Und jetzt auch noch der Goldschakal

Und jetzt auch noch der Goldschakal

2. Dezember 2021 3 Von Wolf Hockenjos

Ist der Klimawandel schon so weit fortgeschritten, dass nächstens auch mit dem Auftauchen von Hyänen zu rechnen ist? Als ob nicht schon Wölfe und Luchse, die zugewanderten großen Beutegreifer, für genügend Aufsehen und Aufregung sorgen würden, die einen vorzugsweise aus Nordosten stammend, die letzteren aus Süden, aus der benachbarten Schweiz, wo sie anfangs der 1970er Jahren wieder eingebürgert worden waren. Jetzt also auch noch ein Zuwanderer aus Südost (Balkan, Vorderer Orient), von dem die meisten von uns bislang noch nie Notiz genommen hatten.

„Weidetiere statt Raubtiere!“, unter diesem Motto mitsamt einem zähnefletschenden Wolf auf den Plakaten machen Schwarzwälder Höhenlandwirte derzeit Front gegen die Neubürger. Wo sich seit Jahren doch schon die Meldungen über Risse häufen; meist trifft es zwar Rot- und Rehwild, aber eben auch Schafe und Ziegen. Sorgfältigst werden sie von einem Monitoringteam der Freiburger Forstlichen Versuchsanstalt (FVA) dokumentiert, obendrein durch das Frankfurter Senckenberg Forschungsinstitut analysiert, um dann per Kotproben und molekular-genetischem Nachweis den jeweiligen Verursachern zugerechnet zu werden.

Keine Sympathiebekundung an Schwarzwälder Wanderwegen.

Weil heutzutage nicht nur Bahnhöfe und Banktresen, sondern auch Wald und Flur mit einem zusehends engmaschigeren Netz von Kameras überwacht werden, konnte das Stuttgarter Umweltministerium seine aufsehenerregende Pressemitteilung vom 12. 11. 2021 sogar mit einem Fotobeweis garnieren: Es zeigt einen, ja was denn nun – einen Fuchs oder Wolf? Nein: einen Goldschakal, der im Schwarzwald-Baar-Kreis in eine Fotofalle getappt war, einen nachtaktiven Zuwanderer, wie er vereinzelt auch zuvor schon in Deutschland nachgewiesen worden war, der allererste 1997 in Brandenburg.

Doch diesmal war eine Sensation zu vermelden: Im Oktober waren zwischen Schwarzwald und Alb gleich zwei Tiere fotografiert worden, die sich – in Deutschland eine Uraufführung – als Paar identifizieren ließen. Und eine Woche später konnte in einer weiteren Pressemitteilung des Umweltministeriums sogar berichtet werden, dass das Paar bereits für Nachwuchs gesorgt hatte: Am 26. Oktober 2021 hat eine Wildkamera der FVA auch noch einen Welpen ertappt.

Wildtierkamera für die Tag- und Nachtüberwachung von Wald und Flur.

Grund genug für Panik und Raubtierängste, gar für Angst vor einer neuen, vom Klimawandel ausgelösten Migrationwelle? Eigentlich sieht er auf dem Foto doch recht harmlos aus, jedenfalls nicht eben furchteinflößend, sondern eher nach Fuchs als nach Wolf, auch wenn er zweifelsfrei der zoologischen Familie der Hundeartigen zugeordnet ist, wie schon Canis aureus, sein lateinischer Fachname, beweist. Weil die Art, im Gegensatz zu Wolf und Luchs, hierzulande nie heimisch war, sprechen Biologen von einer echten Neubesiedelung Mitteleuropas, jetzt erstmals manifestiert durch den Fortpflanzungsbeweis aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis.

Goldschakal (Foto FVA)

Sein breites Beutespektrum, das vor allem aus Kleintieren und Insekten, aus Aas, bisweilen aber auch aus pflanzlicher Kost besteht, lässt ihn kaum als bedrohlich, gar als Beutekonkurrenten der Jäger in Verdacht geraten. Weder für Tierhalter noch für hiesige Ökosysteme dürfte er so zum Problemfall werden, anders als die vielen durch den Menschen und seine globalisierte Wirtschaft eingeschleppten Neozoen und Neophyten.

Am wohlsten fühlt er sich offenbar in Agrarlandschaften. Dennoch liegt die Vermutung aufgrund seiner heimlichen und zumeist nächtlichen Jagdweise nah, dass in Wahrheit schon sehr viel mehr Goldschakale „undercover“ (so die Süddeutsche Zeitung vom 29. 11 2021) eingetroffen sein könnten als sie bisher nachgewiesen wurden. Noch sind sie nach deutschem Jagdgesetz nicht als jagdbar vorgemerkt, wohingegen Österreich damit bereits vorgeprescht ist. Wohl aber haben sie gemäß europäischem Naturschutzrecht als schützenswerte Art zu gelten, deren günstiger Erhaltungszustand gemäß Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH) sicherzustellen ist.

Wie also umgehen mit dem Neuankömmling? Mit Skepsis und Ablehnung, oder mit Sympathie angesichts des weltweiten Artenschwunds und mit Respekt vor seiner Wanderleistung? Für neue -wildbiologische Forschungsprojekte ist jedenfalls gesorgt.