“Wir machen weiter wie bisher”!

“Wir machen weiter wie bisher”!

6. Februar 2022 0 Von Ursula Albert

Stellungnahme Von Ursula und Peter Albert am 06. Februar 2022

Die umweltfrevlerischen Vorgänge vom Samstag, den 29. Januar 2022 im Bereich zwischen Ziegeleschle – Loretto haben uns dazu bewogen, unseren zweiten Widerspruch vom 19. Januar dieses Jahres gegen den Bebauungsplan Ziegeleschle II im Hieronymus zu veröffentlichen. Hier der Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 7. September haben wir fristgerecht Widerspruch gegen das von der Stadt Hüfingen geplante Bebauungsplanverfahren eingelegt. Wir haben uns zwischenzeitlich auch beraten und möchten weitere Begründungen hierzu nachreichen.

Das o.g. Gewerbegebiet Ziegeleschle II ist für Hüfinger Verhältnisse viel zu groß und geht signifikant in Richtung Vorratsplanung.

Da uns der Umweltschutz sehr wichtig ist, möchten wir uns zuerst dazu folgendermaßen äußern:

In der allgemeinen gesellschaftlichen Diskussion stehen vor allem Entwicklungen der jüngsten Zeit, wie Klimawandel, Schadstoffe, Flächenverbrauch und beispielsweise menschengemachte Materialien, wie z. B. Beton und Kunststoffe im Fokus.
Das Bauen hat in sich den letzten Jahrzehnten zu einer der materialintensivsten und umweltschädlichsten menschlichen Aktivität entwickelt.
Wir befinden uns derzeit mitten im großen Massenaussterben der Erdgeschichte. Das menschliche Handeln verursacht in der Flora und Fauna Schäden, die an frühere nicht menschengemachte Katastrophen der Erdgeschichte erinnern. Gemeint ist damit auch der Eintrag von Fremd- und Schadstoffen durch den Menschen und damit eine negative Entwicklung auf Boden, Wasser und Luft.
Unsere gravierenden Probleme sind „hausgemacht“.

Der natürliche Kohlenstoffkreislauf ist ganz erheblich gestört. Hier sollte sich Abgabe und Aufnahme von CO2 durch Vegetation, Boden und Meere die Waage halten. Dem ist schon lange nicht mehr so! CO2 ist wie Lachgas und Methan ein Treibhausgas. Es lässt die kurzwellige Sonneneinstrahlung aus dem All passieren, absorbiert jedoch einen Teil der langwelligen Wärmerückstrahlung von der Erde. Der Effekt ist eine Erwärmung der Atmosphäre – und damit der „Klimawandel“!

Übrigens, die Corona-Pandemie, welche uns seit geraumer Zeit in Atem hält, lässt sich nur nachhaltig lösen, wenn der von Menschen verursachte Klimawandel gestoppt wird.

Im September 2020 erreichte die Ausdehnung des Meereises in der Arktis die geringste jemals gemessene Ausdehnung in der Fläche.
Ähnlich sieht es mit den Gletschern aus. Hier gingen zwischen 2000 und 2014 fast ein Fünftel des gesamten Volumens verloren.
Die größten Verluste sind im Schweizer Oberland, sowie in den deutschen Alpen zu verzeichnen. Die fünf deutschen Gletscher haben seit dem19. Jahrhundert 90% ihres Volumens verloren. Auch das Abtauen des arktischen Permafrostbodens mit starkem Methanausstoß sowie Verluste großer CO2 Speicher wie des Amazonas – Waldes stellen wichtige Kippelemente dar.
Allem ist gemein: Sind bestimmte Schwellenwerte überschritten, werden selbstverstärkte Prozesse in Gang gesetzt, denen wir nichts mehr entgegensetzen können.

