Bertold Hummel
Vielen Dank für den Beitrag an Prof. Martin Hummel, der dies als Vortrag beim Neujahrsempfang 2025 über seinen Vater Bertold Hummel gehalten hatte.
Prof. Martin Hummel am 5. Januar 2025
Lieber Herr Bürgermeister Haas – liebe Bürgerinnen und Bürger der Stadt Hüfingen!
Es freut mich sehr, heute hier zu sein und ich gratuliere Ihrem Bürgermeister, dass er den Mut hatte, bei seinem ersten Neujahrsempfang als Bürgermeister der Stadt, mich, den Sohn von Bertold Hummel hier
heute ans Pult zu lassen. Denn bei einem Neujahrsempfang ist es eigentlich nicht üblich gleich 100 Jahre zurückzublicken.
Ich denke, das ehrt Sie, Herr Haas, denn Sie scheinen zu wissen, dass Zukunft für eine Stadtgesellschaft ohne das Bewusstsein von Herkunft selten vernünftig ist.
Dass in Hüfingen Geschichte präsent ist, sieht man am Stadtbild, an der langen Tradition der Vereine sowie am klug konzipierten Stadtmuseum, für das sich Ihre Ehrenbürgerin Eva von Lintig, eine Freundin meines Vaters aus Kindertagen, so unvergleichlich engagierte.
Bertold Hummel
1993 mit Eva von Lintig,
mit Max Gilly und seiner Frau Inken Hummel,
1996 mit Anton Knapp
Ihr Vater der Arzt und Orchideenschützer Dr. Erwin Sumser, der wiederum mit meinem Großvater dem Hüfinger Lehrer und Kirchenmusiker Gustav Hummel gut befreundet war, war es, der meinen Vater hier vor hundert Jahren im benachbarten Schellenberghaus am 27. November 1925 ans Licht der Welt hob.
Auf diesen Bildern sehen Sie, dass die Behausung eines Lehrers damals noch nicht ganz so repräsentabel war, wie das prachtvolle Schellenberghaus heute den Eindruck machen könnte. Es musste damals darin sehr beengt zugegangen sein, sagte man.
Die ersten sieben Jahre seiner Kindheit lebte mein Vater unbeschwert hier in der Geborgenheit der Familie, mit seinen Eltern und den drei deutlich älteren Geschwistern. Er wird Benni genannt, der Jüngste. Fotographien zeigen ein geliebtes Kind in kurzen Hosen, festtags im Matrosenanzug.
1927
1927
1930
In Hüfingen nahm er die vielen musikalischen Eindrücke auf, die diese klingende Stadt zu bieten hatte. Sein erster großer musikalischer Eindruck, erzählte er, war eine Aufführung der Oper Freischütz durch den hiesigen Gesangsverein. Das Orgelspiel seines Vaters, Hausmusik, Kirchengesänge und die Fronleichnamsprozessionen, die er hier erlebte, entzündeten seine musikalische Fantasie.
Nach dem Osterfest 1932 wurde er eingeschult und obwohl er bereits im Herbst desselben Jahres mit seiner Familie nach Merzhausen bei Freiburg übersiedelte, wurde er bis zu seinem Lebensende
in regelmäßigen Abständen zu den Hüfinger Klassentreffen eingeladen, die er auch immer wieder gerne besuchte.
Bis 1955 lebte er mit seinen Eltern in Merzhausen und studierte von dort aus – nach Krieg und Gefangenschaft in Frankreich – an der neu gegründeten Freiburger Musikhochschule Violoncello und Komposition.
1959 Kinderchor St. Konrad
Bis 1963 war er Kirchenmusiker in Freiburg St. Konrad und komponierte und musizierte als freier Mitarbeiter des Südwestfunks für zahlreiche Rundfunkproduktionen. Als Komponist machte er sich schnell einen Namen und so wurde bereits 1951 bei den Donaueschinger Musiktagen eine Messe und 1957 im Freiburger Stadttheater eine Kammeroper von ihm uraufgeführt.
Ich möchte Sie nicht mit zu vielen Details ermüden, man kann sie im Netz nachlesen. Deshalb sei hier nur kurz sein weiterer Weg skizziert:
1963 zieht er mit seiner Frau Inken, die er in Freiburg beim Streichquartettspiel kennenlernte, und seinen 4 Söhnen nach Würzburg, 1968 sollen es dann sechs Söhne werden. In Würzburg hatte er sich erfolgreich um eine Kompositionslehrerstelle am Staatskonservatorium beworben. Hier war er von 1979-1987 Präsident der Musikhochschule und prägte das kulturelle Leben der Stadt in dieser Zeit maßgeblich. Er wurde u.a. mit dem Kulturpreis der Stadt Würzburg, dem Kulturpreis der Deutschen Katholiken sowie dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und war ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der schönen Künste.
