Wo bleibt die Erholung?

Wo bleibt die Erholung?

15. September 2019 1 Von Christine Albert

von Christine Albert am 15.09.2019

„Staatlich anerkannter Erholungsort“ – dieses Prädikat wurde der Stadt Hüfingen im Jahr 2010 verliehen. Doch unter welchen Voraussetzungen kann eine Kommune eine solche Auszeichnung erhalten? 

Erholungsorte sind Gemeinden oder Teile von Gemeinden,

die eine landschaftlich bevorzugte und klimatisch günstige Lage besitzen,

die für die Ferienerholung geeignete Einrichtungen und einen entsprechenden Ortscharakter aufweisen und

bei denen die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste in der Regel mindestens 5 Tage beträgt.

Eine wichtige Voraussetzung, um den Status eines Erholungsorts zu erhalten, ist eine „einwandfreie Luftqualität“. Um diese zu überprüfen, wird eine Beurteilung der Luftqualität durchgeführt. Folgende Einflussfaktoren sind dabei zu bewerten:

a. Belüftung,

b. Verkehrsbelastung,

c. Verkehrslenkung,

d. Heizungsemissionen,

e. Siedlungsdichte,

f. Gewerbliche Nutzung,

g. regionale Immissionsvorbelastung.

Schaut man sich die Begriffsbestimmungen und Qualitätsstandards für Erholungsorte des Deutschen Tourismusverbands und des Deutschen Heilbäderverbands genauer an, stößt man auf folgende Absätze: 

Potenziell schädigende Immissionen in Kurorten und Erholungsorten werden lokal vor allem durch Kraftfahrzeuge, durch Heizanlagen und gewerbliche Emittenten verursacht. Störende und belästigende Sekundäremissionen entstehen durch eine verkehrsbedingte Staubaufwirbelung sowie durch eine verstärkte Winderosion versiegelter Flächen. Ebenfalls haben vielfach großräumige Verfrachtungen einen erheblichen Einfluss auf die örtliche Luftqualität. Letztere sind durch lokale oder regionale Maßnahmen kaum zu beeinflussen. Gleichwohl müssen sie bei der Gesamtbeurteilung der Luftgüte als externe Einflüsse erkannt und mit berücksichtigt werden.

Hüfingen wird von zwei Bundesstraßen, zum einen die B 27, die momentan vierspurig ausgebaut wird, zum anderen die dreispurige B 31, umzingelt. Des Weiteren wird die Gemeinde von zwei stark befahrenen Landstraßen (L 171 und L 181) durchzogen. Die Verkehrsbelastung ist enorm.

Von den mehr als 40 Biogasanlagen im Schwarzwald-Baar-Kreis befinden sich allein über die Hälfte im Städtedreieck Donaueschingen-Hüfingen-Bräunlingen. Vor allem am Wochenende und sogar an Feiertagen werden die Anlagen gefüllt. Der Verkehrsstrom der großen Traktoren mit Anhängern setzt früh morgens ein und endet spät in der Nacht.

Vorrang für Emissions-Vermeidung

Nach den allgemein anerkannten Prinzipien des Umwelt- und Naturschutzes ist in allen Heilbädern und Kurorten, Luftkurorten und Erholungsorten der Vermeidung von Schadstoff-Emissionen Priorität einzuräumen. Dies gilt insbesondere für den Kraftfahrzeugverkehr, der neben dem Hausbrand den höchsten Anteil und die gefährlichste Fraktion der anthropogenen Luftschadstoffe emittiert. Deshalb sind die Heilbäder und Kurorte, Luftkurorte und Erholungsorte gehalten, den Ort durch geeignete mittel- und langfristige Verkehrswegeplanung und Verkehrslenkung vom motorisierten Straßenverkehr zu entlasten.

Die Nachbargemeinde Bräunlingen wickelt ihren gesamten Schwerlastverkehr über Hüfingen ab. Bräunlingen hat 8500 Einwohner bei 2500 Arbeitsplätzen. Eine dort ansässige Verpackungsfirma wickelt ihren Werkspendelverkehr über Hüfingen ab.

Der Schwarzwald-Baar-Kreis leidet außerdem massiv unter der Flugverkehrsbelastung des Flughafens Zürich (Luftsammelraum Rilax). Die Nachbarstadt Donaueschingen trägt durch ihren Verkehrsflugplatz ihr übriges dazu bei.

