Antworten von Thomas Bleile

Antworten von Thomas Bleile

1. August 2021 0 Von hieronymus

Vielen Dank an Thomas Bleile für die schnelle und deutliche Beantwortung unserer Fragen!

Verkehr

  • Hüfingen wird durch die Kreuzungspunkte der B 27/31 bzw.  der Landstraßen 171/181 vom Schwerlast- und Transitverkehr geradezu überrollt. Wie stehen Sie zu einem Tempolimit auf Autobahnen? Ihre Meinung zu innerorts generell Tempo 30? Wie stehen Sie zum Ausbau des Schienenverkehrs? Kostenloser ÖPNV? 

Thomas Bleile:
Hüfingen hat tatsächlich einen schweren Stand was den Schwerlast- und Transitverkehr betrifft. Abhilfe schafft hier aus meiner Sicht nur der massive Ausbau des Schienenverkehrs, um die Straßen und somit die Bürger*innen zu entlasten. Ein Tempolimit auf Autobahnen sehe ich positiv. Studien belegen die klimaschonende Wirkung sowie die deutlich geringere Anzahl an schweren Verkehrsunfällen. Außerdem fördert ein Tempolimit gleichmäßigen Verkehrsfluss und damit entspannteres Fahren.

Innerorts generell Tempo 30 lässt sich meiner Ansicht nach nicht einfach mit ja oder nein beantworten. Dafür spricht die höhere Verkehrssicherheit (gerade auch für Radfahrende) und die geringe Lärmbelastung. Dagegen spricht, gerade im ländlichen Raum, dass z.B. Berufspendler mit weiteren Strecken zur Arbeit deutlich längere Fahrzeiten in Kauf nehmen müssten. Das wäre eine Entscheidung, die ich den Kommunen überlassen würde.

Kostenloser ÖPNV bedeutet leider nicht, dass gleich alle vom Auto auf den Bus oder die Bahn umsteigen. Was wir brauchen ist ein attraktiver ÖPNV. Eine qualitative Verbesserung des Fahrplans und der Transportmittel und das über die eigenen Kreisgrenzen hinaus, sowie unterstützt durch ein einfaches und günstiges Preissystem. Für den Aufbau werden Zuschüsse notwendig sein, aber eine völlige Kostenfreiheit sehe ich hier im ländlichen Raum noch nicht.

  • Südbaden und insbesondere Hüfingen liegt im Flugkorridor von gleich zwei Flughäfen: Donaueschingen mit regelmäßigen Rundflügen über die Region und Zürich mit den Linienflügen. Dadurch besteht eine hohe Lärmbelästigung. Wollen Sie hier etwas unternehmen?

Thomas Bleile:
Das Thema Fluglärm ist eine Dauerbaustelle; hier kann man nur immer wieder auf Lösungen und Gespräche mit der Schweiz drängen. Solange man im Gespräch bleibt, ist eine akzeptable Lösung für beide Seiten möglich. Das Thema Fluglärm durch den Flughafen Donaueschingen ist bei mir bisher noch nicht auffällig geworden, ich wurde dazu auf dem Wochenmarkt in Donaueschingen auch noch nicht angesprochen. Das ist jetzt allerdings meine subjektive Wahrnehmung. Wenn sich das anders darstellt, bitte ich um Rückmeldungen.


Wirtschaft

  • Wie stehen Sie zum Lieferkettengesetz? Ist das von der derzeitigen Bundesregierung angepeilte Gesetz Ihrerseits ausreichend? 

Thomas Bleile:
Das Lieferkettengesetz ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, da sind wir aber noch nicht am Ende. Der Bezug zur Betriebsgröße ist deutlich zu hoch (ab 3000 Beschäftigte), und es besteht kein Klagerecht für Verbände (z.B. Gewerkschaften), um Menschenrechts- oder Umweltschutzverstöße vor Gericht zu bringen. Außerdem müssen Unternehmen, welche ihren Sitz nicht in Deutschland haben aber ihre Waren hier verkaufen, ebenfalls verpflichtet werden die Standards einzuhalten.

  • Die Region befindet sich momentan in einem Wettbewerb beim Ausweisen von Bauflächen auf der “grünen Wiese” wobei die Innenstädte mehr und mehr verkommen. Wie stehen Sie zu §13a/b und auch zu dem Landverbrauch auf Kosten der Landwirtschaft und des Naturschutzes?

