Nachdenkliches zur Kulturgeschichte

Nachdenkliches zur Kulturgeschichte

4. September 2024 0 Von Ursula Albert

Bitte kein Kulturdilettanten,- und Banausentum in der Stadt aufkommen lassen!

1. Version vom 10. Januar 2021 von Ursula Albert

Kürzlich hielt ich ein altes Bertelsmann Volkslexikon von 1957 in den Händen, da ich gerade im Bücherregal auf Weihnachten hin aufgeräumt hatte. Dort heißt es über Hüfingen:

„Hüfingen bad.-wütt. Ort an der Breg 2800 Einwohner, Fürstenbergsches Schloß; röm. Ruinen.

Die wenigen Angaben über Hüfingen sind meines Erachtens kurz aber doch sehr zutreffend.

Der alte Eingang 1970

Aquatinta von W. Scheuchzer und G.L. von Kreß sc. Verlag J. Velten in Karlsruhe etwa 1825

btr

Die Römische Badruine in Hüfingen 2021

Alsbald gingen mir verschiedene Dinge und Namen gleichzeitig durch den Kopf. Da war zum Einen das unglücklich geplante Neubaugebiet Hondinger Straße in Fürstenberg, mit welchem sich der Hüfinger Gemeinderat schon längere Zeit befasst; zum Anderen kam mir das Berliner Stadtschloss besser als Humboldt Forum bekannt, welches überregional in aller Munde ist, da es kürzlich fertiggestellt und digital eingeweiht wurde, in den Sinn.

Und zu guter Letzt fiel mir beim Aufräumen noch ein Büchlein von Roland Sigwart im Regal , mit dem Titel: „Hüfingen: Geschichte, Ökologie, Kunst“ – in die Hände. Auch die Herren – Hans von Schellenberg,  Paul Revellio, sowie Alois Hirt – kamen mir in den Sinn. Letztere Kurzbiographie kannte ich noch aus dem Sternen in Behla, in welchem ich mit meiner Familie gerne zum vegetarischen Essen einkehrte, als es diese Gaststätte unter dem Küchenmeister Bernhard Kaiser noch gab.

Sie werden sich jetzt sicherlich fragen, was dies alles miteinander zu tun hat?

Zuerst möchte ich den Bogen von Behla zum Berliner Humboldt Forum spannen. Im Sternen in Behla gibt es bzw. gab es beim Stammtisch die sogenannte Aloys Hirt Stube, welche von Emil Baader aus Göschweiler erdacht und eingerichtet wurde.

Aloys Hirt // Foto: Universitätsbibliothek Trier, aus: Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Land- Haus- und Staats-Wirthschaft, Band 137, Berlin 1824,  Frontispiz“

Auf Wikipedia heißt es sinngemäß zu Aloys Hirt:

Aloys Hirt, geboren 1759 in Behla, heute Stadt Hüfingen gestorben 1837 in Berlin, war ein deutscher Klassischer Archäologe. Er war der „erste“ Professor für Archäologie an der neu gegründeten Berliner Universität und gilt als Mitbegründer der Berliner Museen – Hirt wird der Berliner Klassik zugerechnet. Er war mit vielen Persönlichkeiten seiner Zeit gut befreundet u.a. mit Johann Wolfgang von Goethe. Hirt trug den Titel eines Fürstlich Weimarischen Rates.

Hans der Gelehrte von Schellenberg
nach einem Ölgemälde.*

Hans der Gelehrte von Schellenberg gilt wiederum in Hüfingen als der erste, welcher die außergewöhnliche Römische Geschichte der Stadt erkannt und in seinen Briefen an den Schaffhauser Gelehrten J.J Rüeger zu Beginn des 17. Jahrhunderts darüber berichtete. Mein Mann befasst sich schon längere Zeit mit dem Briefwechsel der beiden Forscher.

Der Hüfinger Gymnasialprofessor Paul Karl Revellio wiederum war federführend Anfang des 20. Jahrhunderts an den römischen Ausgrabungen in Hüfingen und der villa rustica bzw. der Ziegelei in Fürstenberg beteiligt. Übrigens promovierte Revellio mit einer Arbeit über den Hüfinger Stadtherrn Hans von Schellenberg. Die Römischen Anlagen in und um Hüfingen herum sind von unschätzbarem Wert, nicht zuletzt deshalb, weil Hüfingen der erste große römische Stützpunkt an der alten Römerstraße aus der Schweiz kommend auf deutschem Staatsgebiet nördlich des Rheins gilt.

Paul Revellio
(* 24. September 1886 in Hüfingen; † 1. Juli 1966 in Villingen)

Um welche Bauwerke und Funde handelt es sich im Einzelnen in und um Hüfingen?

Hier wäre zuerst einmal das Römische Kastell auf dem Galgenberg mit der dazu-gehörenden Badeanlage in der sogenannten Anlage zu nennen. Flankiert wurde diese militärisch wichtige Einrichtung von den Römischen Gutshöfen (villa rustica) im Hüfinger Deggenreuschenwald, in Hausen vor Wald und im Stadtteil Fürstenberg in dem Bereich des geplanten Baugebiets Hondinger Straße.

Hinzu kommen unzählige archäologische Ausgrabungsstücke, die besondere Plätze im Museum für Ur und Frühgeschichte – dem Colombischlössle in Freiburg einnehmen.

Geplantes Baugebiet Hondinger Straße in Fürstenberg

Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass der Hüfinger Bürgermeister im Vorfeld der Beratungen den Gemeinderat nicht über die Existenz diese archäologisch wichtige Bauwerke in Kenntnis gesetzt hat. Auch wurde die Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege bei der ersten Offenlegung nicht berücksichtigt. Mein Mann hat in der entsprechenden Gemeinderatssitzung deutlich darauf hingewiesen. Leider hat dieser Sachverhalt bei allen anderen Gemeinderatsfraktionen außer der BFSO/DIE GRÜNEN-FRAKTION keinerlei Resonanz gefunden. Die Frage wäre nun vor allem, muss so ein wichtiges Areal überhaupt überbaut werden? Andere Städte und Gemeinden würden uns um unser geschichtliches Erbe und um die drei außergewöhnlichen Forscherpersönlichkeiten beneiden.

Was würden diese drei Herren sagen, wenn sie den Fortgang der Planungen in Fürstenberg sehen könnten? Wahrscheinlich würden sie sich nicht nur einmal im Grabe herumdrehen!

Es bleibt zu hoffen, dass sich die eine oder andere verantwortliche Person noch besinnt und dieses mehr als fragwürdige Unterfangen auf den Prüfstand stellt. Normalerweise lässt so ein geschichtliches Erbe wie das von Hüfingen einer Lokalpatriotin bzw. einem Lokalpatrioten das Herz höher schlagen! Aussage unseres heutigen Bürgermeisters zur Hondinger Straße: „Die Kinder wollen Bauplätze und keine römische Villa“!

Vor einhundert Jahren gab es in Hüfingen jedenfalls mit Josef Bausch einen Bürgermeister, „welcher mit viel Demut und Verantwortung auf die hiesige Geschichte geblickt hat„, um Paul Karl Revellio zu zitieren! Unser heutiger Bürgermeister sollte sich von ihm eine Scheibe davon abschneiden.

*Chronik von Hüfingen von August Vetter 1984