Unter Klima- und Landschaftsschändern

Unter Klima- und Landschaftsschändern

23. Februar 2022 1 Von Wolf Hockenjos

Der Freiburger Windkraftpionier und Chef der Firma Regiowind Andreas Markowsky hat sich seinen Frust von der Seele geschrieben. Sein im Verlag Klimaneutral erschienenes, 72 Seiten umfassendes Büchlein trägt, von den Tageszeitungen wohlwollend besprochen, den reichlich krawalligen Titel Klimaschänder. Und als solche werden darin alle geschmäht, die sich seinen unternehmerischen Vorhaben, dem Bau von Windenergieanlagen, entgegenzustellen wagen, sie verzögert, gar verhindert haben, ganz gleich ob Behörden, Verbände oder Privatpersonen. „Irgendeiner ist immer dagegen“, so überschrieb der Schwarzwälder Bote (v. 12. Februar 2022) seine Buchbesprechung, Windkraft werde in Baden-Württemberg auf vielen Ebenen blockiert. „Klimaschänder“: allenfalls Grab- und Kinderschänder, impliziert der Buchtitel, mögen es noch schändlicher treiben – wird doch beim Klima nichts Geringeres behindert als die Rettung des Planeten! 

Eigentlich sei ja doch die Zustimmung für Windräder zunächst mit 70 Prozent in der Bevölkerung recht hoch, schreibt Markowsky. „Wenn es aber dann konkret wird“, so zitiert ihn der Schwarzwälder Bote, „und eine Anlage gebaut werden soll, sinkt die Zustimmung auf 50 Prozent. Das liegt daran, dass Menschen grundsätzlich Angst vor Veränderungen haben.“ Da würden sich einerseits Touristiker dagegen stemmen, weil sie angeblich die Gäste vertreiben. „In Gemeinden wie St. Peter oder Freiamt lacht man über dieses Argument, weil es nicht stimmt.“ Noch schlimmer sei häufig die Verweigerungshaltung der Behörden vor Ort, weshalb es „völlig offen“ sei, ob die Ampel-Regierung ihre Ambitionen beim Windkraftausbau durchsetzen könne.

Von St. Peter aus unsichtbar, werden die Windräder über St. Märgen zur Bildstörung

Landschaft verstehen. Industriearchitektur und Landschaftsästhetik im Schwarzwald, so lautet der Titel eines 2005 erschienenen Bildtextbandes, den Andreas Markowsky in Auftrag gegeben hatte. Anlass dafür war damals der Streitfall um zwei Windräder auf der Holzschlägermatte am Freiburger Hausberg Schauinsland; das hierfür erstellte Sachverständigengutachten zur Landschaftsverträglichkeit war so grundlegend ausgefallen, dass es auf Wunsch des Auftraggebers auch in üppig bebilderter Buchform erscheinen sollte. Doch als der Gutachter, der Freiburger Richard Schindler, Künstler und Leiter eines „Instituts für Visual Profiling & Visual Resources Development“, den Band der Öffentlichkeit vorstellte, erntete er damit vorwiegend Unverständnis, Hohn und Spott. Nicht beim Auftraggeber, versteht sich, der Betreibergesellschaft „regiowind Verwaltungs-GmbH“; desto mehr in den Leserbriefspalten: Selbst im Leserforum der (ansonsten eher Windkraft-freundlichen) Freiburger Badischen Zeitung mochte niemand applaudieren. Stattdessen beklagte man sich über die Einseitigkeit von Schindlers „Landschaftsbildanalyse“ und deren künstlerische Schalmeienklänge, auch warnte man vor Übertreibungen der Lobbyarbeit oder gratulierte zur Satire. Die Windkraftanlage als „Glücksfall“ für die Schwarzwaldlandschaft, als „skulpturale Bereicherung“, der Schwarzwald als Spielwiese von LandArt-Künstlern, das war den Lesern denn doch zuviel des Guten.

„Erzwingen die Windkraftanlagen eine Fixierung des Blicks? Verhindern sie dadurch die Wahrnehmung der Landschaft? Lenken sie unsere Aufmerksamkeit auf sich?“ (R. Schindler 2005)

Der Windkraftunternehmer und Autor von Klimaschänder scheint unterdessen nichts dazugelernt zu haben. Dass naturnahe, wenig belastete Kulturlandschaften, zumal Vorranggebiete für Erholung und Ökologie vom touristischen Ruf des Schwarzwalds, in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten  deutschlandweit zur äußerst knappen Ressource, ja, zum absoluten Minimumfaktor zusammengeschrumpft sind, ist bei ihm nicht angekommen. Auch dass, neben Klima-, Biotop- und Artenschutz, auch der Landschaftsschutz ein gesetzlich verbriefter, ja sogar im Grundgesetz (Art. 20a) verankerter  Auftrag ist, kann seinen Furor gegen die „Klimaschänder“ nicht besänftigen. Als ob die Rechtsprechung nicht auch den § 1 Abs. 1 Pkt. 3 des Naturschutzgesetzes zu beherzigen hätte, wo es noch immer heißt: „Natur und Landschaft sind auf Grund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlagen des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, dass die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert ist.“ Zugegeben: das Schutzgut „schöne Landschaft“ ist in den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen längst zu einem windelweichen Kriterium verkommen. 

Windräder der heutigen Generation sind mit bis zu 250 m Gesamthöhe doppelt so hoch wie der Freiburger Münsterturm – sie natur- und landschaftsverträglich erstellen zu wollen, ist bare Illusion. Darf unterm Vorzeichen des Klimawandels nun dennoch jeder als „Klimaschänder“ verunglimpft werden, wer immer sich in sensiblen, bislang noch wenig belasteten Landschaften mit nachvollziehbaren Argumenten gegen die drohende Verspargelung zur Wehr setzt? Müssen wir deren Industrialisierung (durch Überstellung mit „Industriearchitektur“ gigantischen Ausmaßes) tolerieren, weil wir uns doch quasi bereits in einem übergesetzlichen Notstand befinden, in welchem wir  uns Landschaftsschutz einfach nicht mehr leisten können? 

Der streitbare Andreas Markowsky kämpft gegenwärtig um die behördliche Genehmigung des Repowerings seiner beiden in die Jahre gekommenen Windräder auf der Holzschlägermatte. Die beiden sollen künftig durch eine einzige neue, umso leistungsfähigere Windenergieanlage mit 230 m Höhe ersetzt werden. Dafür sind zwei weitere 245 m hohe Anlagen auf dem Taubenkopf geplant. Jetzt fehlen sie eigentlich nur noch oben auf dem Kamm des Hausbergs – wo die windschiefen Buchen Windmüllern doch schon immer superoptimale Windhöffigkeit angezeigt haben. Doch womöglich würden ihnen auch dort die Klimaschänder wieder einen Strich durch die Rechnung machen wollen.

Wo bleiben nur die Windräder auf dem Kamm des Freiburger Hausbergs?