Meine Hoffnung ist eine veränderte Kultur

Meine Hoffnung ist eine veränderte Kultur

29. Dezember 2024 0 Von hieronymus

Vielen Dank an Peter Unfried für die freundliche Genehmigung seinen Artikel aus
der Wochentaz vom 21. Dezember 2024 hier veröffentlichen zu dürfen.


Ich saß in Santa Cruz, Kalifornien, auf einer Bierbank inmitten einer gemeinnützigen Biofarm, und der große amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen sagte mir lächelnd, dass das 2-Grad-Ziel verloren sei. So begann im Sommer 2023 die Stunde, in der ich Hoffnung bekam.

Der Mensch wird das Problem der steigenden Erderwärmung nicht lösen können – das ist Franzens Erkenntnis, nachdem er sich intensiv mit der Lage beschäftigt hat. Und dies nicht nur aus ökonomischen Gründen oder als Folge des „Kapitalismus“, sondern auch aus kognitiven Gründen:
Die Komplexität und Globalität des Problems mit all seinen Auswirkungen auf andere Bereiche und die Überwindung der Gegenwartsfixierung überfordern uns.

Das sehe ich nicht so absolut, aber gebe zu, dass es derzeit nur eine geringe Perspektive für Global Governance, also eine gemeinsame, multilaterale Klimapolitik gibt. Die Interessen sind zu verschieden und das Fressen kommt verständlicherweise vor der Moral.

Wo ist denn nun die Hoffnung, wird man berechtigterweise fragen? Sie gründet sich in einem neuen Ansatz. Ich habe verstanden, dass Franzen ein abstraktes Ziel aufgegeben hat. Aber eben nicht, um zu sagen, jetzt ist eh alles scheißegal, jetzt mache ich erst mal eine Kreuzfahrt. Sondern um handlungsfähig zu werden. Er sagt, wir sollten nicht rumheulen, sondern uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können. Für ihn ist das eine Nahbereichs-Community, die aktiv wird, um „die Vision eines besseren Ortes zu leben“. Das kann eine Stadt sein, ein Stadtteil, eine Straße, eine Hausgemeinschaft, ein Unternehmen, eine Schule, eine Kita, ein Medienhaus – jedenfalls ein Ort, an dem man engagiert und respektvoll streitend daran arbeitet, dass morgen etwas besser ist als heute. So denke ich inzwischen auch.

Jetzt wird sicher gleich jemand rufen, das sei doch „alles viel zu wenig“. Richtig: Um die Erderwärmung und ihre Folgen sowie das Artensterben zu begrenzen und später zu reduzieren, um den Übergang zu einer postfossilen Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen, braucht es Politik. Es braucht Mehrheiten. Aber eben auch eine weiterentwickelte Kultur.

Die fossile Kultur ist aus physikalischen Gründen am Ende, aber die linke Ökokultur mit ihren großen Gesten, ihrer Apokalyptik, ihrer religiös grundierten Sünden- und Schuldrhetorik und dem logischen Unfug, dass „weniger mehr sei“ und „wir keine Zeit“ mehr hätten, eben auch. Sie hat sich als untauglich erwiesen. Wer sich radikal menschenignorant auf der Straße festklebt und rumplärrt wie ein Kleinkind, wird doch nicht ernsthaft erwarten, dass andere seine Probleme lösen. Die ganze Demo- und Anschreifolklore ist komplett untauglich für die Notwendigkeit des Konstruktiven.

Das Dagegensein- und Weltuntergangs-Business haben andere übernommen, illiberale, fossile Antidemokraten. Wer dagegen etwas erreichen will, ist dem Konstruktiven verpflichtet, dem Can-do-Spirit. Er muss seine Hoffnung mit dieser neuen Methode begründen: Handeln statt hadern.

Das beginnt mit dem Balkonkraftwerk und einem Gemeinschaftsgarten, wo früher Parkplätze waren. Und dann kommt eins zum anderen. Hoffentlich.

Peter Unfried