Solarpaneele für den Wald – kein Aprilscherz!

Solarpaneele für den Wald – kein Aprilscherz!

15. Mai 2024 0 Von Wolf Hockenjos

Was für ein Segen, welch kühne Zukunftsvision, die sich da für den Waldwirt auftut! Dass  Abies alba, die Weißtanne, sich durch Schattenerträgnis auszeichnet, zumindest den Halbschatten mag in ihrer Jugend, wohingegen sie auf Freiflächen nicht selten unter Laus, Nadelrostpilz oder Spätfrost zu leiden hat: eben diese Eigenschaften hat sich ein pfiffiger Bauunternehmer aus Rengetsweiler, einem 500-Seelen-Dorf und Teilort der Stadt Meßkirch, zunutze gemacht. Weil er seine Quarzsandgrube zu rekultivieren hatte, war er auf die Idee verfallen, über seiner Tannenkultur mit Solarpaneelen fürs richtige Maß an Schatten zu sorgen. Womit er nun nicht nur eines ferneren Tages Bauholz produzieren wird, sondern ab sofort auch Solarstrom für den Eigenbedarf. 

Und weil man mit solch grünen Eigeninitiativen Positivschlagzeilen erntet, galt es jüngst – nicht anders als bei der Vorstellung von PV-Überdachungen in der  Landwirtschaft, im Obst- oder gar Weinbau – auch die weltweit erste Forst-Fotovoltaik-Anlage (PV-Forst) von Forstminister Peter Hauk (CDU) pressewürdig einweihen zu lassen. Unterstützt, gefördert und begleitet werde das bislang einzigartige Pilotprojekt durch das Landratsamt Sigmaringen, das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie das  Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Und natürlich ist auch die Abteilung Waldwachstum der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) mit eingebunden, verspricht man sich hier doch „Neuland im Waldwachstum“, wie es im jüngsten Newsletter FVA-Einblick heißt, genauer: „wie junge Bäume unter Sonnenkollektoren heranwachsen können“. Bis sie „die Anlagenhöhe von sechs Metern erreichen“, so lange könne dabei Sonnenenergie in Strom umgewandelt werden. Und das kann dauern, wie die Förster aus naturnäheren Bergmischwäldern wissen, wo Tannenunterstand oft siebzig und mehr Jahre unterm Buchenschirm im „Schattenschlaf“ auszuharren vermag, bis er endlich dann doch „wachgeküsst“ wird. Im konkreten Fall: bis man sich in der ehemaligen Quarzsandgrube dazu entschließen wird, die Fotovoltaik-Überdachung wieder abzubauen. Als ob es dabei für Forschende nicht Vielerlei zu messen und zu dokumentieren gäbe!

Nicht nur weil die Errichtung der Paneele schweres, nicht eben bodenfreundliches Gerät erforderlich macht, pflanzte man neben Weißtannen vorsorglich auch noch eine kleinasiatische Tannenart mit an, die „im Klimawandel ein deutlich besseres Anpassungspotenzial“ verspricht. Zugleich wurden technische Besonderheiten ausprobiert, so die Rückbaubarkeit und Umsetzbarkeit der Träger, weshalb sie nicht auf Betonfundamenten befestigt, sondern auf speziellen, wieder entfernbaren Schraubfundamenten errichtet wurden. „Aus Sicht klassischer Forstwirtschaft mag das auf den ersten Blick tatsächlich abenteuerlich vorkommen“, so wird der Leiter der FVA-Fachabteilung Waldwachstum, Prof. Dr. Ulrich Kohnle, zitiert.

Hier fehlen nur noch die Paneele über den Tännchen (Foto FVA-Einblick)

Auch recht viel Waldeslust wird sich da wohl nicht einstellen: Nicht genug damit, dass der Wald neuerdings mit bis zu 250 m hohen Windrädern überstellt und denaturiert wird, wovon es lt. Koalitionsvertrag allein im Staatswald Baden-Württembergs eintausend werden sollen: jetzt also auch noch die Überdachung mit Paneelen. Weil die für die Windenergie im Wald zuständige Taskforce offenbar in Verzug geraten ist, scheint das Land nun desto dankbarer mit der ersten Forst-Fotovoltaik-Anlage (PV Forst) eine ganz neue Geschäftsidee für Waldeigentümer zu propagieren – hervorgegangen aus einem Geniestreich des Rengetsweilerer Bauunternehmers Emil Steidle, dem der Landesverdienstorden gewiss sein dürfte.

Alles nur eine Frage der Beschattung – Stammscheibe einer 70jährigen Tanne