Die Schwestern Perpetua und Consolata alias Karolina und Theresia Schafbuch
Schwester Perpetua, (Karolina genannt Linele), geboren am 31.01.1907 in Hüfingen gestorben am 02.01.1991 in Bonn und Schwester Consolata, (Theresia, genannt Rösle) geboren am 16.10.1901 Hüfingen gestorben im Jahr 1983 in Bonn, waren Ordensschwestern der Benediktinerinnen „Schwestern von der Ewigen Anbetung“, dem Kloster „Maria Hilf“ in Bonn-Endenich.
Sie waren die Schwestern des Ehrenbürgers und Mundartdichters Gottfried Schafbuch und des Musketiers Josef Schafbuch.
Maria Hilf
1927 folgte Karolina Schafbuch ihrer Schwester ins Benediktinerinnenkloster „Schwestern von der Ewigen Anbetung“ nach Bonn-Endenich. Warum ausgerechnet die Benediktinerinnen in Endenich gewählt wurden, bleibt wohl ein Rätsel. Vermuten lässt sich allerdings die Nähe zur Marterkapelle, wo im 3. Jahrhundert die römischen Soldaten der thebäischen Legion Cassius und Florentius gemeinsam mit sieben weiteren Gefährten wegen ihres Bekenntnisses zum christlichen Glauben hingerichtet worden seien.
Die Heilige Verena kam mit Mauritius und der thebäischen Legion aus Theben, siehe: https://hieronymus-online.de/die-heilige-verena/
Aus der selbstgewählten Zurückziehung aus dem weltlichen Leben, so dachten sie zumindest anfänglich, gäbe es keine Wiederkehr. Eine Annahme, die sich jedoch nicht bestätigen sollte. Die beiden Schwestern, Consolata und Perpetua haben stets einmütig und übereinstimmend versichert, daß sie im Kloster ihr Glück gefunden haben, von dem jene, die „draußen“ leben, sich kaum eine Vorstellung machen könnten. Oberste und vornehmste Aufgabe der Schwestern im Kloster war die Anbetung und das sühnende Gebet. Sie arbeiteten in der Hostienbäckerei und der Paramentenstickerei. Das Kloster mußte sich durch die Arbeit der Schwestern selbst unterhalten.*2
Ab der Machtübernahme der Nationalsozialisten sahen sich die Benediktinerinnen mehreren Problemen ausgesetzt. So durften sie am 12. November 1933 nicht wählen, bekamen aber kurz vor Ende der Wahlen von Beamten Wahllisten überbracht, da die NSDAP nicht auf ihre Stimmen nicht verzichten wollte. Im Oktober 1934 wurde der vorgeschriebene Eintopf-Sonntag eingeführt, 1935 wollten die Schwestern ein neues Kloster in Ostpreußen gründen — diese Pläne wurden jedoch von der Regierung abgelehnt. Im Juli 1936 fassten die Nationalsozialisten den Beschluss, den Klostergarten an sich zu reißen und ihn für militärische Zwecke zu nutzen. Nach mehreren Bittprozessionen der Benediktinerinnen kam es zu einer Änderung des Plans: Die geplante Kaserne wurde in Duisdorf gebaut. Ab November 1939 bekam das Kloster von einem NSDAP-Mann weltanschaulich-ideologischen Unterricht. Im selben Jahr kamen Gerüchte auf, dass eine Beschlagnahmung des Klosters bevorstehen würde. Diese Beschlagnahmung fand schließlich am 20. April 1941 statt: Gegen 11 Uhr kamen sechs Gestapo-Leute und befahlen den Benediktinerinnen das Kloster in einer Stunde zu räumen.*5
Die Gebäude wurden zum Sammel- und Zwischenlager für Bonner Jüdinnen und Juden, die von hier aus in die KZ-Vernichtungslager deportiert wurden und die „unter erbärmlichen Zuständen von der Gestapo interniert wurden“. 474 Erwachsene und Jugendliche wurden im Endenicher Kloster zusammengepfercht, mussten in der nahe gelegenen Industrie arbeiten und wurden von dort in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Nur sieben von ihnen überlebten.*3
Auch Endenich
Ist noch vielleicht das Ende nich!
