Der heilige Weihnachtsabend und das Krippelein,
und was Bruder Martin dabei den Kindern erzählt.
Ich möchte hier erwähnen, dass ich das alte Buch von 1853 mit der sehr eigenwilligen Schreibweise in Frakturschrift vorgelesen habe, um den gesprochenen Text von einem Programm namens f4transkript in Buchstaben umzuwandeln. Den umgewandelten Text habe ich danach bearbeitet, da viele der Wörter dem Programm nicht bekannt waren. Aus diesen Gründen ist der Text ein Gemisch aus alter und neuer Schreibweise.
Was es in den verschiedenen Kapiteln des Buches gibt, ist diese vorgelesene Tonspur mit dem Transkript und ein paar Bildern vom Hieronymus.
Hier das 4. Kapitel:
Die Kinder waren an der Hand ihrer Eltern erwartungsvoll in die, nur schwach von dem Feuer des Öfleins erhellte Zelle, eingetreten. Im Hintergrund bemerkte man den geschäftigen Bruder Martin, halb verhüllt von einem Vorhang von Binsengeflechte. – Nach einer Weile kam er hervor, seine Gäste zu begrüßen und ihnen Plätze anzuweisen, wo sie Alles gut sehen konnten.
Der Alte schritt wieder gegen die Wand, – die Kinder verhielten den Atem, – man hätte ein Mäuslein in dem engen Raume laufen hören. – Jetzt sank die Verhüllung, und: – o, wie schön! Tönte es wie aus einem Munde. – Die Kleinen klatschten vor Freude in die Händchen, während die Größeren sich schweigsam dem Eindrucke der lieblichen Erscheinung hingaben.
So etwas Herrliches hatten die guten Schwarzwälder-Kinder ihrer Tage des Lebens noch nicht gesehen.
In Mitten der Landschaft, welche die ganze Wandvertiefung ausfüllte, erblickte man zwischen Felsen und Bäumen einen Stall, in welchem Maria und Josef zu sehen waren, nebst den Hirten, welche betend das zarte, in der Krippe liegende, süß schlummernde Christkindlein umstanden.
Über der heiligen Familie schwebte ein strahlender Stern sowie liebliche Engelsgestalten, welche ein Band in den Händen hielten, worauf in goldener Schrift die Worte standen: „Gloria in excelsis Deo.“ In den grünen Wiesen um den Stall weideten die Lämmer, und hoch oben auf zackigem Felsgestein sah man die Stadt Bethlehem, vor deren Tore der Wächter soeben Mitternacht rief.
Als der erste Eindruck der Ueberraschung bei den Zuschauern vorüber war, ging das Fragen an, so dass der gute Martin nicht schnell genug auf alles antworten konnte.
Klärchen wollte wissen, warum denn das Christkind allein nur auf Stroh und in gar keinem guten Bettlein liege. Und Wolfgang fragte, wer den Hirten denn schon gesagt habe, dass das Christkindlein heute Nacht auf die Welt gekommen sei und wer in der schönen Stadt auf dem Berge wohne usw..
Ich sehe wohl, sagte Bruder Martin lächelnd, daß ich Euch alles von Anfang bis zu Ende erzählen soll. Und wenn Ihr mir versprecht, hübsch still und aufmerksam zu sein, so will ich es herzlich gerne tun.
O ja! riefen die Kinder, wir bitten darum. Und auch den Ältern war es erwünscht, die lehrreichen Geschichten wieder einmal im Zusammenhange zu hören, was ihnen in dieser Einöde, entfernt von einem geistlichen Lehrer, nicht oft zuteil ward.
Zuerst, begann Bruder Martin, muss ich Euch von dem Vorläufer Christi sagen: – welches von euch Kinder weiß seinen Namen?
Johannes der Täufer, antworteten die Größeren, und die Kleineren wiederholen: ja Johannes.
Richtig! nahm Martin wieder das Wort. – Zur Zeit des Königs Herodes lebte in den Gebirgen Judäas ein Priester mit Namen Zacharias und seine Frau, welche Elisabeth hieß; beide waren fromm und gottesfürchtig wie Wenige im Lande, und hatten keine Kinder und waren schon wohl auf Jahren. Längst hatten sie alle irdischen Hoffnungen aufgegeben; nur Eines wünschten sie noch zu erleben: die Geburt des verheißenen göttlichen Königs.
Den Priester Zacharias hatte wieder einmal das Loos getroffen, im Tempel zu Jerusalem dem Herrn zu dienen, als er im priesterlichen Gewande in das Heiligtum getreten, während das Volk draußen betete, erschien ihm ein Engel Gottes. – Zacharias erschrak, der Engel aber sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias, dein Gebet ist erhört, deine Gemahlin Elisabeth wird dir einen Sohn schenken und den sollst du Johannes heißen. An diesem Kinde wirst du Freude und Wonne erleben, und viele werden dich über seine Geburt freuen, denn er wird ein Liebling des Herrn sein. Wein und starke Getränke wird er nicht trinken, erfüllt vom Heiligen Geiste, wird er viele Israeliten zu Gott ihrem Herrn bekehren, und dem kommenden Erlöser die Wege bahnen.
