Blumenteppich 1931
Fronleichnam wird dieses Jahr sicher nur in einer sehr spartanischen Fassung durchgeführt werden können. Aber wir haben ja die Filme vom Zahnarzt Dr. Kramer.
Hierzu wollte ich den Text von Max Rieple von 1950 in Erinnerung bringen:
Der Blumenteppich zu Hüfingen
Lange bevor die Sonne über das weite Pfohrener Ried mit goldenen Fingern nach der alten Baarstadt Hüfingen greift, um die Kirche mit dem spitzen Turm und die behaglich hingelagerten Bürgerhäuser für den Fronleichnamstag festlich zu schmücken, hat schon ein emsiges Werken und Treiben auf der breiten Hauptstraße zwischen Schloß und Kirche eingesetzt.
Geheimnisvoll erscheint uns dieses Tun. Aus Pappe oder Holz geschnittene Schablonen werden vor den Häusern auf deas Straßenpflaster gelegt und die entstehenden Felder und Figuren mit bunten Blütenköpfen oder Blumenblättern ausgefüllt.
Der besonders Kunstfertige aber fügt gleich dem Maler aus freier Hand farblich sorsam ausgewählt Blüten zum Bild zusammen. Gild es doch heute, vor dem König der Könige wiederum einen Blumenteppich auszubreiten, wie dies hier seit dem Jahre 1842 der Brauch ist.
Einer der bedeutenden Söhne Hüfingens, der Bildhauer Franz Xaver Reich, der Bruder des berühmten Lucian, hatte in Italien diese Art Teppiche in Portici und Resina am Westabhang des Vesuv gesehen.
Der junge Künstler, der ein offenes Auge und ein noch offeneres Herz besaß, war von der Farbenpracht und den dargestellten Motiven so begeistert, daß er nach seiner Rückkehr aus dem Süden am Fronleichnamstag vor seinem Haus einen ebensolchen Blumenteppich schuf.
Und siehe da: die sonst so konservativen und allem Neuen nur schwr zugänglichen Baaremer fanden ebenfalls Gefallen an diesen buntleuchtenden Mosaiken. In den saftigen Wiesen gleich hinter der Stadtmauer gab ihnen ja der Schöpfer in unendlicher Fülle den Stoff, aus dem sie formen konnten, was ihm zur Ehre dient.
So wurde der Beschluß gefaßt, in gemeinsamer Arbeit am Fronleichnamstag durch die Hauptstraße einen Blumenteppich zu legen, wobei es jedem einzelnen Bürger überlassen bleib, aus den Blüten der Heinat zu bilden, was ihm sein Erfindergeist und seine Phantasie eingaben.
Wahre Wunderwerke, aus Skabiosen, Trollblumen, Salbei und Pfingstrosenblättern kunstvoll gewoben, entstanden.
Was damals geschaffen wurde, hat mehr als ein Jahrhundert überdauert. Immer erfindungsreicher wurden die Bürger in der Ausgestaltung religiöser Motive. Wie bei so vielem, was aus fernen Landen Eingang bei uns fand, wurde das Fremde assimiliert, weitergewandelt und, durchdrungen von deutscher Innigkeit, zu etwas Neuartigem und Einmaligem umgestaltet.
Unwillkürlich muß man da an Oberammergau denken, wo frommer Sinn der Bewohner in den Passionsspielen ein Werk schuf, das den Namen des Alpendorfes in aller Welt bekannt machte.
So locken auch die Blumenteppiche Hüfingens alljährlich eine Unzahl Besucher in die Stadtmauern. Und ein jeder, der hier Einkehr hält, ist begeistert von dem Bild, das ich ihm bietet.
Grüne Maien umkränzen die Straße, durch die sich das Silberband des Stadtbaches schlingt. Die alten Brunnen, die in der letzten Zeit einen neuen, schönen, figürlichen Schuck erhielten, rauchen froher auf, wenn die Kirchenglocken ihren Jubel in den hohen, festlich strahlenden Baarhimmel hinaufsingen.
Und ist es nicht, als sei ein Stück dieses Himmels auf die Straße herniedergefallen, wenn es zwischen gelben und roten Blüten blau aufleuchtet?
Überall sind aus den goldenen Schüsselchen der Trollblumen, den blassen Blüten der Taubnessel oder der sanftblauen Iris in den saftig grünen Rahmen von Farnen Ornamente und Bilder zusammengefügt. Hier brennt das Herz Jesu in leuchtendem Rot, dort erstrahlt ein Kelch mit der Hostie, der Name Jesu erglüht zwischen mildem Blau, ein großes Kreuz, aus den weißen Sternen der Margueriten und aus spitzen, zarten Schachtelhalmen gebildet, liegt vor den Stufen eines Altars.
Sterne aus Kleeblumen, Anker aus der rosa Erparsette, geometrische Zeichnungen, geformt aus schwarzbraunen Wiesenknopfköpfchen, Bänder und Ranken reihen sich endlos aneinander, wenn wir den Blumenteppich entlang schreiten, der als doppeltes Band links und rechts vom Stadtbach sich vom alten Fürstenberischen Schloß, dem heutigen Landespital, bis hinunter zu Kirche hinzieht.
An den Altären wird das Bild besonders farbenfroh. Über diese Millionen von Blüten darf nur der Priester schreiten, der, von Glockenklang und Weihrauchwölkchen umweht, im goldenen Ornat das Allerheiligste trägt, während die Prozession rechts und links von den zwei Meter breiten Blumenteppichen hinschreitet.
So bleiben dies kunstvollen Gebilde bis in den späten Mittag hinein wie Kleinodien behütet und erfreuen die Unzähligen, die jedes Jahr kommen, um dieses Blumenwunder zu erleben.
Von Max Rieple etwa 1950