Seit 1970 sind die Bestände von 4000 untersuchten Wirbeltierarten weltweit um 60% zurückgegangen. Derzeit sind 1 Million von geschätzten 8 Millionen Tier und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Ein Verlust mit unabsehbaren Folgen stellt auch die Situation bei den Insekten dar.
Insekten sind mit über einer Million beschriebener Arten, die artenreichste Tiergruppe. Sie übernehmen im Ökosystem nicht nur die Rolle der Bestäuber, sondern erbringen weitere wichtige „Dienstleistungen“.
Äußerst bestürzend war 2017 das Ergebnis der Krefelder Studie, dass die Biomasse flugfähiger Insekten in Deutschland in 27 Jahren um 76,7% zurückgegangen ist. Der Verlust von intakten Lebensräumen ist der allerwichtigste Grund dafür.
Das Austrocknen, nicht nur des deutschen Waldes rundet das verheerende Bild ab.
„Wir gehen mit der Welt um, als hätten wir noch eine zweite im Kofferraum“ (Jane Fonda).

Was hat das alles mit Hüfingen und dem Ziegeleschle zu tun?
Die Hauptverantwortlichen der Stadtverwaltung, der Bürgermeister und Teile des Stadtrates sind sich ihrer Verantwortung für die Umwelt und die Zukunft unserer Kinder nicht oder nur unzureichend bewusst. Der Wahlspruch lautet: „Wir machen weiter wie bisher“.


In Hüfingen wurden mehrere Niedermoore unwiederbringlich zerstört; zuletzt auf dem riesigen Lidl Areal. Der Landschaftsverbrauch (Flächenfraß) ist in unserer Stadt überdurchschnittlich groß.
Der Straßenverkehr in und um Hüfingen hat längst das Maß des Erträglichen überschritten. Es gibt wohl keine Gemeinde in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, welche eine annähernd große Verkehrsbelastung aufweist.

Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zum Ziegeleschle im Einzelnen:

Ein organischer Lückenschluss, ohne neue teure Infrastruktur wäre einer Baureihe entlang der Hausener Straße – links und rechts neben Elektro Vater – sinnvoll und nicht in einem krebsartigen Auswuchern darüber hinaus. Die Gemeinde sollte bereit sein, sich selbst Grenzen zu ziehen und sich zu beschränken und nicht nach unendlichem Wachstum auf Kosten der Lebensqualität zu streben. Der Bedarf wurde nicht einmal richtig geprüft!
Expansive Stadtplanung ist keine besondere Leistung und auch kein Ausweis urbaner Gestaltung.

Zunehmende Größe und Einwohnerzahl sind keine Indikatoren für das Wohlergehen einer Gemeinde:

Nachhaltigkeit, Resilienz (Widerstandsfähigkeit gegen natürliche und andere Katastrophen) zeichnet sich dadurch aus, dass vorhandene Strukturen, Ressourcen, Umwelt, Wirtschaft, Soziales gepflegt und gestärkt werden im Sinne eines konservativen Wertebewusstseins.
Die vorhandene Rest-Streuobstwiese am Rand des geplanten Gewerbegebietes sollte aus ästhetischen und ökologischen Gründen erweitert werden und den baulichen Rand der Gemeinde bilden.

Alle seriösen, politisch verantwortlichen Instanzen halten eine Reduzierung der Versiegelung für notwendig, insbesondere wegen Klima- und Hochwasserschutz.
Das Pariser Klima-Abkommen – in Verbindung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das allein die Interessen der heutigen Generation als Maßstab für Klimamaßnahmen für unzureichend hält – ist auch und besonders auf der kommunalen Ebene verpflichtend und jeder kommunale Verwaltungsakt ist auf „Enkeltauglichkeit“ zu überprüfen.

Kann die Gemeinde die erhebliche Beeinträchtigung auf die Elemente Boden, Luft, Landschaft, Wasser, Flora, Fauna, Erholung, Mensch angemessen ausgleichen, dadurch dass sie an anderer Stelle nachhaltige, positive Ausgleichsmaßnahmen gestaltet? Diese müssten in Umfang und Qualität entsprechend sein, wenn sie in einem ordnungsgemäßen Planfeststellungsverfahren genehmigungsfähig sein sollen.