Hüfingen bleibt selbständig

Hüfingen bleibt selbständig

12. November 2023 2 Von Peter Albert

Beitrag vom 7. November 2021

Sofort wurden bei mir Erinnerungen geweckt, als ich kürzlich zwei alte Fotos aus der Zeit der Gemeindereform vor fast 50 Jahren in die Hände bekam.

Von 1971 bis 1973 fand in Baden-Württemberg die Gemeinde- und Kreisreform statt. Unter dem bis heute umstrittenen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Hans Filbinger, sollten die Kommunen und Kreise des Landes fit für die zukünftigen Aufgaben gemacht werden. Gleichzeitig war der Plan, die ehemaligen Länder Baden, Hohenzollern und Württemberg besser miteinander zu verschmelzen. Inwieweit diese großen Ziele überall im Ländle gelangen, bleibt fraglich.

Beispielsweise kann man über die Neugestaltung des Landkreises Schwarzwald- Baar geteilter Meinung sein. Der Teufel sitzt leider wie so oft im Detail. So haben beispielsweise die beiden Stadtteile Villingen und Schwenningen bis heute unterschiedliche Telefon-Vorwahlnummern.

Für mich wäre es sinnhafter gewesen, wenn die Baar nicht mit großen Teilen des Schwarzwaldes verschmolzen worden wäre, und als eigenständige Raumschaft mit historischem Hintergrund sowohl im ehemals badischen und württembergischen Landesteil neu entstanden wäre. So hätte beispielsweise die alte Baarstadt Löffingen viel besser in einen Baarkreis gepasst. Sicherlich war auch der alte Landkreis Donaueschingen mit seiner über 50 km Ost-West Ausdehnung ein unnatürliches Gebilde, aber bei der Neugestaltung des Landkreises Schwarzwald-Baar wurde seinerzeit eine historische Chance verpasst.

In den frühen 70er Jahren war von der Landesregierung auch angedacht worden, dass viele Gemeinden und Städte ihre Selbständigkeit verlieren sollten – darunter auch die Stadt Hüfingen. Die hohe Politik in Stuttgart hatte sich in Gutsherrenmanier in den Kopf gesetzt, Donaueschingen für den Verlust des Kreissitzes dadurch zu entschädigen, dass Hüfingen kurzerhand einverleibt werden könne. Doch leider hatten die großkopfenden Landeshauptstädtler die Rechnung ohne den Wirt – die Hüfinger-Bürger*innen – gemacht.

Auch an der Hüfinger Fasnet wurde das Thema „Hüfingen bleibt selbständig“ behandelt.

Lukas Riedlinger im Gasthaus Löwen.

Doch von Anfang an:

Das Vorhaben. Hüfingen der ehemaligen Kreisstadt Donaueschingen zuzuschlagen, stieß in der alten Baarstadt, die 500 Jahre Residenz und Amtsstadt war, auf breiteste Ablehnung. Umgehend wurden Gegenmaßnahmen seitens der Hüfinger Bürgerschaft ergriffen. Man erinnerte sich auch gleich wieder an den verunglückten Versuch der Donaueschinger Nazis in der Zeit des Dritten Reichs Hüfingen wie kurz zuvor Allmendshofen zwangseinzugemeinden. Im Nazi-deutschland war der handstreichlerische Versuch seitens Donaueschingen kläglich gescheitert!

Die Gerüchteküche brodelt!

Auch die Gerüchteküche in Hüfingen brodelte anfangs der 70er-Jahre heftig, da in Donaueschingen Bürgermeisterwahlen anstanden und Robert Schrempp altershalber nicht mehr antreten wollte. Hüfingens Bürgermeister Max Gilly, so dass Gerücht, spielte mit dem Gedanken, sich um die Stelle der neu entstehenden großen Kreisstadt Donaueschingen zu bewerben und deshalb die geplante Eingemeindung nicht genügend zu bekämpfen.

