Stellungnahme des LNV zum Bebauungsplan Ziegeleschle II

Stellungnahme des LNV zum Bebauungsplan Ziegeleschle II

23. Februar 2022 0 Von hieronymus

Diese Stellungnahme zum Bebauungsplan Ziegeleschle II erfolgt im Auftrag des NABU Landesverbandes von Baden-Württemberg, des BUND Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg und des Landesnaturschutzverbandes von Baden-Württemberg.

Die frühzeitige Anhörung der Öffentlichkeit hat weitere Anregungen – insbesondere des Umweltbüros im Städtedreieck – und Erkenntnisse in das Bebauungsplan-Verfahren „Ziegeleschle II“ eingebracht.
Zu dem nun in der Offenlage vorliegenden Bebauungsplan nehmen die Umweltverbände – ergänzend zu unserem Schreiben vom 8.9.2021 – wie folgt Stellung:

Eine teilweise erhebliche Beeinträchtigung der Schutzgüter Boden, Grundwasser, Fauna und Flora (insbesondere Avifauna, Kleinsäuger, Reptilien, Falter, Mager-Mähwiese, Hecke, Ruderal+Gebüsch-Flächen), allgemeiner Naturhaushalt, Klima und Luft wird festgestellt. Dementsprechend sind Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen erforderlich und im Bebauungsplan aufzunehmen (was teilweise geschehen ist), u.a.:

  • Die Baumpflanzungen (großkronig, auch hochstämmige Obstbäume) und die zugehörige Pflanzliste werden begrüßt und sind so umzusetzen.
  • Begrünungs/Solarpflicht auf Dächern: eine entsprechende Festsetzung dient der Retention, dem Landschaftsbild (Erscheinung von Süden), der Stadtökologie (s. Motto von Hüfingen!) und reduziert den Ausgleichsbedarf (Schonung landwirtschaftlicher Flächen!)
  • insektenfreundliche Gestaltung der Grünflächen: Zumindest für die öffentlichen Grünflächen ist es angesichts des stetigen Rückgangs der Insekten ein Gebot der Stunde, diese naturnah, artenreich zu gestalten: unter den Streuobstbäumen sollte eine artenreiche Blumenwiese (Magerwiese) entwickelt werden, die Retentionsfläche durch Mahd mit Abräumen statt mulchen aufgewertet werden.
  • Maßnahmen gegen Vogelschlag werden ausdrücklich begrüßt.
  • Mehrgeschossiges Bauen ist auch im Bereich des Gewerbe möglich z.B. Büro- und/ oder Lagerräume über Produktion, Parkebenen im EG oder als Dachgeschoss. Angesichts des immer noch zu hohen Flächenverbrauchs und der immer knapper werden geeigneten Flächen sollte dafür jede Möglichkeit, ggf. auch erst bei den späteren Baugenehmigungen, genutzt werden.
  • breitflächige Versickerung von Niederschlagswasser bzw Regenklärbecken, wasserdurchlässige Beläge: die getroffenen Festsetzungen sind unbedingt umzusetzten
  • Freihaltung eines Frischluftkorridors: vgl. Umweltbericht Klima
  • Trotz aller Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen im geplanten Baugebiet bleiben erhebliche Beeinträchtigungen, die extern (über ein Ökokonto) ausgeglichen werden sollen. Ein solcher Ausgleich ist natürlich immer kritisch zu betrachten, denn es geht offene Naturfläche durch Überbauung und Versiegelung verloren: das wäre eigentlich nur durch Renaturierung überbauter und versiegelter Flächen an anderer Stelle auszugleichen. Dies ist nicht der Fall. Wir schlagen daher vor, als Trennung zum später geplanten Wohngebiet im Westen bereits jetzt einen ausreichend großen Pufferstreifen als Streuobstwiese mit Blumenwiese zu entwickeln, die die beiden Nutzungen voneinander trennt, eine Kaltluftbahn darstellt und mit der Zeit einen hochwertigen Lebensraum mit hohem Erlebniswert entwickelt. Dieser sollte angeschlossen werden an den bestehenden Streuobstbestand auf Flst. 1408, 411 und 412, Kernfläche des Biotopverbundes nach LUBW.
  • Die Stadtplanung ist weiterhin – auch nach den großen Erweiterungen (LIDL&Co, Gewerbegebiet an der Bräunlinger Straße) der vergangenen Jahrzehnte – auf Expansion ausgerichtet. Die Methode der Bedarfsflächenermittlung, die für den FNP angewendet wurde stammt aus den 80er Jahren, wurde kaum modifiziert und ist umstritten (Leibnitzinstitut f. ökologische Raumplanung IÖR Bd. 58 u. 61). Nachhaltigkeit ist kein Thema. Die Berechnung nach dieser Methode kommt zu viel höheren Flächenzuwächsen als politisch gewollt. Zunehmende Größe ist kein Indikator für das Wohlergehen einer Gemeinde. Die hohe urbane Kunst eines Stadtplaners besteht darin, mit den vorhandenen Flächen, eventuell kleinen Abrundungen auszukommen – mit Nutzung von Brachen, mit Aufstockung, mit Verdichtung, mit Minimierung von Parkplätzen und Verkehrsflächen. Das ist in Hüfingen nicht der Fall (s. z.B. Gewerbebrache Sägewerk).
  • Das Pariser Klima-Abkommen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (allein die Interessen der heutigen Generation sind nicht Maßstab: Wir müssen schon heute alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen, um die Lebensgrundlagen und Freiheitsrechte zukünftiger Generationen zu schützen) ist auch und besonders auf der kommunalen Ebene verpflichtend, d.h. jeder kommunale Verwaltungsakt ist auf Enkeltauglichkeit zu prüfen. Der Flächennutzungsplan aus dem Jahre 2007 ist in Hinsicht auf Einhaltung der Klima- und BVerFG-Anforderungen überprüfungsbedürftig. Fazit: Die Umweltverbände halten als konkrete Folge auf die Herausforderungen von extremen klimatischen Ereignissen, von Corona, Paris-Abkommen, Urteil des BVerFG die folgende Anpassung der Bebauungspläne betreffend Ziegeleschle II und Baugebietsplanung an der Dögginger Straße für notwendig: Das Gewerbegebiet „Ziegeleschle II“ wird nur einreihig entlang der Hausener Straße ausgeführt mit entsprechend geringerem Infrastrukturausbau und geringeren Eingriffen in den Naturhaushalt. Ebenso sollte das geplante Wohngebiet entlang der Dögginger Straße nur unmittelbar an der Straße entlang ausgeführt werden. Die somit eingesparten Finanzmittel können für Öko- und Ausgleichsmaßnahmen verwendet werden.
    Als wirksame Ausgleichsmaßnahme wird das übrige, weiterhin landwirtschaftlich betriebene Gebiet (im Besitz der Stadt!) ökologisch aufgewertet u.a. mit folgenden Maßnahmen:

