgehen, hat er nicht allein seine Freund, und wer es begert, zue ime gelassen, sondern noch sogar uff die Nacht vergünt in das Wirtshaus zu gehen und zu trinken. Auch als eines Mahls in der Nacht, da der Wächter ime wider vom Rathaus in das Wirtshaus zu gehen erlaubt, er aber zu lang ausgewesen, daß Geschrei gangen der Leonhand sey ausgerissen, er aber hernach wieder kommen, und den seiner Dirn zu Breulingen gewesen, da er dann nächtlicher weil beede Hiffingerische und Breunlingerische Mauern durch brochen, hat man, damit man sich seines ausreißens verischert, befohlen, ihne in Eisen zu schliessen, so geschehen. Er ist aber diesem Wächter wiedermals und sogar aufs den entzen ausgerissen, zu ihro excellenz verraist, unfs die Amtleut verklagt, als handeln wir parteilich, mit unterthäniger Bitt, ihme und seinem Gegentheil wie auch seine Zeugen durch unparteienische verhören zulassen. Worauf dann erfolgt, daß ich mich der Sachen nicht mehr annehmen und solches durch unperteheische Verrichten lassen, dazu aber der Stahel und seine Freundschaft nicht haben verstehen wollen, und obwohl Herr Dr. Dankwart meinetwegen bei der Tortur zu sein, ich gebeten, er mir es auch schiftlich verheissen, ist er doch wegen anderen Geschäften davon verhindert worden, hab also den Stadtschreiber dazu ziehen müssen.

Aus diesem iezerzelten dann zu denken, weillen der Gefangene Leonhard Stahel, wie oben notiert, zweimal ausgerissen und als er das Dritten und letzemal ausgerissen deer eine Wächter, so anheimbß gewesen, und wie er wieder kommen ihme Welschenhanssen vor dem Sachel stehen gefunden, her hacher er Wächter geschlafen und in sochem der Stahel ausgerissen, ob nicht vielbesagter Welschans dem Stahel darvon geholfen, und damit er in des Stahels vestigia nicht stehen dörfte, sich der undefinigkeit fälschlichen angenommen mit Vorwand, er hette es vom Trunk. Warben sonderlichen in Obacht zu haben, daß ihme durch den Scherer mit natürlichen Arzenimitteln balden wieder geholfen worden, und weillen man sagt, wan einem Maß durch Zauberei begenet, ihm durch Arzneimittel nicht zu helfen seie, quaeritur, ob dieser Wächter ein ehrlicher Gesell deme zu glauben, lasse ich alle unpaßionierte erkennen.

Was es mit des Siebenfinges zu Geisingen losen Schelmen von meinen rachgierigen Feinden herfür gesuchte Unbefünenheith für ein Beschaffenheit gehabt, deme auchmit natürlichen Arzeimitteln geholfen worden, hab ich vor elf Jahren dem dazumal hochlobl. Amt der ganzen landgrafschaft Fürstenberg und in dieser meiner tribulation und affiction Hr. Dr. Werlein übergeben, darauf ich mich nochmals und uff derselben Beilagen referiert; hette Siebenfinger seine Sach dazumal hinaus zu bringen gewusst er würde nicht bisher gewartet haben. Daß ich gewart, ist ursach daß nichts an ihme zu erlangen gewesen. – man mag wohl erachten, ich hab niemands vertrauts, als diesen schönen Gesellen bei mir gehabt, hab uff 800 fl. Geld und Geldswert erblichen erhebt. Wie hab ich ihm denn einen vergifteten Trunk geben können, daß ich ihne mit schwerem Unkostenvon Mainz bis nach Geisingen also unbesint uf 34 Meilen fürhen laßen müssen? – refferiere mich nachmahlen, was ich dieses losen Gesellen halben schriftlichen übergeben.

Ob nun dieser bei seinem Eid maßen mir vorgehalten worden von Sachen, die sich in Zeit, da er seinen Verstand nicht gehabt, zugetragen haben sollen, deponieren und fragen kann, auch in rechten für kräftig zu passteren, laß ich alle unpaßionierte erkennen. Worauf dann erscheint Maß für zwei schöne Zeug man wider mich gestelt, und ob sie omni exceptione maiores, wie solche talibus casibus erfordert werden, auch ihre depositiones luce meridiana clariores.

