Mit was sich die Kinder des Kohlenbrenners Christoph beschäftigen,

Mit was sich die Kinder des Kohlenbrenners Christoph beschäftigen,

12. Dezember 2023 0 Von Hannah Miriam Jaag

und wie sie den Bruder Martin zuweilen besuchen.


Christoph, der Kohlebrenner hatte mehrere Kinder, welche oft zu dem freundlichen Waldbruder in seine Felsenwohnung kamen. Besonders geschah dies zur Winterszeit, wo die Kinder nicht wie im Sommer im Wald und Feld beschäftigt waren; denn alle, das Kleinste ausgenommen, waren beflissen, ihren Eltern bei der Sorge für den täglichen Lebensunterhalt getreulich an die Hand zu gehen.

Gotthard, der älteste Knabe, war stets der Gehilfe des Vaters auf dem Kohlplatz im Walde. Ein kleines hölzernes Hüttlein war ihre Wohnung, wo sie ihre Suppe kochten und nachts je einer von ihnen der Ruhe genoß, während der andere draußen bei dem brennenden Meiler die Wache hielt, um fleißig zu schüren und acht zu haben, dass der Haufe nicht in Flammen gerate, weil alsdann das Holz, statt langsam zu verkohlen, in Asche verwandelt würde.

Das war denn für den jungen Gotthard eine Lust, wenn er in stiller Nacht beim glühenden Meiler stand, über ihm das endlose Heer der Sterne und alles rund umher, so geheimnisvoll und lautlos, und nur das Wasser rauschte im fernen Waldthale.

In solchen Augenblicken wurde das Herz des Jünglings oft wunderbar bewegt, und Worte und Sprüche kommen ihm in den Sinn, die er von Bruder Martin oder sonst gehört hatte. Fast unbewußt lispelte dann sein Mund die Worte:

“Wenn ich, o Schöpfer Deine Macht,
Die Weisheit Deiner Wege,
Die Liebe, die für alle wacht,
Anbetend überlege:
So weiß ich von Verwundrung voll,
Nicht wie ich Dich erheben soll,
Mein Gott, Mein Herr und Schöpfer.”

Und wenn nach treu durchwachter Nacht der erste Strahl des Lichtes die Dämmerung verscheuchte, so unterließ der junge Köhler nie, sein andächtiges Morgengebet zu sprechen. Während Gotthard also im Walde seine Geschäfte betrieb, half Christine, die ältere Schwester auf andere Art den ihrigen das tägliche Brot verdienen.

An die heimatliche Waldgegend stieß eine große weite Ebene, in welcher viele Bauern hausten, die so viel Korn und Gerste pflanzten, dass sie zur Erntezeit mit den eigenen Leuten nicht ausreichten und fremde Schnitter und Schnitterinnen brauchten, die ihnen das Getreide schneiden und unters Dach bringen helfen mußten. In diese Gegend nun zog auch Christine, wo sie als fleißige Schnitterin Dienste tat, und Klärchen, ihr jüngeres Schwesterlein, begleitete sie, um dort mit Ährenlesen sich zu beschäftigen.

Unter Segnungen und Ermahnungen wurden die beiden Mädchen jedes Mal von der Mutter entlassen, wenn sie von Hause weg in die Ebene, zu den Bauern zogen.

Frühe vor Tag, beim ersten Hahnenschrei, zogen sie alsdann dort hinaus mit dem übrigen Gesinde auf die Kornfelder; und während Christine mit den Anderen rüstig die Sichel handhabte, oder die Frucht in Garben binden half, folgte Klärchen mit ihrem Säcklein hinten nach, die verzettelten, liegengebliebenen Ähren aufzulesen; und wenn nach heißem Vormittag die Schnittersleute rings im Schatten eines Baumes sich gelagert hatten, um ihr Mittagsmahl einzunehmen, wurde jedes Mal das fleißige Kind herbeigerufen und zu Gaste geladen.

Nach vollbrachter Tagesmühe, wenn der Mond und sein Begleiter, der liebliche Abendstern, bereits die laue Sommernacht bestrahlten, zogen sie unter munteren Gesängen heim in die Dörfer und Höfe ihrer Dienstherren, wo die warme Suppe oder das Habermuß für die Heimgekommenen schon auf dem Tische dampfte. Auch hier durfte die Kleine wieder bei den anderen Platz nehmen und nach Belieben zugreifen; aber nie geschah dieses, ohne vorher ein andächtiges Tischgebet gesprochen zu haben. Ebenso auch beim Schlafengehen, wenn beide noch so schläfrig und müde in die finstere Kammer kamen, unterließ die Ältere nie, mit der kleinen Schwester ihr Sprüchlein herzusagen.

Nach der Erntezeit, wenn die Schwalben und Störche sich zum Wegzuge rüsteten, wanderten auch die beiden Schwestern wieder ihrer Heimat zu. Christine mit ihrem wohlverdienten Lohn in der Tasche und Klärchen mit einem Sack voll Lesefrucht, dessen größte Hälfte oft noch vom Bruder auf einem Karren abgeholt werden mußte.