Zacharias voll Erstaunen konnte kaum glauben, dass ihre Ehe in so hohem Alter noch mit einem Sohne gesegnet werden solle, und sprach zu dem Engel: Was soll mich von der Verheißung überzeugen? Der Engel antwortete: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und bin gesandt, dir die Freudennachricht zu bringen. Und siehe – weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, so wirst du stumm sein bis auf den Tag, an dem die Verheißung wird in Erfüllung gegangen sein.
Während dieses im Tempel geschah, wartete das Volk außerhalb auf Zacharias, und konnte nicht begreifen, warum er so lange im Heiligtum verweile. Als er endlich herauskam, bemerkten sie sogleich, dass ihm etwas Außergewöhnliches begegnet sein müsse. Er gab durch Zeichen zu verstehen, dass er stumm sei, und segnete schweigend die harrende Menge.
Seht, Kinder! sagte Bruder Martin, so war denn das Außerordentliche und Wichtigste, was ich seit der Geschichte der Menschheit zugetragen: die Geburt des lang verheißenen Heilandes, auch auf außerordentlichem Wege angekündigt von einem der erwählten, seligen Geister, welche um den Thron des Höchsten stehen.
Zur selben Zeit, fuhr der Erzähler fort, lebte in dem kleinen Städtlein Nazareth, welche ihr, liebe Kinder, hier auf dem Felsen abgebildet sehet, Maria, eine Jungfrau aus dem Geschlecht des Königs David; Joseph, ein Zimmermann, hatte das Versprechen, sie mit der Zeit einmal zur Ehe zu bekommen. Maria war arm an irdischen Gütern, aber reich an Gottesfurcht und Demut. Ihr liebendes Gemüt sehnte sich, wie viele gute Seelen jener Zeit, voll Gottvertrauen auf die Ankunft des verheißenen göttlichen Erlösers.
Als sie einst in ihrem einsamen Kämmerlein zu Gott betete – da trat auf einmal, umflossen von himmlischer Glorie, der Engel zu ihr und sprach: Gegrüßet seist du Holdseligste, der Herrn ist mit dir, du Gesegnete deines Geschlechtes!
Maria erschrak und dachte: welch ein Gruß ist das? Der Engel aber sprach: Fürchte dich nicht, Maria! denn du hast Gnade gefunden vor Gott, du wirst die Mutter eines Sohnes werden, dem du den Namen Jesus geben sollst. Dieser wird groß sein, und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden, Gott wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakobs ewiglich, sein Reich wird ohne Ende sein.
Maria fragte verwundert: Wie kann das sein, Ich weiß ja von keinem Manne?
Der Engel aber sprach: Der Heilige Geist wird über dich herabkommen, darum wird dein heiliges Kind – Sohn Gottes genannt werden, auch Elisabeth deine Base, wird einen Sohn erhalten, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Maria antwortete in Demut und Vertrauen: Ich bin eine Dienerin des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort! Der Engel aber verschwand.
Kurze Zeit darauf machte Maria eine Reise über das Gebirge, um Elisabeth, ihre Base, zu besuchen. Diese, als sie die heilige Jungfrau erblickte, kam ihr entgegen und begrüßte sie voll des heiligen Geistes: Gesegnete deines Geschlechtes, rief sie, wie kommt es, dass die Mutter meines Herrn mich heimsucht? O selig bist du, dass du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.
Und Maria sprach voll himmlischer Freude:
Hoch preiset meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlockend in Gott, meinem Heilande. Denn er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd. Siehe, von nun an werden mich selig, preisen alle Geschlechter: denn Großes hat an mir gethan, der da mächtig ist, und deß Name heilig ist. Er ist barmherzig denen, die ihn fürchten. Er übet Gewalt mit seinem Arme, zerstreuet, die da hoffärtig sind in ihren Herzend Sinne. Die Mächtigen stößt er vom Throne und erhört die Niedrigen. Die Hungrigen erfüllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich Israels an, seiner Dieners: eingedenk seiner Barmherzigkeit, die er gesprochen hat zu unseren Vätern, zu Abraham und seine Nachkommen auf ewig.
Dieses, meine Kinder, fuhr der Waldbruder fort, nennt man den Lobgesang Maria’s, wie ihn uns der heilige Evangelist genau verzeichnet hat.
Bevor wir nun zur Geburt Christi kommen, muss ich euch noch etwas von Johannes erzählen.
Als die Weissagung des Engels in Erfüllung gegangen war und Gott dem Zacharias und der Elisabeth wirklich einen Sohn geschenkt hatte, berieten die Anverwandten des frommen Ehepaars lange, wie das Kind heißen solle. Zuletzt wurden sie einig, dass es seinen Vatersnamen Zacharias haben müsse. Aber die Mutter sagt: nein, er soll Johannes heißen. Die Anverwandten machten Einsprache in der ganzen Freundschaft, sagten sie, ist ja kein Mensch, der also heißt, und winkten dem Vater, wie er ihn nennen solle. Zacharias aber war noch immer stumm. Er forderte ein Täfelein und schrieb: Johannes ist sein Name. Im nämlichen Augenblicke bekam er zur Verwunderung aller die Sprache wieder und pries mit lauter Stimme den Herrn und weissagte von dem Kinde: dass es ein Prophet des Höchsten heißen und vor dem Herrn hergehen werde, damit er seine Wege bereite.
