„Xerophila brigobannis“ oder die Geschichte der Heideschnecken am Bahnhof in Hüfingen

„Xerophila brigobannis“ oder die Geschichte der Heideschnecken am Bahnhof in Hüfingen

11. September 2024 1 Von Hannah Miriam Jaag

Originalartikel vom 23. April 2020
Ein ähnlicher Artikel wurde von mir in den Schriften der Baar Band 66/2023 veröffentlicht.


Neben und um den Bahnhof in Hüfingen herum waren ganz früher Weiden, später dann wilde Brachflächen mit abertausenden Heideschnecken.
Ein Stück nach dem anderen wurde seit 2010 für Eigenheime zugebaut. Die neuen Eigenheimbesitzer haben sich für Schottergärten oder englischen Rasen entschieden. So wurde alles Leben dort mit einer Plastikplane oder Ähnlichem überzogen, um das störende Bodenleben zu beseitigen. Es gibt leider nur ein winziges Ausweichquartier für wilde Tiere vor einem alten Haus.
Auf diese Fläche sind einige wenige der Schnecken ausgewichen, und ich konnte sie vor ihrem vermutlich endgültigen Verschwinden dokumentieren.

Garten am Bahnhof etwa 1940
Foto: Karl Schweizer

Kurz bevor der Schacht für das letzte Haus ausgehoben wurde habe ich versucht einige dieser Schnecken in meinen Garten zu retten. Ob diese dort überleben werden ist ungewiss, da Schnecken doch sehr spezialisiert sind.

Leider habe ich von den Schnecken nur sehr schlechte Aufnahmen, da ich damals noch keine so gute Kamera hatte und heute nur noch tote Häuser zu finden sind.

Natürlich wollte ich wissen was das für eine Schnecke ist. Deshalb habe ich ihre DNA untersucht. Wen interessiert was ich genau mache, der darf  hier schauen.

Auf jeden falls ist unsere Schnecke zu 90% mit Xerolenta obvia verwandt, das ist eine Heideschnecke. Das heißt aber auch es läßt sich nichts gleiches momentan in der Datenbank finden. Deshalb nenne ich hiermit unsere Weiße Heideschnecke, die wohl jetzt ausgestorben ist: Bahnhofs Heideschnecke oder Xerophila brigobannis

.

Heideschnecken

Die Heideschnecke lebt in Steppen und auf trockenen Grashängen, sie verbringt oft in großer Anzahl den Trockenschlaf in der Vegetation.
Wie auch andere Landschneckenarten ist die Heideschnecke ein wichtiger Zeigerorganismus für die Qualität ihres Lebensraums. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, dass Schnecken immer viel Feuchtigkeit brauchen, legen gerade die Heideschnecken Wert auf Trockenheit und Sonnenschein. Die Heideschnecken leiden daher unter der Zunahme von Busch- und Baumgesellschaften in ihren herkömmlichen Trockenlebensräumen. Im entstehenden kühleren Mikroklima können die Schnecken nicht überleben und sterben aus.

Die Östliche oder Weiße Heideschnecke hieß früher Xerophila obvia. Heute heißt die Weiße Heideschnecke Xerolenta obvia. Die Echte Heideschnecke hieß früher Xerophila ericetorum und heißt jetzt Gemeine Heideschnecke, wissenschaftlich Helicella itala oder Helicella ericetorum. Xerophila ericetorum und Xerophila obvia wurden 1925 von Lais auf dem Randen (Baar) beschrieben.*1

Lais*1 schreibt in den Berichten der Naturforschenden Gesellschaft: „Xerophila bevorzugt grasige Raine und Abhänge und trockene Wiesen auf Kalk- oder Mergelboden. Sie meidet kristallinen Untergrund.” Die hochgradig thermophile Weiße Heideschnecke stammt womöglich ursprünglich aus Südosteuropa und wurde wohl mit der Eisenbahn nach Hüfingen gebracht. *2

Xerolenta obvia steht auf der Roten Liste für Baden-Württemberg als Art auf der Vorwarnliste. Da sie trockene, warme Standorte bevorzugt, ist sie wohl eine Klimagewinnerin, solange man die Standorte nicht versiegelt.

Da die Hüfinger Heideschnecke nur etwa 90% Übereinstimmung mit Xerolenta obvia hatte und inzwischen wohl auch an ihrem letzten viel zu kleinen Standort ausgestorben ist, möchte ich ihr hier einen Nachruf schreiben und sie feierlich “Xerophila brigobannis” nennen.

Zur Erinnerung an Robert Lais, sowie die vergangene Flora und Fauna um den Hüfinger Bahnhof.


*1 Lais, Robert (1925): Dr. Hans Kauff- mann’s hinterlassene Schneckensammlung. Ein Beitrag zur Kenntnis der Schneckenfauna Südbadens und ihrer Beziehungen zum Klima. Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Frei- burg im Breisgau (Band 25), Seite 1–74.
Lais, Robert (1928): Beiträge zur Kennt- nis der badischen Molluskenfauna. Beiträge zur naturwissenschaftlichen Erforschung Badens, Seite 135–145.

*2 Schmid, Günter (2002): In Baden-Württemberg eingeschleppte oder ausgesetzte Mollusken. Jahreshefte der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg
(Band 158), Seite 253–301.