Soviel nun drittens betreffen tut, daß man mir vorgehalten und vorgelesen, es hetten etliche justifficierte Weiber und sonderlich mein eigenes Weib uf mich bekennt, und daß solches nicht aus Feindschaft geschehe, hetten auch darauf gebeicht, communiciert und wären darauf gestorben, muß ichs, wie unschuldig ich mich weiß, geschehn lassen, daß diese armen Weiber erst an ihrem letzten End ihre Seelen beschwerdt haben sollten. Weilen ich aber so viel sicherlicher weiß, daß diese Weiber, ja mein armes Weib, mich vor ihrem End wieder entschlagen, also was sie wieder mich fälschlich ausgesagt, revociert und mit Beschwerniss ihrer Seelen meiner Person halben nicht gestorben, ich auch in meiner Verstrigkung von Junker Rambschwag selbsten verstanden die Meßerschmidin were mir feindlich, daß ich ihre Tochter alhier nicht habe leiden wollen, als mögen es diejenige gegen Gott verantworten, die ihre Seelen erst mit solchem beschwert und mir fälschlichen vorgehalten, daß starke indicia, daß die WEiber uf mich bekannt und darauf gestorben, und darum, wan ich nicht gütlich bekennen tue, man anderst mit mir bekennen werde, so ich, Geott sei es geklagt, geschehen lassen müsse.

1) Nach diesen noch vorhandenen Ausführungen de anno 1619 war Hockelmann, gen. Siebenfinger, ein unverschämter verlogener Frevler und Säufer, welcher sich am Rhein durch übermäßigen Weingenuss offenbar das delirium tremens zugezogen hatt.

Christo meinem Herrn gereuen Erlöser und Seeligmacher haben die Juden die falsche Zeug unter das Geflücht gestelt, ich armer Sünder bin weder gegen dem erhvergessenen Wächter noch loßen Schelmen dem Siebenfinger weniger den Weibern confrontirt worden, nd daher ihre falsche Kundschaft wahr, was darf man dann diese Unwahrheit erst per torturam von mir erpresen, un erst meine arme Seel in das Vrderben zu bringen begehren, bin ich uberwiesen so seie es, martert mich nit Leugner, binuf solches willig zu sterben.

(1) Ohn angesehen man mich nun etlich Mal gepeinigt und von der Erden aufgezogen, ich mich auch jedesmal mit meiner wahrhaften Unschuld entschuldiget, so hat es doch nichts helfen wollen, sondern die Junckherrn und Herren haben mir vorgehalten, sie hetten Befel, weilen ich genugsam uberwießen, von mir mit der Tortur nit aufzusetzen, bis ich bekenne, dergleichen veneficus einer sein.

(2) Es hett der Obervogt oder Amtmann zu Waldkirch erst auch nicht bekennen wollen, doch letzlichen bekannt, daß er einer seie.

(3) Ja man hat mir durch den Stadtknecht sagen lassen, woher ich nicht bekennen werde, so wolle man mich nach der Haut strecken.

Dieweil ich dann gesehen und gespürt die große Ungnad und Feindschaft, so fast von weniglichen gegen mir Unschuldigen getragen und daß keine Gnad zu erlangen, ja man auch von allen Orten Lügen zugetragen, damit der Passion recht mit mir gespielt werde, ich auch noch einmal lieber mir das Haupt abnehmen, dann also torquieren lassen wollte, welches torquieren ich noch bis dato in meinen Glidern empfinde, als hab ich mich umb solcher und der getroeten Marter Willen, für ei, Gott sey es geklagt, bekennet und mir eingebildet, weilen Gott der Allmächtig mein Unschuld weiss, mein Leben also wiliglichen zu Buß meiner aus menschlicher Blödigkeit von Jugend auf begangener Sünden darzugeben, tröstlicher Hoffnung, Gott der Allmächtige der werde aus seiner großen Barmherzigkeit sich meiner erbarmen und meiner armen Seel die ewige Ruhe verleihen.

Daß ich nun bekennt, ich seie verführt worden, wie ich von Villingen nach Aatzheim gangen, daran hab ich mich aus empfundener Marter selber angelogen, und habe ich diesem Angeben den Schein, damit manch glaube, daher geben, weilen die Messerschmidin ausgesagt, ich sei bei dem Tanz, als ich noch zu Astzheim gewohnt, gewesen; habe auch nur fälschlichen, daß sich der Teufel Schmidle genannt haben soll, uns was ich mehr bekennt mich angelogen. Man hette mich billich gegen den falschen Zeugen und justificierten Weibern confrontieren und nicht erst noch ihrem Tod mich so geschwind darauf torquieren sollen.

Ob nicht auch die justificierten Weiber (bekannt), man einer nachts seine Kleider auf dem Tisch liegen lasse, so habe der böse Geist Gewalt sich in dieselbe zu verkleiden, daß werden die Junckern und Herrn examinatores wissen. Mir hat man gesagt, sie sollen es bekannt haben, sonsten weiß ichs nicht.

Dr. Werlein hat mir vorgehalten, ich hete mein Lebenlang nicht gelesen, daß Gott der Almächig den Teufel vrhängt habe, in eines Menschen Gestalt bei solchem Tanz zu erscheinen, darauf antworte ich, ob nicht Got jemals vrhent habe, daß der böse GEist zu mancher in Gestalt ihres Buolen kommen, sie gschlafen, und also verführt worden sei? Wie dann solches vielen auch meines Weibs Schwester begegnet.