Und siehe! alles dieses ging genau in Erfüllung. Der Knabe wuchs und ward stark im Geiste, und als er größer geworden war, begab er sich in die Wüste und blieb daselbst bis zur Zeit, wo er öffentlich auftreten sollte, wie es von ihm vorausgesagt war.
Während dieses geschah, begab es sich, dass ein Engel des Herrn dem Joseph im Traume erschien und ihm offenbarte, dass Maria auserwählt sei, Mutter des Sohnes Gottes zu werden, und dass er Maria zu sich nehmen und das Kind Jesus heißen solle.
Ehe jedoch der Messias geboren ward, erschien ein Befehl des Kaisers Augustus, dass alle Untertanen des Römischen Reiches sollen eingeschrieben werden. Jedermann müsse daher in die Stadt gehen, wo sein Geschlecht herstamme, um sich da zu melden.
Maria und Josef waren aus dem Geschlechte Davids, daher machten sie sich gehorsam nach den weltlichen Geboten auf den Weg und zogen nach Bethlehem, der Vaterstadt des Königs David.
Es war Abend, als sie dem Städtlein ankamen. Schon waren viele Fremde da, die sich wollten einschreiben lassen; alle Häuser waren überfüllt. Vergebens suchte Joseph für sich und Maria eine Herberge. Überall wurde er abgewiesen. – Bei den letzten Häusern des Städtleins fand er endlich eine Höhle, welche arme Hirten und ihren Herden zum zeitweisen Aufenthalte diente. In diesem Orte nahmen sie ihre Nachtherberge. – Hier kam nun das Christkindlein zur Welt. – Maria wickelte es in Windeln und legte es, weil sonst nirgends ein besseres Plätzlein war, in die Krippe.
Aber warum hat es denn nicht einmal ein Bettlein? fragte Klärchen. Darum, sagte die Mutter, dass die Menschen schon bei seiner Geburt sehen sollten, Arm und Reich gelten bei ihm gleich, und dass es nicht auf äußerliche Güter und Reichtümer ankomme, sondern auf Tugend und Heiligkeit.
Ganz richtig, fiel der Bruder Martin ein, nun wirst du auch hören, Wolfgang, wie den Hirten die Ankunft des Erlösers kund ward. – Die guten Leute hielten eben die Nachtwache bei ihren Herden, als Engel über ihnen erschienen und verkündigten: dass in dieser Nacht der Heiland geboren worden sei, in Bethlehem der Stadt Davids. Das Zeichen, woran sie dies erkennen würden, solle sein, dass sie ein Kind in Windeln eingewickelt in der Krippe liegend finden würden.
Nach diesem erschien neben dem Engeln die Menge der himmlischen Heerscharen, welche Gott lobten und sangen: – Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden den Menschen, die eines guten Willens sind.
Die Engelschöre verschwanden; die Hirten aber sagten zueinander: Kommt, wir wollen nach Bethlehem gehen und das Wunder sehen, welches uns die Engel verkündet haben. Und sie liefen eilends fort und fanden in ihrer Hütte die heilige Familie, Maria und Joseph, und in der Krippe das Christkindlein.
Ja, rief der kleine Wolfgang, auf die Darstellung an der Wand zeigend – da bringen die Hirten dem Christkindlein ihre Schäflein und Blumen vom Felde, dort auf dem Berge ist die Stadt Bethlehem und dahinten kommt der Mond –
Und die Englein oben singen das Gloria – nicht wahr, Mutter? fragte Klärchen. Ja, erwiderte diese; sehet, die Hirten haben dem heiligen Joseph und der heiligen Jungfrau Maria alles erzählt, was sie von den Engel gehört hatten, und Maria, die glückseligeste aller Mütter, war hocherfreut darüber und behielt alle Worte in ihrem Herzen.
Wie das Christkindlein so schön die Händchen ausstreckt! rief Wolfgang; -damit will es sagen, erklärte die Mutter, dass alle Kinder zu ihm kommen sollen – um so gut und fromm zu werden wie es selbst, und dass es allen Menschen hilfreich die Hand reichen wolle.
Zum Schlusse, sagte Bruder Martin, will ich euch noch ein schönes Weihnachtslied lernen, und sehen, wer es von euch am besten auswendig lernt und morgen, am heiligen Weihnachtsfeste, wenn ihr Alle wieder zu mir kommt, ohne Fehler hersagen kann:
Weihnachts-Liedchen von J.W. Kalliwoda, gespielt von Ursula Albert.
Gotthard hatte sich ein Blatt Papier erbeten, um das Liedlein aufzuschreiben. –
Lange verweilten Alle noch freudig und betend vor dem Kripplein; es war schon beinahe Mitternacht, als die gute Familie dankend und erfüllt von dem anmutigen Eindrücken des heiligen Abends auf den Heimweg sich begab.
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