BUND Stellungnahme zum geplanten Standortübungsplatz im Weißwald
14. Oktober 2020 von Katharina Baudis Geschäftsführerin
Stellungnahme vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg
Die Einrichtung eines neuen Standortübungsplatzes können wir nicht nachvollziehen: In den vergangenen Jahren wurden Truppen- und Standortübungsplätze aufgegeben. So wurde lt. vorgelegter Beschreibung des Vorhabens 2014 der StOÜPl Immendingen aufgegeben, bereits 2015 wurde aber der Bedarf durch das Jägerbataillon angemeldet. Eine vorausschauende Bedarfsplanung sieht anders aus.
Wir sollen als Natur- und Umweltschutzverband nun Stellung nehmen zu einer Planung, deren Werdegang bisher völlig undurchsichtig war. Bisher kennen wir lediglich die Grundzüge der Planung. Es liegen uns weder eine umfassende Alternativenprüfung noch die erforderlichen Gutachten für anfallende Emissionen (Schall, Licht, Geruch), Eingriffe in den Naturhaushalt und den Artenschutz etc. vor. Und trotzdem soll bereits ein Landbeschaffungsverfahren eingeleitet werden. Es wird der Eindruck erweckt, dass der geplante Standort am nächsten und praktischsten und aufgrund der Besitzverhältnisse am einfachsten zu erschließen ist und dass diesem Umstand die Aspekte des Natur- und Umweltschutzes untergeordnet werden sollen. Dies halten wir für eine unzulässige Vorentscheidung und Festlegung auf den geplanten Standort, was wir ablehnen.
Bei der überplanten Fläche handelt es sich um ein in mehrfacher Weise geschütztes Gebiet:
- EU-Vogelschutzgebiet: Das gesamte Planungsgebiet liegt im Vogelschutzgebiet „Baar“. Es gilt das Verschlechterungsverbot. Alle Veränderungen oder Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebietes in seinen für seine Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Zweifellos ist die angestrebte Planung allein durch ihre Größe und die geplante Nutzung als eine solche unzulässige Veränderung und Störung anzusehen. Wir möchten in diesem Zusammenhang insbesondere auf die unregelmäßigen Störungen durch den Schießbetrieb und die Befahrung mit schweren Maschinen hinweisen, die einen Gewöhnungseffekt für die Tierwelt ausschließen. Hinzu kommen noch die geplanten nächtlichen Aktivitäten, die bei Tieren zu Panik und Flucht und letztlich zur Vergrämung führen können.
- Das geplante Übungsgebiet liegt zu großen Teilen im Fördergebiet „Weißwald“ des Naturschutzgroßprojekts Baar. Die Ausweisung dieses Projektgebietes durch das Bundesamt für Naturschutz spiegelt die nationalstaatliche Bedeutung der Baar als Bindeglied zwischen dem Neckar- und der Donau wider. Mit erheblichen Mitteln sollen auch im Weißwald in den nächsten Jahren Entwicklungs- und Pflegemaßnahmen zugunsten des Biotopverbundes und zur Stärkung der Resilienz der Arten gegen den Klimawandel getätigt werden. Diese Ziele sehen wir durch die Planung als massiv gefährdet an. Die gesteckten Entwicklungsziele für den Artenschutz und den Biotopverbund könnten so nicht erreicht werden.
- Der Weißwald ist regional ein wichtiger Trittstein zwischen den südlichen Wäldern der Baar (bsp. NSG Deggenreuschen-Rauschachen) und den Wäldern um Villingen und in Richtung Schwarzwald. Die Waldränder sind z.T. Bestandteil des landesweiten Biotopverbundes und damit ebenfalls geschützt. Die extensiven Wegränder im Weißwald sind wichtige Verbundelemente für den lokalen Artenaustausch (unter anderem Gelber Frauenschuh (Cypripedium calceolus) und Kleiner Eisvogel (Limenitis camilla)) – sie würden unserer Einschätzung nach dem Ausbau des Wegenetzes zum Opfer fallen.
- Von der Planung sind 3 Wasserschutzgebiete betroffen, wovon 2 zu Brigachtal gehören und eines zu Wolterdingen. Für diese gibt es geltende Rechtsverordnungen, die unter anderem die Errichtung baulicher Anlagen, den Wegebau und jegliche Handlungen, die das Eindringen von wassergefährdenden Stoffen in Grund- und Oberflächengewässer ermöglichen, untersagen. Die Planung verstößt gegen alle diese geltenden Rechtsverordnungen und gefährdet das Grundwasser. Angesichts der klimawandelbedingten zunehmenden Trockenheit in unserer Region mit sinkenden Grundwasserständen und zurückgehenden Quellschüttungen wird Brigachtal auf diese Quellen nicht verzichten können. Die wenigen Details, die uns aus der Planung bekannt sind, lassen aber auf eben solche untersagte Handlungen schließen.
- Aufgrund seiner vielfältigen Strukturen ist der Weißwald/Ochsenberg Lebensraum einer Reihe seltener Arten. Exemplarisch sei hier der Kreuzenzian-Ameisenbläuling (RL Baden-Württemberg: 2 stark gefährdet), Esparsetten-Widderchen (RL BaWü 3), Trauermantel (RL BaWü 3) und der Himmelblaue Bläuling (RL BaWü 3) aus der Gruppe der Schmetterlinge genannt. Wertgebende Arten sind außerdem bei den Fledermäusen, Ameisen, Reptilien, Amphibien, Kleinsäuger, aber auch der Flora gegeben. Den Fortbestand dieser Arten im Gebiet stellen wir unter den bekannten Voraussetzungen in Frage. Dies wäre ein Verstoß gegen geltendes Naturschutz- und Artenschutzrecht.
- Laut der Planungen würden bisher wenig vorbelastete Waldböden plötzlich sehr häufig und mit schweren Fahrzeugen befahren, möglicherweise auch außerhalb der Wege. Dies wird zu Bodenverdichtungen und Erosionsprozessen führen. Hinzu kommen noch unabschätzbare Bodenbelastungen durch Schadstoffeinträge (z.B. ÖL- und Schmierstoffe, Treibstoffe, Schießpulver, Reinigungsmittel etc.) und Mülleinträge (z.B. durch Munitionsreste, Verpackungen etc.), die den Zustand der Böden unzulässig verschlechtern und auch die Grund- und Oberflächengewässer belasten können.
Die oben genannten Punkte unterstreichen die hohe Schutzwürdigkeit und verdeutlichen die Empfindlichkeit der geplanten StÜPl-Fläche gegenüber Störungen. Wir fordern daher eine transparente Alternativenprüfung, auch aller denkbaren Konversionsflächen.
Durch die geplante Nutzung wird es Lärm-, Abgas- und Lichtemissionen geben, die das Gebiet bisher nicht kannte. Es ist zu erwarten, dass Tier- und Pflanzenwelt unter dem Betrieb leiden werden. Negative Effekte auf die Schutzgüter Boden, Wasser und Luft sind zu erwarten. Flora und Fauna müssen durch die Beanspruchung der Natur mit großen Nachteilen bis hin zu Vertreibung und Ausrottung rechnen. Aus unserer Perspektive muss der zukünftige Standort derjenige mit den geringsten Auswirkungen auf Natur- und Umwelt sein.
Sollte der vorgelegte Standort weiterverfolgt werden, können wir eine fundierte Stellungnahme erst nach Vorlage aller erforderlichen Gutachten abgeben. Wir fordern die obengenannten Punkte bei der Erstellung der Gutachten umfassend zu prüfen.
Wir bitten um weitere Beteiligung am Verfahren.