Ziemlich beste Freunde
Dann hab ich durch Zufall einen alten Film auf youtube gefunden von einem Kurzvortrag den ich 2016 an der Uni Nürtingen über das Mikrobiom gehalten hatte. Dachte vielleicht interessiert das jemanden, ist immer noch aktuell.
Da ich den youtube link nicht einbetten darf, habe ich hier eine Aufnahme davon eingefügt. Wer auf youtube schauen möchte: https://youtu.be/Z74yU5L9iAc?si=OJcxkKnWeHCNuLe0
Beitrag hierzu vom Februar 2016
Das Mikrobiom und der Vagusnerv
Entgegen der Meinung, dass das Gehirn für den Darm verantwortlich ist, ist es tatsächlich so, dass der Darm weitaus mehr Informationen an das Gehirn sendet. Der alte Glaube, dass die Gesundheit im Magen beginnt scheint sich bei neuesten Forschungen immer mehr zu bewahrheiten.
Darmflora ist die Bezeichnung aller Mikroorganismen im Verdauungstrakt. Im menschlichen Darm sollen etwa 38 Billionen Bakterien leben (6). Dazu kommt noch das Phageom mit wohl 380 Billionen Phagen, das nach neuesten Erkenntnissen auch eine sehr große Rolle spielt (7). Die Oberfläche vom Darm hat etwa 32 m² (8).
Das Mikrobiom und der Vagusnerv
Neueste Forschung hat einen Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung unserer Darmflora und dem Funktionieren des Immunsystens, des Nervensystems und dem endokrinen (hormonelles) Gleichgewicht bestätigt. In einigen Untersuchungen wird diskutiert, ob Bakterien den Vagusnerv, der aus dem Verdauungstrakt in das Gehirns läuft, beeinflussen.
Es wird heute in der wissenschaftlichen Forschung untersucht inwieweit die Darmflora selber das Essverhalten des Menschen manipulieren kann (1). Wie bei jeder komplexen Interaktion, wie der vom menschlichen Nährstoffbedarf und dem Nährstoffbedarf der unterschiedlichen Darmflora, gibt es eine Mischung von gemeinsamen und auch entgegengesetzten Interessen, mit Möglichkeiten zum gegenseitigen Nutzen und auch Manipulation (1).
Dies bedeutet, dass ein breites Spektrum an verschiedenen Darmmikroben viel Energie und Ressourcen an die Bekämpfung der Konkurrenz verbraucht. Dagegen haben große Populationen einiger weniger Mikroben mehr Ressourcen den Wirt, also den Menschen, zu manipulieren. Zusätzlich ist eine große Population an gleichen Mikroben leichter in der Lage zu manipulieren, da sie sich besser Koordinieren können (sogenanntes Quorum Sensing). Aus diesen Gründen wird heute eine geringe Vielfalt in der Darmflora und dem Mikrobiom mit einer ungesunden Ernährung, verschiedenen Krankheiten und auch mit Übergewicht in Zusammenhang gebracht (1).
Warum Sie Ihre Darmflora optimieren sollten
In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass Menschen die viel fermentierte Lebensmittel zu sich nehmen, Nährstoffe besser aufschließen können (2, 9). Die Nebenprodukte der Gärung helfen unserem Körper Fett abzubauen und den Blutdruck zu regulieren (3). Auch beeinflussen sie die Zusammensetzung des Blutes, dienen als Neurotransmitter und regulieren die Funktion des Nervensystems (4). Bei der Fermentation produzieren einige Bakterien natürliche Antibiotika und Verbessern die Vitaminversorgung. Die Probiotika stärken das Immunsystem und unterstützen dabei die allgemeine Gesundheit des Verdauungssystems und des ganzen Körpers (1).
Ebenso führt eine pflanzenbasierte Ernährung zu einer verringerten Neurodegeneration und verringerten Entzündungsreaktionen im Körper. Die Phagozytose, also die Müllabfuhr im Körper, wird aktiviert. Ist die Phagozytose gestört, kommt es zu einer Anreicherung von fehlerhaften Proteinen. Durch die Ernährung und auch durch Fasten kann man die Phagozytose beeinflussen.