Thomas Bleile:
Der § 13b des BauGesetzbuches (BauGB) wurde 2017 ins Baugesetzbuch aufgenommen, um kurzfristig Wohnraum für Geflüchtete zu realisieren. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass diese Ziele hiermit nur unzureichend erfüllt wurden. Statt dessen nutzten insbesonders kleinere Kommunen dieses Instrument, um bestehende Baugebiete mit geringer Nutzungsdichte zu erweitern und somit den Flächenverbrauch zu beschleunigen. Das von der schwarz-roten Bundesregierung selbsterklärte Ziel, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 30 ha pro Tag zu halbieren, wurde hierdurch dramatisch unterlaufen.

Grund und Boden ist ein nicht vermehrbares Gut. Daher ist bei seiner Verteilung besondere Sorgfalt erforderlich.

In Deutschland werden derzeit täglich rund 60ha Land durch Bebauung von Wohnhäusern, Gewerbegebieten und Infrastrukturen dauerhaft versiegelt, in der Regel zu Lasten der Landwirtschaft, welche ohnehin dem wachsenden Druck aus Lebensmittelproduktion und Energiegewinnung, z.B. Biogasanlagen und Freiflächen PV, ausgesetzt ist. 

Die derzeit deutlich steigenden Bodenrichtwerte sind ein klares Indiz für die mangelnde Verfügbarkeit von Baugrund, und zugleich ein wesentliches Kriterium für die steigenden Baukosten, welche in der Konsequenz auch die Mieten in die Höhe treiben.

Hier muss dringend gegengesteuert werden. Dem Ansatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ ist hierbei höchste Priorität einzuräumen, um bestehende Brachflächen einer Bebauung zuzuführen, durch Aufstockung  oder Nachverdichtung neuen Wohnraum zu schaffen. Hierbei gilt es auch, die Strukturen der Dorfkerne zu stärken. Wenn ortsbildprägende Ökonomiegebäude abgerissen werden, um statt deren eingeschossige Wohnhäuser zu errichten, droht eine „Banalisierung der Ortsmitten“. Hier müssen Anreize geschaffen werden, um die Baumassen und auch die Nahversorgung zu erhalten.

Die Verlängerung der Rechtskräftigkeit des § 13b zur beschleunigten „Abrundung bestehender Bebauungsstrukturen“ in den Randlagen, zudem ohne Umweltverträglichkeit, konterkariert diese Ziele und beschleunigt den sogenannten „Donuts-Effekt“ Die Ortsmitten veröden, während sich die Einfamilienhausgebiete rund herum immer weiter ausbreiten.

Dabei geht es nicht darum, die Ausweisung von neuen Einfamilienhausgebieten zu verbieten. Das freistehende Eigenheim mit Garten hat nach wie vor einen sehr hohen Beliebtheitswert, besonders bei jungen Familien. In den etablierten Neubaugebieten zeichnet sich jedoch längst ab, dass viele Häuser inzwischen nur noch von einer, maximal zwei Personen bewohnt werden und die Pflege des großen Gartens zunehmend zur Last wird. Alternative Wohnkonzepte unter Wahrung der langjährigen Nachbarschaften sind hier jedoch selten zu finden. Würden hier ergänzende, barrierefreie und seniorengerechte Angebote geschaffen (z.B. Alters-WG´s), könnte eine schnellere Nachnutzung der bestehenden Einzelhäuser erfolgen, die energetische Sanierungsrate würde steigen und der Bedarf nach neuen Baugebiet deutlich sinken.

Des weiteren wird durch die Ausweitung der reinen Wohngebiete mittels neuer Straßen, Kanäle und Versorgungsleitungen auch ein immer größeres Infrastruktursystem mit unzureichender Auslastung geschaffen. Der steigende Unterhaltsaufwand belastet die Kommune zunehmend.

Welche Auswirkungen es mit sich bringen kann, wenn Baugebiete in sensiblen Bereichen ohne ausreichende Umweltverträglichkeitsprüfung realisiert werden, zeigen die jüngsten Bilder aus den von Starkregen besonders schwer betroffenen Gebieten, auf tragische Weise.

