Das 149-Euro Missverständnis

Das 149-Euro Missverständnis

27. Dezember 2019 1 Von hieronymus

27.12.2019 von Kurt Kammerer, Sprecher INITIATIVE 125

Offener Brief an die Gemeinderäte und die Stadtverwaltung.

Liebe Gemeinderäte, liebe Stadt Hüfingen,

in der vergangenen Woche haben uns, die „Initiative 125“, viele Zuschriften erreicht, vor allem aus Hüfingen aber auch aus Donaueschingen, Blumberg und Wutach, wo man sich für den „149-Euro Fall“ zu interessieren beginnt. Auch das Gespräch mit vielen Hüfingern brachte wichtige Erkenntnisse. Die Situation lässt sich jetzt in einer einzigen Frage an Sie zusammenfassen:

Hätten Sie nicht auch für 125 Euro gestimmt, wenn Sie gewusst hätten, dass 125 Euro schon einen Gewinnaufschlag für die Gemeinde in Höhe von 40% auf die Selbstkosten beinhalten?“ 

Zum 149-Euro Fehler konnte es aus unserer Sicht nur durch ein Missverständnis kommen: 

  1. Die Stadtverwaltung sagte „wir brauchen 125“ und bei den Gemeinderäten kam offenbar an, dass es sich bei 125 Euro um die Selbstkosten handelt. Und nur weil kein einziger Gemeinderat je die Kalkulation mit deren Grundlagen gesehen hat, konnte es zum folgenschweren 149-er Fehler kommen.
  2. Der Stadtkämmerer wiederum hat als vorsichtiger Kaufmann zukünftige Kosten hoch und zukünftige Erlöse niedrig angesetzt und 125 Euro als gerade noch akzeptablen Fall gerechnet. Nur um keine weiteren Missverständnisse aufkommen zu lassen: Den Herrn Stadtkämmerer schätzen wir fachlich sehr, denn nicht zuletzt seiner konservativen Kalkulationsansätze ist die üppige Rücklage der Stadt Hüfingen zu verdanken. Die komfortable Finanzsituation von Hüfingen wiederum stellt sicher, dass die Gemeinde kein Notprogramm fahren und ihre Bürger nicht mit exorbitanten Preissteigerungen konfrontieren muss, nicht beim Wasserpreis und auch nicht beim Preis für den Bauplatz. 

Warum sind wir so sicher, dass 125 Euro mindestens 40% Gewinnaufschlag auf die Selbstkosten beinhalten? 

  1. Solange Gemeinden wie Schwenningen (Heuberg) für 93 Euro anbieten, kann der aktuelle Selbstkostenpreis nicht über 90 liegen, denn auch dort muss für die Gemeinde ein Gewinn drin sein. Aus Sicht eines Bauherrn ist Schwenningen auch nicht weniger attraktiv als Sumpfohren, Behla, Fürstenberg, Hausen vor Wald und Mundelfingen, denn in Schwenningen gibt es einen Bäcker, einen Metzger, ein Autohaus und laut Webseite sogar eine Zweigstelle der Volksbank und der Sparkasse. Auch scheint man nicht händeringend Leerstand bekämpfen zu müssen, denn es sind dort aktuell keine Mietwohnungen frei. In Schwenningen ist man einfach familienfreundlich und handelt zukunftsorientiert.
  2. Dies gilt auch für Löffingen mit Baupreisen von unter 110 Euro in allen Stadteilen.

Warum erwächst der Stadt Hüfingen aus Ihrer Politik für Baugrund besondere Verantwortung?

