Kommentar einer Virologin Teil 2
Im März 2020 haben mich eine Reihe Verschwörungstheorien zu einem Kommentar bewegt. Es war mir klar, dass ich hiermit selbsternannte Virologen, Schwurbler und “Wahrheiterfühler” nicht stoppen kann.
Seit letztem Jahr ist nicht nur das Virus mutiert, sondern auch das Geschwätz drum herum. So wird nicht mehr die Evolution oder gar die Existenz des Virus angezweifelt, sondern wissenschaftliche Methoden wie PCR, Impfstoffe und auch gleich das ganze menschliche Immunsystem.
Also erst mal: Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden von Menschen die nicht den Unterschied zwischen Replikation, Rekombination und Transkription kennen. Lassen Sie sich nicht eine PCR erklären von Leuten, die nie eine solche gemacht haben und nie verstanden haben, was da gemacht wird. Lassen Sie sich nicht die Virologie von Physikern erklären. Selbst die allermeisten Ärzte haben nie im Leben eine PCR gemacht und kennen Viren nur aus der Perspektive von Krankheitssymptomen.
All dies ist sehr komplex, füllt Millionen von wissenschaftlichen Veröffentlichungen und erfordert ein jahrelanges Studium und Forschung um überhaupt im Ansatz zu begreifen was vor sich geht.
Das Prinzip der Impfung anhand der Geschichte
Was eine Impfung ist, lässt sich anhand der Geschichte und am Beispiel der Pocken am einfachsten erklären.
Die Pocken, oder auch Blattern, waren eine gefährliche Viruskrankheit, die über Jahrtausende nicht zu heilen war, wirkungsvolle Vorbeugungsmaßnahmen gab es auch nicht, und an der etwa 30% aller infizierten Menschen starben. Im Jahre 1794 machte sich Edward Jenner ein uraltes Wissen zu Nutze, nach dem einmal von den Pocken genesene Menschen nie mehr an dieser Krankheit litten. Jenner benutzte zum Immunisieren die für den Menschen relativ ungefährlichen und nahe verwandten Kuhpocken.
Was beim Immunisieren passiert, ist im Grunde ein „scharfmachen“ vom körpereigenen Immunsystem. Man zeigt dem Immunsystem den Eindringling und der Organismus bildet Antikörper dagegen. In dem Beispiel hat Jenner dies anhand der relativ ungefährlichen Kuhpocken getan.
Hier zeigt sich auch schon die Problematik der Impfung: Man braucht etwas relativ ungefährliches, das man dem Immunsystem zeigen kann, aber das auch ähnlich genug mit dem gefährlichen Erreger ist, um diesen effektiv zu erkennen und unschädlich zu machen.
Eine Impfung mit dem Kuhpockenerreger ist zwar relativ ungefährlich, aber trotzdem sterben etwa zwei Menschen pro einer Million Geimpfter an den Kuhpocken. Dies erscheint wenig angesichts der Schwere der Erkrankung, aber für diese zwei Menschen und deren Familien ist dies natürlich unerheblich.
So stellt und stellte sich immer wieder die Frage der Gefahr einer Impfung im Kontext zur Gefahr einer Erkrankung. Hinzu kommt: Je höher der Prozentsatz der Geimpften ist, um so geringer ist das Risiko eines Einzelnen an der Krankheit zu erkranken. Aber auch, um so mehr Geimpft, um so größer die Anzahl der Menschen mit Impfschäden.
Zusammenfassend kann man sagen, dass diejenigen, die das Risiko der Impfung auf sich nehmen, nicht nur gegen die Krankheit relativ gut geschützt sind, sondern auch diejenigen schützen, die das Risiko einer Impfung nicht auf sich nehmen wollen oder dazu keine Möglichkeit haben.
Das Impfrisiko und seine Bedeutung
Anhand der Kuhpocken und der Pocken kann man erkennen, dass die Frage des Risikos immer eine statistische Abwägung ist. Solange die Pocken überall verbreitet waren und alle Menschen direkt bedroht haben, war eine Impfung aller Menschen sicher wichtig. Seit die Pocken aber fast ausgerottet worden sind, konnte man in den 1970er Jahren die Impfpflicht aufheben, da das Impfrisiko bei weitem über der Gefahr einer Erkrankung lag.
Es wird zwischen Lebendimfstoffen, Totimpfstoffen (RNA-Impfstoffe) und Adjuvanzien unterschieden. In der Immunologie werden Adjuvanzien eingesetzt, um die Immunantwort auf eine verabreichte Substanz zu steigern. Man braucht also beim Einsatz eines Adjuvans weniger vom Erreger oder sogar nur einzelne Zellwandproteine (Spike Protein vom Coronavirus), um eine Immunantwort zu erreichen.
All diese verschiedenen Möglichkeiten haben ihre ganz spezifischen Risiken und Vorteile. Da man nicht in die Zukunft schauen kann, wie sich Krankheitserreger und deren Pathogenität entwickeln, kann jede einzelne Impfung nur eine Abwägung vom Risiko und Nutzen sein. Hilfreich bei dieser Abwägung ist erst einmal zu wissen, wie gefährlich eine Krankheit ist und ob man überhaupt impfen kann. Wenn man impfen kann, sollte man schauen, in welcher Form geimpft wird. Gegen welchen Erreger wird geimpft?
Des Weiteren sollte man auch beim Impfschutz die Möglichkeiten und Unterschiede von Grundimmunisierung, Auffrischimpfungen, die „Immunologische Lücke“, Impfdurchbrüche und die Antikörper-Titerbestimmung im Blut in betracht ziehen.