Bei noch so vielen beruflichen und familiären Verpflichtungen (bis zu seinem Lebensende betreute er immer wieder gerne seine 16 Enkelkinder) komponierte er unbeirrt ein Werk nach dem anderen. Seine Kompositionen wurden und werden in vielen Ländern aufgeführt. Er schrieb für die Berliner Philharmoniker ebenso wie für das Blockflötenensemble der Musikschule.
Er liebte die Menschen und sagte:
Als Komponist fühle ich mich der Gemeinschaft, in der ich lebe, verpflichtet. Mein Bestreben ist es, einen bescheidenen Beitrag zu leisten bei dem Bemühen, die Welt humaner und lebenswerter zu gestalten.
Nun wieder zu Hüfingen. Hier lebte seine Schwester Erika, die mit dem hiesigen Betriebsleiter des Elektrizitätswerkes an der Seemühle Franz Josef Mayer verheiratet war und ihr ganzes Leben in Hüfingen verbrachte.
Regelmäßig, wenn er im Herbst im benachbarten Donaueschingen die Konzerte für Neue Musik mit seinen Studierenden besuchte, übernachtete er bei seiner Schwester und ließ sich den neuesten Gossip aus Hüfingen erzählen.
So war er hier nie ein Unbekannter und als ihn Bürgermeister Max Gilly im Jahr 1984 fragte, ob er nicht für die 900-Jahr-Feier der Stadt Hüfingen eine Festmusik schreiben wolle, sagte er sofort zu. Und weil, wie er damals süffisant bemerkte, im Gegensatz zu den Donaueschingern, die für ihre Musiktage immer das SWF-Orchester Baden-Baden benötigen, die Hüfinger auf eine traditionsreiche Stadtkapelle zurückgreifen konnten, wurde sein Werk Musica urbana der Hüfinger Stadtmusik auf den Leib geschrieben.
Hier ein Foto der Probe mit dem Komponisten.
Sie hören also heute wohl proportioniert dieses Werk in drei Teilen. Im eben gehörten 1. Satz haben sie unschwer den Choral „Lobe den Herren“ dem heutigen festlichen Anlass entsprechend erkennen können. Im 2. Satz dachte er an die flotten Märsche der Stadtmusik und man hört die Melodie, die im Hüfingen seiner Kinderzeit mit dem Text unterlegt wurde:
David wenn de Brot witt, in de Schublad liit en Aschnitt
Im 3. Satz, der mit Volkslied und Ausklang betitelt ist, erklingt das von ihm sehr geliebte und mehrfach bearbeitete alemannische Lied
Han ame ort ä Bluemli gsäh, ä Bluemli rot un wiiss
und dazu gibts den Hüfinger Narrenmarsch:
Hans blieb do, du woascht jo nit wiäs Wetter wird.
Wie Bürgermeister Gilly damals in seiner Dankesrede bemerkte, brauchte Hummel allerdings ein paar Anläufe bis der ganze Marsch zu erkennen war. Ja so ist das halt bei den modernen Komponisten. Zur Vervollständigung sei noch berichtet, dass im Jahr 1996 die Familie Hummel ein Festkonzert in der Stadthalle gestaltete und im Jahr 2000 Filmaufnahmen zum 75. Geburtstag des Komponisten stattfanden.
Zwei Jahre nach Hummels Tod enthüllte Bürgermeister Knapp eine Gedenktafel von Bernhard Wintermantel am Schellenberghaus.
Bernhard Wintermantel,
Inken Hummel und
Anton Knapp
im Jahr 2002 bei der Einweihung der Gedenktafel.
Heute beginnt also hier in Hüfingen der Reigen der Aufführungen seiner Werke im Jubiläumsjahr und wird bereits am nächsten Sonntag in der Hamburger Elbphilharmonie fortgeführt. Veranstaltungen u.a. in Freiburg, Frankfurt und Würzburg werden in diesem Jahr an Bertold Hummel erinnern.
Wir, die Familien Hummel, Himmelseher und Mayer, danken dem Bürgermeister und der Stadt Hüfingen für diesen festlichen Rahmen zum Einläuten des Gedenkjahres.
Werke von Dichtern und Malern können, wenn sie einmal geschaffen sind, von jedem Menschen jederzeit nachgelesen und betrachtet werden. Das Werk eines Komponisten muss von lebendigen, viele Jahre gut
ausgebildeten Musikerinnen und Musikern nachgeschaffen und zum Klingen gebracht werden. Es erlischt im Moment des letzten Tons.
Ganz besonders herzlich möchte ich mich deshalb bei dem jungen Hornisten Serkan Özyildirim, bei Herrn Otmar Mayer und den wunderbaren Musikerinnen und Musikern der Hüfinger Stadtmusik und ihrem exzellenten Dirigenten Herrn Burger bedanken, die sich mit dem Werken meines Vaters so gründlich auseinandergesetzt haben und uns deshalb heute seine Musik so nahe bringen können. Vielen, vielen Dank!
Nun wünsche ich noch einen guten weiteren Verlauf der Veranstaltung und der Stadt Hüfingen ein prächtiges Jahr 2025!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!