  1. Als Einrichtung der öffentlichen Hand muss es das Grundverständnis der Stadt Hüfingen sein, für den Bürger da zu sein und damit auch für den Bürger, der hier bauen will. Die Stadt darf kein Gewinnmaximierer werden.
  2. Die Stadt Hüfingen hat durch ihre Politik quasi ein Monopol auf Bauplätze, da sie Grund kauft, erschließt und baufertig anbietet. Der Kauf von privat ist die seltene Ausnahme. Diese Politik ist richtig, denn nur so lassen sich Exzesse durch private Preistreiber verhindern, wie man sie in deutschen Städten beobachtet. Man ist als Hüfinger Bürger daher fassungslos, wenn die eigene Gemeinde selbst zum gierigen Preistreiber mutiert.
  3. Der Bauherr ist ein armer Tropf, denn er ist eine 1%-Minderheit (in 2019 haben nicht mehr als 1% der Hüfinger gebaut) und wird politisch nicht gehört. Auf Sicht der nächsten 20 Jahre allerdings summieren sich die Bauherrn und Käufer von Wohneigentum mit ihren Kindern auf gut 25% der Hüfinger Bevölkerung und stellen das Rückgrat der Gemeinde Hüfingen dar. Hüfingen würde gut daran tun, als Bauherren nicht nur den gut situierten Erben zuzulassen sondern auch den Bauherren, der mit seinem Arbeitseinkommen für sein Wohneigentum einstehen muss. Bei unserer Demografie werden wir alle brauchen und dürfen durch Preistreiberei nicht wichtige Stützen der Hüfinger Bürgerschaft verlieren, denn sonst müssen wir, die über 50 Jährigen, uns in 20 Jahren selber pflegen bzw. selbst unsere Pflege organisieren. Wenn wir nicht faire Preise anbieten, werden viele Junge in die Stadt abgewandert sein und wir meinen damit nicht die Stadteil-Hüfinger in die Kernstadt sondern die Abwanderung der Jungen in Städte wie Konstanz oder Freiburg. 

Wie stellt sich die Lage für den Bauherrn dar?

  1. Derjenige Bauherr, der nicht zur Minderheit der gut situierten Erben zählt, lebt mit seinem Arbeitseinkommen im Höchststeuerland Deutschland. Er muss für 1 Euro netto 2 Euro brutto aufbringen. Die ZEIT fasst dies so zusammen .
  2. 125 Euro Baupreis, den er an die Stadt Hüfingen zahlt, werden für ihn mit Unterschrift sofort zu gut 135 Euro, denn es kommen Notarkosten und 5% Grunderwerbsstuer hinzu. Die Grunderwerbssteuer ist eine Ländersteuer, die diese an die Kommunen weiterreichen. Hier lässt sich die Stadt Hüfingen also nochmals bezahlen.
  3. „Dann soll der Bauherr doch einfach ein höheres Gehalt verlangen“, wäre die logische Empfehlung. Diesen Rat kann sich der Bauherr aber an den Hut stecken, denn die wirtschaftliche Situation wird auf Jahre keine nennenswerten Gehaltserhöhungen zulassen, aber dafür ein höheres Arbeitsplatz- und damit Finanzierungsrisiko mitbringen. Wir raten dringend zum Studium des IHK Lageberichts für die Wirtschaft im Schwarzwald-Baar-Kreis, der mit dem Titel „Schwächephase der regionalen Wirtschaft hält an – Trendwende nicht in Sicht“ überschrieben ist. Das 149-Euro-Überraschungsei ist damit die falsche Antwort in der falschen Zeit. 

Die „Initiative 125“ steht am Anfang, aber wir sind positiv überrascht über den großen Zuspruch aus der Hüfinger Bürgerschaft. Wir versprechen Ihnen seriösen Umgang in der Sache und dass wir uns von Berufsnörglern und Schlaumeiern distanzieren und natürlich Anti-Demokraten nicht in unsere Reihen lassen. Auch geht es uns nicht um Effekt-Hascherei sondern einzig um die Sache. Wenn Sie als Vertreter der Stadt Hüfingen oder als Gemeinderat Ihren 149-Euro-Irrtum kurzfristig und geräuschlos beheben wollen, dann stehen wir nicht im Weg und werden all die Besserwisser in die Schranken weisen, die hämisch auf ihre Bürgervertreter zeigen, die alle ehrenamtlich arbeiten. Wir fordern eine fundamentale Neubewertung und billigen der Gemeinde für ihre vielfältigen Aufgaben einen Baupreis für 2020 von 125 Euro zu und damit 40% Gewinnaufschlag auf ihre Selbskosten. 

Wir dürfen Ihnen andernfalls aber auch versichern, dass wir dies durchziehen werden, beginnend mit einer Bürgerbefragung. Die Mehrheit der Hüfinger (auch der Kernstadt) will Preistransparenz für die Dienste der Stadt Hüfingen und die können Sie uns nicht verwehren. Wir werden also die Kalkulationsgrundlagen für Bauplätze bekommen und den Hüfinger Bürgern dann nachweisen können, dass bei einem Baupreis von 125 Euro im Jahr 2020 ein Gewinnaufschlag auf die Selbstkosten von mindestens 40% vorliegt.