Die Grundimmunisierung und der Impfschutz
Wie schon oben erwähnt, sagt man bei einer Impfung dem Immunsystem was es bekämpfen soll. Das Immunsystem produziert daraufhin Antikörper und der Körper macht sich bereit, alles was genauso aussieht zu bekämpfen.
Zum Zeitpunkt der Geburt hat jeder bereits ein voll entwickeltes Immunsystem, aber die Antikörper sind noch von der Mutter. Nach der Geburt werden weitere Antikörper mit der Muttermilch aufgenommen. Diese maternellen Antikörper werden nach und nach abgebaut und diese Restmenge an mütterlichen Antikörpern kann die Impfung stören. Diese kritische Phase wird als „immunologische Lücke“ bezeichnet.
Hier soll noch erwähnt werden, dass neben der „immunologischen Lücke“ auch Stress oder Krankheit den Impferfolg beeinträchtigen können. Deshalb sollte man sich nur impfen lassen, wenn man sich wirklich gesund fühlt.
Impfdurchbruch
Das Robert Koch-Institut (RKI) definiert einen Impfdurchbruch als eine Infektion bei vollständig Geimpften, die auch mit Symptomen einhergeht.
Dies ist nichts neues! Impfdurchbrüche gibt es mit allen Impfstoffen schon immer.
Keine Impfung und kein Medikament ist perfekt und wirkt bei jedem zu 100%. Dies wäre nicht realistisch.
Fragen?
Es gibt eine unüberschaubare Anzahl von Seiten und youtube Filmen die gefühlte Wahrheiten verbreiten und ebenso eine unüberschaubare Menge an Verschwörungstheorien anbieten. Ich nenne all diese Seiten jetzt der Einfachheit halber “Schwurbelseiten”
Wegen dieser Schwurbelseiten habe ich 2013 angefangen zu bloggen. Nicht, um diese Seiten einzeln zu widerlegen, sondern um wissenschaftsbasierte Informationen anzubieten. Klar könnte ich den ganzen Unfug schnell widerlegen, aber mir ist ganz einfach die Zeit dafür zu schade.
Aus diesen Gründen lösche ich hier alle links auf Schwurbelseiten konsequent. Ich bitte alle sich über Wikipedia, das Robert Koch Institut oder andere seriösen Quellen zu informieren!
Aber hier möchte ich doch öffentlich Fragen beantworten!
Da eben wegen diesen vielen Falschinformationen einige Menschen verunsichert sind. Und nicht jeder hat ja gerade Molekularbiologie studiert.
Sie dürfen mir hier in der Kommentarspalte Fragen stellen und ich werde versuchen sie zeitnah und verständlich zu beantworten. Es darf gerne anonym gefragt werden, nur sollten Sie sich an die Regeln halten.
Und: Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten!
Guten Tag,
ich suche verzweifelt nach wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema Viren. Mich interessiert folgendes: Mutieren Vieren um zu überleben und werden deshalb ungefährlich?
Stimmt diese Annahme? Wenn ja, wie kann man diese Erkenntnis auf die nun seit 2 Jahren andauernde Pandemie übertragen?
Wenn diese Annahme nicht korrekt ist, wie kann es weiter gehen? Vor allem in Bezug auf neue Varianten und Impfung die immer neu angepasst werden muss?! (muss sie?)
Fragen über Fragen, ich hoffe sie können mir Antworten!
Liebste Grüße
Anastasia
Wissenschaftliche Arbeiten gibt es sehr viele. Für jeden der viel Vorbildung hat und gut Englisch kann empfehle ich Pubmed https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov.
Für Interessierte Laien ist erst mal das Buch von Professorin Dr. Karin Mölling “Viren. Supermacht des Lebens” ganz gut.
Viren mutieren aus gar keinem Grund, oder aus dem selben Zufall wie auch DNA in unseren Zellen mutiert.
Die Evolution habe ich hier versucht zu erklären: https://hmjaag.de/evolution-und-krebs/
Man kann diese Erkenntnis auf die Pandemie übertragen, dass auch diese Pandemie nichts neues ist, es schon viele gab und viele geben wird. Der einzige Unterschied zu früheren Pandemien ist, dass wir nun Impfstoffe haben und Wissenschaftler, die die Viren analysieren.
Ja, es wird immer neue Varianten und immer wieder neue Impfstoffe geben.
Dies haben wir ja auch bei der Grippe. Es wird jeden Sommer auf das Infektionsgeschehen auf der Südhalbkugel geschaut und danach werden die Grippeimpfstoffe entwickelt. Momentan impfen wir sogar gegen vier verschiedene Typen Grippe. Dies wird im Sommer über die WHO kommuniziert und kommt dann über das RKI zu den Ärzten.
Der Unterschied heute – dank dieser Pandemie – ist, dass wir sehr mächtige RNA Impfstoffe haben. Früher mussten wir über Hühnereier gehen, um Impfstoffe zu produzieren. Deshalb oft die Frage nach Hühnereiweißallergien. Dies war ein ziemlich langwieriger Prozeß. Über RNA-Impfungen geht es schneller und auch zielgerichteter mit deutlich weniger Nebenwirkungen – auch da keine Adjuvanzen benötigt werden.
Diese Impfstoffe wurden zwar schon lange entwickelt und sind auch nicht so neu, aber diese Corona Pandemie hat der Forschung einen großen Schub gebracht.
Von daher wäre ich eher optimistisch, noch nie hatte der Mensch so gute Werkzeuge gegen Viren die Menschen krank machen und auch die Krebsforschung ist einen ganzen Schritt weiter gekommen.
Ich hoffe, das war halbwegs klar? Wenn noch Fragen sind, gerne!