Später, wenn schon kalte Winterstürme über die toten, schneebedeckten Fluren sausten und Alle Arbeit in Feld und Wald einstellten, besuchten die Kinder fast täglich den Bruder Martin. Als sie nach längerer Zeit wieder einmal dahin kamen, um zum Ersten Mal den Bären erblickten, wie dieser behaglich ausgestreckt vor dem Eingang der Hütte lag, fürchteten sich die Kleinen und wollten wieder umkehren. Wolfgang, der Jüngste unter den Geschwistern, schrie und lärmte aus Leibeskräften, so dass Bruder Martin schleunigst herbeikam, um zu sehen, was vorgefallen sei. – Er ging den Kindern entgegen und führte sie in die Zelle, wo sie bald mit Bläß so vertraut wurden, dass sie mit ihm, wie mit einem Pudel, spielen und allerlei Possen treiben durften.

Die Klause des Waldbruders war überhaupt der Lieblingsaufenthalt der Kinder. Es war auch gar kurzweilig bei dem guten Altvater. Nicht nur die Kinder fühlten sich heimisch bei ihm, auch die scheuen Tiere des Waldes fanden sich angelockt, in seiner Nähe zu kommen. – Es schien, als verbreite der stille Gottesfriede in der Umgebung des heiligen Mannes seine gewinnbringende Macht auch auf die wilden Bewohner der Wildnis.

Gar lustig war es anzusehen, wenn morgens früh die Vögelein dicht geschaart in den Zweigen der Eiche über der Felsenzelle saßen, und wie dann beim Heraustreten des Waldbruders alle zumal mit großem Geschrei um ihn herum flatterten und das Frühstück forderten, welches er ihnen gewöhnlich zu bringen pflegte. – Im Winter, wenn Bäche und Bächlein zugefroren, kamen in kalten, mondhellen Nächten oft ganze Rudel Hochwild, Hirsche und Rehe aus den Wäldern um an dem Brünnlein vor der Hütte ihren Durst zu löschen, oder das Wischlein Heu wegzuschmausen, welches der Bruder für sie hingeworfen hatte.

Manchen Tieren behagte es so sehr in Martins Klause, dass sie für immer daselbst ihre Wohnung aufschlugen. Oben im Dache zum Beispiel hatte sich ein paar wilde Tauben eingenistet. Im Inneren leistete ein zahmes Eichhörnchen dem heiligen Bruder beständig Gesellschaft und belustigte ihn durch seine Sprünge. Und wenn er ausging, so setzte sich das mutwillige Tierlein in die Kapuze seines härenen Gewandes und machte keck den Spaziergang mit.

Nebst solcher Kurzweil fanden die Kinder auch sonst noch allerlei nützlichen Unterricht bei ihrem Freunde. Nicht nur im Lesen und Schreiben unterwies er sie. Auch im Strohflechten und anderen Handarbeiten machte er ihr Lehrer. – Das Liebste jedoch war den Kleinen, wenn er ihnen erzählte: von Kain und Abel, vom ägyptischen Joseph, vom Hirtenknabe David, von Daniel in der Löwengrube und anderen biblischen Geschichten.

Die größte Freude verursachte ihnen aber die Art und Weise, wie der freundliche Altvater sie am heiligen Weihnachtsfeste überraschte.

Es war dies ein sogenanntes Kripplein, oder eine bildliche Weihnachtsvorstellung.

Einige Wochen vor der heiligen Weihnachtszeit hatte Martin seine Freunde in dem Kloster besucht und dort einen alten Mönch kennengelernt, welcher in der Bildhauer und Malerkunst wohl erfahren war. Dieser Meister hatte unserem Bruder als Beweis seiner besonderen Zuneigung verschiedene schöne, hübsch bemalte Figürchen, die heilige Familie und mehr anderes vorstellend, zum Geschenke gemacht. Bruder Martin hatte sich vorgenommen, dieselben zur Freude und anmutigen Belehrung der Kinder in passenden Gruppen in seiner Zelle aufzustellen. – Kaum konnten die Kinder die Zeit erwarten, wo die Herrlichkeiten alle enthüllt und ihnen gezeigt werden sollten. – Klärchen und Wolfgang zählten Tage und Stunden bis zum heiligen Tag, – denn bis dahin hatte der gute Martin sie zu vertrösten gesucht.

Mit Hilfe des Kohlbrenners Christof hatte Martin eine nischenförmige Vertiefung in die Wand seiner Zelle gemeißelt und aus Moos und Rinde eine artige Landschaft hineingebaut. Ein malerisches Gebirge mit einer Hütte, im Hintergrund eine Stadt mit vielen Türmen. In dieser Berglandschaft, welche das Heilige Land vorstellen sollte, wurden die Figürchen postiert und befestigt. Der heilige Tag nahte heran. Die Kinder konnten vor Freude und Erwartung die ganze Nacht vorher kein Auge zutun, und das kleine Klärchen fragte alle Augenblicke die Mutter, ob denn das Christkind noch nicht komme und warum es so lange nicht morgen sei.

Am Heiligen Abend begaben sich die Kinder, begleitet von ihren Eltern, zu Bruder Martin: was sie jedoch dort Freudiges sahen und hörten, soll im nächsten Kapitel ausführlich dargestellt und erzählt werden.

Deines Heiles mich zu freuen,
Laß mein Herz dein eigen sein;
Heiland, Dir will ich es weihen,
Ewig, ewig sey es Dein!
Komm’ und bringe uns den Frieden,
Den Du Jenen hast beschieden,
Die da guten Willens sind;
Komm zu uns, O göttlich Kind!

Foto: Wikipedia

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