
BLACK FOREST
Buchrezension:
Wolfgang Schorlau: BLACK FOREST
Taschenbuch, Kiepenheuer & Witsch, 18 Euro
Landschafts- und Artenschutz vs. Klimaschutz nach Krimi-Art
Georg Dengler, der vielbeschäftigte Privatermittler des Autors, stammt aus dem Schwarzwald. Und sein elfter Fall hat es in sich, geht es doch um die Windenergie, damit um Auseinendersetzungen, wie sie in Deutschlands bekanntestem Mittelgebirge seit über zwei Jahrzehnten besonders heftig toben – hier eskalieren sie bis zum Mord. Scharlau hat dazu am Ort der Handlung, im Hochschwarzwald rund um den Feldberg, fleißig recherchiert, wie der Leser dem Anhang entnimmt.
Hauptperson ist diesmal Denglers alte Mutter, Bäuerin auf dem Denglerhof. Streitpunkt ist ihr Grundstück zuoberst auf dem Feldberg, das sie zunächst partout nicht hergeben will für den Bau einer Windkraftanlage. Die wollen freilich nicht nur Landschaftsschützer hier nicht haben, sondern auch andere, allen voran der Aufsichtsratsvorsitzende des Energiekonzerns VED, der trotz Klimakrise noch immer mehr auf Kohle, Gas und Öl setzt als auf Windstrom. Dabei bedient er sich im Naturschutzgebiet Feldberg wie auch schon anderswo im Schwarzwald eines speziellen Tricks: Der Genehmigungsbehörde wird, selbst auf dem weithin baumfreien Feldberg, Auerhuhnkot nachgewiesen. Wobei dieser allerdings aus dem Gehege eines zwielichtigen russischen Honorarkonsuls stammt, eines Jägers, der sich speziell für solcherlei Zwecke eine Auerhenne hält. Wo doch das Auerhuhn im Schwarzwald am ehesten noch vor dessen „Verspargelung“ schützt.

Der Schwindel fliegt freilich auf, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf, vor allem für Denglers Jugendliebe, die man für die Ausbringung des Hennenkots angeworben hatte. Nachdem sie sich hiervon losgesagt hat, wird sie vom Jäger und seinen Komplizen ermordet – exakt da, wo sie einst mit dem jungen Dengler noch die Hahnenbalz verfolgt hatte.
Nachdem Großmutter Dengler unter den von ihrem Enkel und dessen Freundin eindringlichst vorgebrachten Klimaschutzargumenten ihre Ablehnung des Windrads endlich aufgegeben hat, hält sie an dessen Standort bei einer Demo von Widerständlern und Befürwortern eine vielbeklatschte Rede pro Windenergie. Nach einem (unbeabsichtigten?) Rempler wacht sie erst im Krankenhaus wieder auf, und nun ist auch das Happyend nicht mehr fern. Denn der Projektentwickler zieht einen für den Denglerhof äußerst lukrativen Vertrag aus der Tasche, von dem auch die Grundstücksnachbarn noch profitieren werden.
Schorlaus Kriminalroman umfasst (inklusive Nachwort mit Quellenangaben, Tatsachen- und Schauplatzrecherchen usf.) 443 Seiten und hinterlässt den Eindruck, als ob sein Plot mit den finsteren Machenschaften des großen Energie- und Finanzkonzerns durchaus nicht fiktiv, sondern der Realität entnommen sein könnte. Im Anhang dankt Wolfgang Scharlau u. a. Andreas Markowsky von der Ökostromgruppe Freiburg, dem Autor des auf Krawall gebürsteten Buchs „Klimaschänder – Gewinner von gestern, Loser von heute“ (2021) für ein ausführliches Gespräch. Fazit: „Wer denkt, das Auslegen von Auerhahnkot sei die Idee eines überdrehten Krimiautors, dem empfehle ich die Lektüre von Markowskys Buch.“
Spätestens hier drängt sich dem Leser der Eindruck auf, dass Arten- und Landschaftsschutz, insbesondere der Schutz des „Schwarzwälder Charaktervogels“, von kriminellen Akteuren unterwandert ist. Alles echt oder doch nur Krimi?