Daß ich geschrieben, es möchte dem Leonhard gemeucht Salz in den Trunck getan worden wein, hab ich solches von meinem armen Weib, dern Seelen Gott gnade, welche zu mir gesagt, als sie der Kapuziner von Engen zur Beichte gehört, hette er sie gefagt, ob kein Geweicht Salz in Trunckh were gethan worden, den von demselben werden die Menschen maß Hirnlos, hat nun mein armes Weib mich angelogen, hab ich auch gelogen.

Daß ich vom weißen Pülverlein bekannt, hab ich nachgebett, wie mir Dr. Werlein vorgebett. Einmal ist mit solchem Trungk anderst nicht zugangen als oben vermeldt.

Daß ich die Frau von Schellenberg und Magdalena Löwin fälschichen angegeben, ist mir von Grund meines Herzen leid. Hab zweimal um Gottes und des jüngsten Gerichts Willen gebetten, man soll mich nicht frangen, weg bei dem Tanz gewesen und daß darum gebetten, weil ich selber bei keinem gewesen also niemand anzeigen können, und unrecht tun wollen. Dieweilen ich abe die angedrohte und vor Augen stehende Tortur gefürchtet, und von anderen gehört, daß sie von den justifficierten Weibern angeben Morden seien, als hab ich sie uf solches angeben, und mein Gewissen und arme Seel leider damit beschwert. Es hat der ehebrecherische Stadtschreiber Stark an mich gesetzt und vermeint, mehr anzugeben, ich hab aber meine arme Seel in dem beschwert befunden, und hette ich mehr angeben müssen, so hette ich des Großen Weib angeben, weilen man mir gesagt, sie were von den ustifficierten Weibern auch angeben worden.

Daß ich so Tag als Nacht tam fideliter geschrieben und gedient, dardurch ich mein Gehör und Gesicht, und nicht, wie ich fälschlichen gesagt, vom Teuffel schlagen verloren, auch mas ich concipiert, habe ich die Gnad von Gott dem Allmächtigen, deme ich drum höchlichen zu danken gehabt, habe vermeint, wann ich dem landgräfl. Haus Fürstenberg aus einem Rappen einen Dukaten machen können, ich were es schuldig gewesen, so sorglich habe ich mir alle Sachen angelegen sein lassen.

Und die weilen ich dieses Lasters unschuldig, als hatt man wol zuerachten, was man fir falsche Zeugen wider mich gestellet, und daß ich weder Wetter gemacht, noch Vieh umgebracht. – Sollte man mich nun weiters torquieren, so befihle ich es dem lieben Gott, protestier hiermit expressissime, da ich was wider mein Gewissen aus Marter bekennen sollte, ich meine arme Seel darmit nicht beschweren sondern diejenige verantworten lassen wolle, die mich dazu genöthigt. –

Und solches bin ich anzuzeigen verursacht, weilen ich daß, so ich fälschlich bekennt, nicht zu beichten und darauf zu communicieren gewusst, sondern mein arme Seel noch mehr beschwert hete.

Erfreue mich daß Gott waist, ich ihne niemlas verleugnet habe, in dessen Hand ich dann mein arme Seel befehlen tue.

Matth. Tinct.

Und was erreichte Tinctorius damit? –
Wir sehen es zunächst auf der Aussenseite der bezüglichen Schriftstücke von des Notars eigener Hand:

Seufzentliches Anflehen und Bitten.

Daß ich zu Erlangung länger Lebens in dieser aus sondern Ängsten und des Fleisches Verführung geschriebener Revocation die Unwahrheit geschrieben, bezug’ ich mit dieser meiner eigner Hand, umb Gottes unendlicher Barmherzigkeit Willen um gnädige Verzeihung und Gnade bittend.

Matthias Tinctorius.

und dann in dem am 10. Mai 1632 gegen ihn gesprochenen Urteil, welches ihn zum wirklichen Feuertode verdammte. Wenn trotzdem auf dem Gnadenweg auch ihm nur Enthauptung und nachträgliche Verbrennung der Leiche an jenem Tag zu Teil wurde, so muße dies sicher zuerst mit jenen fürchterlichen Zeilen erkauft werden!