Lärmschutz

Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Lärmimmissionen auf Grund einer entsprechenden Bauleitplanung und anderer gemeinderechtlicher, wie übergeordneter immissionsschutzrechtlicher Vorschriften (gegebenenfalls auch in analoger Anwendung) zum Wohl der Patienten und Erholungsgäste auf ein verträgliches Mindestmaß beschränkt werden. Dies betrifft vor allem normalen Alltagslärm, Lärm durch Gewerbebetriebe und Baulärm.

Die Gemeinde Hüfingen hat im Rahmen des EU Lärmaktionsplanes keine einzige Maßnahme ergriffen, um für die Anwohner stark befahrener Straßen eine Lärmminderung herbeizuführen.

Umweltschutz

Für Heilbäder, Kurorte, Luftkurorte, Erholungsorte sowie Heilquellen und Heilbrunnen ist in besonderem Maße darauf zu achten, dass die natürlichen geogenen Ressourcen, die Heilmittel des Bodens, des Klimas, des Meeres und des umgebenden Landschaftsraums sowie die infrastrukturelle und bauliche Gestaltung und Entwicklung des Ortes weitestgehend von Einwirkungen freigehalten werden, die ihren gesundheits- und erholungsdienlichen Charakter gefährden, beeinträchtigen oder zerstören können.

Die gesetzlichen Vorschriften über den Umweltschutz sind daher im Sinne von Mindestanforderungen anzuwenden. Für alle Maßnahmen von erheblicher Bedeutung zur Steigerung der Gästekapazitäten, zur Ausweitung der touristischen Attraktivität sowie die Neueinrichtung oder Erweiterung von Sport- und Freizeitangeboten wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung empfohlen. Bei allen Maßnahmen ist der Grundsatz zu verfolgen, dass die Vermeidung von Umweltbelastungen Vorrang haben soll vor dem Schutz vor und der Beseitigung von Schadimmissionen.

Eine hohe Umweltqualität hilft, eine positive touristische Entwicklung zu sichern. Hierzu gehören insbesondere aktive Maßnahmen zur Reduzierung von Lärm und Abfall, Der Verkehrsberuhigung sowie eine Vernetzung der Mobilitätsangebote, Senkung der CO2-Emissionen und eine generelle Ausrichtung auf eine nachhaltige touristische Entwicklung.

Durch die Wasserkraftstromerzeugung am Gewerbekanal, der durch die Breg gespeist wird, kommt es im Sommer immer wieder zu einem regelrechten Fischesterben.

Außerdem befindet sich am Stadtrand ein gigantisches Lidl Logistikzentrum, das in naher Zukunft um 11.000 Quadratmeter erweitert werden soll.

Trinkwasser

Die Gemeinden sowie die Kureinrichtungen müssen mindestens die gesetzlichen allgemein- und seuchenhygienischen sowie umweltrechtlichen Anforderungen erfüllen. Eine einwandfreie Trinkwasserversorgung nach der gültigen Trinkwasserverordnung und Abwasserentsorgung sowie die ordnungsgemäßeAbfallbeseitigung sind Grundvoraussetzungen. Besondere hygienische Anforderungen für Heilbäder, Kurorte, Luftkurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen leiten sich schon aus der gesundheitlichen Aufgabenstellung, den erhöhten ökologischen Anforderungen und den Besonderheiten der Nutzung der natürlichen Heilmittel des Bodens, des Meeres und des Klimas her. Für das Medium Wasser ergeben sich erfahrungsgemäß schon bei der Gewinnung und Nutzung spezielle hygienische Gesichtspunkte, die nach den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften verschärfte Anforderungen an die Beschaffenheit des Wassers, die betriebsinternen und externen Überwachungsmaßnahmen und die behördlichen Kontrollmaßnahmen stellen.

Im August 2017 mussten wir Bürger aus der Presse erfahren (Schwarzwälder Bote vom 04. August 2017: “Nur Hüfingen hat Probleme mit Nitrat”), dass unser Trinkwasser besorgniserregend mit Nitrat belastet sei. In dem Artikel heißt es, dass der beauftragte Umweltberater”dringenden Handlungsbedarf” sähe.

In allen anerkannten Kommunen werden die Grundvoraussetzungen regelmäßig in einem Vor-Ort-Besuch (spätestens alle zehn Jahre) überprüft. Kommendes Jahr also wäre für Hüfingen eine erneute Überprüfung fällig. Wird dann erkannt, wie sich die Lebens- und Wohnqualität in den letzten zehn Jahren schleichend aber stetig verschlechtert hat? Denn wie verträgt sich eine solche Auszeichnung mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort?