Denkanstoß am Waldeingang

Denkanstoß am Waldeingang

13. Oktober 2022 1 Von Wolf Hockenjos

Neuerdings zeichnen sich Fürstlich Fürstenbergische Wälder durch ein besonderes Erkennungsmerkmal aus: eine über mannshohe, an Holzpflöcken befestigte, orange gefärbte Acht. Aufgestellt wurde die Ziffer jeweils an beliebten Ausgangspunkten für Waldspaziergänge und Wanderungen, so etwa am Torhaus des Unterhölzers (s. Foto), des einstigen Wildparks. Ob der Waldbesucher allerdings auf Anhieb zu entschlüsseln vermag, was es auf sich hat mit der ominösen Zahl? Handelt es sich womöglich um das Projekt eines Land-Art-Künstlers oder gar um die leicht verfremdete Aufforderung des Waldeigentümers, Acht zu geben auf Wald und Wild, nicht zu lärmen oder sich sonst wie ungebührlich zu benehmen? Oder stehen wir vor der Station eines neuen Walderlebnisparcours?

Alles falsch: Das geschulte Auge erkennt natürlich sogleich den an der Gürtellinie der Acht angebrachten QR-Code, der Auskunft geben könnte, so wie unlängst ja auch schon der elektronische Corona-Impfnachweis. Doch leider soll es noch immer digital unterbelichtete Menschen geben, die App-frei durch den Wald flanieren, zumeist Besucher der älteren Generation, die noch immer kein Smartphone mit sich führen, sich dessen Anschaffung und Gebrauch sogar absichtlich versagen und sich stattdessen selbst im finstersten Terrain mit einem Handy älteren Baujahrs samt Notrufnummer begnügen. Jetzt freilich heißt es für sie zuwarten, bis sich endlich jemand ihrer erbarmt und darüber aufklärt, was es mit der Acht auf sich hat.

Doch prompt lässt sich diesmal Keiner blicken, weshalb die Auflösung des Rätsels verschoben werden muss bis zur Erörterung im Freundes- und Kollegenkreis, gar bei Google: Der Forstbetrieb Fürst Zu Fürstenberg GmbH & Co. KG, erfährt man, der im Südbadischen 18.000 Hektar (den zweitgrößten Privatwald unseres Bundeslandes) bewirtschaftet, weist mit der Acht auf nichts Geringeres hin als auf die Leistung des Waldes zur Eindämmung der Klimakrise. Mithin auf den Umstand, dass im Fürstlich Fürstenbergischen Wald pro Jahr und Hektar – unentgeltlich – 8 Tonnen klimaschädliches CO2 in Holzwachstum und Waldboden eingelagert werden – zumindest bis zur Holzernte und danach weiter in Dachstühlen und Möbeln! In alten, vorratsreichen und noch halbwegs intakten Naturwäldern mögen es jährlich sogar 10 Tonnen pro Hektar sein, doch der Waldeigentümer übt sich mit der 8 in Bescheidenheit: Wohl wissend, dass seinem von der Fichte, dem Brot- und Katastrophenbaum, dominierten Wald nicht das allerökologischste Image anhaftet, speziell auch der Holzerntepraxis mit tonnenschweren Harvester- und Forwardermaschinen auf überbreiten Maschinengassen in allzu engen 20-Meter-Abständen. Womit leicht einmal ein Fünftel bis ein Viertel der Holzbodenfläche fürs Baumwachstum, für Bodenorganismen und damit auch für den Klimaschutz verloren geht. Wie denn auch durch Kahlschläge (im Fachjargon eher „Räumungen“ genannt) ebenso wie durch Sturm- wie Käferflächen das gespeicherte Treibhausgas vorzeitig wieder in großen Mengen freigesetzt wird.

Wie viele Tonnen CO2 vermag der F.F. Fichtenwald zu speichern?

Umso eifriger setzt der F.F. Forst daher auf ein zweites wirtschaftliches Standbein: auf Windenergieanlagen. Derzeit sind es im fürstlichen Wald zwar erst deren sechs, doch weitere 50 (!) sollen folgen, wie Forstchef Dr. Jens Borchers kürzlich dem Schwarzwälder Boten (v. 6. August 2022) anvertraute. Denn nichts gilt heutzutage als profitabler in der deutschen Forstwirtschaft als die Verpachtung von Waldstandorten an Windenergieunternehmen. Vorreiter dieser Entwicklung ist der baden-württembergische Staatswald, der laut grün-schwarzem Koalitionsvertrag Standorte für 1000 Windräder einzubringen hat. Wie sich herumgesprochen hat, belaufen sich die hierbei zu erzielenden Pachteinnahmen (je nach Windhöffigkeit und Erschließung) pro Windrad und Jahr leicht auf Beträge zwischen 15.000 bis maximal 80.000 Euro; dies auf einer Fläche, wo der waldwirtschaftliche Ertrag bestenfalls ca. 300 Euro pro Jahr und Hektar beschert – was für eine Spanne, was für ein Reibach, und das auch noch als heiß ersehnter Beitrag zum Gelingen der Energiewende! Wo Baden-Württemberg bei der Windenergie doch nach wie vor Schlusslicht ist unter den Bundesländern. Gerade mal drei Windräder konnten 2022 aufgestellt werden. Da ist es denn auch kaum verwunderlich, dass im nämlichen Pressebericht auch vehement geklagt wird über den Artenschutz als dem „größten Windkraftverhinderer“: Im Schwarzwald seien es die letzten Auerhühner, deretwegen weite Teile nicht verplant werden dürfen, wiewohl diese Art, bei globaler Betrachtung, doch gar nicht bedroht sei. Und auf der Baar sei es der Rotmilan, mit dem Windräder ausgebremst werden, obwohl sein Bestand doch zunehme.

Außer Betracht bleibt freilich, dass für den Bau einer einzigen Windenergieanlage heutiger Größenordnung inklusive der erforderlichen „Zuwegung“ ca. ein Hektar Wald gerodet werden muss. Das macht, so sich die Absicht des F.F. Forstbetriebs realisieren lässt, pro Jahr (56 Windräder mal 1 Hektar mal 8 Tonnen) 446 Tonnen, die in der „CO2-Senke Wald“ ungespeichert bleiben. Womit der ökologische Rucksack freilich noch längst nicht vollgepackt ist: Natürlich sind in der Aufrechnung auch die immensen CO2-Mengen hinzuzufügen, die bei der Fertigung von Beton und Stahl emittiert werden, desgleichen jene bei der Fertigung der Rotorflügel aus kohlenstofffaserverstärkten Verbundwerkstoffen und tropischem Balsaholz, beim Schwerlastverkehr für Bau und Wartung, letztendlich auch noch bei Entsorgung und Renaturierung. Und dass zur Ökobilanz schließlich auch Rand- und Folgeschäden am aufgerissenen Waldbestand zählen sowie die Schlagopfer an Vögeln, Fledermäusen und Fluginsekten, erst recht nicht zu vergessen der Verlust an Naturlebensraum, an Naturerlebnisraum und an unbelasteter Landschaft. „Windräder im Wald“, so ließ sich unlängst Deutschlands bekanntester Förster und Bestsellerautor, Peter Wohlleben, vernehmen, „sind Schwachsinn im Quadrat!“ Denn in der Tat stellt sich hier die Sinnfrage: Ist Windenergiegewinnung in Wäldern denn überhaupt relevanter Klimaschutz, wo es doch die Bäume sind, die, nebst den Mooren, das CO2 am verlässlichsten speichern und unschädlich machen? Dass Sachsen und Thüringen Windräder im Wald noch immer kategorisch ausschließen, mag bezeichnend sein für dieses Dilemma – von der anhaltenden Diskussion um die Windkraftnutzung in den Wäldern touristischer und ökologischer Vorranggebiete einmal ganz abgesehen. Man könne den Menschen zumuten „in den Schwarzwald zu schauen und Windräder zu sehen“, so zitiert der Schwarzwälder Bote den F.F. Forstchef.  Unausgesprochen bleibt: Man wird in seinem Wald doch auch noch Geld verdienen dürfen mit der Energiewende.

Seltsam, was einem nicht alles durch den Kopf geht angesichts einer Acht in der Warnfarbe Orange am Waldeingang!

Profitable Waldwirtschaft auf dem Amtenhauser Berg: Blick vom Fürstenberg über den Wartenberg auf den F.F. Windpark