
Was mit Finja geschah
Was war das für ein freudiges Ereignis – nicht nur für die Vereinsmitglieder der Luchs-Initiative Baden-Württemberg e. V., die sich seit über drei Jahrzehnten für die Wiederansiedlung des Luchses eingesetzt hatten – als am 1. Dezember 2023 im dick verschneiten Nordschwarzwald Finja, die erste Luchskatze des baden-württembergischen Bestandesstützungsprojekts im Beisein des Forstministers freigelassen wurde. Das Foto, wie sie putzmunter aus der Transportkiste springt, ging bundesweit durch die Medien. Zu ihrer Sicherheit und Überwachung trug sie einen Halsbandsender. Doch nun musste das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz MLR (per Pressemitteilung Nr. 162/2024) am 10. Juli 2024 einräumen, dass sie gestorben sei, die Todesursache werde derzeit ermittelt. Überschrift:
Minister Peter Hauk MdL: „Wir sind sehr traurig über den Tod unserer Luchskatze Finja“
Bei der routinemäßigen Kontrolle an einem Rehriss sei Finja in stark geschwächtem Zustand aufgefunden worden. Es seien umgehend die Tierärzte aus dem Zoo Karlsruhe hinzugezogen und Rettungsmaßnahmen eingeleitet worden, doch alle veterinärmedizinischen Maßnahmen hätten ihren Zustand nicht mehr stabilisieren können. „Da keine Behandlung anschlug und zur Vermeidung weiteren Leidens musste das Tier leider eingeschläfert werden“, teilt das MLR mit: „Das ist traurig aber kann leider auch Teil der Realität bei Auswilderungsprojekten sein.“
Die aus einem Thüringer Gehege stammende und in einem Auswilderungsgehege auf die Freilassung vorbereitete Finja hatte genetisch, medizinisch und verhaltensökologisch alle Voraussetzungen erfüllt. Und in Freiheit hatte sie regelmäßig Rehe, gelegentlich auch Hasen und Füchse erbeutet. Nur die erhoffte Paarung mit Luchskuder Toni, der seit 2019 durch den Nordschwarzwald streift, hatte anscheinend noch nicht geklappt.
Auf den Fotos der Wildtierkameras hatte Finja jedoch stets gesund gewirkt, umso unerwarteter ihr erbärmlicher Zustand an ihrem letzten Riss. Welche Ursachen dafür ausschlaggebend waren, werde aktuell untersucht, verspricht die Pressemitteilung, was freilich einige Wochen in Anspruch nehmen könne. „Wir werden trotz des Verlustes an unserem Vorhaben festhalten und weitere Luchse ansiedeln“, so der Forstminister. Insgesamt 10 vorwiegend weibliche Tiere sollen bis 2027 ausgewildert werden, so will es schon das im Koalitionsvertrag vereinbarte Projekt.
Einstweilen wirft Finjas plötzliches Ende freilich Fragen auf: Wie soll es ihr in „stark geschwächtem Zustand“ eigentlich noch gelungen sein, ein Reh zu erbeuten? Wurde vor Ort auch der Riss untersucht? Könnte Finja nicht mit Hilfe des Rehkadavers vorsätzlich vergiftet worden sein? Falls ja, wer käme als Täter dafür in Betracht? Womöglich einer, der Luchse als Beutekonkurrenten fürchtet oder als Gefahr für seine Nutztiere hasst?
In Fernsehkrimis pflegt noch vor der Obduktion der Leiche, die kriminaltechnische Untersuchung des Tatorts zu erfolgen. Bleibt zu hoffen, dass um Finjas Tod keine unbegründeten Verschwörungstheorien aufkommen werden – für das baden-württembergische Luchs-Auswilderungsprojekt wären sie Gift!