Auch die Bürger*innen von Hüfingen wurden zum drohenden Verlust der Selbständigkeit des Städtles befragt. Das Votum viel mehr als eindeutig aus!

Bei einer Wahlbeteiligung von 92,4% stimmten 97% der Wahlberechtigten für die Selbständigkeit.

Auch eine Kundgebung vor dem Rathaus am 24. März 1973 bildete die Bürgermeinung klar ab.

Autos entlang der Straße zum Kurhaus mit verdutzten Bad Dürrheimer Bürger*innen.

Auf nach Bad Dürrheim!

Die wohl interessanteste und ausschlaggebendste Aktion war aber die selbstbewusste Demonstration Hüfinger-Bürger*innen in Bad Dürrheim kurz vor der erwähnten Kundgebung in Hüfingen selbst. Was sich da am 17. März 1973 in der kleinen Kurstadt und vorher auf der alten B 27 abspielte war schon bühnenreif. An diesem Tag fand in „der guten Stube“ der Kurstadt, dem Kurhaus, eine Mitgliederversammlung der CDU statt. Das alles beherrschende Thema war die anstehende umstrittene Kreis- und Gemeindereform. Hauptredner war der damalige Staatssekretär im Innenministerium und spätere Ministerpräsident Erwin Teufel, der von seinem Ressortchef Innenminister Karl Schiess beauftragt wurde, den CDU Mitglieder*innen das Projekt schmackhaft zu machen.

Schiess, auch durch seinen Erlass (Schiess-Erlass) bekannt, hatte die Überprüfung aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf ihre Verfassungstreue angeordnet.

Eigentlich hätte er es besser wissen müssen, da er den alten Kreis Donaueschingen sehr gut kannte.

Mit „Beckmesserischer Verbissenheit“ versuchte sein Staatssekretär Teufel die CDU Mitglieder*innen von der Sinnhaftigkeit der einschneidenden Reform zu überzeugen. Die Anwesenden wurden von der spontanen Hüfinger-Demonstration völlig überrascht, die sich spontan Einlass in den Kursaal verschaffte.

Der abgebildete Traktor mit Frontlader neben dem Polizeiauto gehörte meinem Vater Adolf Albert.

Im jugendlichen Alter zum ersten Mal an einer Demonstration.

Für mich als 14-jährigen Jugendlichen war das ein einprägsames Erlebnis, das mir bis heute in bester Erinnerung geblieben ist. Leider konnte ich damals die Zusammenhänge und den politischen Hintergrund noch nicht richtig einschätzen.

In einem kürzlich geführten Gespräch mit dem ehemaligen Kreisvorsitzenden der CDU – Klaus Panther -, an welchen mich der bestens bekannte Bad Dürrheimer Hansjörg Häfele verwiesen hatte, wurde mir die Tragweite bewusster.

Mein späterer Lehrherr, Zimmermeister Lukas Riedlinger, bildete die Speerspitze der Aktion im und um das Kurhaus herum. Als Gemeinderat und Kreisrat des alten Landkreises Donaueschingen prallte er am Rednerpult mit Erwin Teufel sprichwörtlich zusammen. Die beiden lieferten sich einen rhetorischen Schlagabtausch, in dessen Verlauf Erwin Teufel immer wütender wurde. Klaus Panther musste Teufel mit dem Satz „Menschenskinder, so geht das doch nicht“ – zur Ordnung rufen.

„Lukas Riedlinger hat Hüfingen gerettet“ und „der Riedlinger hat sich nichts gefallen lassen und hat das mit der Demonstration geschickt ausgenutzt“ – so die Aussage von Panther. Damit hatte niemand mehr so richtig gerechnet.

Von meinem späteren Lehrmeister Lukas Riedlinger habe ich in Sachen Demokratieverständnis noch so einiges gelernt.

Er bleibt nicht nur mir in guter Erinnerung.

Ich würde mich sehr freuen, wenn sich auf diesen Artikel hin noch weitere Zeitzeugen melden.

Lukas Riedlinger am 1. November 1974