Daher gehört meines Erachtens der von Umweltverbänden auch als „Betonparagraph“ betitelte §13b BauGB schnellstmöglich wieder abgeschafft.

  • Wie sehen Sie den sogenannten Subventionsbetrug durch Corona-Kurzarbeit am Beispiel der Daimler-Benz AG?

Thomas Bleile:
Richtig war, dass die Unternehmen schnell und ohne große bürokratische Hürden finanzielle Unterstützung erhalten haben. Dass dies von einigen möglicherweise ausgenutzt wurde und unerlaubt Gelder vereinnahmt wurden, dem muss die Staatsanwaltschaft nachgehen, und das tut sie meines Wissens bereits auch. Der von Ihnen angesprochene, beispielhaft an der Daimler-Benz AG festgemachte „Subventionsbetrug“ durch Kurzarbeit ist meines Erachtens nicht eindeutig. Meiner Kenntnis nach hat Daimler, wie andere Betriebe auch, regulär Kurzarbeitergeld beantragt und auch erhalten, so weit so gut. Moralisch verwerflich und höchst unangemessen ist aber die Tatsache, dass der Konzern zugleich Dividenden an die Aktionär*innen ausschüttet. Das muss in Zukunft unterbunden werden.


  • Coronabedingt musste die öffentliche Hand hunderte Milliarden Schulden machen. Wie sollten diese getilgt werden? 

Thomas Bleile:
Diese Aufgabe ist neben dem Erreichen der Klimaziele die größte Herausforderung für die kommende Bundesregierung. Jetzt aber auf der Bremse zu stehen und auf die „schwarze Null“ zu pochen hilft uns nicht wirklich. Wir müssen jetzt in eine ökologisch nachhaltige Zukunft investieren, um auch weiterhin auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu sein und gleichzeitig für nachfolgende Generationen unseren Planeten lebenswert zu erhalten.

Dazu müssen wir die Mittel gezielt einsetzen und Anreize für ökologisch nachhaltiges Wirtschaften schaffen. Kredite werden weiterhin notwendig sein, um kurzfristige Anschubfinanzierung zu leisten. Gleichzeitig müssen wir aber auch dafür sorgen, dass dort, wo es gut läuft und viel Geld verdient wird, auch entsprechend mehr in die Gesellschaft zurückgegeben wird.

Die Süddeutsche Zeitung hat vor kurzem berechnen lassen, was die Vorschläge der einzelnen Parteien in ihren Wahlprogrammen die Bürger*innen kosten werden. Die Antwort war für viele überraschend: Während Grüne und SPD die unteren und mittleren Einkommen deutlich entlasten, die Grünen sogar stärker als die SPD, und z.B. durch eine Vermögenssteuer ab einem Einkommen von > 2 Millionen ein Prozent mehr bezahlen sollen, wie wir Grüne das vorschlagen, werden bei der CDU und FDP insbesondere die hohen und sehr hohen Einkommen massiv entlastet. Alle Maßnahmen zusammengerechnet ergeben die Pläne der Grünen ein Plus von 18 Mrd und die der SPD von 14 Mrd. EURO in die Staatskasse, während CDU und FDP ein Minus von 33 Mrd. bzw. 88 Mrd. EURO verursachen. Das ist kein zukunftsfähiges, nachhaltiges Wirtschaften für unsere nachfolgenden Generationen, vom Erreichen der Klimaziele mal ganz abgesehen.



Energiewende

  • Wie stehen Sie zum Braunkohleabbau? Halten Sie die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen bzw. den Ausstiegstermin für ausreichend?
  • Unterstützen Sie den schnellen Ausbau der Windenergie auch in unserer Raumschaft?

Thomas Bleile:
Aus meiner Sicht dauert der Braunkohleausstieg zu lange und müsste beschleunigt werden. Gleichzeitig müssen wir den Ausbau regenerativer Energien und vor allem die Speicherung der Energie deutlich voran treiben. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und davor dürfen wir uns auch in unserer Raumschaft nicht drücken. Wichtig ist hierbei, im Vorfeld den Dialog mit den Bürger*innen zu suchen um sich auf gemeinsame Lösungen zu verständigen.