(1) Is eating behavior manipulated by the gastrointestinal microbiota? Evolutionary pressures and potential mechanisms. Joe Alcock, Carlo C. Maley, C. Athena Aktipis. Bioessays (2014)
(2) Increased iron bioavailability from lactic-fermented vegetables is likely an effect of promoting the formation of ferric iron (Fe3+). Nathalie Scheers, Lena Rossander-Hulthen, Inga Torsdottir, Ann-Sofie Sandberg. European Journal of Nutrition. (2015)
(3) Blood Pressure-Lowering Peptides from Neo-Fermented Buckwheat Sprouts: A New Approach to Estimating ACE-Inhibitory Activity. Masahiro Koyama, Seiji Hattori, Yoshihiko Amano, Masanori Watanabe, Kozo Nakamura. PLOS ONE (2015)
(4) The gut microbiome and diet in psychiatry: focus on depression. Dash Saraha, Clarke Gerard, Berk Michaela, Jacka Felice. Current Opinion in Psychiatry (2015)
(5) The microbiome and critical illness. Robert P Dickson. The Lancet Respiratory Medicine (2015)
(6) Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body. Ron Sender, Shai Fuchs, Ron Milo. Biorxiv (2016).
(7) Healthy human gut phageome. Pilar Manrique, Benjamin Bolduc, Seth T. Walk, John van der Oost, Willem M. de Vos, Mark J. Young. PNAS (2016).
(8) Surface area of the digestive tract -revisited. Helander & Fändriks. Scandinavian Journal of Gastroenterology (2014).
(9) Role of gut microbiota and nutrients in amyloid formation and pathogenesis of Alzheimer disease. Francesca Pistollato, Sandra Sumalla Cano, I~naki Elio, Manuel Masias Vergara, Francesca Giampieri, Maurizio Battino. Nutr Rev. (2016)
Beitrag hierzu vom Dezember 2016
Phageom und Mikrobiom
Da das Phageom (eng. phageome) ein Großteil unseres Mikrobioms darstellt, es immer mehr Hinweise gibt wie wichtig es für unsere Gesundheit ist, und es leider bis jetzt von den deutschsprachigen Medien vollkommen ignoriert wird, will ich hier das bis jetzt (Dezember 2016) bekannte aus der englischen Fachliteratur zusammentragen.
Phagen
Phagen sind schon sehr lange bekannt und wurden von Frederick Twort im Jahre 1915 und später von Felix d’Herelle 1917 entdeckt. Phagen sind alle Viren die Bakterien zu ihrer Vermehrung benötigen, auf ein Bakterium sollen mengenmäßig etwa 10 Phagen kommen. Damit hat jeder Bakterienstamm seit Jahrmillionen mit seinen eigenen spezifischen Viren zu kämpfen, denn Phagen sind sehr wirtsspezifisch. Natürlich haben Bakterien ein Immunsystem und können sich auch Phagen zu Nutzen machen. So befinden wir uns in einem andauernden Wettlauf der Evolution von Bakterien gegen Phagen und auch von Bakterien und Phagen gegen Bakterien.
Ja, wir befinden uns mittendrin. Unser Körper hat etwa zwischen 10 bis 900 Billionen Zellen, auf eine menschliche Zelle kommt etwa eine Bakterie, das macht dann mehrere Billiarden Phagen pro Mensch (1+2).
Es gibt somit eine unerforschte Unmenge an verschiedenen Phagen, da es ja auch Unmengen an verschiedenen, zum Teil unerforschten Bakterien gibt. Am besten erforscht sind Phagen von Escherichia coli, sogenannte T4-Phagen und Lambda-Phagen (Phage λ). Dies hat damit zu tun, dass E. coli, das sogenannte Haustier von Biologen, sich relativ einfach im Reagenzglas halten lässt und im Normalfall für den Menschen harmlos ist. Phagen sind zwischen 20 – 200 nm gross. Der relativ grosse T4 Phage ist mit 200 nm einer der Grossen. E. coli ist im Vergleich dazu 0.5 μm x 2 μm, also 500 x 2000 nm gross.