Was dem rückfälligen und dann zum Zweitenmal zu “Wahrheit” bekehrten Hexenmeister vom 2. Dezember bis zum Exekutionstag noch das Leben fristete, liegt im Dunkel. An welchen Wechselfällen und Rücksichten aber sein Leben hing, darübere wollen wir zum Schluß noch seinen “Freund” Heitzmann hören, um denselben zugleich auch sich selbst das Urteil sprechen zu lassen. Derselbe schreibt am 2. Januar 1632 an den Grafen Bratislaus II. zu Meßkirch, als Vormundschaftsregent:

“Bei diesen gefährlichen Läufen wär’ gar gut gewesen, daß man sowohl mit dem Tinctorius, als berührter Magd (einer Kindsmörderin) um etlicher Ursachen willen Malefiz hälte und sie fort thäte (d.h. köpfte). Dann für das Erst mit soviel Wächter ein groß Kosten, auch das Malefiz mit ringeren Kosten mit zwei Personen hindurchzubringen, dann Herr Dr. Werlin nit rathen will, daß man die Magd länger haben soll. Thut man selbige dann allein hinweg, so geht der Kosten über gnädige Herrschaft, weil sie nichts vermag, im Übrigen müsste Tinctorius sie zu Gast halten. Für’s ander möcht’ uns wohl ein groß Spott mit ihme Tinctorius widerfahren, da wir (fremdes Kriegs-) Volk überkommen sollten. Dann da er durch sie ledig gemacht würde, er noch selzame Händel anfangen wird, massen er vor den Offischen Soldaten nit sicher gewesen. Es seind etliche, zwar ohne mein Wissen, zu ihm hinaufgeloffen fürs Zimmer, als nun die Wächter selbige nicht hinein lassen wollen, sondern die Stube versperrt, haben sie die Kette, daran er geschmidt, welche durch einen Pfosten hinaus auf den Saal uf der Stube geht, in die Hand genommen, daran gezogen, daß ime die Füß über sich gegen der Bühne (Decke) gegangen, sprechend: “Was machet Du alter Hexenmeister drinnen?” –

Ehre der einsichstsvolleren und gerechten Herrschaft, die solche Ratschläge, offenbar wie hier, mit Ernst von sich zu weisen verstanden hat! – Wen mahnt es aber nicht an höhere Strafe und Gerechtigkeit, wenn er sich erinnert, daß über die Hüfinger Blutmenschen selbst schon am 15. Oktober 1632 das fürchterliche Blutbad durch die Würtemberger hereinbrach?*

§6.

Die Reihe der Opfer, welche uns diese traurige Erzählung anzeigte, ist übrigens noch nicht voll; wir schwiegen seither von der Edelfrau Sabine v. Schellenberg, die bereits mit dem Ehepaar Tinctorius der Gerechtigkeit verfallen schien. Nun verkünden wir mit Freuden, daß wenigstens diese “gute Alte” den Justizmorden entging, obschon wir zufügen müssen, daß in ihrer Persönlichkeit schlechterdings nichts lag, was ihr diesen Vorzug vor ihren “Gespielinnen” verdient hätte. Nicht aus Rücksicht für einen alten Namen, sondern für die Frauen überhaupt, wollen wir ihre Charakteristik unterdrücken, deren wenigst dürstere Seite einen ungewöhnlichen Durst und damit zusammenhängende Zustände enthüllen würde.

Diese “Eldelfrau” befand sich seit August 1631 allerdigs in Hausarest, allein durch die Bemühungen ihrer Verwandten bei Kaiser und Reich wurde jedes voreilige Torquiren nicht nur gefährlich gemacht, sondern am 13. Oktober 1631 war auch ein Kammergerichtsmandat ausgebracht worden welches die Prozedur genauestens vorschrieb. Danach wurde dann im Wesentlichen langsam weiter procediert und Sabina v. Schellenberg im Anfang Dezember 1631 ohne Tortur vernommen. Aus diesem Grunde fehlen wohl auch noch im Anfang 1632 so sehr alle erheblichen Untersuchungsergebnisse, daß im Februar 1632 ein Gutachten der Freiburger Universität noch immer die peinliche Frage nicht zuließ. Als zudem inzwischen das Gericht der Grafen von Fürstenberg (aus erheblichen, jedoch nur äußeren Gründen) von der Angeschuldigten recusiert und sich namentlich auf die Reichsunmittelbarkeit derselben berufen worden war, und von einem Rechtsgelehrten im Auftrag der gräflichen Herrschaft ein Gutachten über die früheren Proceduren und das weiter Thunliche abgegeben worden, welches große Bedenken gegen den Erfolg zeigt, so war man wohl froh, die Sache einschlafen lassen zu können.

Die damaligen Krigsläufe, die ja schon die Besorgniß einer Berfeiung des Tinctiorius hervorgerufen hatten und besonders das Blutbad im Oktober, halfen dazu unmittelbar, und so konnte der Oberamtmann Riescher am 15. November 1632 an den Obervogt zu Hüfingen über die in unbekannten Ort Entwichene schreiben:

“Die gute Alte ist nunmehr auf freiem Fuß und vermutlich so närrisch nit, daß sie sich nacher Hüfingen zu stellen oder durch Andere stellen zu lassen, großes Verlangen habe. Also wird man sich mit den Nürnbergern müssen patientieren!”