Buchrezension: Über den Schwarzwald. Entdeckungsreise auf dem Westweg.
Buchrezension:
Schweikle, Johannes und Keyerleber, Daniel:
Über den Schwarzwald. Entdeckungsreise auf dem Westweg.
8 grad verlag, Freiburg 2024, 254 S. 35 €
Über den 285 Kilometer langen, bereits im Jahr 1900 vom Schwarzwaldverein mit der roten Raute ausgeschilderten Westweg von Pforzheim nach Basel ist schon viel geschrieben worden. Auch Johannes Schweikle, in Freudenstadt geborener Journalist, Autor und Dozent, hatte 2014 bereits ein Buch über ihn unterm Titel Westwegs (Klöpfer u. Meyer Verl.) verfasst, und unlängst ist mit Wildwestwegs sogar noch ein Film über diesen wohl bekanntesten und bestfrequentierten Fernwanderweg Deutschlands in die Kinos gekommen. Nun haben Johannes Schweikle und Fotograf Daniel Keyerleber mit einem Westwegbuch nachgelegt, das zweifellos neue Maßstäbe setzt: Den Schwarzwald erlebt und beschreibt der Autor auf seiner Wanderung mitreißend amüsant und zugleich nachdenklich, jedenfalls auf ganz und gar unsentimentale Weise und fernab aller üblichen touristischen Klischees. In seinen unterwegs eingeblendeten Exkursen beweist der Freudenstädter ein enormes Hintergrundwissen über Land und Leute wie über die Geschichte, sodass selbst der Schwarzwälder Leser aus dem Staunen und Schmunzeln nicht herauskommt.
Für Daniel Keyerlebers eingestreute Fotos gilt Ähnliches: Auch sie zeigen den Schwarzwald nicht in den gewohnten Bildband- und Kalendermotiven, sondern zumeist recht unprätentiös, wobei er nicht einmal vor wetterbedingter Düsternis oder vor Windkraftanlagen zurückschreckt. Schade nur, dass Bildunterschriften fehlen und dass zur Lokalisierung der Aufnahmen zuhinterst im Bildverzeichnis nachgeschaut werden muss.
Die Windräder blendet auch der Autor nicht gänzlich aus, wenn er etwa das „Blindrad“ hart am Rande des Naturschutzgebiets Blinder See kritisch kommentiert oder den Straubenhardter Windpark eher gelten lässt, um welchen der Westweg ein Stück nach Osten verlegt werden musste, um nicht die Zertifizierung als Premiumwanderweg zu gefährden. Auch massentouristische Exzesse à la Mummel- oder Titisee werden weder geschönt noch ausgelassen. Und dennoch beschreibt er die Wanderung als beglückendes und bereicherndes Erlebnis – ausgenommen die allerletzten schnurgeraden Kilometer bis ins Ziel: „Seit Lörrach fürchte ich das Ende des Wegs. So sieht die Welt aus, in die ich nach dem Ende dieser Wanderung zurückmuss.“
Ob freilich der Schwarzwaldverein sich nächstens nicht noch zu vielen Verlegungen des Westwegs (auf seine neue Gesamtlänge von dann geschätzt 350 Kilometern) genötigt sehen wird, wenn all die von den Regionalverbänden derzeit ausgewiesenen Vorranggebiete mit Windparks zugestellt sein werden? Und ob sich der Autor dann nochmals zu einer Westwegtour aufraffen könnte, erscheint zweifelhaft. „Hier oben“, schreibt er auf S. 165, „bin ich empfindlicher. Ich suche eine Insel im Meer der Funktionalität, brauche Abstand von den kalten Lösungen der Technokraten. Im Wald will ich mich erholen von den Anstrengungen permanenter Veränderungen. Deshalb verträgt der Blindensee kein Windrad.“