Stellungnahme zum Bebauungsplan Hondinger Straße

Stellungnahme zum Bebauungsplan Hondinger Straße

23. Juni 2020 1 Von hieronymus

23. Juni 2020 von Dietrich Weller (NABU)

Diese Stellungnahme erfolgt im Namen des NABU (Naturschutzbund Deutschland) Landesverband Baden-Württemberg e.V.

Nähert man sich dem Städtchen Fürstenberg von Nordosten her, so liegt es hinter dem Berg, dem Fürstenberg. Schon früh wussten die Menschen die günstige Lage des Fürstenberg zu schätzen. Seine kompakte Bauweise ist geprägt durch seine Geschichte. Schließlich ging der Name über auf ein heimisches Adelsgeschlecht und eine weltweit bekannte Biermarke.

Wenn auch klein, so hat Fürstenberg auch heute noch eine nicht zu verachtende Attraktivität: Eingebettet in Streuobstwiesen am Rande des Waldes der Länge bietet sich ein herrlicher Blick nach Norden auf die weite Landschaft der Baar, den Schwarzwald, den Wartenberg und den Unterhölzer, sowie die Baaralb.

Bei genauem Hinsehen fallen einem allerdings die Bausünden der vergangenen 50 Jahre auf: Die Stadt Hüfingen ist nicht mehr als charakteristische Stadt erkennbar, sondern geht in einem Ringbrei aus Gewerbegebäuden und „modernen“ Wohnhäusern unter.

Hier lebten die Planer auch offensichtlich hinter dem Berg und ihren Traum einer schönen neuen Welt. Dass dieser Einheitsbrei dem Menschen nicht bekommt, er sich nach einer abwechslungsreichen Landschaft sehnt, sah man hinter dem Berg nicht.

Geht es nach den Aussagen in den Bebauungsplanunterlagen, soll nun also auch Fürstenberg in den Genuss dieser modernen Welt kommen dürfen. Die Planer lassen sich von der Ästhetik einer Landschaft schon lange nicht mehr aufhalten. Dies, obwohl dieses Rechtsgut sich in § 1 des Naturschutzgesetzes geradezu für eine eingehende Betrachtung aufdrängt, hängt daran doch auch noch die ebenfalls dort genannte Erholung.

Der Eingriff in die Landschaft wird mit einem grünen Mäntelchen entlang der Straße versehen. Das Baugebiet ist aber aufgrund seiner Lage weithin sichtbar. Eine abwägende Betrachtung der Wirkung der zugelassenen baulichen Möglichkeiten hinsichtlich des Landschaftsbildes sucht man vergeblich, geschweige denn, das daraus Konsequenzen für den künftigen Hausbau gezogen werden. So kann man eine schöne Landschaft auch verhunzen!

Natürlich wird das Beseitigen von alten Streuobstbeständen für das Landschaftsbild ebenfalls nicht thematisiert. Dementsprechend wird auch kein vollwertiger Ausgleich gefordert. Der würde ja mindestens 30 Jahre Vorlauf erfordern und die Verfügbarkeit von Anpflanzungsflächen! Heute leiden immer mehr Menschen an Lebensmittelallergien und vertragen die Äpfel aus dem Discounter nicht mehr. Viele alte Apfelsorten besitzen deutlich weniger allergieerzeugende Stoffe und werden besser vertragen. Das Motto „ein Apfel am Tag …“ trifft hier noch am ehesten zu. Man sieht auch die Chancen der Vermarktung nicht mehr, ist es doch unbequem hoch in Bäume zu klettern, ja ab einem gewissen Alter nur noch schwer möglich. An dieser Stelle eine kleine Anmerkung zu der den Unterlagen beigefügten Pflanzliste. Statt sich um die raren Sorten und ihren Erhalt zu bemühen, werden hier nur gängige Sorten aufgeführt. Fehlt es an Phantasie und Vorstellungsvermögen, verstellt der Blick auf den Berg der täglichen Planungen den Blick oder möchte man dem Auftraggeber Kosten ersparen? Denn andere Sorten sich meist auch etwas teurer.

Macht § 13b Baugesetzbuch hier alles möglich? Man könnte dies so sehen. Aber es ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn ohne den Beschluss der Orts-, Gemeinderäte, der Verwaltung und des Bürgermeisters für ein Baugebiet käme es gar nicht dazu. Das hier schon kurz nach dem Aufstellungsbeschluss bereits Obstbäume gefällt wurden, kommt aufgrund des artenschutzrechtlichen Gutachtens, welches nur der Gemeinde vorliegt und nicht einmal dem Landratsamt ausgehändigt wurde, sicher nicht von ungefähr. Übernimmt man doch nur das Volksbankmotto: Wir machen den Weg frei!

Überhaupt § 13b Baugesetzbuch. Er wurde befristet eingeführt, um die Wohnungsnot zu verringern. Diesem Ziel entspricht der vorliegend Bebauungsplan nicht. Mit Grundstücksgrößen bis 800 m², einer Beschränkung auf zwei Wohneinheiten je Grundstücksfläche erreicht man keine Verringerung der Wohnungsnot. Außerdem verstößt dies gegen das Gebot des sparsamen Umgangs mit dem Boden. Da gibt es noch viel Luft nach oben!

Luft ist ein gutes Stichwort im Zusammenhang mit den Bebauungsplanunterlagen. Wer in Fürstenberg wohnt, möchte eine dieser Umgebung entsprechende Luft genießen, den Geruch von frisch gemähten Obstwiesen oder Heu zum Beispiel. Schließlich machen die Einwirkungen von stickstoffhaltigen Gasen und Feinstaub nicht gesünder, wie man immer wieder aus Stuttgart vernimmt. Dass es auch auf dem Land hin und wieder anders riecht und im Dorf vorgegeben ist, nun ja das kann ja muss man akzeptieren. Schließlich muss ein Landwirt irgendwie unsere tägliche Ernährung sicherstellen.

Dementsprechend sieht die GIRL (Geruchsimmissionsrichtlinie) für reine Wohngebiete bis zu 10 % (belästigende) Geruchsimmissionsereignisse zu. Damit kann der Landwirt auch einmal Mist und Gülle ausbringen.

Offensichtlich tut sich der Gutachter des Geruchsimmissionsgutachtens schwer. Die beiden Schweinezuchtbetriebe liegen nun nicht gerade sehr weit weg. Ungünstig. Und dann weht auch noch der Wind in Richtung Fürstenberg. Ob und wie die schon heute durch Düngung bestehende Einwirkung von biologischer Düngung ausgehenden Emissionen berücksichtigt werden, wird nicht explizit dargestellt. Doch schon so ergeben sich für manche Bereiche des künftigen allgemeinen Wohngebietes Überschreitungen des Grenzwertes. Wie formuliert man als Gutachter dies gegenüber seinem Auftraggeber so, dass der meint, weiterhin für die Planung grünes Licht geben zu können? Ein Vergleich mit einem Dorfmischgebiet kann hier doch die prekäre Situation für den Auftraggeber entspannen.

Aber § 13 b Baugesetzbuch ist dann nicht mehr anwendbar! Ein gravierender Verfahrensfehler! Die Ausweisung des Baugebietes rechtswidrig. Aber vielleicht merkt es ja keiner.

Hüfingen galt als fortschrittlich, wenn es um Umwelt- und Artenschutz ging. Das scheint sich unter dem neuen Bürgermeister vollständig geändert zu haben. So vermisst man in den Planunterlagen Vorgaben für die Nutzung von Solarenergie, neue Energiestandards für die Häuser. Kein Nachdenken über eine gemeinsame Wärmeversorgung des Baugebietes mit eigener Stromerzeugung, wie es z.B. Mauenheim oder Sumpfohren vormacht.

Dabei wird allgemein deutlich dargestellt, wie wichtig die Reduzierung des Kohlendioxidausstosses ist. Lasst die Jugendlichen doch protestiere, wir machen weiter wie bisher! Nach uns die Sintflut? Wenn man aber bedenkt, dass Ölheizungen künftig vielleicht gar nicht mehr zugelassen werden, was macht dann der frischgebackene Häuslebauer? So kurz nach dem Bau wird die Mehrheit sicher nicht schon wieder Geld für eine Heizungssanierung ausgeben wollen. Guten Gewissens kann man also nicht zum Erwerb eines Bauplatzes raten.

Auch mit Widersprüchen in den Bebauungsplanunterlagen muss der Bauherr klar kommen. Dachflächen sollen nicht spiegeln, doch welche Solaranlage spiegelt nicht? Weiter hinten in den Unterlagen, werden Solaranlagen dann doch zugelassen. Was für einen Sinn macht dann das Verbot noch?
Ferner sollen Obstbäume mit Höhlen erhalten werden ( ein Teil wurde kurz nach dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan bereits gefällt ) und sind ansonsten durch Nachpflanzen eines gleichwertigen Baumes zu ersetzen. Einen solchen habe ich bisher in keinem Angebot gesehen.

Bei dem Thema Artenschutz, welches aufgrund des Artensterbens von genauso hoher Bedeutung ist wie der Klimaschutz, wird auch kein besonderes Engagement gezeigt. Im Gutachten werden Minimalforderungen aufgestellt. Das Entscheidende ist jedoch: Es wird keine wirkliche Bilanzierung der Eingriffe und eines möglichen Ausgleichs vorgenommen (nach § 13 b Baugesetzbuch zulässig, macht aber nicht wirklich Sinn).

Generell ist das Gutachten zu bemängeln, weil es nur auf gefährdete Arten abstellt, als ob nicht auch die anderen eine wichtige Funktion erfüllen. Richtig ist, dass eine wenig gedüngte und extensiv bewirtschaftete Blühwiese ökologisch bereichernd wäre. Sie könnte dann auch für die Fronleichnamsprozessionen Blüten liefern, für die Hüfingen ja bekannt ist.

Jedem Gutachter ist bewusst, dass alte Obstbäume ökologisch hochwertig sind. Der LEV (Landschaftserhaltungsverband) versucht zur Zeit die alten Streuobstwiesen zu retten. Zumindest so lange, bis neue das Mindestalter erreicht haben, um für Specht und Co wieder als Lebensraum dienen zu können. Das Pflanzen junger Obstbäume liefert somit nur einen Teilausgleich. Stehen diese allerdings entlang einer Straße, die im Winter wegen Glatteis auch mal gesalzen werden muss, werden diese Bäume nicht alt. Obstbäume sind in jungen Jahren, aber auch später, wenig salztolerant.
Und wenn man gleich alte Bäume pflanzt? Einen alten Baum verpflanzt man nicht, lautet ein Sprichwort. So, wie ein älterer Mensch seine Wurzeln in der heimatlichen (Sozial-)Umgebung hat, braucht ein Baum sein gesamtes Wurzelwerk zum Überleben, aber auch um anderen Bäumen helfen zu können. Er lässt sich aber nicht ohne schwerwiegende Verletzungen und vollständig ausgraben und transportieren. Der alte Baum stirbt meist schnell, so wie wir Menschen wenn man uns in hohem Alter in eine neue Umgebung verpflanzt.

Man mag nun wie der Ortsvorsteher der Meinung sein, die alten Bäume sind wertlos und gehören weg. Ich gehe davon aus, dass er nicht auch so von Menschen denkt. Gerade die älteren Menschen mit ihrem reichen Erfahrungsschatz sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft, wir nutzen dies nur wenig. Damit sind sie wertvoll, auch wenn ihre körperliche Leistungsfähigkeit nachgelassen haben mag. So verhält es sich auch bei älteren und alten Obstbäumen: Sie sind eine Bereicherung für die Natur und die Artenvielfalt. Sie tragen damit zum kostenlosen Schutz der Nutzpflanzungen bei. Sie sind keineswegs nutz- und wertlos!

Auch der Vorschlag der Gutachter, mit 4 Nistkästen sei ein Ausgleich für entfallende Nisthöhlen zu schaffen, ist eindeutig vom Sparsamkeitsgedanken des Auftraggebers beflügelt. Gerade die bedrohten Fledermausarten nehmen Nisthöhlen nicht ohne Weiteres an. Man kennt bis heute die Kriterien, nach denen sich eine Fledermaus entscheidet, nicht. Daher sind deutlich mehr Nisthöhlen und-Kästen anzubringen. Auch ein Hinweis auf Artenschutz an Gebäuden wäre wünschenswert.

Zusammenfassend: Der NABU kann nur empfehlen, diesen Bebauungsplan abzulehnen, ggf. die Planunterlagen zu überarbeiten und qualitativ deutlich zu verbessern, weil

  • erhebliche Geruchsbelästigungen zu erwarten sind
  • gegen Gebot des sparsamen Umgangs mit dem Boden nicht eingehalten wird
  • das Baugebiet die Ziele für das Klima und den Artenschutz nicht aufgreift und damit
  • nicht nachhaltig ist
  • ein vollwertiger Ausgleich für die entfallenden Obstbäume nicht gegeben ist
  • eine Beeinträchtigung der benachbarten landwirtschaftlichen Betriebe nicht ausgeschlossen ist.

Was könnte man sonst mit dem Grundstück machen? Sie eignet sich zum Pflanzen junger Obstbäume z.B. als Ausgleich für wegfallende Streuobstbäume bei Baumaßnahmen in Behla. Damit bliebe dann auch ein Fleck für Erholung in der Landschaft erhalten.