Vermehrung der Phagen
Da es sehr viele verschiedene Phagen gibt, gibt es auch genau so viele Strategien der Phagen eine Bakterienzelle zu “entern”. Aber eins ist allen Viren gemeinsam: Sie brauchen eine Zelle, um sich zu vermehren. Bei Phagen unterscheidet man grundsätzlich zwei verschiedene Gruppen, wobei die Übergänge fließend sein können.
- Lytische Phagen: Der Phage vermehrt sich sofort in der Zelle explosionsartig und bringt diese dann zum platzen und freisetzten neuer Viren.
- Lysogene Phagen: Der Phage baut erst mal nur seine DNA in das Bakterium mit ein und tötet diese nicht sofort.
Das Mikrobiom
Als das Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen bezeichnet, die ein Lebewesen besiedeln. Heute wird auch das Virom mit dazu gezählt. Das Mikrobiom beseht also aus Bakterien, Pilzen, Algen, Protozoen und eben dem Virom mit dem Phageom. Ein Teil des Mikrobioms ist die Darmflora.
Das Phageom
Das Virom ist die Gesamtheit aller Viren die ein Lebewesen besiedeln. Teil des Viroms ist das Phageom. Also der Teil der Viren die man auch als Bakteriophagen bezeichnet und die sich ausschließlich in Bakterien vermehren.
Forschung zum Phageom
Im September 2016 ist ein faszinierendes Paper zum Phageom in PNAS erschienen:
Healthy human gut phageome (3)
Die Veröffentlichung dreht sich um das “healthy gut microbiome”, also eine gesunde Darmflora. Teil dieser “gesunden Darmflora” ist ein gesundes Phageom. Dieses gesunde Phageom hilft und unterstützt eine gesunde Darmflora. Das gesunde Phageom besteht aus etwa 35-2800 verschiedenen Arten an Phagen (5), von denen die meisten absolut unbekannt sind und keine Ähnlichkeit zu bekannten Phagen haben.
In der Studie zum “gesunden Phageom” wurden 44 Gruppen von Bakteriophagen untersucht, die bei gesunden Probanden gefunden wurden. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa (chronisch-entzündlichen Darmerkrankung) ein verändertes Phageom haben. Es wird eine direkte Beziehung zwischen einem gesunden Mikrobiom und einem gesunden Phageom gezogen.
Dieser Abschnitt kann die nächsten Jahre (hoffentlich) mit interessanten Forschungen erweitert werden.
Spekulationen zum Phageom
Das Phageom wird allem Anschein nach in den ersten Lebenswochen vererbt und scheint essentiell für das weitere Leben zu sein. Es ergeben sich Hinweise darauf, dass unser Körper Phagen zur virologischen Abwehr von bakteriellen Erkrankungen einsetzen kann. Auch scheint das Phageom ausgesprochen wichtig beim horizontalen Gentransfer. So werden nicht nur Antibiotikaresistenzen auf Bakterien verteilt, auch können Phagen für den Menschen nützliche Gene konservieren; z.B. Gene “guter” Bakterien, nach einem Einsatz von Antibiotika.
Mit den Möglichkeiten der Tiefen-Sequenzierung (Sequenzierung im Hochdurchsatzverfahren) wäre es heute möglich, einen tieferen Einblick in das Phageom zu bekommen. Leider sind die Prioritäten in der deutschen Wissenschaft heute deutlich wo anders gesetzt.
Weiterführende Veröffentlichungen über Phagen jenseits der Englischen Fachliteratur habe ich hier zusammengetragen http://hmjaag.de/phagenlinks/
(1) The phage-host arms race: Shaping the evolution of microbes. Adi Stern, Rotem Sorek. BioEssays (2011).
(2) Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body. Ron Sender, Shai Fuchs, Ron Milo. Biorxiv (2016).
(3) Healthy human gut phageome, Manrique et al., PNAS (2016)
(4) Gut microbiota modulate host immune cells in cancer development. Erdmann and Poutahidis, Free Radical Biology and Medicine (2016).
(5) The human gut virome: Inter-individual variation and dynamic response to diet. Minot et al. Genome Research (2011).