Netzblatt und Weisszüngel
Liebe Bürgerpostleser,
was haben wir heute vor uns? Auf jeden Fall drei Blütenbilder. Haben wir schon einmal etwas davon präsentiert? Kommt Ihnen vielleicht etwas bekannt vor? Bild 2 und 3 gehören einer Art an, und was ist mit Bild 1? Anhand dieser Bilder ist schnell klar, dass es verschiedene Pflanzen sind. Sensationell die Behaarung der Blüten auf Bild 2 und 3, die Blüten auf Bild 1 sind total nackt. Ich sags Ihnen aber sicherheitshalber, aus zwei Meter Entfernung ist man in Gefahr, von einer Art auszugehen. Die Pflanzen sind nur etwa 15 cm hoch und die Blüten sehr klein, sagen wir mal zwei bis drei Millimeter lang.
Jetzt zur Sache: Bild oben ist am 6.6.2022 auf dem Belchen aufgenommen worden, ich war erstaunt. Ich wußte, dass mein alter Freund Dr. Otto Kötterizsch ein exellenter Belchenkenner ist und ich dachte, wenn er das weiß, dann ist er es wirklich. Er wußte es, ich war begeistert, Weisszüngel oder Weiße Höswurz heißt die Pflanze. Er habe Sie bei seinen früheren Aufenthalten häufig gesehen. Sie ist eine Orchidee, man höre und staune und komme auf Bergwiesen vor. Haben Sie sie schon einmal gesehen? Ich noch nie. Wie gesagt, sie ist klein.
Die andere habe ich das letzte Jahr auf dem Tannbuel zum ersten Mal gesehen und einen Bericht gemacht. Es ist die Kriechende Netzblatt, auch eine Orchidee. Am 17. Juli 2022 war ich dort. Mehr als die Hälfte der Blüten sind schon verblüht. Dann habe ich die Aufnahme vom letzten Jahr dazugestellt, sie stammt vom 22. Juli 2021. Man erkennt die Vegetationsverschiebung zwischen den beiden Jahren, letztes Jahr eine Woche später als dieses Jahr.
Ich gebe gerne zu, dass mein Anfangsverdacht war, dass die Belchenpflanze identisch ist zur Tannbuelpflanze. Dann aber kamen Zweifel wegen des deutlich unterschiedlichen Blühzeitpunktes und den Standortunterschieden Halbschatten und lockerer Kiefernboden auf der einen Seite und unbeschattete Plätze auf der anderen Seite. Und dann natürlich noch der geniale Otto, der das Rätsel vollends auflöste.
Jetzt noch ein aktueller Hinweis: Wer den Widerbart anschauen möchte, der muss sich sputen. Denn durch die Trockenheit ist er jetzt bereits in Vollblüte und darüber. Nachdem mich Thomas Kring gestern informierte, bin ich heute Abend in den Hüfinger Orchideenpfad und zu Beginn der hinteren Schleife stand er in bestem Abendlicht. Viele sind es nicht, umso lockender könnte ein Besuch dort sein. Der Widerbart ist eine der seltensten Orchideen Mitteleuropas und ein kleiner aber feiner Hingucker.
Herzliche Grüße
Franz Maus