Was in den letzten Monaten gegen die Juden geschehen ist, erweckt begründete Angst, dass man uns einen für uns erträglichen Zustand nicht mehr erleben lassen wird.*4
Diese Zeilen schrieb der Bonner Mathematiker Felix Hausdorff am 25. Januar 1942 an seinen Freund Hans Wollstein. Bei den zitierten Zeilen handelt es sich um einen Auszug aus dem Abschiedsbrief, welcher von Hausdorff verfasst wurde, kurz bevor er sich zusammen mit seiner Frau und ihrer Schwester das Leben nahm. Hausdorff und seine Angehörigen verstarben am 26. Januar, einen Tag nach dem Verfassen des Briefes. Der Grund für den Suizid war die Anordnung der Nationalsozialisten, dass jegliche jüdische Restbevölkerung, die bis dahin noch nicht vertrieben war, in das Endenicher Lager übersiedeln musste. Doch Endenich „ist noch vielleicht das Ende nich“ — und Hausdorff war sich bewusst, dass die Zwangsumsiedlung nach Endenich nichts Gutes bringen würde. In diesem Brief bat er Wollstein, einen jüdischen Bonner Rechtsanwalt darum, sich um die Bestattung von ihm und seiner Familie zu kümmern. Familie Hausdorff wünschte sich, mit Feuer bestattet zu werden — doch diesem Wunsch konnte Wollstein nie nachkommen, da er selbst festgenommen und deportiert wurde. Wollstein wurde in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager ermordet. Endenich war das Ende nich, da von dort aus die letzten jüdischen Menschen in Bonn die Deportation in die Vernichtungslager im Osten antraten. Der letzte Ort vor der Ermordung: Das Kloster Mariahilf der Benediktinerinnen der Ewigen Anbetung in Bonn-Endenich.*5
Die Internierten wurden vom Kloster aus in Konzentrationslager nach Theresienau, Lodz und Minsk deportiert und ermordet.
Ein kleines Mahnmal am Gebäude erinnert vor allem an die Kinder: Es sind kleine Steine mit ihren Namen und Geburtsdaten darauf. Da findet sich zum Beispiel Ruth Daniel, die seit ihrem sechsten Lebensjahr den Fremdenhass der Nazis zu spüren bekam und im Alter von 15 Jahren mit ihrer Familie nach einem Aufenthalt im Kloster Endenich in einem Wald bei Minsk ermordet wurde. Das gleiche Schicksal ereilte Egon Bucki, der nur 14 Jahre alt wurde. Und nicht zuletzt Ruth Herz aus Beuel, deren Briefe und Karten an ihren Onkel aus dem Kloster einen Eindruck von der leidvollen Zeit dort vermitteln, aber auch Hoffnung ausdrücken. Sie wurde 17 Jahre alt.*6
Exil
Ohne vorherige Ankündigung beschlagnahmten am 20. April 1941 sechs Gestapo-Männer das Kloster und verluden die 140 Benediktinerinnen auf Lastwagen, Mittel- und orientierungslos wurden sie auf einer Landstraße nahe der holländischen Grenze abgesetzt. Nach Irrwegen traten nach kurzem Aufenthalt in einem Kloster in Pempen die Schwestern Consolate und Perpetua in alten Zivilkleidern in Hüfingen bei der Familie ihres Bruders Gottfried ein. Umgehend dienstverpflichtet, mußten sie im Schnellverfahren einen Pflegekurs absolvieren und wurden im Beuroner Klosterhof, der damals als Lazarett diente, als Pflegekräfte eingesetzt. Dieser Einsatz, den beide „Hüfinger Schwestern“ gern übernahmen, war für sie nach ihrem bisherigen kontemplativen Leben ohne Kontakte zur Außenwelt und schon gar nicht zum männlichen Geschlecht, eine unwahrscheinliche Umstellung.*1
Maria Hilf
Am Ende des Krieges zog es die Ordensfrauen wieder zurück nach Bonn. Hier standen sie jedoch vor einem großen Trümmerhaufen an dem Platz, wo ihr Kloster gestanden hatte. Der Wiederaufbau zog sich über mehr als 15 Jahre hinweg. Seit den 50er-Jahren verrichteten die Benediktinerinnen Arbeiten wie die Altenpflege und die Hostienbäckerei, um Verdienstmöglichkeiten zu schaffen*3
Nach Änderung der strengen Bestimmungen durch das Zweite Vatikanische Konzil durfte Schwester Perpetua für ein paar Wochen in Hüfingen einen Erholungsurlaub verbringen, wo sie vieles verändert vorfand. Wenn auch körperlich gebrechlich, so verfolgte sie mit wachem Geist und heiteren Wesens alles was in der Heimat geschah. Der Ehrentag des diamantenen Profeß im Jahr 1990 bescherte Schwester Perpetua den Besuch von Angehörigen. Ihr Neffe, Pater Gerold Schafbuch, hat den Festgottesdienst in der Klosterkirche zelebriert.*1
1982 waren es nur noch 36 Schwestern, von denen viele selbst pflegebedürftig waren.*3
Bis 2000 sank die Zahl auf zehn Schwestern, deren Priorin noch im selben Jahr starb. Daraufhin wurde die Schließung des Klosters beschlossen. Der Besitz ging an das Erzbistum Köln über, das ein Jahr später die Einrichtung des Priesterseminars Redemptoris Mater entschied.*3
*1 Zeitungsartikel von Isolde Weidenbach vom 13. Juni 1990
*2 Stammbuch der Stadt Hüfingen
*3 Generalanzeiger 28.08.2019
*4 Abschiedsbrief Felix Hausdorffs: https://de.wikisource.org/wiki/Abschiedsbrief_Felix_Hausdorffs
*5 Bonner Leerstellen von Hera Shokohi: https://bonnerleerstellen.net/kloster-endenich-2/ Stand: 19.07.2024
*6 General-Anzeiger, Kloster in Endenich von Stefan Knopp, 24.10.2013