Vitalisierung und Erweiterung des mageren Mähwiesenbiotops (annähernd 200 qm) durch Extensivierung und Entwicklung der gesamten, artenarmen Fettwiese (37.000 qm).
Ersatz für den Wegfall der Scheune (einschließlich Holzstapel) in Form einer für diesen Zweck (teilweise aus der alten Scheune) erstellten, kleinen historischen Feld-Scheune mit Umfeld als Sekundärbiotop, v.a. für Kleinsäuger (Haselmaus?), Gartenrotschwanz, Wildbienen, Eidechsen, Fledermäuse.

Vitalisierung und landschaftsbereichernde Erweiterung der vorhandenen Hecke
Vitalisierung und Erweiterung der bestehenden Streuobstwiese zu einem Streuobstgürtel, wie es einmal an den Ortsrändern Tradition war (vgl. oben)

Damit wäre ein vollständiger, gebiets- und naturnaher Ausgleich zu schaffen – weniger in bürokratischer, behördlicher Form und in der Feststellung eines bereits degenerierten, naturfernen, nicht ausgleichbedürftigen Zustands, sondern mit kreativer Intelligenz in einer wirklichen, ökologischen Aufwertung, die die Eigenwerbung Hüfingens (Geschichte, Ökologie, Kunst) konkret unterstützt.

Damit wäre das Prinzip des „Weiter so“ durchbrochen und eine zukunftsfähige, nachhaltige Entwicklung eingeleitet.
Wünschenswert wäre, wenn die Vorschläge der Naturschutzverbände nicht nur zur Kenntnis genommen werden, sondern auch Folgen haben könnten im weiteren Verfahren.

Mit freundlichen Grüßen H. Krafft / H. Körner

LNV Arbeitskreis Schwarzwald-Baar, im Auftrag des Landesverbandes Kreisgruppe des NABU Schwarzwald-Baar, im Auftrag des Landesverbandes BUND, Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg